17 fache, Natürliche und verachtet gründlich die Technik mit allen Regeln und Formen. Er lächelt über „Methoden“, da es für ihn keine gibt. Richard Wagner gedenkt er in kurzer Zeit überholt zu haben, sobald er nur imstande ist, seine Gedanken zu Papier zu bringen. Nur aus diesem Grunde lässt er sich herab, noch „etwas“ Unterricht zu nehmen, denn er fühlt sich bereits „im Banne seiner Manen“ und also „der Nachwelt verpflichtet“. —- Den Inhaber dieses selbstverliehenen Genie-Patentes zu unter richten, ist die denkbar schwerste Aufgabe. Sie gleicht einer Kur an einem schwer Leidenden, die mit einer Katastrophe beginnt, von der man vorher nicht weiss, ob sie überlebt wird. Nahe verwandt mit ihm ist der „Enthusiast“, nur dass dieser sich eine Stufe tiefer, nämlich in der Reihe der „gott begnadeten Talente“ aufhält. Auch er hat, gleich dem vorigen, das „Einjährigen-Zeugnis“ nicht erlangt und er bedauert lebhaft, vier oder fünf Jahre seines kostbaren Lebens vergeblich „die Schulbank gedrückt“ zu haben, wodurch er ganz unnötigerweise von seiner Laufbahn zurückgehalten worden sei. Er spielt schon „alles vom Blatt“, „die schwierigsten Sachen“ sind ihm leicht. In seinem Repertoir „fehlt kein Komponist, ausser solche wie Bach“. Von Beethoven kennt er den „Fidelio“, er zieht aber die Ouvertüre „aus den lustigen Weibern“ vor, „Zampa“ kann er auswendig und zuletzt hat er den „Parsival“ gespielt. „Natürlich“ will er Hof kapellmeister werden und bis dahin will er Opern komponieren. Zwei Taktstöcke besitzt er schon. — Das alles geht aus der Auf nahmeprüfung hervor. — Der „Enthusiast“ kann ein brauchbarer Musiker werden, wenn er zunächst einsehen lernt, dass er noch gar nichts kann und sich der Schule willig fügt. Sein Lehrer kann gar nicht streng und peinlich genug auf vollkommene Beherrschung der Grundlagen und Eingehen in die kleinsten Einzelheiten achten. Uebersteht aber ein solcher Schüler die erste durchaus notwendige, aber sehr schwere Enttäuschungs-Krisis, so kann sein Studium von Erfolg sein. Als eine häufiger erscheinende Art von beirrten Talenten ist ferner der „Phantast“ zu nennen, der in seiner typischen Er scheinung auf vernünftige Menschen, die ihre Gefühle im Zaume halten können, einen unbedingt komischen Eindruck macht. Empfindsamkeit, ungesunde Sentimentalität und Gefühlsschwelgerei erreichen in diesem Typus einen Grad, den viele für Begeisterung halten, der aber in schmachtender Ueberschwenglichkeit besteht, die in schwächlicher Sehnsüchtelei ihren Ursprung hat. Denn diese Menschen sind von Natur schlaff und erwarten alles von aussen her. Ohne wirklich zu arbeiten, hoffen sie auf Offen barungen. Es fehlt ihnen jede Tatkraft und jede Selbständigkeit Ihr Ausdruck ist ein Uebermass von Süssigkeit. Sie haben immer viele Pläne auf der Zunge und führen wenige aus, viele Worte und wenig Taten. Für Polypbonie haben sie kein Verständnis, deshalb sind sie absolut schlechte Theorieschüler. Aber auch