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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 04.04.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-04-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188404045
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840404
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840404
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungChemnitzer Anzeiger und Stadtbote
- Jahr1884
- Monat1884-04
- Tag1884-04-04
- Monat1884-04
- Jahr1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 04.04.1884
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Ctze«»itz»r N»ie1>er «»d Elsdttste. Nr. 80. Freitag. 4. April. Erste r. !k Mau drang jetzt oh« «idastand bi» ,n» Zelle B««r». bi« -lau aber leer fand, weil die Behörden i» der Boransficht deffrn, was komm» würde, den Berfuch gemacht hatte». Berner »st der Eisen- bahn nach Kolumbus ju schicken. Berners Berfchwindo reizte dis Menge zu noch größerer Such and »an verlangte jetzt nach jechnz Neger, der kurz vorher seine ZamilienmitgjWder ein«» nach dem andern getödtet hatte, n» die Leiche» fir den -Sezirmch,^nier Uni- versität zu verkauf«. Als sich anch Dieser nicht voniWd. begann die Menge ihre Wach an,^he» Gebühr selbst änszulaff«. Man schleppte ein Faß Theer Hache). ließ de» Inhalt r» den Hof fließen und versuchte. doMben anz^iutden. BnAeicht würde das geglückt sein. wam nicht Hpchde in diesem Angmblick die Miliz durch einen unterirdisch« Bong va» Berichtsgebönde her rrschi«« wäre. Zu nächst säuberten die Soldat« den Hof und begann« dann, als das Voll nun^fn größeren Mast« und noch ungestümer onbrang. kalt blütig zu fenab. . Der Kampf — wenn man dieses zeitweilige Au» dräng« der Menge und da» Feuern der Miliz so nennen will — dauert« bis gegen Morgen. Wie es heißt, war« vom Bolle 5 ge tödtet und 32 verwundet worden. Der Mörder Berner hatte inzwischen auch eine sehr unruhige Nacht verlebt. Der Eiseubahnzug, der ihn nach Kolumbus bringen sollte, wurde unterwegs von Leut«, die Berner lynch« wollt«, un gehalten. Bauer lief durch die nach amerikanischem Evstem mitein ander in Verbindung flehend« Waggons und entkam in der Dunkel heit. Er »noch« am Sonnabend Morgen in einer Borstadt von Cincinnati wieder aufgegrisfeu. Während der Sonnabend verhältniß- «Sßig ruhig verlauf« war, «neuerte sich um 10 Uhr Abends der Aufruhr nrä nahm erschreckende Dimension« an. Die Polizei ver lor ihre ganze Macht über das Boll, welchrs einfach auf Zerstörung anszugeh« schien. Der Mob drängte sich au daS Gefangmhaus heran, das von der Polizei und vom Militär besetzt gehaltm wurde und steckte das Kerichtsgebäude, ein einzelnstehendes Haus, best« Bankost« eine Viertel-Million Dollar» betrug«, in Brand. Die Feuerwehr wurde herbrigeruf«; der Mob ließ sie aber nicht arbeiten »nd schlug die Spritz« mit Aexten in Stücke. Das Kerichtsgebäude brannte mit all« Archiv« und der Bibliothek gänzlich nieder. Einem Berichte nach warf die Menge Dynamitbomben in das Kefangenhaus, di« wst furchtbarer Gewalt explodirteu und drei Soldaten tödteten. Dj« Aufrührer versucht« es dann noch, eine Waffenhandlung zu plündern, wurden aber von dem Besitzer derselben zurückgeschlag«, det wehtere der Angreifer erschoß; auch der Versuch, das Haus in Brand zn steck«, mißlang. Erst als der Aufruhr sehr ernste Dimen sion» angenommen hatte, schritt das Militär ein; dasselbe «öffnete Fener auf die Aufrührer und brachte auch eine Ritrailleuse zur An wendung, welche furchtbar gehaust haben soll; dieselbe wurde einmal vom Bolle genommen und erst nach längerem Kampfe wieder zurück erobert. Die Zahl der Getödtet« wird bis auf 200 geschäht; andere Berichte beziffern die Zahl der Gefallenen auf 50 bis 75. Ein Leutnant der Miliz wurde erschlag« und mehrere Soldaten und Polizisten verwundet. Der Aufruhr währte die ganze Nacht fort und von beiden Seit« wurde bis gegen Tagesanbruch geschossen. Am Sonntag Morgen war Alles verhältnißmäßig wieder ruhig und--die-GWaßen trotz des schön« Wetters nahezu menschenleer. Alle zü'Wst Grfangenhause führenden Straßen waren verbarrikadirt. Der tHMroll-Ahjutänt deS Staate« Ohio verweilt in der Stadt, und die gm»ze Miliz des Staate« hatte den Befehl erhalten, nach Cincinnati fo rasch als möglich einznrücken, da weitere Unruhen befürchtet wurden. Ost« Uickular, gelangte zur Vertheilung, worin zur Errichtung eines Bigilance-AuSschuffes aufgefordert wird, um die Stadt von Verbreche« zu fände«. Der unerhörte Vorfall hat in ganz Amerika ein uuge- h«reS Aussehen erregt. Allgemein ist man geneigt, die Ausschreitungen «it jenen der Kommune in Pari« zu vergleichen. (Nat. Ztg.) Politische Rundschau. Deutsches Reich. In der gestrig« Sitzung des preußi schen Abgeordnetenhauses stand u. A. der Antrag des Abge ordneten Stöcker zur Berathung, die Regierung zu ersuchen, auf Abstellung deS in den größeren Gemeinden, namentlich den Groß- stW« bestehenden kirchlichen Nothstandes hinzuwirk« und soweit es hierzu erforderlich ist, eine Abändemng der bezüglichen Gesetzgebung, sotpie die Bewilligung von Staatsmitteln herbeizuführen. Abgeord neter, Stöcker befürwortete seinen Antrag mit dem Hinweis auf Payern und auf London, wo Staat und Kommune erhebliche Summen zy>. ähnlichen Zwecken, wie er sie verfolge, hergegeben hätten. Nament lich fei« eS die Verhältnisse in Berlin gewesen, die ihn zu feinem Anträge veranlaßt hätten, denn gerade in Berlin herrsche ein kirchlicher ÜWHstand, wie er erschreckender und dringender nirgends bestehe. Bei etwa einer Million evangelischer Einwohner besitze Berlin nur 40 Kirchen mit 90 Geistlichen, und während die Residenz jährlich um 40,000 Seel« wachse, besitze sie nur 40,000 Sitzplätze in den Kirchen. E» ko»»r vor. daß eia Geistlicher au einem Tage 100 Tauf« vor- zuuehme». baß er !8—20 Stund« wöchentlich kvufirmandrnunter- richt an 800 Linder zu erlheilen habe. Alles daS beweise, daß in Berlin der kirchlich« Bankerott herriogebrochen. In der katholischen Kirche läge» die Verhältnisse ähnlich, bezüglich der Taufen sogar noch schlimmer. Ja envas seien ja schon Schritte zur Abhilfe geschehen, aber es sei manöglich, mit freiwilligen Kräften erfolgreich weitrr zu arbeiten. Tie Sach« habe aber nicht nur eine kirchliche, sonde« auch riue ethisch« Seite und er sei überzeugt, daß dir Zunahme der Verbrechen riue Folge der schlimmen kirchlich« Zustände fei. Ter Sulrusminister v. Goßler erwiderte, daß er selbstredend ein beson deres Interesse für die angeregte Frage habe. Hinsichtlich der Mit Wirkung der Etaatsregiemng gebe er als ein« Punkt, j, welchem die Regierung werde eingreifen können, die Frage zu, ob der Patron verpflichtet sei, wenn eine Nebenkirche errichtet werde, die Last« zu .Gunst« der Nebenkirche zu übernehmen. Nicht berechtigt sei der ! Staat, in der Frage zu entscheid«, ob die kirchlich« Aufsichtsbehör den eine Erhöhung des Einkommens der Geistlich« avordneu dürfen. >Abg. Reichensperger (Köln) führte aus, daß der kirchliche Nothstand, ! unter dem anerkanntermaßen auch die katholische Kirche leide, nicht ! beseitigt werden könne, so lange diese in Fesseln gehalten werde, i BieleS werde Herr Stöcker bessern können, wenn er kirchliche Bersamm Ölungen veranstaltete sund die reichen Leute zu Beitrag« veranlass« würde. Schließlich wurde der Antrag gegen die Stimmen der Kon servativ« und eines Thcils deS Zentrums abgelehnt. — Dem Bundesrath ist soeben eine Vorlage zugegangen, welche die Privateiseubahnen verpflichtet, im strategischen Interesse die jenigen Maßnahmen zu treffen, die von der Militärverwaltung gefor dert wcrd«. — Ueber die Bremer Zollanschlußsrage wird offiziös ge schrieben: Ter Antrag Bremens auf Nnbeziehung in das Zollgebiet soll beim Buudesrathe noch nicht eingegangen sein, aber in sicherer Aussicht stehen. Eine rasche Erledigung dürste der Angelegenheit wohl kaum beschick« sein, denn nach allem, was verlautet, möchte Bremen, ähnlich wie es in Hamburg geschehen, einen entsprechenden Theil seines Territoriums sich als Freihafengebiet auch für die Zu kuuft Vorbehalten, während aus dm von den Bundesregierungen auf ein desfallsiges Schreiben des Reichskanzlers eingelangten Rück- äußerungen hervorgehen soll, daß dieselben nicht geneigt sei«, dem Wunsche Bremens nach Ausscheidung eines Freihafengebietes Rech nung zu tragen. Was die Korrektion der Unterweser anbelangt, welche Frage früher vielfach mit der Einbeziehung Bremens in das Zollgebiet verquickt wurde, so hören wir, daß diese Frage von der Bremer Regierung jetzt selbst getrennt behandelt wird und wohl erst dann zur Diskussion gelangen dürfte, wenn das Problem des Bremer Zollanschlusses unter Ausscheidung eines Keinen Freihafengebietes ge regelt sein wird. — In kirchenpolitischen Fragen verdient die vom Kultusminister v. Goßler in der Montagssitzung des preußischen Abgeordnetenhauses abgegebene Erklärung — als Antwort auf eine bezügliche von polnisch-klerikaler Seite eingebrachte Interpellation — rcgistrirt zu werden, daß die Regierung nicht gesonnen sei, für Posen-Gncsen die eingestellten Staatsleifiungen wieder aufzunehmen. Herr v. Goßler lehnte es ab, die Gründe für dieses Verhalten darzuleg«, welcher Bescheid auf den Polenbänken und im Zentrum große Entrüstung hervorrief und Herr Windthorst drohte sogar mit Repressalien im Reichstage, was sich offenbar auf die Sozialistenvorlage bezog; ernst find aber diese Drohungen wohl schwerlich* zu nehmen. — DaS Abge ordnetenhaus erledigte außerdem an genanntem Tage die zweite Be- rathuvg der Jagdordnung und nahm auch den Rest der Vorlage, gleich den vorhergehenden Bestimmungen, fast durchgängig nach den Kom- misfionsvorschlägen an. Am Dienstag befaßte sich das H»us nur mit Angelegenheiten minder wichtiger Natur und erledigte am Mitt woch Kommisfionsberichte und Petitionen; auch beschäftigte es sich mit dem Anträge Stöcker auf Beseitigung der kirchlichen Nothstände in den großen Städten. — Ueber das Endergebniß der Reichstagsstichwahl im zweiten meiningen'schen Wahlkreise liegen zwar noch keine definitive Berichte vor, doch ist an dem Siege des liberalen Kandidaten v>-. Witte nicht zu zweifeln, da derselbe bereits einen Vorsprung von ca. 3000 Stimmen vor seinem sozialdemokratischen Gegner Viereck hat. Oesterreich-Ungarn. Ueber die Aktion der österreichischen Anarchisten, welche mit dem Attentat auf Merstallinger im Jahre 1882 begann und sich bi» in die neueste Zeit hinein durch die Er mordung Blöch's, Hlubek's und Eisert's bemerklich macht«, enthalten die Wiener Zeitungen eingehende Berichte. Es geht hieraus hervor, daß die österreichische Anarchistmpartei mit den revolutionären Ele menten anderer Länder in enger Fühlung stand und namentlich zu dem Most'schen anarchistischen Zentral-Komitee in Newyork nahe Be ziehungen unterhielt. Auch liegen schwerwiegende Indizien vor, daß die österreichisch« Anarchist« an der Ermordung de« Musketiers Adels und deS Apothekers Lienhardt in Straßburg, sowie an dem Raubmordversuch bei Heilbronner in Stuttgart betheiligt gewesen sind. ES scheint überhaupt ein förmliche« Komplott auf anarchistischer Seite bestanden zu haben, nach Art der Fenier mißliebige Polizei-Organe zu beseitigen und sich zugleich durch verwegene Einbrüche in Bank häuser u. s. w. die nöthigen Geldmittel zur Förderung der dunklen Pläne der Anarchist« zu beschaff«. Da das Material noch immer wächst, so dürften aber noch Monate vergeh«, ehe das Wiener Land gericht, vor welchem der Prozeß gegen tffe in Wien und Pest ver hafteten Anarchisten spielen wird, die Anklage sonnukirt haben wird. Frankreich. In Frankreich ist plötzlich das Listenskrutinium, dieser Lieblingsgedanke Gambetta's, wieder auf die politische Tages ordnung gesetzt worden. Das Listenskrutinium dürfte vorerst im Kleinen zur Anwendung gelangen, nämlich bei den Pariser Gemeinde rachswahlen. In der Deputirtenkammer ist von den radikalen Abge ordneten, wclche die Vertreter der Hauptstadt im Parlamente sind, der Antrag gestellt worden, die Neuwahlen im Listenskrutinium — und zwar jedes der zwanzig Pariser Arrondissements für sich — zu vollziehen. Nach heftigen Debatten, in denen die Rechte diesen Vor schlag energisch bekämpfte, ist von der Deputirtenkammer der erwähnte Antrag io Erwägung gezogen Word«. Es werden also wohl die 60 Munizipalräthe von Paris das nächste Mal durch daS Listeu- skrutinimn gewählt werden und von dem Ausfall der Probe dürfte die Ueberlragung dieser Wahlform auf die Neuwahlen zur Deputirten kammer abhängen. Ettglmid. Die egyptische Frage spielt fast in alle Debatten des englischen Parlaments hinein. Auch am Montag war dies der Fall, indem im Unterhause Nvrthcote, der Oppositionsführer, eine Inter pellation bezüglich Egyptens ankündigte, deren Beantwortung indessen der Kriegsminister Hartington bis nach den Osterferien hinausgeschoben wissen wollte; Hartington theilte sodann die bekannt« Nachrichten über das Mißlingen des Ausfalles Gordons aus Khartum mit. Auch jetzt wußte aber der Minister noch nichts davon zu berichten, was die englische Regierung für die Rettung Gordon's zu thun gedenke and wenn sich Gordon nicht selbst zu Helsen vermag, so ist schwer zu ersehen, woher ihm noch Rettung wird« soll. Uebrigens ist es Gordon gelungm, noch vor der Einschließung Khartums durch die Aufständischen mehrere Karawanen von Flüchtlingen von der Stadt »bgehen zu lassen, welche sich auch glücklich nach Korosko gerettet haben. Im Ostsudan fährt Osmau Digma fort, den Ueberall und Nirgends zu spielen Dreimal sind seine Schaar« von den Eng ländern zersprengt worden, wieder aber bedroht er mit einem neu« Heere Suakin und General Graham wird sich daher zu einer neuen Expedition gegen den kühnen Rebellenführer entschließen müssen. Rnhland. Aus Warschau wird berichtet, daß daselbst am vergangenen Dienstag General Gurko eingetroffen sei, mit den weit gehendsten Vollmacht« zur Rnsfifizirung von Russisch-Polen versehen. Aus dem großen Theater in Warschau wurde die polnische Truppe bereits gänzlich verdrängt, ebenso finden in dem Varietes-Theater fortan dreimal wöchentlich Vorstellung« in russischer Sprache statt. Die in Kongreß Polen erscheinenden polnischen Blätter sollen gezwun gen werden, sämmtliche Edikte und Regierungs-Kundgebungen in russischer Sprache zu veröffentlichen. Italien. Der Regenerationsprozeß im italienisch« Ministerium ist nunmehr beendigt. Große Veränderung« in der Zusammensetzung des KabinrtS DepretiS find aber nicht eivgetreten, denn wenn etwa auch die Hälfte des Ministerium- gewechselt hat, so find doch die wichtigsten Ministerien in den Händen ihrer bisherigen Inhaber geblieben. Die auswärtigen Beziehungen Italiens haben durch die Ministerkrisis kei- nerlei Beeinflussung erfahren. Norwegen. Die Aburtheilungen der norwegisch« Minister durch das Reichsgericht zu Christiania sind jetzt zu Ende. Im Gan zen sind I I Minister und Staatsräthe verurtheilt worden, davon 7 zur Amtsentsetzung und zu Geldstrafen, die anderen 4 lediglich zu Geldstrafen. Die Frage der Neube;etzung der vakant geworden« Ministerposten dürste aber noch manche Schwierigkeiten verursachen. Nord-Amerika. In Cincinnati ist nach den blutigen Re volten der vorigen Woche die Ruhe wieder hergestellt worden. Die Berichte, denen zufolge bei den Unruhen über 100 Personen getödtet, gegen 300 verwundet sein sollten, haben dem Vernehmen nach stark übertrieben. Der Hirten-Heini. Eine Schwarzwald-Beschichte von Max Bögler- (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Nun war der Heini Thalbauer geworden: — Das wär' jetzt etwas, wenn er ihr den Laufpaß gäb', raunten die Burschen beim Kirchweihtanz immer wieder einander zu. Heini hatte heute wirklich gar keine Lust, zum Tanz zu gehen. bHie er nach dem Gottesdienst in jenem Gemach vor dem Bett, darüber das schwarze Tuch gebreitet war, saß! Ein paar Mal hatte er das Haupt von dem letzteren emporgerichtet, aber immer wieder darauf niedersinken kaffen. Sein sonst so frisches Gesicht schien bleich geworden, und wie sich dann und wann ein kurzer, klagender Laut aus sein« Brust emporrang, hingen ihm mit einem Male heiße Tropfen km den Wimpern. Er dachte an den Thalbauer, der auf diesem Lager den letzten Athem ausgrhaucht, er dachte an sich und die wilde Kathrin', — aber auch noch an andres. Draußen lag Heller Sonnenschein auf den hohen Waldbergen, die mit ihrem immer frischen Tanvengrün lautlo« in die stille Luft aufragten; Weiße, feine Fäden nur zogen leise darüberhin, als wollten sie sich noch einmal einspinnen in Lust und Sommertroum. Ein schäumender Gießbach rauschte unfern dem Thalhof an ihnen herab und schlug mit seinem silberklaren Gewässer munter auf das Felsge stein zwischen den Tannen auf, als sollte der Wald zu seinem fröh lichen Fall noch einmal «ufschauern in Sangcsjubel und freudigem Gewog. Der aber blieb ruhig und still, als wollte er selig ent schlummern unter der Sonne warmem Kuß, — dem Kuß deS Schei dens. Denn wie lange noch würde eS währen, daß sie hinter graue Gchneewolk« sich zurückzog, wie lange noch, bis diese das weiße Wintergewand herabgleiten ließen über den ruhenden Wald. Heini hatte sich endlich erhoben und stand an einem der hohen, blanken Fenster des Gemachs. Nicht lange, da trat er wieder zurück, mid sagte dem Gesinde des Thalhofs, wenn sie in den Ställen alles gerüstet, so halt' er sie nicht länger auf; sie sollten nur gehen und sich der Kirchweih freuen. Ob er nicht erst das Mittagsmahl nehmen wollt', fragte die erste Magd, und sie hatte sich schon angethan mit ihrem Festtag-schmuck. Wenn er etwas eff« wolle, so wert»' er'S schon finden, antwortete der Heini verdross« und mit abgewandtem Gesicht. Für jetzt sei'S gut. Und er lenkte die Schritte nach dem Eterbegeinach des Thalbauern zurück. Er kann mir recht leid thun, unser junger Herr, daß er sich gar so viel grämt um deS Thalbauern Tod, meinte die Di«' zu ihrem weiblichen Mitgesinde, — kommt, jetzt können wir springen, — 's wird heut lustig! Und sie steckte den blonden Kopf noch durch den Thürspalt an des Oberknechts Kammer, wo dieser, auf dem Schemel sitzend, eine gesprengte Naht an seiner Sonntagsjacke ausbesserte, und rief übermüthig hinein: „Vergnügte Kirchweih, Peter, — beim Tanz kannst' mich finden!" Und bald «ar's ganz still im Thalhof. Selbst das Geflügel, das sonst auf dem Gehöft herumlief und schnatterte und gurrte, war eingesperrt, und auS den Ställen kam nur manchmal ein gedämpftes Gekreisch und Gcwieher und lief mit leisem Echo an den weißge- tünchten Mauern der langhingestreckten Gutsgebäude rundum. Sonst alles still, und es war doch kaum dritte Nachmittagsstunde. Droben auf der halb« Höhe des Berges hinter dem Thalhof, wo die letzten Blumen in die rothe Haide niedernickten, lag auch alles ruhig und still; der Wald hält seine eigene Kirchweih, ohne Lärm und Geräusch. Und ein junges, einsames Menschenkind auch, daS droben auf dem stillen Waldplatz zwischen den Tannen im Haidegesträuch hinge streckt liegt Eine hellblonde Flechte dichten, Weichen Haars schimmert zwischen dem knorrigen Geflecht am Boden, und eine andere glänzt auf schneeig weißem Hemd über rothfarbenem Mieder der jungen Di«'. Die hält das Gesicht zur Seite gewandt und daS Haupt auf den zurückgebogenen Arm gelehnt; die Hand deS anderen Arms ist eng gegen di« leisathmmde Brust gelegt, und wie man näher hinsieht, bemerkt mau, daß sie ein kleiner, schwarze», goldgerändertes Buch umschließt, — ein Gebetbuch. Wirklich, hält auch das Mägdlein hier ob« Kirchweih? Und hat sie das Büchlein deshalb mit hiaauf- g-bracht? - Jetzt wendet die Dirn' da» Antlitz und schaut gerad nach den blau« Wolken am Himmel auf. Dieser schimmert mit einem Mal in vollem Sonnenlicht und grüßt heiter in daS blaue Geleucht ihrer Augen hinein. Aber nun sieht man auch, wie das für eine Dorfdirn' fast zu fein geschnittene, zarte Gesicht bleich ist und verweint, und wie die schön geschwungenen Wimpern feucht sifld von heimlich« Thränen, Thränen am Kirchweihtag l. . . Im Augenblick schaut die junge, kaum neunzehnjährige Dirne, wie ein mächtiger Steinadler in geringer Höhe über ihrem Haupt schnell dahinkreist; sie ist erschrocken zusammengefahren, als sein breiter Flügel aus einem der Tannenwipfel neben ihr aufgeschwirrt. Und nun zuckt cs auf's neue durch ihre Glieder. War's nicht, als hätte sie es ganz leise in ihrer Nähe ruf« hören: „Maria" ? Nachrichten aus Chemnitz und Umgegend. Chemnitz, den 3. April 1884. —A. Nächsten Sonnt ag (Palmarum) wird in allen evange lischen Kirchen hiesiger Stadt eine Kollekte zum Besten des Vereins für Unterstützung armer Kranker der Stadt Chemnitz ver anstaltet. Hoffentlich wird dieser Tag, der ja für manche Familie ein Festtag ist, recht Viele veranlassen, ein Scherflein zur Linderung Und gleich darauf ein wenig lauter, mit wärmerem, innigerem Klang: „Maria, Maria!" ... Diesmal hatte sie sich nicht täuschen können; es war ihr Name» den sie deutlich rufen hörte. Sie wandte rasch das Haupt nach der Richtung, aus welcher sie das Wort vernommen und sprang auf. Nun erst, wie das Mädchen aufgerichtet dastand, konnte man sehen, welch' hoher Reiz in der Erscheinung derselben lag. Ohne groß genannt werden zu dürfen, war die Gestalt von ausgesprochener Schlankheit, und ihre anmuthumflofsenen, graziösen Formen schienen anzuschwellen und sich zu heben unter dem stärkeren Herzschlag, der die Brust des Mädchens unter dem knappanliegenden Mieder höher auswogen ließ. Die edlen feinen Züge des kaum von leichter Röthe überhauchten Gesichts zeigten denselben milden, warmen Ausdruck, der in dem wundersam sanften Glanz der klar erschlossenen Augen lag. Jetzt, da sich die Dirne so plötzlich überrascht sah, hatten sich diese Augen in staunendem Ausblitzen noch weiter geöffnet; die kleine Hand strich die dichte, blonde Flechte über dem Weißen Hemd hastig zurück, daß sie mit der anderen, an den Enden von zart durch sichtigem rosafarbenem Band zusammengehaltcn, lang über d« Nacken hinabfiel. „Maria!" klang es da noch einmal bittend, fast drangvoll flehend aus der Lichtung der Tannen zu ihr herüber — und dort unter dem schattig« Geäst stand Heini, beide Hände gegen fin ausgestreckt. Die Augen des Mädchen- umschlossen die hohe Gestalt de» Burschen zuerst mit einem langen lebendigen Blick, dann sah sie verwirrt v»r sich nieder und preßte die Hände, das kleine Gebetbuch fest umschließend, gegen ihre Brust. „Darf ich zu Dir, — kannst Du mir wieder gut sein, Maria?" fragte jetzt Jener und eine ängstliche Spannung lag in seinem ernsten Gesicht. Noch hatte er nicht gewagt, ihr einen Schritt näher zu treten. Die Dirne sah ihn kurz an. „Du, — Du, Heini?" versetzte sie, verwundernd das Haupt schüttelnd. „Was suchst Du hier oben. — geh', geh' zur wild« Kathrin'!" Sie stieß die letzten Worte rasch hervor, man merkte, welche Ueberwindung es sie kostete, sie auszusprechen, und es wäre schwer zu sagen gewesen: war's Schmerz, war'S Freude, was sich in ihren Zügen kundgab. Aber ihre Augen blickten sehr ernst. Und nun schien sie sich abwenden und hinwegschreiten zu wollen. Er aber trat jetzt eng an sie heran. (Fortsetzung folgt.) st« z« uns gest Z IM große rung 20 L bauer famili leute heimi die E betref stand Weiß seine sorgt Feuer an w nachts «irth betagt Chem Wirts diese gesteri «nzak geschic oft Wl gering Falle nur tz wurde Bequ« roll«! am A Häufe
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