15 Und nun ausserdem für den Musiker: Zum Gebildetsein gehört, ein reges Interesse zu entwickeln für alles, was richtig, gut und schön ist. Der Musiker darf nicht das Wissenschaftliche seiner Kunst verschmähen, er soll fortwährend an der Veredelung seines Charakters arbeiten und er darf nicht an den anderen Künsten vorübergehen, ohne stehen zu bleiben und darin — die Musik zu suchen! Denn in allen Schwesterkünsten ist Musik: in der Poesie, in der Malerei, in der Architektur und in der Plastik. — Suchet, so werdet ihr finden! Die Musik setzt ein reiches Gemütsleben voraus und letzteres ein empfindliches Gefühl. Ein feinfühliger Mensch hat edle Gesinnungen und hohe Ideale, ein roher Mensch aber hat kein Interesse an Kunstidealen, er tut sich Genüge an rohen Genüssen. Jammervoll ist es, wenn er die Musik zu sich in den Schmutz zieht. Jede Kunst aber fordert Vertiefung der allgemeinen Bildung, unablässiges Streben nach Vervollkommnung des Geistes und eine treue und ernste Arbeit am inneren Menschen. Jede Kritik kann nützen und schaden. Es kommt darauf an, auf welchen Boden sie fällt. An »guten« Kritiken, das soll heissen an solchen, die die Leistung rühmen, ist schon mancher angehende Künstler verdorben, aber aus »ungünstigen«, strengen Kritiken hat schon mancher Kunstjünger Vorteil gezogen, ist hart und stark geworden und ist dabei bescheiden geblieben. Es ist eine eigene Sache, dass der Mensch eine gute Kritik sehr leicht glaubt, dagegen die Schilderung seiner Fehler leicht für übertrieben hält, wenn nicht für ungerecht oder verständnislos. Eine zu günstige Kritik nützt überhaupt nichts, falls der Kritisierte nicht schon ein festes Rückgrat besitzt und seine Fehler zur Genüge kennt. Er darf eben am Schwünge seines Strebens nicht das geringste einbiissen, sonst war die Kritik Gift. Noch schlimmer ist es bei Gesamtleistungen. An dem Er folge einer gemeinsam ausgeübten Sache rechnet sich gern jeder einzelne das Verdienst zu und vergisst öfter dabei, dass er nur ein kleiner Teil des Ganzen war, ohne den wahrscheinlich das Ganze ebenso zu stände gekommen sein würde. Was aber dem einzelnen Mitwirkenden sehr wohl ansteht, das ist der Stolz über seine Zugehörigkeit zum Ganzen, über die Tatsache, dass er seinen schuldigen Teil zum Gelingen des Ganzen beigetragen hat. Der Stolz ist eine herrliche Eigenschaft des Künstlers, aber er muss das Resultat sein einer strengen Selbstzucht: Ohne Verdienst kein Stolz! Die Summe von ehrlicher Arbeit in unermüdlicher Verfolgung idealster Ziele, von unsäglichen An strengungen, von Entsagung, Ausdauer und Energie erzeugt das unerschütterliche Bewusstsein des Wertes getaner Arbeit.