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Dresdner Nachrichten : 10.10.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189610101
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18961010
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18961010
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-10
- Monat1896-10
- Jahr1896
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- Dresdner Nachrichten : 10.10.1896
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Arab w,d besUmmt« eiaenhSiidia dir Inschrift: ,.L ll." — Die Untersuchung hat ergeben, bah die ar Bomb« vom Concvrdienplab in der Tvat ein Feueiwei tvar. -- Im Schloßhoie von Versailles batte sich kur, v (karnot angebliche ... . .... FeuerwerkSkörper -ckloßhose von Versailles batte sich kurz vor dem Eintreffen des EzarenpaareS rin Unfall ereignet. Die Pferde vor dem Wagen des früher eingetrofscnrn FinanzmintsterS Eochcrp scheuten knsolae eines Kanonenschuss«» inmitten der Menge; acht Personen wurden verlebt, darunter eine Dame. Frau Basset. die Gattin eine» GeiieralstabS-MaiorS. gefährlich: ein Herr und ein Mädchen muhten in den ersten Stock de» Schlosses gebracht werden, um verbunden zu werden. Wäre nicht ein muthlgcr Pferden in die gefallen , veranlagte oirerr ourcn : die Verhaftung seines sröhnen. den Wagen all hat bedeutende Auf- Mann au- der Zuschauerreibe den und Hütte sie zum Stehen gebracht, io hätte der Unsall schwerere Folgen gehabt. Der Czar und die Czarin bemerkten den Unsall. erschraken merklich und der Czar rief, a»znhalten, woraus das Czarenpaar mit bewegten Mienen nach der Unfallstelle schaute. Von den acht Verlebten sind fünf schwerverwundet, die Offiziers- trau Basset, der die Pferde die Stirnknoche» zerschmetterten, hoffnungslos. Der Jinanzminister Cocheni vcranlaßte direkt durch den anwesenden Versailler Staatsanwalt Kutschers, der, um seiner Neugierde zu führerlos hatte stehen lassen. Der Unfall hat regung verursacht und beeinflußte auch die Soiree tm Schlosse, >vo die Stimmung darunter litt. DaS Czarenpaar lieh wiederholt Erkundigungen elnzieben nach dem Zustand der Verlebten. — Bei der Besichtigung des Versailler Schlosses verweilte der Czar auf fallend lange in der Spiegelaalerie. Keiner der Anwesenden sprach von de» Ereignissen des Jahres 187t, doch der Czar kannte dir Oertlichkeit genau und heftete den Blick lange ans die historische Stelle der Proklamirnng de§ Deutsche» Kaiserreiches. An der Galatasel, welche Abends im Schloss nallsand. »ahm auch der Prä- sidrnt des Pariser Gemcinderathes Vaudin mit seiner Gemahlin Theil. Der Czar konvcrsirte einige Minute» mit ihm. Beim Besuche des Pariser Stadthauses wurde zum ersten Mal das Wort »Bundesgenosse- mlliäs ausgesprochen, allerdings uv» einer wenig maßgebenden Persönlichkeit, dem Stadtraths- vorsibenden Baudin. Cr sagte: -Das Pariser Volk, das in Cw. Majestät seinen Gast und den Bundesgenossen der fraiirvsischen Republik feiert, hat seine Arbeit unterbrochen, uni Cw. Majestät und Ihrer Majestät der Kaiserin die Huldigung darzubringen, die die Ueberlieserungen, die Vaterlandsliebe und der Glaube an die Geschicke der beiden großen Freundcsvvlker ihm gleichmäßig ab- nvthigen.- Der Czar erwicderte: »Ich wußte, welcher Empfang meiner im Pariser Stadthaus harrte, ich habe den Cinpjang nicht vergessen, den der Pariser Siadtralh den Offizieren meiner Flotte bereitete. Ich danke Ihnen aufrichtig und bitte Sie. meinen Dank und den Ausdruck meiner lebhaften Sninpathie dem Pariser Volke zu übermitteln." Als das Kaiserpaar das Stadthaus verließ, ent stand ein fürchterliches Gedränge: die Polizei hatte mit gewohnter Sorglosigkeit den Platz und die Straßen vom Volk überschwemmen lassen und ganz vergesse», daß das Kaiserpaar nicht ewig im Siadihame bleibe» wurde. AIS der Czar gehen wollte, erkannten der Präsekt und die Obcrbeamten entsetzt die Unmöglichkeit, auch nur ein Wiesel durch den Menschenwald schlüpfen zu lassen, diu» gaben sic den Befehl, um jeden Preis Lust zu schassen. Einige hundert Schutzleute und ein Nciter-Neginieni gingen gegen das Volk mit äußeister Schärte vor. ES folgten zehn Minuten unbe schreiblichen Tnmnlls mit gräßlichem Geschrei, Pserdcgestampf, Hieben und Stößen. Tann konnte der kaiserliche Wage» aller dings abfahren, allein gegen hundertvierzig — nichtamtliche Schätzungen sagen dreihundert — ohnmächtige, gcguctschle oder sonn verletzte Personen wurden vom Platz getragen. Es ist ein Wunder, daß keine Todesfälle vorkamcn. Donnerstag Abend fand in Versailles das vom Präsidenten der Republik zu Ehren der russischen Mnicitäten gegebene Tiner statt. Tie prächtig geschmückte Tafel war in der Oallerio clo« ttnailleu gedeckt. An dem Tiner nahmen ungefähr 100 Personen Tbeil, die Alle an derselben Tasel laßen. Der Kaiser und Präsi dent Faure saßen sich gWenüber: zur Ncchtcn des Kaisers saß Madame Faure, während die Kaiserin ihren Platz zur Rechten des Präsidenten Fanre hatte. Unter den Eingeladencn befanden sich die Minister, die Präsidenten der beiden Kammern. Lonbet und Vrisson, der russische Botschaster Baron Molirenheini, der russische Volschatlsralh von Giers, der russische Milnäinttachu General Baron Fredericks, der franzvsnchc Botschaster in Peters burg Gras Montebcllv, der weiter des russischen Ministeriums des Aenßeren Schitchlin, General Boisdessie, Admiral Gervais, Haupt mann Earnvt u. A. Das Concert zn Ehren der russischen Maic- siäten begann um 10 Uhr. Beim Eintritt in den Saal sühne der Kaiser Madame Faure, Präsident Faure hatte der Kaiserin den Arm gereicht. Unter den Künstlern befanden sich Sarah Bern Haidt, Tetamun,, Cognelin, der Sänger DelmnS, die Sängerin Tclnia. Die Tänzerinnen der Oper führten alle Tänze aus. — Uni I l s , Uhr begave» die Majestäten unter begeisterten Ovationen der Menge sich durch die prächtig erleuchteten Straßen zum Bahnhöfe. Kaiser Nikolaus drückte in Versailles dem Präsidenien Faure in warmen Worten seine Bewunderung ans über die Aufrecht c,Haltung der Ordnnng trotz des außerordentlichen Menschen-Zn slnsseS und über die gute Haltung der Bevölkerung, deren Znrilie ihn lies gerührt hätten: schließlich bat der Kaiser den Präsidenten, dem Pottzcipräsekten seine Anerkennung anszudrücken. Während des Abcnds ließen der Kaiser »nd Fanre sich wiederholl »ach dem Befinden der drei bei dem Unsall während der Anfahrt schwer Ver wnndete» erkundigen. Aus dem Bahnhosssletg verabschiedete Prä sident Fanre sich von dem Kniierpaar. Ter Kaiser drückte Fanre herzlich die Hand. Letzterer küßte der Kaiserin die Hand. Das Hcmchertzaar bestieg hieraus, von Admiral Gervais gefolgt, den .Mg. Die Musik spielie die beide» Hnmnen. Der Kaiser, ent blößte» Hauptes, und die Kaveri» blieben bis znm letzten Augen blick an der Thür des Wagens: als der Zug sich in Bewegung letzte, grüßte das Kniserpaar den Präsidenten, während zahlreiche Anwesende riesen: -Es lebe Rußland! Es lebe die Kaiserin! Es lebe der Czar!" Die Abfahrt des Kaiscrpaarcs erfolgte 1i Uhr l!ö Min. Präsident Fanre fuhr mit den Ministern lO Minuten später ab. Auch ihm bereitete die Menge Ovationen. Ter Kaiser von Rußland hatte vorgestern eine halbstündige Unterredung mit dem französischen Botschafter in Sl. Petersburg, Grasen Montebello. Um die langweilig gewordene Berichterstattung über jeden Schritt des Czare» interessant zu gestalte», erzähle» die Pariser Zeitungen allerlei rührende, aber erlogene Gclchictften. So soll der Ezar anläßlich der Fuhrt über die Place de la Eoncordc das Sttaßbiirg-Deiikmal gegrüßt und dadurch den Schmerz Frankreichs über den Verlust Elsaß-LothringenS netheilt haben. Damit ver hält es sich folgendermaßen: Ter Ezar befand sich mit Fanre im Galawagen; als Letzterer das Straßburg-Denkmal paisirtc, zog Fanre, der leine Demonstration versäumt, den Hut. Der Ezar glaubte, Fanre danke der Menge für ihre Zurufe und grüßte glcich- ialls. In ähnlicher Weise wird die unbedeutendste Handlung des Ezaren in dcntschseindlichem Sinne gedeutet. Sehr bemerkenswecth ist folgender Stlmmliiigsbencht der „Franks. Ztg." aus Paris: Die Pariser haben lange vom Czare» getadelt und geträumt. Nun haben die Pariser dieses Fabelwesen endlich von Angesicht zu Angesicht ervlicki. Sie haben einen sehr vornehmen und sehr kühlen Herrn gesehen, der an den Ausbrüchen des BolkSenthusiasmuS keinerlei Anlheil nimmt, der bei diesen Ausbrüchen sich nicht gerade behaglich zu sichle» scheint, der hier und da die Hand oder gar nur einen Finger lässig grüßend a» die Mütze führt, der bleich und ermüdet drcinschant und der Alles in Allem einem Manne gleicht, der im Stillen den Augenblick heranwünicht. wo das Alles vorüber sein wird. So also sieht ein Czar in Wirklichkeit aus, und die Pariser merken, daß sic sich ihn doch vielleicht nicht ganz richtig vorgestellt haben. Wenn er vorüberfährt. so rufen sie zwar nach wie vor ibr »Vivo io Isar!" mit voller Lnngcnkrast, aber hinterdrein sparen sie mit ihren Kritiken nicht. Ja. cS giebt sogar Leute, welche sagen, daß es fraglich ist, ob der Enthusiasmus in der gleichen Stärke anhalten würde, wenn der Czar „avvo uno tato oommo oa" vierzehn Tage statt dreien durch Paris führe. Man hört außerdem von allerlei merkwürdige» Zwischenfällen. Dem Czaren wird der General Sanisier vorgestellt, und er drückt ihm einfach die Hand, wie allen Anderen, ohne sich auch nur einen Augenblick bei dem Generalissimus der französischen Armee anfzrchalten. In der Oper ist er neben Madame Fanre hcrgeaanac», ohne ihr den Arm zu geben. Madame Fanre kan» ihre Fehler haben, aber sic ist eine brave Fra», sie ist außerdem die Gemahlin des Siaatschcss, und es ist unbegreiflich, warum der Czar sie nicht geführt hat, cs sei denn, daß dies ans ausdrück liches Verlangen des Herrn Faure geschehen ist. der seiner Frau den Vorwnrf ersparen wollte, daß sic sich als Königin von Frank reich ausspiele. In der Oper haben Czar und Czar!» »u dem neben ihnen sitzenden Ehepaar Faure knnm ein Wort geredet, auch hat der Ezar nickt ein einziges Mal geklatscht, so daß die Vorstellung ganz ohne Beifall verlief. Die Aenßerilngc». die er zu den ver schiedenen Persönlichkeiten aethan hat. mit denen er sprach, sind alle kurz und konventionell Sle sind insgesamt»! von der Art deS »6'out coli»!" das er auf eine höfisch-schmeichlerische Bemerk ung oeS Herrn Ribot über den Beginn des lulsiich-sranzösijchen Einvernehmens erwiederte: noch in derselben Nacht wurde dieses monumentale coia >- durch eine eigene HavaS-Note der Welt kundaethan. Herrn Develle hat er sogar schwer verletzt, indem er ihn fragte, wann er eigentlich Minister des Auswärtige» gewesen sei. Cs ist unerhört, daß der Czar nickt einmal welthistorische Daten kennt, wie den Zeitpunkt der Minlsterschasl des Herrn Develle. Mit dem deutschen Botschaster hat er sogar mitten im Palais des Präsidenten der Republik deutsch gesprochen: was die Blätter natürlich einstimmig Ivdtschweigen. Die Parlier könnten überhaupt io manche» An!aß finden, um cinziisehe». daß sie sich in der Anschauung getäuscht habe», die sie sich von einem Czaren machte». Aber die Pariser täuschen sich eben niemals. Sie haben Recht, und nicht der Czar. Der jetzige hat eben nicht die richtige Czarenart. Ter jetzige ist kühl, aber sein Bater war warm: sein Pater hat insvcsondere Frankreich mit heißer Inbrunst geliebt, und wenn Alezander 111. »ach Paris gekommen wäre, so wäre er enthusiastischer gewesen, wie die Pariser selbst. Auch läßt die Presse keinerlei Eiittäujchung auskommen: die kritischen Acußcrungeu, die mau in Privatgcsprächcn hören kan», finden leinen Weg in die Blätter, und diese wissen nicht genug zu berichten, wie entzückt der Ezar von Paris ist. Sie überhäufen den Kaiser mit unerhörte» Schmeicheleien. Sie sprechen von nichts als von seinem edlen »nd sreimüihige» Charakter, von seiner politischen Intelligenz, von der Anniuth und deni offenen Geist, den er bei jeder Gelegenheit zeigt, von deni slaalsmäittiiichcn Geschick, mit dem er ans der Erbschaft des Vaters zwar »och keine Früchte, weil dazu die Zeit mangelte, adcr doch bereits Bllithe» gezogen, Tie letztere Wend ung bat der „Tcmps" erfunden. Sie ist sehr schon, wenn man auch nicht recht weiß, was sie sagen will. Das Pariser Publikum seinerseits hat seinen Enthusiasmus für den Czaren aus die Czarür übertragen. Der Czar ist kühl, aber die Czarin scheint von der Begeistern»« der Menge ergriffen. Sic ist hochrolh, wenn sie durch das »ibctnde Volk fährt, ihre Augen strahlen, und sic wird nicht müde, lies das Haupt zn neigen. Also gut: »Vivo 1a 1/.a,i»o!" Der Erfolg der Czarin bei den Parisern ist ein unge heurer: sic hat im Fluge alle Herzen erobert. Die Pariser haben Recht, aber Eines wissen sie nicht: Das. was sie an der Czarin bewundern: die Wärme, die Herrlichkeit, die verschämte Anmnth — das bat die Ezarin nicht in Rußland gclernl, denn sie weilt dort z» kurze Zeit, als daß sic hätte Russin werden können. Das sind Eigeinchaiten, die sie aus ihrer denischen Hcimath milbringt. Es ist deutsches Wesen, deutsches Gemülh, deutsche Weiblichkeit. Das eklatanteste Ergebniß der Rusteiift'ste in Paris ist bis setzt also der Erfolg einer deutschen Fra». Wir können ganz zufrieden damit sei». Als Stimmnngsshmptom ist aus Paris zu verzeichnen, daß sich das lächerliche Gerücht erhielt, der dcimche Kaiser sei incognito in Paris. Ter Kaiser von Rußland hat vor seiner Abreise von Paris 100,000 Frcs. für die Armen gespendet. Znm Frühstück in der russischen Botschaft war nach der „Voss. Ztg." das geschichtliche Frankreich oder was davon noch vorhanden ist, eingelaben: dcc Herzog und die Herzogin vcn Chartres, Herzog von Anmalc, Herzogin von Anmalc, der der Czar den zweiten Platz nach der Herzogin von Ehaclccs anwics. das Herzogspaar Rohan, die an den Sohn Mae Mahon'S verhcircithele Prinzessin von Orleans, das Hcrzvgspaar Luhnes, Herzogin d'Uzos. Herzog von TvndeanviUe, Giäfia Lascrronnaps. Beim Frühstück über reichte die Herzogin von Chartres dem Kaiser einen prachtvollen Rosenstrauß im Nnmca des Herzogs von Orleans, der dem Ezaren nochmals für den Beweis seiner Freundschaft danke, dea er Frank reich durch seinen Bcinch gegeben. Der Ezar nahm die Rosen und dankte verbindiich für die Gesinnungen des abwesenden Thron- präkendenten. lieber den Besuch der Wittwe Carnot's bei der Czarin liegt ein Bericht vor, welcher von Mmheilungen der Madame Carnot hcrrührt. Madame Earnot erhielt ans Cherbourg eine Depeiche mit der Aufforderung, am ersten Tage die Czarin zu besuchen. Die Begegnung beider Damen, der ringlücktichc», alternde» Wittwe des tragisch um s Leben gekommenen Präsidenten und dcc jungen Gemahlin des mächtigen Monarchen, war äußerst herzlich. Tie Czarin zeigte sich voll Theilnnhmc: sie erinnerte sich an alle traurigen Umstände des Todes Carnot's und erzählte, daß sie sich in England bei ihrer Großmutter, Königin Victoria, befunden habe, als die Mordlhat von L»on bekannt wurde, sic erwähnte der rege» Thcilnahme. welche sic schon damals gesuhlt, und des leb- hattc» Schmerzes, den Carnot's Ermordung am Hose und beson ders bei der Königin Victoria hervvrgcrnscn hatte. Ezar Nikolaus ließ Madame Earnot bitten, am Grave ihres Gatten anwesend zu sei», wenn er dasselbe besuche. Madame Earnot wurde, che sie das Bottchaslspalais verließ, »och zur Großfürstin Olga geführt. Sic küßte die achtmonatliche Großfürstin zärtlich. In Roubaix fanden niiler Mitwirkung des dortigen sozialisti scheu Gcmcindcrnths arge antirussischc Demonsttalionen statt. 2000 Sozialisten durchzogen die Straßen unter den Rusen: „Nieder mit Fanre!" „Nieder mit dem Czaren!" Ferner waren znhlrcicvc Plakate mit der Aufschrift: »Tod dem Czaren!" angeschlagen. Es sind ans diesen Anlässen 18 Verhaftungen erfolgt. Die tragische Geschichte der Familie de Lesteps ist, wie bereits kurz gemeldet, um ei» neues Kapitel bereichen worden. Der zweite Sohn dessen, den man vor den lammervolleu Panamagcschichken den »großen Franzosen" nannte, der im Jahre 1818 geborene Viktor de LesjepS ist infolge eines Sturzes von der Stiege seines Haiiscs gestorben. Er ist freiwillig in den Tod gegangen, nachdem sich seit langer Zeit der Trübsinn über den Ruin seiner Familie 'eines Geistes bemächtigt hatte. Ter ältere Bruder des Ver storbenen Charles de Lesseps ist unverzüglich, ohne sich um die möglichen Folgen dieies Schrittes zn bekümmern, aus seinem Exil in London nach Paris gceili, uni dem Verblichenen die letzten Ehren zu erweisen. Charles von Lesseps steht noch unter dem Zwange eines von dem Jnslizminister Ricard erlassenen Befehls, ihn für die Stimme von 700,000 FrcS-, zu der als Buße der ehe malige Banlcnministcr Baihaut verurtheitt worden war, mit haft bar zn machen; da Herr de Lesseps dieser neuen Verpflichtung nach Erschöpfung seines Vermögens durch die Prozeßkosten und die angcordnelen Wiedererstattungen der erpreßten dezw veruntreuten Summen nicht nachzukomnirn vermochte, so zog er die Verbannung einer »c»cn Hast bvr. Angesichts des traurigen Beweggrundes, der ihn »ach Frankreich momentan zurücktührt, wird man ein Auge ziidrückcn und ihn bis »ach der Beisetzung der sterblichen Neste seines Bruders »»bchclligt lassen. Italien. In der Provinz Palermo sind mehr als 100 Personen verhaftet worden, haupttächltch i» der Umgebung von Eorleone und Termini, die verdächtig sind, mit den dort noch vorhandenen Briganten und Bichrüiibem im Einvernehmen zu stehen. Diese plötzliche Massenverhaftting, die aus Anordiinng des Civillommiisars für Sizilien vorgcnommen wurde, erregte einiges Aussehen, um so mehr, als unter den Betroffenen auch angesehene »nd bis dahin unverdächtige Pcrionen sich befinden, und oppositionelle Blätter glaubten schon, über eine Gewalimaßrcgcl der politischen Polizei lammcrn zu tollen. ES wurde aber bald bekannt, daß es sich nur »m eine ebenso energische wie glückliche Maßregel der Sicherheits behörde handelt, unter der vielleicht mich einzelne Uiiichnldige vorübergehend zu leiden haben, die jedoch trotz ihrer iingewöhir- lichcn Form die Anerkennung aller Ordnungsliebenden verdient. Manche den besseren Klassen angehörcnde Mitschuldige des sizilicmi- schen Brigantaggio haben schon allzu lange sich der Strafe zu ent ziehen verstanden, und es gehörte ein mehr als gewöhnlicher Mulh dazu, um endlich die Hand auf sie zu legen. Spanien. Der »Figaro" meldet ans Madrid: Gegen einen General, der früher GencratstabSchef des Oberkonimandanken von Cnba. Wepler, gewesen ist, ist die Untersuchung wegen Verraths eingeieitcl worden England. Die Admiralität gab vier neue Kreuzer in Bau. Von allen Seiten wird ein furchtbarer Sturm gemeldet, der besonders ans dem irischen Meere wüthct. Bei Hvlnhcad ist ein Cchooner nntcrgegangen. wobei drei Mann um'S Leben kamen. Das Lciichtichtst bei Daunts Nock ans der transatlantischen Route, in der Nähe von Holphead. ist verschwunden. Man be fürchtet, daß die 10 Mann starke Besitzung dieses Schiffes um- gekoiiimc» ist. Bei der Insel Skomer, in der Nähe von Milford- Haven, ist ein großes Schiff getcheilert; die Man» schaff ist er trunken. Telegramme von überallher berichten von großen Ueber- ichwemmilngcn in Großbritannien. Wie verlautet, stehen die Verstärkungen des Geschwaders von Zanzibar im Zusammenhang mit der Flucht des Prätendenten Said Kalid. Türkei. Nach der „Köln. Zig" dauert der Ausruhr aus Kreta sort. Vor Kurzem verbrannten die Kreter türkische Re- gieriing-gebäude, Kasernen und Privathäuscr, die vorder von ihren Einwohnern verlassen worden wne». Eine A,,z*«k von Oft« schaffe» hat sich den Behöroen noch nicht unlerworsen, die Ein wohner verwehren den Regierunasorganen d » Eintritt in die Dörfer, Das Land zwischen Kanbia und der südlichen Rüste ist in einem Zustande unbeschreiblicher Vcrwü^ung: kein türkisches HauS, keine Moschee ist verschont geblieben; die meisten Ort schaften stehen menichcnleer, da sie ganz unbewohnbar sind. Die mnselmanffcheBevölteriliig, die »ach Kandia gestoben ist, ist außer Stande, ohne Getduinerslützung zum Wiederaniban ilner Häujcr zurückzukehren. Die Konsuln in Kanea haben trotzdem daraus ge drungen, daß die Türken, ehe sie noch eine Unterstützung empfangen haben, zurückkebrcn. Eine offizielle Mitthkilmig besagt: Die Armenier, weiche auswandern wollen, müssen sich verpflichten und eine Garantie leisten, niemals zurnckzakehren. Die bereits ausaewanderlen Armenier verliere», weil» sie nicht innerhalb eines Zeilraumes von wenigstens zwei Monaten znrückkehren, die vtlomanische Naliv- nalität. Mit fremden Püffen znrücklehrende Armenier werden nicht eingelassen. Aus die seit 20 Japren nilsgewanderten Armenier und die Mitglieder des nrmcnnchcn Komitees finden die vorslcheir den Bcstimmiingrn keine Anwendung. Tic Armenier aus nicht- türkischen Gebieten werden nicht mehr nalnralisirt. Knust und Wissenschaft. -tz In der K ö n i a l. Hosoper ist vorgestern Franz Curti's einaktige Oper „Lili Tsec" tMärcheiidichtting »ach einem japa nischen Motive von W. Kirchbach) in'S Rcpcrtoir wieder anfgc nommen worden, gewiß unter voller Zlii.imiming aller Kenner und Freunde von Curti's cigeiiartigem und hervorragendem cvm- Vvsitorischen Talente. Zum großen Voctheil des anmnihigcn Werkes spricht vor Allem die Thalsache, daß der Erfolg der Premn-re auch der vorgestrigen Reprise treu blieb, daß sogar zahl reiche Einzelheiten bei wiederholtem Hören bcdenlungsvvllec hervortratcn, als ani Abend der ersten Vorstellung. Curli beweist in dieser süngste» seiner Partituren von Neuem, über welch reichen und leichtflüssigen Quell von Melodik ec versügt, wie ge läufig ihm die Formen der neuen deulichen Schule geworden sind, die Virtuosität der Jnstrumcntirung. mittelst welcher er über alle orchestralen Farben und Schattirnngen gebietet. Ein io prägnanl ausgesprochenes Talent verdient in icder Hinsicht geiördert z» wer den und der König!. Gcnecatdireklion ist bciondcrs zu danken sür die Aufmerksamkeit, die sic der Bedeutung des Coinpvnislen mit der Wiederaufnahme der »Lili Tsee" bewiesen hat. Ter Kuper be reits ausführlich besprochenen Ausführung ist nur wenig Neues hinzuzlisügen. Die Vorstellung wurde diesmal von Herrn Kapell meister Hagen zum gleichen Vorlheil des Werkes geleitet, wie früher von Herrn Generalmusikdirektor Schuch, und neu besetzt war nur die Ladp mit Frl. Fröhlich. Die übrigen Partien wnrdcn, wie früher, niit voller Hingabe von Frl. Wedcliird, Frl. Bosscnbcrgcr, Herren Anlhes, Scheidemantel und Nebuichla dargcstcllt. Frl. Fröhlich ist eine begabte Sängerin mit großen und schonen Mit teln und gut verwendbar, wenn sie an den rechte» Platz gestellt wird. Sie hat auch vorgestern gezeigt, wie trefflich sie speziell stimmlich zu wirken weiß, wie prächtig sich der ausgesprochene reine Alt im Verein mit andern werlhvollen Stimmen bewährt. Aber an die Darstellung darf man kritisch nicht hcrantrcten, wenn bas Kartenhaus nicht mit einem Male vollständig znsammcnfnlleii toll. Was Frl. Fröhlich äußerlich zum Ausdruck brachte, konnte vielleicht als leichter Schattenriß eines schüchternen Penstviisfräuleins gelten, aber rocht als das Protolpp einer eLcentrischen Engländerin, die allein die entferntesten Dörfer des japanischen Reiches bereist. Es hieße die Dichtung vollständig verkennen, wenn man aus die rich tige Besetzung der Ladp, aus die feinlomiiche Eharaklerisirung der selben nicht einen besonderen Werth legen wollte. — Der Curti- schen Oper folgte eine Wiederholung vonTelrbeS's „Coppelia", in der sich vor Allem Frl. Grimaldr wieder ganz hervorragend aus- zcichnele. Die Direktion des graziösen Ballets ist letzt Heim Georg Pittcich übertragen worden, der mit großer Sicherheit und woblthuender Ruhe die Vorstellung leitete. Man hat unter seiner elastischen Führung keine einzige Feinheit deS genialen Werkes ver mißt und die unübertrefflichen Leistungen der König!. Kapelle unter seiner Direktion ganz besonders mit reichem Beifall nach der Zwischenaktsmusik des zweiten Aktes anerkannt. L. 8t. 1 König!. Hofs chanspr el. Ein neues Bühnenwerk von Sudermann bedeutet sür die Theaterwelt immer eine Sensation, kann man sich doch von ihm zum Mindeste» eine Unterbrechung vcs täglichen Einerleis der Theaterkost versprechen. Darin har die Abonnenten unseres Königl. SchauspielhamcS auch der Abend von vorgestern nicht getäuscht, der die Erstaufführung der drei neuen Einakter des Dichters: „ Teia ", „ Fritz chen " und »Das Ewig-Männliche" brachte: er war in mehr als einer Hin sicht ein Ereigniß. wenn auch nicht durchaus ein erfreuliches. In Berlin haben die Stücke bekanntlich in der Hauvtsache eine enthu siastische Aufnahme gefunden, während man ihnen in Wien schon reservirter begegnete; und in Dresden? Trotz all' des Bei falls. der den Dichter der „Ehre" nach jedem seiner dramatischen Nippes vor die Gardine forderte, wird der scinhörige Prcmivren- bejucher kaum von mehr, als von einer höfliche» Ablehnung sprechen können. Tie erste dieser drei dialogisirten Novellen — mehr sind diese Dramen im Grunde genommen nicht — wirkte befremdend, die zweite uncrguicklich. und die dritte verstand mau nicht jo recht, sodaß die kühle Aufnahme von Seiten des Publikums gewiß nicht ganz ungerechtfertigt war. Tie drei eigentlich selbstständigen, in Milieu, Suiel und Sprache ganz heterogenen Einakter verknüpft lose der Obertitel »Morirun" — nach Sucto» das bekannte Stichwort aus dem Gladiatorenruf an den Kaiser: uvo Imperator morituri te 8ir1nkmt — Heil Kaiser, Dich gftißen die zum Tode gehen —. weil in icbem der drei Stücke die Hanvlpcrso» im Banne des Todes steht: in „Teja" der letzte Gvthciilouig, dessen HochzeitSmahl — io hieß das Drama ursprünglich — zum TodcS- mabl wird, in -Jrihchcn" ein junger Dragonerleutnant, bei als ein Opfer des Tuellzwaiigs der Offiziere für seine verbrecherische Liebe zu einer reisen Schönen fällt, »nd im »Ewig-Männlichen" ein lustiger Maler, der sich und seine» Freund, den lavieren Marschall. von der Liebe zu einer herztoicn Kokette von Königin durch ein Scheinduell gründlich kurirt. Das erste Stück spielt im hcroiichcn Zeitalter, das zweite in der Gegenwart, das dritte im Nirgcudreich der Phantasie. die vom Zcilalicr des Douis-guatorrs nur das Kostüm borgt: das erste ist in schwerer Prosa geschrieben, das zweite in durchaus modernem Dialog, in freier, aber poimen- rcichcr Alltagssprache, das drifte in fein gedrechselten, zierlichen, mctft eiirivandsrctcn Versen. Der künstlerische Werth der Novitäten ist ganz verschieden: bei allen ihren Schwäche» weist icke bebcuteiibe dichterische Züge auf. Der Anlage und dem Probien, »ach ist „Dem" das werlhvollste, in einer packenden pinchologiichcil Durch führuug der Eharaftenstik und in seinem Stiiiimuiigsgehalt liegen die Vorzüge von „Fritzchen", »nd das „Ewig-Männliche" besticht durch formale Reize. , Ein vollendetes Kunstwerk ist aber leine der dramatischen Arbeiten, dazu fehlt icber wenig, aber dieses Wenig ist viel — einheitlicher Stil und dichterische Giöße. Vor Allem sind die beiden Einakter — von „Teja" und „Fcitzcheii". die geistig mit einander verwandt sind, sei hier zunächst die Rede — keine durchkomponirceir Dramen mit einer reichgeglicdeclen Hand lung und spannenden Konflikten, cs sind mir Episoden, Srhliiß- icencn aus Dramen, deren Vorgeschichte und Etilwickelnng der Dichter nicht bringen will: wir sehen ihre handelnden Personen nicht werden zn dem, was sie sind, sic treten uns fertig bei Beginn der Katastrophe entgegen, wir müssen sie vom Dichter auf Treu und Glauben hinnehme». Das ist immer eine mißliche und ge fährliche Sache. Das Fehlen einer bedeutsamen Handlung mit be wegenden Konflikten soll die Stimmung ersetzen: sie. die liniere großen Dramatiker als nebensächlich erachteten, weil sie sich für sic aus der poetischen Sceirensuhrung von selbst ergab, ist jetzt znm obersten und alleinigen Gesetz der Bülmenwerke erhoben worden. Das har übrigens Sudermann mit den Jüngsten unserer Litieratnr gemein, nur mit dem Unterschiede, daß ec sie alle an theatralischer Kraft diele Stimmung fcstzuhaltcn übcrtrisst. Leider geh! cs bei Sndcrmann dabei nie ganz ohne Unnatur und starke Unwnhrschctnlichkeilen ab. In dieser Hinsicht ist „Tcia" das schwächste seiner Werke, und sein Versuch, uns einmal gothiich zu kommen, ist trotz der kraftvolle» Exposition seines Dramolets gänzlich mißglückt: man glaubt Sudermann seine Gothen nicht: und das ist das Schlimmste, was einem Dichter paisire» kann. Ter Slots ist so bedenoam. wie nur möglich: cs handelt sich »m den Untergang des OftgothenreickeS und seines Heldcnkvnigs Teja. Der finstere Herrscher, der Sohn des sonnigen Tvtilaü. von dem Supermann gleich bei Beginn des Stückes eine säst monologische, aber Packende Charakteristik giebt. die übrigens von der historischen Wahrheit, wie von der Tradition in gleich starker Weise abweicht, will sterben, und sein Volk mit ihm. Das ist der Inhalt des erste» Theils des Einakters, der ein ge,völliges Historienbild von großer heroischer Phantasie, eine dramalischc Scene bei aller Pose von kraftvoller Poesie ist. Leider verläßt den Dichter das tragische Pathos sehr bald, und er fällt in den süßlichen Dresdner Nachrichten. Nr. 281. Seite ». «M Sonnabend. 10. Dktbr. 1X«>a
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