Suche löschen...
02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 06.07.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19120706029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1912070602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1912070602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1912
- Monat1912-07
- Tag1912-07-06
- Monat1912-07
- Jahr1912
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
e HL r. s Hs « 2 «z ? -> L L « 8 rZ 5^ —* Bei dem Festmahl z« Ehren -es Oberbürger- Aeeifters Dr. Dehne in Plauen gelangte folgendes 'Tele gramm zur 2tbsendnng: »Sr. Majestät dem König vvu Sachleu. Dresden. Die zur Einwetsnng ihres neuen Oberbürgermeister« beim Festmahl versammelten Vertreter und Bürger der Kreisstadt Plaue» bringen Eurer Majestät ehrsurchtsvvllen HuldtgungSgruß dar. Dchurtg, Blilgermeistcr. Amisgerichtsrat Dr. Otto. Stadt- vcrvrdnetenvorsleher." — -Ins dieses Huldignngstelcgramm traf später et» D a n k t e l e g r a m in de» Königs mit folgendem Wortlaut ein: „Se. Majestät der König lasse» für den bargebrachten HulSigungSgrnß allerhöchst seinen beste» Dank sagen. Meister, Oberst und Flügeladiutant." —* Sin amerikanischer Abend fand gestern abend zur Erinnerung des Tages der Unabhängigkeit»^» k t ä r n n g der Vereinigten Staaten von Nord- ainerika auf dem Koni gl. Belvedere der Brühl- schcn Terrasse statt, beider war das Fest durch die Ungunst der Witterung etwas beeinträchtigt, da nur die untere» Saalräume infolge des Gewitterregens benutzt werden konnten. Hier waren die Tische wundervoll mit Rosen buketts geschmückt, an» denen überall große und kleine Sternenbanner empvrragtc». Auch über dem Orchester- podium leuchtete das amerikanische Wappen, umgeben von der Nativnalslagge der Vereinigten Staaten. Die Mit glieder der amerikanischen Kolonie hatten sich in stattlicher Anzahl zn der freier eingesnndcn. und schon lange vor Beginn des Konzertes waren sämtliche Tische belegt. Herr Kapellmciscr Olsen hatte für ei» vornehm gewühltes und abwechslungsreiches Konzertvrogramm Sorge getragen, bei dem in erster Linie die beliebteste» amerikanischen Kom ponistcn, wie Sonsa. Kranich. Saddlcr. Siebern nsw., z» Worte kamen. Aber auch die deutsche Musik war ent sprechend vertrete», so da« sich der Abend zn einem wirklich geniifireichen gestaltete, .'sin Mitwirkung war ausierdcm noch die junge englische Geigenkünstlei in Mis, Vcatric Horsbrngh gewonnen worden, eine Lieblingsschiilerin des grostcn belgischen Violinisten Eesar Thomson, Gegenwärtig studiert Min Horsbrngh in Dresden und hat die Absicht, ihre Studien in Lt. Petersburg zu vollenden, um dann eine Knnstretie nach Amerika nnzntrete». Sie spielte gestern abend Vivlinsoli von Tschaikowsk» mit Orchcsterbeglcitung, wobei sie eine ausgezeichnete Technik und eine vornehme künstlerische Auffassung zur Geltung brachte. Sie fand selbstverständlich lebhaften Veisall. Als die Kvnzertkapclie „Dlie smr upsiigleä hsunt-r" intonierte, erhob sich die Fest Versammlung, um die Aativnalhnuine begeistert mitzu singen. Ern gegen Mitternacht fand das von Begeisterung getragene Fest niit dem Lvusaschen Rkarsch „Tbc dlurs »ncl Stripes lorevee" seinen Abschluß. —* Reue Lehrfächer an der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden. Das Ministerium des Innern hat auf Vor schlag deö Rektor» und des ProsessorenkollegiumS der Tier ärztlichen Hochschule bestimmt, daß in de» Lehrplan zwei neue Disziplinen: B i e n e n k u n d e und Fi sch kn»de mit ausgenommen werden. Die Bienenknnde wurde dein ordentlichen Professor Medizinalrat Dr. Johannes Schmidt, die Fischknnde dein Privatdvzenten Profcisvr Dr. Wan doll eck nebenamtlich übertragen. —* Ein Sachsentag grasten Stils ist für 1914 in Dres den geplant. Den Anlast zu dem Fest gibt die lvjährige RegiernngSzeii Sr. Majestät des Königs. Zur Durch führung des Planes bat sich bereits ein Arbcitskvmilec ge bildet; Oberbürgermeister Geheimer Rat Dr. Beutler bat sich bereit erklärt, das Ehrenpräsidium zn übernehmen. Nächsten Montag, den 8. Juli, abends 8 Uhr. tritt dcS Komitee zn einer Besprechung im Victoriahaus zusammen, um einen Hauplvorstand zu wählen. —* Die Flugvcranstaltungen der Dresdner Auto- mobilwochc j>>. bis >l. Inlij finden am Sonntag und Montag abends li Uhr auf dem Exerzierplatz Heller statt, der polizeilich abgesperrt wird. Es fliegen v. Ein rissen sArgv-Zweideckerj und H. Lubbe lRumplcr- Taubc). Ferner ist Oberingenicur Hirth verpflichtet, einen Ueberlandflng Leipzig -Dresden anszusühren und auf dem Heller zn landen. Se. Majestät der König hat sein Erscheinen in Aussicht gestellt. Einziger ZngangS- weg zum Heller ist die König-Gcvrg-Aliee an der Kaserne des 48. Artillerie-Regiments. Die Eintrittspreise be tragen 5 Mark zum Flugschuppenplah, sonst :t Mark. —* Die Einwohnerzahl Dresdens mit Albertstadt be trug am l. Juni 5 5,8 gük>. —* Prozeß des „Sächsischen Kirchen- und Schulblattcs" gegen Pfarrer Richter. Der Prestansschust des Dresdner Lehrervereins bittet uns um Ausnahme dcS Folgenden: »Am 15. Fit Ni d. I. stand der Redakteur des »Sächsischen Kirchen- und Schulblattes", Herr Pfarrer Richter in Langen- bernsdorf, als Angeklagter vor dem Richter. Er hatte im „Sächsischen Kirchen- und Schulblatt" in einem Artikel z» dem Verhalten der Lehrerschaft gegenüber der Landesinnode Stellung genommen und u. a. geschrieben: „Lügen haben kurze Beine" und „Mau kann es also verstehen, daß die Mitglieder der Snnode sich nicht init Leuten befassen woll ten, welche mit dem Eijst der Lüge und dem Dolche der Ver leumdung zu kämpfen sich nicht scheuen". Die Schriftleiter der „Sächsische» Schulzeituug" und der „Leipziger Lchrcr- zcitung". sowie die drei Mitglieder des qesthästssührenden Ausschusses vom Vorstände des Sächsischen Lehrervereins erhoben gegen diese Beleidigungen Privatklagc. Das Schöffengericht Leipzig sprach jedoch in der Verhandlung am 15. April l!N2 den Herrn Pfarrer Richter frei l? 193: Wahrung berechtigter .Interessent. Aus die von den Privat- klägcrn gegen das sreitvrechende Urteil eingelegte Beru fung fand nun am 15. Juni vor dem Landgericht Leipzig Verhandlung statt. Es kam z» folgendem Vergleich, auf Grund dessen Privatklagc und Strafantrag zurückgezogen wurden: Herr Pfarrer Richter zahlt die gerichtlichen Kosten beider Instanzen und erstattet dt« den Anwälten der Par trien in beiden Instanzen erwachsenen gesetzlichen Grbüh reu «Inschltestltch brr Reisekosten eine« Dresdner Recht» anwalte» und sllbrt zu Händen zweier Dresdner Recht»- anwälte eine Bube von ISS Mark «um Besten des Pestalozzi- stifte« in Dresden ad." —* Pslizeibericht. 3. Juli. Auf einem Neubau der inneren Altstadt wurde am Donnerstag vormittag ein Sljährtger Arbeiter infolge eigener Unvorsichtigkeit von einem Stücke Zirgelwand. da» am Nebrndause abgetragen wurde, grtrossen. wobei er eine größere Kopfwunde und eine Gehirnerschütterung erlitt. —* Keuerwehrbertcht. Die Feuerwehr rückte heute früh in der 3. Stunde nach Würzburger Ecke Hohe » st ratze aus, wo der Feuermelder mutivllltg betätigt worben war. BischosSwerd». Gestern, Donncr-tag. abend» ,'ik> Mir, geriet hier beim Rangieren der Hilssschirrmetster Aoeit zwischen die Puffer zweier Wage» und wurde schwer verletzt. Sr wurde im städtischen Krankenhause untergcbracht. —* Schwurgericht. Der Vorsitzende Landgerichtödirektor Vvckwttz eröffnet« die vierte dieStälirtge Sitzungs periode in der üblichen Weise mit einer Begrüßung der Geschworenen. — In der erste:, Verhandlung hat sich die 1873 in Dresden geborene KaufmannSehefran Auguste Minna Menzer geb. Keller wegen Meineids zu verantworten. Die Anklage legt ihr zur Last, am ll). Febr. ll»I vor der 1>. Zivilkammer des hiesigen Landgerichts in dem EliescheidnngSprozest, den ihr Ehemann gegen sie angestrengt hatte, ein falsches Zeugnis wissentlich mit einem Eide dckräftigt zu haben. Die Menzer wird gemäb dem Wabrsprnch der Geschworenen z» 8 Monaten Ge fängnis veruricilt: 3 Monate gelten al» verbübt. Die Beweisaufnahme, die Plädoyer» und die Verkündung de« Lchuldsprnches fanden unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt. Die Anklage vertrat Staatsanwalt v. Ehrrnstein, die Verteidigung führte Rechtsanwalt Iustizrat Dr. Knoll. — Die auf nächsten Mittwoch anberanmte Verhand lung gegen den L b e e p v st a s s i st e n t e n August Otto S ch ö » e aus Dohma, der sich wegen Verbrechens im Amte verantworten soll, sällt aus. — Morgen, Sonnabend, findet die Verhandlung gegen die drei Verbrecher statt, die seinerzeit in Kleinzschachwitz den emeritierten Lehrer chicfer beraubt haben. Bemerkenswert ist, das, das neue Verbrechen in Zschieren in seiner Ausführung grobe Aehnlichkett mit dem damaligen aufwetst. - Amtsgericht. Gegen den vorbestraften Arbeiter Hein rich Wilhelm Horn aus Obcrgorbitz wird wegen Verübung unzüchtiger .Handlungen unter Ausschluß der Oefsentlichkeit verhandelt. Das Urteil lautet auf 4 Monate Gefängnis. — Der Bäckermeister Ernst Johann Baitzschc must sich wegen Erregung öffentlichen Aergernisses verantworten. Der Vor fall trug sich am 3. Mai auf einem Straßenbahnwagen in Wölfnitz zu. Wegen Gefährdung der Sittlichkeit wurde die Oeffentlichkeit mährend der Beweisaufnahme, die längere Zeit in Anspruch nahm, ausgeschlossen. Auf Grund der be lastenden Aussagen der Zeugen wurde der Angeklagte zu 50 Mk. Geldstrafe oder Ist Tagen Gefängnis verurteilt. — Ter Kaufmann Hans Bernhard Mühlbach steht unter der Anklage der Pfandentstrickung. Am 5. Januar war gegen ihn ein Wechsel fällig und da er diesen nicht cinlöste, wurde gegen ihn die Klage erhoben, die zur Zwangsvollstreckung ithrtc. Er veräusterte jedoch zum Nachteil seines Gläubigers eine Kopierpressc an eine Frau Zieschank, die wegen Beihilfe mit unter Anklage kam. Mühlbach ist erst am l7. v. M. zn 3 Monaten Gefängnis verurteilt morden: zu dieser Strafe tritt noch 1 Monat Gefängnis hinzu. Frau Zieschank batte von der Lage des Mitangeklagten keine Kenntnis, sie wird daher freigesprochen. — Der Steinbruchs- nrbeiter Iuro Medic aus Kroatien entwendete am 9. v. M. in einer Schaiikmirtschaft auf der Hofmühlenstraßc einem Gaste ein Zweimarkstück; er wurde darnach in Haft ge nommen. In -er Verhandlung steht ihm Herr Kaufmann Lukes als Dolmetscher zur Seite. Der Angeklagte ist Analphabet, kennt sein Geburtsjahr nicht, sondern weiß nur, daß er im Mai seinen Namenstag feiert. Sein Alter schätzt er auf 22 Jahre. Da er den Diebstahl leugnet, obwohl das Geldstück im Futter seines Jacketts verborgen gefunden wurde, muß zur Vernehmung der erschienenen Zeugen ge schritten werden. Das Urteil lautet ans 1 Woche Gefäng nis, die als durch die Untersuchungshaft verbükt gilt. — Der Schankwirt Hoffmeister vom „Tivoli" hatte gegen den verantwortlichen Redakteur Thomas von der „Saal- inhabcr-Zcitung" Prtvatklage wegen Beleidigung erhoben. Die Angelegenheit endet vor Eintritt in die Verhandlung mit einem Vergleich. Der Beklagte erklärt, nicht behaupten zu wolle», daß das Geschäftsgebaren des Prtvatklägcrs ein unlauteres sei, und glaubt den Versicherungen des Prtvai- klägcrS, daß dieser trotz seiner hohen Geschäftsspesen bisher auf seine Kosten gekommen sei, auch erklärt er, die persön liche Ehrenhaftigkeit des Privatklägcrs nicht anzwciseln zu wollen, und übernimmt die Kosten des Verfahrens. — Leipzig. Am Abend de» SN. April diese« Fahre» wurden aus dein Leipziger Mcßplatz der Postschaffner H o s s in a n n und ein Postbote verhaftet, weil sie falsche Fiinsmarkstücke in den Ver kehr gebracht haben sollten. Die Untersuchung ergab, dast .Eoss mann schon seit mehreren Monaten Falschmünzerei ge trieben und das Geld in Liebesabenteuern und Festgelagcn nsw. angelegt hatte. Gegen leinen Kollegen bestand nun der Verdacht, beim Vertrieb beS falschen Gelbe» mitgeholfen zu haben. Beide hatten sich gestern vor dem Leipziger Schwurgericht zn nerant- worten. Holtmann wurde wegen MünzoergehenS zu 1 Fahr Ge fängnis und 3 Fahren EhrenrcchlSverlust verurteilt, wobei ib>» ein Teil der verdutzten Untersuchungshaft aiigerechnet wurde. Ter andere wurde srctgcsprochcn, da ihm ein Vergehen nicht nach- zuwciscn war. An« de» ««tllche» veranntmachnng«». K„r»es,Z«yl»>>^S,i,stelI,»»»» ns». ^ . „ » . ^ - ^ Im L««»d«er Amtlgertt-tSbezlrk: Ueber da« Vermögen der Schnitt- und Wollwarenhändlertn Anna Elisabeth verehrt. FSckel ged. Holtzs» ln Dresden. Schnorrstraß« 3« und Münchner «»raste 24, ist da« Konkur«versahren erölsnet und der Kom»tsst»n«rat V. Kanzler tn Dresden, Plrnatlche «trabe 33, zum Konkurs verwalter ernannt worden. Konkursforderungen sind bl« »um 27. Fult anzumelden. Da» Konturtverfahren Uber da« Bermüaen der Putzwarenhändlertn Fda August» verehel. Roth aed. Schubert in Dretdrn. «mmonstrastr 82, ist nach Abhaltung de» Schlußtermin» aufgehoben worden. Zwaua-peesteiger«»,«». F» Dresdner «mtlgertcht»- deztrk sollen »wangswelse versteigert «erden: zur Aushebung der unter den Eigentümern bestehenden Gemeinschaft dt« im «rund- buch« für Striesen Blatt 1302 und 138» aus die Namen Adolf August Voigt und Hermann Emil Behr »u gleichen Teilen «lngetragenen Grundstücke a,n 28. August, vormittag« 9 bezw. 10 Uhr. Dl« Grund. Flurdu' stllck« stnd nach dem buche 9-> bezw. 9,9 Ar grob und aus 91 839 bezw. 92 939 M. geschätzt. St« bestehen aus Sckivohnhau« bezw. Wohnhaus mit Hosraum und Garten Striesen, Dornbluthstrast« 28 bezw. 27. und liegen ln Dresden- Jm Unwetter nach Hellera«. Gestern abend begann der zweite Zyklu« ß»e Festspiele in Hellcrau unter denkbar ungünstigen Auspizien! Gegen « tthr schob sich eine ttesschwarze Ge witterwand vom VorSbcrg her in« Elbtal vor, dumpf und in immer schnellerem Rhythmus rollte -er Donner. Doch nur langsam wälzte sich die breit ausladende Wolkenmasse heran; säst unbewegt stand sie in drohender Gestalt über dem nördlichen Elbhange. Es mochte den Besuchern ber Dalcroze-Lchulfestc fast bange werden, den wetten Weg hinauf zur Heide, zur Höhe von Hclirrau, anzutreten. Doch da« Festspiel, von dem die Zeitungen der zivilisierten Welt dieser Tage so voll waren, lockte. AIS man tn der Straßen» bahn die KönigSbrilcker Straße erreicht batte, begann der Platzregen. Man war froh, zu sitzen: doch die Freude währte nicht lang. Der „Anhänger" wurde am Bischoss- weg abgekuppelt, und männiglich mußte hinaus in den strömenden Regen. Da half kein Flehen, kein Hinweis ans die Gesellschaftskleider der Damen — der Schassner waltete seines Amtes. Allo tn den vorderen Wagen! Beim Arsenal entlud sich das Gewitter in seiner ernstesten Ge stalt. Ein Guß von solcher Stärke ging hernieder, daß b t e Straße einer einzigen Wasserfläche glich. Die Automobile, die die Bah» überholten und hinter deren vom Regen triefenden Fenstern Helle Abendmäntel sichtbar wur den, konnten sich nur langsam ihren Weg bahnen. Kurz vor der Hellcraner Haltestelle setzte da« Unwetter am hes. tigstcn ein. Alle Elemente schienen entfesselt. Grell zuckte die bläuliche Lohe der Blitze über die Heide, der Donner übcrtöntc das Rollen des Wagens und eine Sintflut rauschte in den Wald hernieder. „Alles auSsteigenl Der Wagen wird abgehüngt!" Ratlos sah man einander an. Die kleine im Heimatstil erbaute Wartehalle war schon gcrappclt voll. Keine Fahrgelegenheit nach Hellcrau; denn das Wetter hatte anscheinend selbst die Kutscher vertrieben. Zu Fuß den wohl eine halbe Stunde langen Weg zum Fest- spielhause gehen? Eine Unmöglichkeit! Man iväre wahr scheinlich keine hundert Schritt auf dem durchweichten Boden vorwärts gekommen, oder, wenn doch, tm Bagabundenkosttim vorm Festspielhaus gelandet. Also in der Straßenbahn sitzen bleiben, selbst auf die Gefahr hin, mit dem nächsten noil Klotzsche kommenden Wagen wieder zurück nach Dres den transportiert zu werden. Da klang ein „Piepsen" durch den Wald von Hellcrau, der Ruf riner anscheinend bei dem Unwetter heiser gewordenen Hupe, deren winziger Ton aber >m umgekehrten Verhältnis zn der Größe des Autos stand. Ein Omnibus der „Rundfahrt um Dresden" brauste durch den Regen heran und wendete. Da gab's kein Bedenken mehr. Hinaus ans die Straße und — rette sich, wer kann — in den „Autobus". In diesem Kamps um den Play war freilich keine Schönheit der Linie, kein Rhythmus der Be-, wegungen, wie ihn Dalcroze lehrt, aber man war ja auch erst ante pnrtaz des Tempels der Schönheit. Zu allem Ueberslnß erlitt eine Dame, als eben die Planen ringsum fein säuberlich zugehakt morden waren, inmitten des Trubels einen Schwächeanfall. Also die Plane wieder aufl In Bäch lein rieselte sofort die Flut wieder herein, um vereint mit den Rinnsalen der Parapluics liebliche Pfützen zu bilden, die, als die Fahrt endlich angetrctcn mar, bei jedem Stoß des Wagens herüber und hinüber fluteten, wie später die Larven und Furien über die Treppe der Unterwelt. Da hieß es: Füße hoch! Und doch war man dem Geschick dank bar, daß cs einem noch diese einzige Möglichkeit gewährt hatte, zum Festspielhaus zu gelangen. In Hellerau schwamm und floß alles. Unbeirrt in all dem Wctterbraus hielt aber die Landgendarmerie inmitten der Straße aus. Das Auge des Gesetzes wachte, trotz Donner und Blitz über die Bestimmungen der Anfahrt: tm Falle der Zuwiderhandlung SN Mk. Geldstrafe oder t-t Tage Hast! Rechts und links der Straße schossen reißende Fluten den Abhang herab. Man sah, wie die Gewalt des Wassers das Erdreich mitriß. — Nnn war man oben auf dem Fest- spielhügcl, das Spalier der schwer und leblos heruntcr- hängcnden Fahnen glitt vorbei und der weite Vorhof nahm den Wagen auf. Aber noch mußte man in strömendem Regen den — leider unbedeckten — Vorplatz passieren, den ein grüner Läufer melancholisch durchzog. Trat man darauf, vergoß der von dem überströmenden Himmclsnaß wie ein Schwamm Bollgcsogene viele Tränen. In der Halle atmete man ans: Endlich am Ziel! Man muß sich Dalcroze heute mühevoller erkämpfen als früher, da man gemächlich ins Vcreinshaus oder ganz am Anfang, wie der Schreiber dieser Zeilen, ins Hinterhaus an der Dtppoldiswaldaer Gasse 15 zum Turnsaal der Miß Flint pilgerte, allwo der Meister von Hcllerau vor vier Jahren zum ersten Male mit sechs seiner Genfer Schülerinnen vor einem geladenen Wir nannten ihn „den letzten Romantiker", der Achim von Arnims Erbschaft angetrctcn habe, da es auch ihm damals schwer wurde, die zuilrömcndc Ueberfülle der Motive, Ge stalten. lyrischen Stimmungen und geistigen Probleme zn ordnen, den reichen O-nell seiner Dichtung zn „fassen" und „zn befestige» mit dauernden Gedanken". Leit jenen Tagen, wo er Geibel und mir mit herzlicher Wärme und einer Lauterkeit der Gr sin innig, die jede Probe bestand, entgegenkgm. bin ich ihm durch alle Wcchselfüllc nnseres Lebens zugetan acbliebe». Hauptsächlich durch ihn kam am 5. November eine erste Zilsammenkunft in dem Kasfecbansc „Zur Stadt München" zustande. Aus tastende» Anfängen, a» denen außer den schon Genannten der Maler Tcichlein. der Leutnant Reumann. Leonhard Hamm sein konfuser, arüblcrischer Kölner), Karl Heigel, Felix Dahn, Beilhack, Heinrich Rcder, Oskar Horn und andere lcilnabmen, bildete sich eine Bereinigung wirklich begabter, ernsthafter Talente heraus, unter denen hier nur Hermann Lingg. Wilhelm Hertz, Hans H ooscn , Heinrich L e uthold und Mar Haus hofer genannt sein mögen. Wir kamen einmal wöchent lich für ein paar Nachmitingsslundc» in einem Eafc zu sammen. und endlich widerstand auch Geibel der Lockung nicht, an de» höchst anregenden Sitzungen dieser Pocten- schaft teilzunchmen. die sich den Namen der „Münchener Idealisten", den norddeutsche Kritiker ihr ansbrachtcn, gern acfallen ließ. Geibels Gcaenwart aber wirkte, obwohl er gern eben Entstandenes von seinem eigenen zum besten gab, nicht immer günstia auf die kameradschaftliche Stimmung. Ter Reivckt vor ihm und die Wucht seiner Persönlichkeit lähm- 4en das freie Urteil, das ohnehin noch immer besangen genug war. Niemand wagte, wenn er gesprochen hatte, Einwendungen zu machen und ich war dann der einzige, der sich seiner Autorität nicht schweigend unterwarf, gestützt aus me!.n altes Frenndesrccht »nd Geibels Besorgnis, meinen „Jähzorn zn reizen. „Krokodil" war der Name, den wir unserer Gesellschaft gegeben hatten. Er rührte nicht von Geibels berühmter Krokodilromanze her i.Ein lust'qer Musikantc spazierte einst am Nil" nsw.), sondern von Hermann Linggs Gedicht: Das Krokodil zu Lingapur. Fm hcil'gen Deich zu Singapur, Ta liegt ein altes Krokodil Von äusierst grämlicher Natur Und kaut an einem LotoSsticl. ES Ist ganz alt und völlig blind, Und wenn es einmal friert de» Nacht», So weint e» wie ein kleines Kind, Doch wenn ein schöner Tag ist, lacht'«. Der erhabene Eharakter dieses Amphibinms schien uns trefflich zum Vorbild idealistischer Poeten zu taugen, und wir hofften, in unserem Münchener „heiligen Teich" der maleinst ebenso gegen die schöne prosaische Welt gepanzert, zu sein, wie jener uralte Weise, der nur »och für den Wechsel der Temperatur empfindlich war. Von einem befreundeten Bildhauer wurde ein Krokodil in Ton modelliert, an dessen Sockel die verschiedenen Rep tile. nach denen wir uns genannt hatten, tn hteroglyphi- schcn Zügen cingcgrabcn wurden. Ich — Infolge meiner Lazcrtenltedcr der Eidcchs znbcnamst — bewahre diese Re liquie noch heute. Die aus Pappendeckel aescrtlgtc Pyra mide. die unser Protokollbuch enthielt, von einem der Mitglieder, dem sonst ganz unproduktiven Ltchtcnstetn, in Sonetten abgefaßt, ist leider verloren gegangen. Geibel selbst, das „ttrkrokodil" lwegcn seiner Romanze vom lusti gen Musikanten), ging mit liebenswürdigem Humor aus den MaSkenscherz ein und dichtete zwei wettere Krokobtl- liedcr. Eins von Ihnen hat er in seine „Späthcrbstblätter" ausgenommen („Ich bin ein alte» Krokodil, ich sah schon die OsirtSseier"). So war'S tm heiligen Teich, nachdem die frostigen Zei- ten überwunden waren, warm und behaglich geworden, wärmer als in dem wiclgcrühmtcn „Tunnel über der Spree". Wer von den Einheimischen sich in den Geist harm loser Krokodilidät nicht zu finden wußte, zog sich nach und nach in seinen Schmollwinkel zurück. Gerade die Begab teren aber schloffen sich dancrnd an uns an. und mehr und mehr verbreitete sich unabhängig von allem ästhetischen Interesse ein kameradschaftliches Gefühl in dem kleinen Kreise, ähnlich wie sich'o in noch jugendlicheren Studenten verbindungen einzubürgern pflegt. Denn auch die paar bemoosten Häupter in unserer Mitte — Melchior Meyr. der erst später hinzutrat, das Ehrcnkrokodtl Schack, das sich selten blicken ließ, Earrierc, der den Profefforen- talar ablcgte, sobald er sich als Dichter gab —, sie alle plätscherten in der kristallinischen Flut des MuscnteichcS wie tn einem Jungbrunnen herum. Wilhelm Hertz hatte, da der Teich einmal wieder Heimat, los geworden war, »ns beredet, bei einem schwäbischen Landsmann uns niebcrzulassen. einem Wcinwirt am Dult platz. namens Murschcl. der außer seinem recht trinkbaren Schtllcrwcin uns durch das offene Feuer in der Trinkstube imponierte, über -em er §uf einem Rost vor unseren Augen die saftig zischenden Fleischstücke briet. Hier verbrachte das Krokodil vier sehr nahrhafte, vergnügliche Winter, deren erster dadurch denkwürdig war. daß Geibels sechzigste Auf lage durch ein Souper gefeiert wurde, zu welchem ei» anderer frisch Belorbecrtcr. Andreas Man. der eben im VolkSthcater einen Preis davongetragcn. den Champagner lieferte. Der letzte Winter bei dem schwäbischen Küchen- meister (18»«) wurde durch eine solenne Strohlottcrte ver herrlicht. Jeder war verpflichtet, seiner mit Stroh um wickelten anonymen Liebesgabe ein Gedicht htnzuzufügcn, und ich batte mir den Spaß gemacht, einer Flasche Punsch, ertrakt ein Blatt bctzugeben, auf welchem ich die sämtlichen Mitglieder tn etwas stacheligen Versen gufmarschieren ließ, doch nur wie Harlekin tm Fasching mit ber Pritsche schlägt. Zum Schluß kam ich selbst an die Reihe, indem ich alles Unfreundliche anführte, was die Münchener Uebelwollen^
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder