J. S. Bachs Sammlung von Kantaten seines Vetters Johann Ludwig Bach 7 artiges kann man in seiner Vertonung der Worte „Denn“ und „hat“ in Beisp. 4 sehen. Die einfachste Vertonung des Wortes „sehet“ durch JSB findet sich in Beisp. 6, eine ausgedehntere in Beisp. 7. Einen noch extre meren Fall einer derartigen Einbettung eines gedehnten Trochäus in einem langen Auftakt findet man auf das Wort „Friede“ in Beisp. 8. Daß Ludwig keinerlei Neigung in dieser Richtung zeigte, wird in seiner Vertonung des selben Textes in Beisp. 9 deutlich genug. Also scheint offensichtlich, daß Sebastian in seinen Vertonungen besonders zu Auftakten, jambischen Rhythmen und ausgedehnten Phrasen neigte, Ludwig dagegen zu Volltakten, Trochäen und kurzen Phrasen. Wenn Seba stian irgendeine musikalische Intention Ludwigs in sein Werk aufnahm, so dürfen wir demgemäß erwarten, daß er sie in der angedeuteten Weise modifizierte. Natürlich gibt es nichts Bemerkenswertes in dem kunstlosen Stil JLBs, das in Sebastians Werk nicht seit Jahrzehnten vorhanden gewesen wäre, und dazu meist in höher entwickelter Form. Wichtig dagegen ist die Fest stellung, wie ausgedehnt und in welcher Art und Weise solche Eigenheiten in den nach JLBs Vorbild geformten Kantaten verwendet wurden, denn gewiß hat er diese genau zu der Zeit komponiert, in die auch die Be schäftigung mit den Werken seines Vetters fällt 3 . Hier ist besonders eine bevorzugte Angewohnheit Ludwigs zu erwähnen, die fast in jeder Kantate JLBs verwendeten repetierenden Noten. Sie treten gewöhnlich in Begleitfiguren als Aufeinanderfolge von paarweise zu sammengefaßten Trochäen auf 4 . Mit Interesse verfolgen wir daher das Auftreten derartiger häufig wiederholter Achtelnotenpaare auch in BWV 39/1, und zwar in 65 der ersten 84 Takte. Jedoch haben sie hier eine wun derbare Umformung erfahren: Die Achtelpaare sind nicht Trochäen, son dern Jamben, und allein hierdurch gewinnt der Satz bei aller Darstellung 3 So zum Beispiel mag die Besetzung der sieben Kantaten ein Interesse Sebastians an ungewöhnlicher Instrumentation innerhalb der Werke Johann Ludwigs verraten. Zu nächst kehren die drei Trompeten mit Pauken der ersten Kantate nach der Fastenzeit (BWV 15) in der ersten Kantate der Serie Sebastians (BWV 43) wieder. Die beiden Blockflöten, zwei Oboen und Streicher, die in JLB 10 am Ostermontag verwendet werden, finden sich gleicherweise in JSBs zweiter Kantate (BWV 39). Die beiden Hörner aus JLB 7 zum 6. Sonntag nach Trinitatis werden in BWV 88 zum 3. Sonntag nach Trinitatis, der dritten Kantate der sieben, vorausgenommen. Alle Chorsätze Sebastians verwenden im Orchester 2 Oboen, beide sind in BWV 43, 45 und 17 uni sono geführt, in 39, 187 und 102 dagegen selbständig. Alle diejenigen Werke Johann Ludwigs, die dieselbe Besetzung verlangen, liegen mit einer Ausnahme (JLB 9) in den Monaten nach der Fastenzeit. — Was die Tonarten betrifft, stehen BWV 15 und BWV 43 in C-Dur, während £-Moll die bevorzugte Tonart beider Gruppen ist, sie verwenden 3 der 7 Kantaten Sebastians und 4 der 18 Kantaten Ludwigs (zu denen noch 3 in B-Dur hinzukommen). 4 Vgl. BWV 15/8, Geiringer, S. 125, Beisp. 22 (Begleitung des Evangelisten), sowie VOK, Beisp. 3, 17 und 25.