Eine Leipziger Bach-Gedenkstätte 27 Bose-Tochter Anna Regina mit dem stadtbekannten Juristen Dr. Friedrich Heinrich Graff (3.4.1742) wird in Verbindung mit der kurz vorher liegen den Taufe (22.2.1742), bei der das Brautpaar gemeinsam mit einer weiteren Bose-Tochter (Susanna Elisabeth) Pate im Bachschen Hause gestanden hatte, zu einem so markanten Doppelereignis im Leben der beiden Familien, daß kein dringlicherer Anlaß zur Aufführung einer Bachschen Hochzeits musik gedacht werden kann. 30 Unter den in Frage stehenden Bachwerken zeichnet sich die Hochzeitskan tate 0 holder Tag, erwünschte Zeit (BWV 210) in ihrer Letztfassung durch die einzigartige Schönheit der Bachschen Niederschrift auf hochwertigem Büttenpapier aus, so daß offenbar ein kostbares Geschenk zu einem außerge wöhnlichen Anlaß beabsichtigt war. 31 Entstehungszeitliche Erwägungen stehen einer Datierung auf den angezielten Zeitraum nicht entgegen, und da sich der Text ausdrücklich an einen gelehrten Musikkenner und -Heb haber wendet, der als „Großer Gönner“, „Magnat“ und ,,Patron“ gebeten wird, der ,,edlen Harmonie wie it%t geneigt %u bleiben“, so liegt es nahe, an Friedrich Heinrich Graff zu denken, dessen Musikinteresse dokumentarisch zu belegen ist (s.o.). Dies würde bedeuten, daß die Sopran-Solokantate BWV 210 zur Hochzeitsfeier im nachbarhchen Grundstück (laut Kirchen buchvermerk) ihre Aufführung erlebte, bei der möghcherweise Anna Mag dalena mit ihrem von Bach bezeugten „sauberen Soprano“, oder aber die älteste Tochter Catharina Dorothea, die nach dem Urteil des Vaters gesang lich „nicht schlimm einschläget“, 32 den Solopart als freundschaftliches Ge- Fürchte dich nicht (BWV 228) könnte am 4.2.1726 zur Gedächtnispredigt S. Deylings über Jesaja 43,1—5 für die am 25.1.1726 verstorbene und am 29.1. begrabene Susanna Sophia Winckler geb. Packbusch, Tochter des Oberhofgerichtsadvokaten D. Christian Packbusch, Witwe des Handelsherren, Ratsherren und Stadthauptmanns Christoph Georg Winckler (1658—1709) und Mutter ihrer zwei (verheirateten) Töchter Magdalena Sibylla Baudisius (1695—1752) und Christiana Elisabeth Küstner (1699—1768), die als Patinnen der Bachkinder Ernestus Andreas (30.10.1727) und Elisabeth Juliana Frie derica (5.4.1726) bekannt sind, erklungen sein. Auch hier bieten die (genauen) Auf zeichnungen des Küsters keine Handhabe für die Unterbringung einer Bachmotette. Ein konkreter Entstehungsanlaß für die Trauermotette Komm, Jesu, komm (BWV 229) konnte bisher nicht gefunden werden. Jedenfalls scheint für unsere Darlegungen die Tatsache nicht ohne Belang, daß ver wandtschaftliche Bindungen (und mehrfach Patenschaftsbeziehungen) nicht nur, wie schon nachgewiesen, zwischen den Familien Bose — Graff, sondern auch zwischen den Familien Kees—Bose, Winckler—Bose und Kees—Graff bestanden. 30 Ob das „Carmen %u 1 J° Exemplaren“, das laut Quittungsbeleg vom 3.4.1742 auf „fein Cavalier-Papier“ von B. C. Breitkopf gedruckt wurde, ein gewöhnliches Hochzeitsge dicht oder ein Kantatentext ist, bleibt in Ermangelung eines Belegstückes unentschieden. 31 BB Mus. ms. Bach St 76; vgl. die originalgetreue Wiedergabe des Soprano-Cembalo- Particells in Bd. 8 der Faksimile-Reibe Bachseber Werke und Schriftstücke, hrsg. vom Bach- Archiv Leipzig 1967, sowie die näheren Ausführungen zur Entstehungsgeschichte der Kantate im Krit. Bericht NBA I/40 (W. Neumann). 32 Brief vom 28.10.1730; Dok I, 23.