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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 19.12.1924
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1924-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19241219026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1924121902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1924121902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1924
- Monat1924-12
- Tag1924-12-19
- Monat1924-12
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Nr. 5Z4 S-lk- 2 lUawcr ihr Mütchen. S« ist hoch a» de, Zelt, bah dt- deutsche Regierung den Urhebern dieser unerhörte», Vorgänge ein eiiergliches Halt zurust und ihnen klarmacht, daß eine deutsch litauische „Freundschaft" niemals bestehen kann, wenn Litauen die nationalen Empfindungen aller Teutichen allläglich bclridigt. Aber auch der Völkerbund wüte nicht langer sich von Litauen ain Narrenseil führen lassen, auch »venu cS in diesem Kalle Deutsch« sind, dt« so schwer zu leiden haben. I!al ei u i- -ie Unruhen in Albanien. Nom. 18. Dez. Die „Agenzia Stefans kitndiat die Ent. senduna ziveier italienischer Kriegsschiff« in dt« albanischen Gewässer an und dementier« gleichzeitig die Behauptung. das» Italien mit Südilawie» ein Abkommen g«. schlossen habe. daS die Nnabhänaiakeit Albaniens verletze. Endlich verbreitet Ltefani eine Mitteiluna de- albanischen Presseamtes in Tirana, wonach Bersammlunacn tn Al- bauten stattgefunden hätten, in denen die Reaieruna der Loyalität der Bevölkern»«! versichert und der Völkerbund ersucht wird, „egen Südilawien und Griechenland, die die Aufständische» unterstützt hätten. Schritte zu unternehmen. Tie biesiae albanische Gesandschast erklärt, das» die Banden, die lebt in Albanien eingedrungen seien, sich >n südslawischen Städte» aebildct hätten. Zugleich stellt die lltrsiae albanische Gesandtschaft zu den beute von den italienischen Biättern ge- meldeten Erfolgen der Aufständischen fest. «S herrsche keinerlei Revolution in Albanien. IW. T. B.s Die inneren Wirren in Mallen. lEIgner Drahtdcrichi der .Dresdner Nachrlchte v".I Rain, 18. Dezember. Der § a in v f zwischen Regierung und Opposition I»n sich durch den heutigen Beschluß» des Ruiiip'parlaments wesentlich verschärft. Die Mailänder Liaaloailwaltsll'aft hatte van der Kammer die Aufhebung der oarlameniarilchen Inninniität gegen den Vizepräsidenten der Kammer. G i u n t a. verlangt, weil er der Organisation eines Alternats einer Gruvpe von Faschisten gegen den sezessso- »istischen Faschi'tcnkavilä» Forei ans dem Mailänder Bahnhof während der Wahlzeii beschuldigt wird. Ginnta Hai infolge dessen seinen RüeUrilt als Vizepräsident eingcreickt. Die N "" wr aber lebnte den Rücktritt mit grober Mehrheit ab, jedoch gegen die Stimme Salandras. * Rom. 17. Dez. Nach dein „Messaggero" war gestern der Mehrheilsansschu!; der Kammer unter dem Vorsitz Mussolinis versammelt, um Uber die P r e s s e v o r l a g e zu beraten. Mussolini betonte, er habe mit dieser Vorlage nur eine technische Arbeit Herstellen und nicht eine Handhabe bieten wollen um nch der unbequemen Presse zu entledigen. An drei Punkten halte die Regierung entschieden fest. 1. mühten die Bestimmungen über die verantwortlichen Redakteure, 2. die Schadenersatzansprüche an ein Blatt ge- währlcislet werden und 3. die V c r l e u m d u n g S p r o z e s s e ohne Verschleppung burllgeführt werden können. Abgeordneter Riccv lRcchiöliberal) kritisierte scharf die Vorlage unter dem Beifall seiner Anhänger. Gegenüber der Tagesordnung Orlandos, die die Vorlage ohne weiter« Er örterung ablehnl. will die Regierungsmehrheit sich für eine Tagesordnung entscheiden, die wenigstens die Grund prinzipien der Vorlage ausdrücklich gnlheiht. Das ganze Be mühen der faschistischen Mehrheit geht dahin, dah am nächsten Donnerstag bei dxr Wahl der Kommission die Vorlage nicht von vornherein verurteilt wird. Alle Abgeordneten der Regie rungsmehrheit haben daher die Aufforderung erhalten, am Donnerstag zur Stelle zu sein. sW. T. B.s Ein sländlger Ralssitz für Polen? Warschau, 18. Dez. Hiesige Blätter lassen sich auS Lon don melden, dah die e n a l i s ch e Regierung in nächster Zeit ihre Warschauer Gesandtschaft in eine Botschaft um wandeln wolle. Ehnmbcrlain habe darüber bereits mit Herriot verhandelt. In England sei man bereit, auf diese Weile Polen alS Grohmacht anzucrkennen und ihm einen ständigen Ratöntz im Völkerbund zu verschaffen. Weuleret tn Kalgan. »Eigner Dro htbcrlchtder »Dresdner Nachricht« n".t Paris, 18. Dez. „Petit Journal" meldet auS Peking, das, di« Garnison Kalgan im Nordwcsten von Peking während der Abwe-enbeit des Oberkonnnandterenden ge meutert habe. Die Meuterer hätten drei Hauptgeschäfts straßen in Vrand geneckt. Läden und Banken wurden ge plündert. Namentlich die Staudarü-Oil-Eompann hat schwere Verlinke erlitten. Auch amerikanische ttaufleute seien schwer geschädigt worden. Europäer seien bei der Meuteret nicht ver letzt worden, dagegen einige Ehinesen. Die Lage in Kalgan sei ernit. — Der Schiedsspruch im sächsischen Steinkohlenbergbau. Berlin, 18. Dez. Tic kürzlich vertagten SchlichtungSver- handlungen iür das Tarisgcbict des sächsische» Steinkohlen» berichrucs wurden am lk>. Dezember zu Ende geführt. Ter vom Schlichter gelallte Schiedsspruch sieht eine allgemeine drriprozemigc Erhöhung der Löhne ab 1. Dezember ISN vor und wurde gegen die Stimmen der Arbeitnehmer und Arbeit geber gefällt. In der Begründung dcS SchtedSsvrucheS hciht eS. dah die Wirtschaftslage des sächsischen Steinkohlenberg baues eine Lohnerhöhung in dem Ausmahe, wie cs für die Bergarbeiterschaft unter den heutigen Lcbensverhältntssen durchaus wümcheSnwert wäre, nicht znläht. ErklärungS- lermin zum Schiedsspruch ist der 20. Dezember 1024. Nach den in den Verhandlungen abgegebenen Erklärungen ist an- zunehmen, dah beide Leiten den Schiedsspruch a b l e h n c n werden. In der Lohnstreiligkeit im r h c i n i s ch - w e st s ä I i kch e n Steinkohlenbergbau ist der Schiedsspruch vom lO. De zember nach der Schlichtungsvervrdnuna von amlswcgen sür verbindlich erklärt worden. Der neue Slrafgesekenkwurf. Berlin. 18. Dez. Wie die „Neue Tägl. Rundschau" mitzn- teilen weih, ist der Entwurf eines neuen Straf gesetzes, dem das Reichskabinett vor einiger Zeit zu- stimmte. dem Neichsrat zngelcitct worden. Der Entwurf soll vorder noch der öffentlichen Kritik unterstellt werden. Alle beteiligten Berufsorganisationen sollen zu gutachtlichen Acnchcrungen ausgelordert werden. Die Beratnna des Ent wurfes im Reichsrate dürfte kaum vor der Mitte des folgen den IahceS beginnen. Ter sogenannte Abtreibungsparagraph sei im Gesetzentwurf wesentlich gemildert worden und sehe tn leichteren Fällen Straflosigkeit vor. Der bisherige 8 175 bleibe in der Hauptsache bestehen. Verschärft leien di» Be stimmungen über homoicruelle Vergeben gegen Jugendliche. Ter Entwurf sehe weiter vor. dah Beruisvcrbrcckei in B e r- wahrungshaft genommen werden können, deren Fort dauer alle drei Jahre vom Gericht überprüft werden solle. Der Entwurf behalte die Todesstraie bei. IW. T. B.1 ZNröäs unü rote Laut «utsflrmgen der Kant»« und de. Glicht,. Wunds«!» und unrrln«n Teint deseiligl » ^ -» » Dies«, brwLhit« tz»ut> lolori I > > > pflegemittel «rhalte« St« überall, wo Si« dt« bekannt« ilhlorodont - Zahnpaltt tauj«». Dar Todesurtell gegen Dle Derkün-igung -es Urteils. Hauuover, lll. Le». Zur UrtetlSverkünduna tm Haarwann. Prozeß ist der Andrang ganz besonder» stark. Viele Zu- Hörer Unneu. trotzdem sie tm Besitze von Karten find, keinen Einlaß mehr finden. Für di« UrtetlSperlüudnua find b«, saubere Vorsicht»« aßr « , elu getroffen morde«, da b«> kauut »emordc» «ft. das» gewisser Sette e»u «tteutat auf Haarmauu »«»laut ift. Zum Schutze der Angeklagten ist deShalb ei« besondere- Aufgebot von Schupo tm Saal« ausgestellt. DaS Publikum wird vor dem Betreten des Saale» nach Waffen durchsucht. Um >1»1 betritt der Gerichtshof den Saal. LandgertchtSdtrektor vöckelmann er» öffnet die Verhandlung und macht den Angeklagten Gran» darauf aufmerksam, dah er im Kall Hannappel evtl, nicht wegen Anstiftung sondern wegen Beihilfe ,um Mord vcr- urteilt werden wird. Ls werbe ihm deSbalb Gelegenheit zur Verteidigung gegeben. Ta das Wort weder vom Angeklagten Gran» noch von der Verteidigung gewünscht wird, zieht sich da» Gericht darauf nochmals zur Beschlutzfassung zurück. Darauf wird folgende» Urteil vom Vorsitzenden verkündet: Der Angeklagte Händler Fritz Haarwan« wird «egen Mord in N Fälle« «uter Freisprechung von der An» klage de» Morde» in drei »eitere« Fälle» oteruud, zwa»zlamalz»«r»de verurteilt. Außerdem wurde» ihm di« bürgerliche« Ehrenrechte auf Lebenszeit aberkannt. Der Angeklagte Kaufmann Grau» wird wegen An stiftung zum Mord in «tue« Kalle zum Lode sowie weg«« Ueibitfe znm Mord zu IS Fahren Zuchthaus ver» «»teilt. Auch ihm »erde« di« bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit aderkannt. Die Koste» de» verfahre«» tragen, soweit Urteil er, folgt ist, die Angeklagten, soweit Freisprechung er folgt ist, die Staatskaffe. Das Gericht hat weiter durch Beschluß das Verfahre» gegen de« Angeklagten Fritz Haar» mann vorläufig eingestellt, soweit gegen ihn öffentlich Klage wegen Unterschlagung erhoben ist und daS Bersahrcn gegen Gr---s vorläusig eingestellt, soweit gegen ihn öffent lich Klage wegen gewerbsmäßiger Hehlerei erhöbe »ist. * Das Todesurteil ist also nunmehr gegen den Han- novcrschcn Massenmörder Haar mann und gegen Grans ausgesprochen, und damit hat ein Prozeb seinen Abschluß er- reicht, der seit 14 Tagen beinahe die gesamte zivilisierte Welt aufs stärkste beschäftigte. Dieses Aufsehen ist begreiflich, denn die Taten diese- Unholds, die er in Verbtnduna mit an- deren, ebenso widerlichen Komplizen vollbrachte, sind so em- setzlich, dah man sich vergeblich zu entsinnen bemüht, je ein- mal von einer ähnlichen Summe scheuhlichster Verbrechen gehört zu haben, und eS ist zu hoffen, dah dieser Fall eines 24»achcn Mörders für all« Zeiten ein Ausnahiuesall bleiben wird. DaS Grauenerregend« an diesem Verbrechen ist. bah eS Haarmann überhaupt gelingen konnte, im Verlauf von vielen Monaten eine ganze Schar junger Menschen ums Leben zu bringen. AlS um die Zeit des ProzehbegtnnS Anger- stein seine Familienmitglieder und mehrere Hausangestellte ei schlug, seine Villa in Brand letzte und sich, um einen llcbcr- sall vvrzntüuschen, ein paar Wunden bcibrachtc. war cs bei nahe nur die Frage weniger Stunden, dah die Kriminal polizei, alle dies« Täuschungsversuche durchschauend, in Angerstein selber den Mörder entdeckte. Was aber den Fall in Hannover angcht, so fragt man sich immer wieder, wie es möglich war. dah dieses Tier im Verlause einer ko langen Zeit ein Opfer nach dem anderen erledigen konnte, ohne dah die Polizei, die doch heute mit den raffiniertesten Mitteln arbeitet, Verdacht schöpfte, und da», obwohl eine Termihtenanzctge nach der anderen elnltcs und das Verschwinden von Dutzen den von Menschen doch ausfallen muhte, und obwohl Haar mann sogar mit der Polizei tn Verbindung stand. Gewih mag es wahr sein, dah die Beziehungen Haarmanns zur Poli zei, wie eS im Verlaufe des Prozesses offiziell durch das Polizeipräsidium Hannover bekannt gegeben wurde, nicht Uber daS Mah des tn solchen Fällen Uebltchen kitnauSgingen, daS hctht also, dah er nur mit untergeordneten Organen tn Verbindung stand und nur von ihnen Belohnungen erhielt, wie wahrscheinlich von dem Grcnzoberkvmmislar Olfermann. Dennoch freilich mochte man die Schlußfolgerung ziehen, dah Haarmanii die Polizei mit überlegener Geschicklichkeit zu täuschen verstanden hat. und dah anderseits diele ihm ein Vertrauen entgegenbrachte, das so unglaublich «roh und un vorsichtig war. dah man nicht einmal bei der im Verhand- lungssnale erwähnten Haussuchung bei Haarmann den hinter dem Ofen versteckten Kopf eines der Ermordeten ausznfindcn fähig mar. Dazu kommt noch die furchtbare Anklage verschiedener Eltern, dah ihnen, als sie das Verschwinden ihrer Söhne meldeten. Schwierigkeiten in den Weg gelegt wurden, ia, dah man ihnen sogar Entgegnungen machte, die diese Anhäufung von Entsetzlichkeiten in einem ganz besonderen Lichte erscheinen Arellag. 19. Dezember 1SL4 Haarmann und Grans lassen. «» sei hier an den Heizer Speichert erinnert, dem. als er seinen Sohn als vermißt meldet«, auf der Voltzet e»t. geanet wurde, der Junge werde, wen» er Hunger kabe» schon wtederkominen. Es sei an den Werkmeister Witzel erinnert der, wie er au»!agte, zwölf- bis iünfzehnmal zur Polizei lies, eh« seine vermitztenanzcige wettcrgcgebcn und ihm der Schädel vvrgelegt ivurde, den er alS den seine» Sohne» er> kannte. Das ist ein Verhalten, dessen Furchtbarkeit erst da durch klar wird, daß die Vetresfenden ja ermordet waren, und wenn da» Polizeipräsidium Hannover tn feine« Ortentie rungSmtttetlungen an die Presse Aeutzerungen. wie die gegen Speichert, mit „ungehörig" bezeichnet, so ist das zum min besten» eine sehr milde Beurteilung. Man Ichetnt sich in Hannover nicht ganz klar darüber zu sein, daß hier tn ganz ungerechtfertigter Weise das Vertrauen de» Publikums zur Pvllzet und das Ansehen der deutschen Krtmtnalpoliz, selber, die auf ihre Leistungen sehr wohl stolz sein kann, herab, gesetzt wird. Und dann — und da» Ist nicht da» letzte — muß in den unglücklichen Vätern und Müttern, denen eine solch, Bestle daö Kind umbringt. eine Erbitterung gegen die, die das hätten verhindern müssen, entstehen, die keine Zeit mehr mildern kan». Wenn man sich vor Augen hält, wie leichtfertig Haar mann bet der Auswahl seiner Opfer war. wie iinneniert er aus der Slrahe auftrat, wie bodenlos dreist er die Jüngling, ermordete und sodann zum Weg schaffen fertig maclüc — dann kann man nur immer wieder sich kvpsschütteliH fragen: Wie war da» alles möglich? Und das ist eine Frage, aus di« bis jetzt weder dir Prozchleiiung noch die Kriminalpolizei die Antwort erteil« har. auf die die csamte deutsche Oessentlichkctt ein Recht geltend machen muß Denn hier ist nicht nur versäumt worden einen Wüterich schnellstens unschädlich zu mache», hier hat dos Versagen des öffentlichen Schutzes den Mörder sogar srecuer und frecher werden lassen und ihn im Gedanken a» die »nentüeckten Bei brechen zu immer neuen Mordtaten gereizt. Von ganz besonderer Bedeutung war bet diesem Prozeß, der auS den übelsten Tiefen der modernen Großstadt den ein sedltchsten Schmutz aufwirbelte. die Frage der Bericht- c r st a t t u n g. eine Frage, die nicht nur die Zeitungen als die eigentlichen Organe der Berichterstattung anglng. sondern alle, denen daran gelegen sei» muh. daß dieser Schmutz ver, borgen blelbe. Die Gefahren, -te die Einsicht tn alle müg. licken Einzelheiten und tn daS sch ußlicke Ganze iür unsere Jugend, die von all diesen Dingen zum Glück meist noch nichts ahnt, mit sich bringt, sind nicht zu unterschätzen. Sic sind um so drohender, als an und für sich schon durch gewissc Beakeiterschetiilingen üeS Krieges und der NevolutionLiahrc die Erziehung sich gelockert hat. als aus Grund von miß verstandenen volitische» Martinen alte Fessel» tn Fortfall, neue Methoden tn Anwendung kamen, deren Auswirkung wir vielleicht erst anfangen, zu erleben. Durchdrungen von der Grüße dieser Gefahr hat ia auch der Bund deutscher F r a u c u v e r c i » e im Interesse der Iuaend aller Stände an die deutsche Presse als an die Organisatton. dt« allein die Macht habe, die Jugend vor diesen Entsetzlichkeiten zu de wahren, die dringendste Bitte gerichtet, bis zur UrteilSfälluua die Berichterstattung über den Haarmannprozeh auSzu seien, und tn dieser Kundgebung zum Ausdruck gebracht, bas er überzeugt sei. „damit Im Sstnic aller verant- mortungsvollcn Frauen und Mütter" zu handeln. In Wirklichkeit ist oaS Verhalten wohl aller deutscher Zeitungen, wie cS Ia dieser Aufruf vvll und ganz anerkennt der Bitte des Bundes deutscher Franenvereine entsprechend gewesen. Die Berichte brachten von Ansana an fast nur bar Allcrnotwcndigste und beschränkte» sich späterhin, d-- naturgemäß sich vieles bet dieser Zahl a>eichcr Verbrechen wiederholt, mehr und mehr auf daS. was zu wissen wirklich im Interesse der Allgemeinheit lgg. Im wesentlichen wird also den höchst berechtigte» Forderungen pädagogischer An Genugtuung geschehen sein. Auf der andern Seite aber durfte die Presse auch hier nicht ganz die Aufgabe versäume. Ohr und Stimme der Allgemeinheit z» sein und aus Mangel hinzu, weisen, wie sie die Verhandlungen in Hannover an den Tag gebracht haben, deshalb konnte dem Wunsche dcS Frauen. Vereins, die Berichterstattung ganz auSznsetzen. eben mi< Rücksicht ans die Interessen der Allgemeinheit, nicht völlig cntsvrochen werden. Endlich ist noch auf einen Punkt hinzuwetsen, der von höchster Wichtigkeit ist, und der nur zu leicht übersehen wird: das Bekanntwerden dieser grausigen Vorgänge durch die Be richte der Presse muh sür junge Pente eine eindringlichr Warnung sei»,- sich nie und nirgends von fremden Leute» ansprechcn und zum Mitgeheu verleiten zu lassen. DaS c!i solches unbekümmertes Vertrauen zu Fremde» für suug, Mädchen gefährlich ist. haben Mädcheiihändlervrvzesse zu, Genüge schon gezeigt. Dah aber auch junge Mannei schwersten Gefahren ansgcsetzt sind. Hai dieser Prozeß be wiesen und mit einer Eindringlichkeit, dah man nur hoffe, kann, eS möchten alle Elter» und alle jungen Leuic sich diese Warnung annchmen. Der Slrasantrag im Rolhar-l-Prozetz. 6 Monate Gefängnis sür Aotharük. 8. T a g. Magdeburg, lg. Dezember. Nach Eröffnung der Sitzung erklärt Generalstaatsanwalt Slorp: Bevor ich zu meinen Ausführungen das Wort nehme, Hab« ich mich mit dem Zeugen Gobcrt zu beschäftigen, der am Schlüsse der VewclS- ausnahme die zuerst von Syrtg vorgebrachle Angabe über die Gestellungsbefehle wiederholt hat. In der Presse ist bereits mitgcleilt worden, dah der Zeuge Gobcrt schwer vorbestraft ist. Hierauf lassen sich gewisse Rückschlüsse auf seine Glaub würdigkeit schlichen. Ich halt« aber dl« Aussagen für bedeu tungslos. Für den Fall aber, dah das Gericht dieser An'sagc irgendwelche Bedeutung beimcssen sollte, beankrage ich. daß das Gericht telegraphisch das Verzeichnis der Vorstrafe» des Zeugen Gvbert einfordere. Soweit GobertS Aufenthalt in Berlin in Frage kommt, liegen sie bereits vor. Es würde sich nur um diejenigen handeln, die nach seinem Berliner Auf enthalt in Frage kommen. Borsiftcuder: Hier liegen bisher ll Vorstrafen Goberts vor. darunter 8 wegen Betrugs. Hierauf wird die Reihe der Plädoyers eröffnet. Generalslaalsanrvatt Slorp weist einleitend darauf bin. dah der hier verhandelte Be- letdigungSvrozeh naturgemäß auf daS volttische Gebiet über- greiscn muhte. Darum hätte auch die Beweisaufnahme sich nicht auf Totlachen beschränkt, sondern Auffassungen und Werturteile zutage gefördert. DaS bat die Ausgabe der Staatsanwaltschaft erschwer«. Die LtaotSanwaitschast bat Leib und Leben, Hab und Gut. und besonders auch die Ehre des Bürgers z« schütze«. Dabei muh ihr die Person deS Be- leidiger- ebenso gleichgültig sein, wie die deö Verletzten. Die Absicht -er Beleidigung ergibt sich offenbar schon auS der Überschrift dcS Artikel» ,Mne bittere Pille für F-ttze Eberl". Die Anrede „F ritze" brauchte nicht tn allen Füllen eine Be- letdtgung zu sein. Im vorliegenden Falle ergibt sich auS dem ganzen Zusammenhang aber die Absicht der Be leidigung. Dann wird tn dem Artikel von roten Bade hosen gesprochen, mit denen der Reichspräsident angeblich in München begrüßt worden sein soll. Das bezieht sich aus eine vhotographische Aufnahme der Aba. Ebert und Nooke tm Bad«, die vor mehreren Jahren sicherlich argen ihren Willen veröffentlicht wurde. Feder Mensch von aoter Kinderstube hat damals diese taktlose verdffeutlichuua al» «ln häßliches Mittel t» politische» Kampf« verurtetlt. Wie man sonst auch N-fsnn d>-a i-t-ia»« fn-tchsnräsident-'n ü-s,-« die a->- schmucklose Weise, mit der der Angeklagte auf dieses Bild in seinem Artikel hiuweist. stellt sicherlich den Tatbestand de« formalen Beleidigung dar wie sie tn dem Artikel auch a» anderen Stellen enthalten ist. Dafür ist der Auaeklaat« ,v verurteilen. In dem Artikel handelt cS sich aber auch »m üble Nach rede. Dem Reichspräsidenten wird der Vorwurf deS Landes Verrats gemacht. Bei keiner ersten Vernehmung vor den Landgericht in Staßfurt hat der Angeklagte erklärt, er wossc einen von Ganhcr ausgeiviochcnen Vorwurf nicht über ! nehmen und könne für die Beschuldigung des Landcöverrai, einen Beweis nicht antrctcn. Später hat er leine Haltune, geändert und den Wahrheitsbeweis angcboten. Die Bcrösscntttchuna deS Artikels im Blatte deS An geklagten entsprang zweifellos der Absicht, den Reicks- präsidente« in den Auge« der Leser lierabzusetzcu. Wenn ein DcuZcher während des Krieges eine Handlung be ging, die zur Verschlechterung der Kriegslage führte, so würd« das Landesverrat sei». Das konnte also auch die Anzettel»'" eines großen Streikes sei». Die Beweisaufnahme hat ergebe«, daß der Sozialdeun» kratische« Partei, insbesondere dem Führer und uamcutlici dem jetzigen Reichspräsidenten, der Ausbruch deö Fanua' Streiks und irgendeine Mitwirkung dabei nicht zur Last »c legt werde» kann. Die Leitung der SPD. trat tn die Streikleitung ein, un diese von ihr nicht gebilligte Bewegung zu einem sür di« Landesverteidigung günstigen Abschluß zu bringe». Dü Flugblätter und die Artikel der Sozialdemokratischen Parie können nicht dagegen angeführt werden. Wollten die sozial demokratischen Führer ihr Ziel erreichen, dann durften sic nicht offen den Streik bekämpfen: si« wären sonst au» bei Streikleitung hinauSgeworfen worden und hätten dt« Be> wcgung nicht mehr in ihrem Sinne beeinflussen können. Der Generalstaatsanwalt stellt am Schluß seine- mehr al» einstünbtgen Plädoyers folgenden Strafantrag: Ich beantrage, gegen den Angeklagten Röthardt z» erkennen ans eine Gefängnisstrafe von S Monaten, wo von dcrr Nest von drei Monaten nach Verbüßung von dre Monaten bedingt auSgesctzt werden darf. Außerdem be antragc ich. die Veröffentlichung dcü Urteils aus iusprechcn, und zwar die Berösscntlichung in der „Mittel deutsche« Presse". Staßfurt, i» einer Berliner und einer Magdeburger Zcttnng. Die Platten, die zur Hcrftell»«« der Artikels benutzt worden sind, sind zu vernichte«. (Der Vcrlis» i's>kr da» Pltldoner folgt im Morgendlatt.)
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