18 Elisabeth Noack will allein von Racha! Racha! sagen“. Hier soll sich zweifellos der männ liche Artikel auf den giftigen Mund, keinesfalls auf das Wort Gift beziehen, das Lehms sonst stets sächlich gebraucht. In diesem Sinne hat Bach die Stelle auch wörtlich übernommen. Noch genauer, als Zander wissen konnte, wiederholt sich der Gedanke in der Kantate „Widerstehe doch der Sünde“ bei: „sonst ergreifet dich ihr Gift“ und: „trifft ein Fluch, der tödlich trifft“. Der Schluß des Rezitativs lautet: „Ach! diese Schuld ist nimmer zu ver beten“; Bach aber mildert den Sinn und schreibt: „schwerlich zu verbe ten“. Die Arie: „Wie jammern mich doch die verkehrten Herzen“, bei Lehms Arios. überschrieben und in neun Zeilen mit je fünf Hebungen abge faßt, wobei die neunte Zeile die erste wiederholt, hat Bach nun so gestaltet, daß Teil A vier, Teil B drei Zeilen, Teil C zwei Zeilen mit Anklängen an A erhält. Hierauf wiederholt er das Ganze bis auf die Schlußkadenz. Auch Graupner hat den Text nicht als Arioso, sondern als eine Art Dacapoarie gestaltet. Wieder wird der Text von Bach gemildert: Bei Lehms lautet die fünfte Zeile: „Gerechter Gott, was mußt du doch gedenken“, Bach ändert in: „Was magst du doch gedenken“. Im zweiten (und letzten) Rezitativ steht in der zwölften Zeile: „Ach! Eintrachts voller Geist“. Hier nimmt Bach die bessere Form: „eintrachtvoller“. Für die Schlußarie schreibt der Dichter selbst D. C. vor. Geist und Seele wird verwirret. BWV 3 5 Aus dieser bei Lehms in fünf Nummern durchlaufenden Kantate hat Bach durch die eingebauten Konzertsätze, der solistischen Besetzung des Ge- sangspartes ungeachtet, ein großes zweiteiliges Werk geschaffen. Im ersten Teil befindet sich das seltsame Rezitativ: „Ich wundre mich“ (siehe oben) mit seiner Verwandlungskunst. Die Arie: „Gott hat alles wohlgemacht“, welche die erste Hälfte der Kantate beschließt, umfaßt sieben Zeilen, deren letzte der ersten gleich ist. Bach schuf hieraus eine freie Dacapoform. Zwei kleine Textänderungen im zweiten Teil wären noch zu erwähnen: die rich tige Reihenfolge im Rezitativ „Ach! starker Gott“ heißt entgegen Bachs Partitur, aber mit der Originalstimme: „Und mich als Erb und Kind er weise“. Die darauffolgende Arie beginnt im Urtext: „Ich wünsche nur bei Gott zu leben“, bei Bach bleibt ungewiß, ob nur oder mir gemeint ist. Eine Durchsicht der Lehmsschen Jahrgänge 1712, 1715 und 1716 ergab keine Übereinstimmung mit Texten Bachscher Komposition.