14 bestätigt, dass er auf dem richtigen Wege ist und ebenso weiter üben soll. Natürlich muss derjenige, dessen körperliche Veranlagung besondere Hindernisse bietet, entsprechend mehr üben, als ein glücklicher veranlagter Schüler. Aber was tut das? Etwas anderes wird ihm wieder leichter, als jenem und schliesslich muss das Vertrauen zu seinem Lehrer, der ihm als Freund mit seiner reichen Erfahrung zur Seite steht, seine Bedenken zer streuen und seinen Mut wieder aufrichten. Eine andere Klippe ist der Beifall der Menge in dem Stadium, in dem seine Leistungen den Leuten zu gefallen beginnen. AVer dabei unterliegt, dessen Kunstideal ist mit seiner Arbeit nicht gewachsen. Er tut sich selbst genug, er steht still und — geht zurück. Denn Stillstand ist Rückgang, besonders in der Kunst! Schwache Naturen können auch das Lob nicht vertragen. Jeder muss seine Fehler besser kennen, als alle anderen und er wird sie um so besser kennen, je zeitiger er sich an scharfe Beobachtung aller Vorgänge gewöhnt hat und je höhere An forderungen er an seine eigenen Leistungen stellt. Der Schüler muss sich bei Zeiten gewöhnen, auf die Meinung der Menge wenig Wert zu legen. Man hat deshalb nicht nötig, den Beifall abzulehnen und den Leuten zu versichern, dass man sehr viele Fehler gemacht habe und noch weit vom Ziele entfernt sei. Man kann sich sogar aufrichtig des Erfolges freuen und im Innern sich dennoch geloben, nächsten Tags das Studium mit allem Eifer dort aufzunehmen, wo die Technik versagt hat. Technik und wieder Technik! Auf jeder Stufe, sei sie noch so hoch, wird der Kampf um die Technik weitergeführt, damit sie vollständig die Dienerin des Willens werde, damit der Inhalt jeder Kunstschöpfimg in seiner ganzen Schönheit frei und un behindert sich offenbaren könne. Der Lehrer der Tonkunst wendet sich zunächst nicht an die rein musikalische, sondern an die allgemeine geistige Begabung des Schülers, an die Intelligenz eines »gebildeten«, also geistig aufnahmefähigen Menschen. Viele Leute wissen nicht, was das heisst: »Gebildet sein«. Es ist sehr einfach, es heisst: klare Begriffe und edle Gesinnungen haben. Aber klare Begriffe haben, ist nicht ganz leicht und für Viele ist es ein recht unbequemes Ding, gefragt zu werden: »Was ist das?« und nicht antworten zu dürfen: »Das ist, — wenn — zum Beispiel —!« Zu klaren Begriffen gehört auch nicht Englisch und Französisch oder Latein, sondern die Mutter sprache, für uns also Deutsch und zwar möglichst gutes Deutsch!