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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 12.07.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188407129
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840712
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840712
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungChemnitzer Anzeiger und Stadtbote
- Jahr1884
- Monat1884-07
- Tag1884-07-12
- Monat1884-07
- Jahr1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 12.07.1884
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Chemnitzer Anzeiger und Tiadlvote. Rr. ivl. Sonnabend. 12. Truppen de- Mahdi von der einen Seite mit Darstellung aller Einzäheiten bestätigt, von der andern Seite ans das Entschiedenste widerlegt werden und zur Zeit sich gar Niemand auskennt. In der Hauptsache liegen denn doch überwiegend viele Anzeichen dafür . vor, daß der Mahdi ganz so, wie er es vor mehreren Wochen ver kündet hat, erst die Beendigung deS hohen muselmännischen Feste« de« Ramadan abwartet, bevor er seine Hauptaktion beginnt. Wahr- scheinlich hängt damit der Termin der Lieferung von Kanonen und ausgiebigen Munitionen zusammen, die ihm von den allezeit perfiden englischen Kaufleuten kontraktlich zugesichert worden sind. — Mr. Claude Vincent, der vor Kurzem bi« Wadi Half« vor gedrungen war und Land und Leute in Oberegypten bi« an die sudanesische Grenze auS nächster Nähe kennen gelernt hat, macht über die augenblickliche Lage Egyptens die folgenden interessanten Mit theilungen : „Die Situation Egypten» ist weit ernster, als man in England denkt. Für den Moment herrscht wohl eine kurze Erholungspause, die aber nur dem Umstande zu danken ist, daß gegenwärtig das Rhamazanfest gefeiert wird, während welcher Zeit der Mahdi in seinen Operationen stillhält, über binnen Kurzem wird der Sturm loSbrechen und die Engländer werden tüchtig zu kämpfen haben, um sich nur im Lande zu behaupten. Das ist die Meinung, die ich mir nach einem sorgfältigen Studium der Frage unter der Mitwirkung der verläßlichsten Autoritäten, englischer und eingeborener, im Lande selbst gebildet habe Man hat keine Idee von der Intensität, mit welcher wir Eng länder in Egypten gehaßt werden. Diese Animosität wider uns herrscht allerorten. Wir werden gehaßt, zunächst weil wir Christen sind, dann, weil wir Fremde stnd, und drittens endlich, weil wir schon zwei Jahre im Lande sind, ohne Jemandem Gutes erwiesen zu haben, nicht einmal uns selber. Es haßt uns Jedermann, von Nubar Pascha angesangen bis ties abwärts. Nicht eine Mosche« existirt in Kairo oder Alexandrien, in welcher nicht die Gläubigen ermahnt werden, sich vorzubereiten, an den Ungläubigen Rache zu nehmen. Allüberall im Lande, im Delta sowohl wie in Oberegypten, ist die Haltung der Bevölkerung eine zuwartende. Sie warten aus das Anrücken d«S Mahdi, von dem sie annehmen, daß er viel stärker sei, als ganz England." Nord-Amerika. Die Wahlbewegung in der nordamerikanischen Union wird mit der bevorstehenden definitiven Nominirung des demo kratischen Präsidentschaftskandidaten sich zu ihrer vollen Höhe ent falten. Zu diesem Zwecke ist in dieser Woche die demokratische Nationalkonvention in Chicago zusammengetreten und wird sich die selbe vermuthlich für den Gouverneur von New-Jork, Cleveland, entscheiden. Australien. Von Australien meldet der Telegraph, daß der Schachzug deS englischen KabinetS gegen die Absichten deutscher Kauf- leut«, an der Ostküste von Neu-Guinea ein großes, bisher neutrales Ländergebiet zu erwerben, gelungen ist. Auf den von London aus veranlaßten Ruf der australischen Kolonien um englischen Schutz gegen alle Fremden, entsandte das britische Kabinet eiligst einen Kom- missär mit den weitgehendsten Vollmachten, um Namens oer Königin den Schutz über jene Gebiete auszuüben, resp. jenes Ländergebiet für England zu annektiren. Wkachrichte« aus ikhemuttz und Umgegend. Chemnitz, den 11. Juli 1884. — Im Lokalverkehr der künigl. sächs. Staatseisenbahnen bestehen wegen der Beförderung von Beeren- und Obstsendungen nacherfichtliche Bestimmungen: In frischem Zustande zur Aufgabe ge langende Sendungen von Beeren (Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, Johannisbeeren, Preißelbeeren rc.), sowie frisches, weiches Obst» als: Kirschen, Birnen, Pflaumen, Aepfel, Aprikosen, Wein trauben rc., werden eilgutmäßig zu den einfachen Frachtgutsätzen be fördert, jedoch ohne Garantie für Einhaltung der Lieferfrist für Eil gut. Sendungen, welche diese Vergünstigung genießen sollen, müssen mit weißem Frachtbriefe aufgrliefert werden; für Sendungen mit rothem Frachtbriefe wird die Eilguttaxe erhoben. Ausgeschlossen von dieser Frachtvergünstigung sind die in Treibhäusern gezogenen oder aus südlichen Gegenden zu ungewöhnlicher Jahreszeit eingeführten theueren Obstsorten, welche zu den Delikateßwaaren zu rechnen sind. Bel eilgutmäßiger Beförderung dieser Obstsorten ist die tarifmäßige Eilgutfracht zu berechnen. — Die Sächsische Stickmaschinenfabrik von Voigt in Kappel brachte kürzlich ihre 4000. Maschine zum Versandt. Dieselbe kam nach Plauen. — In den am Mittwoch stattgefundenen beiden Versammlungen deS konservativen Vereins und des nationalliberalen Wahlvereins wurde mit Stimmeneinheit beschlossen, als Kandi daten für die bevorstehende ReichStagSwahl Herrn Landgerichtsdirektor vr. Schieber aufzustellen. — Gestern Abend fand im Hotel zu den vier Jahreszeiten die Verfammlung von Vorstandsmitgliedern derjenigen hiesigen Kranken- und Begräbnißkaffen statt, welche dem sächsischen Landesverbände beigetreten sind. Nachdem dieselbe durch den auf dem kürzlich statt- gefuudenen Kongreß bekanntlich gewählten Präsidenten, Herrn R. Hauschild, eröffnet worden war, wurde zur Ergänzungswahl des Präsidiums, welche von den hiesigen Vereinen vorgenommen werden sollte» geschritten. Es wurden hierbei folgende Herren gewählt: G. A. Müller, stellvertr. Präsident; W. Jun gmeister, Kafsirer; A. Waldästel, stellvertr. Kafsirer; C. Rougk. Schriftführer; I. Lange, stellvertr. Schriftführer. Hinsichtlich des AufsichtsrathS fiel die Wahl aus folgende Herren: G. Adolph, Vorsitzender; A. Uhlig, I. Schlichting, R. Joppert, A Zimmermann, R. Eifert, F. Rudolph. — Als erfreuliche Thatsache wurde konstatirt, daß dem Landesverbände bereits mehrere Vereine beige treten sind, welche bisher der Bewegung ferngestanden haben. Im Interesse der Verbandsbestrebungen ist zu wünschen, daß diesem Bei spiele noch recht viele Vereine folgen möchten. — Der hiesige Militär-Verein I. hält, man vergl. das hierauf bezügliche Inserat in heutiger Nr., nächsten Montag, den 14. Juli, seine General-Versammlung ab. Die Tagesordnung für dieselbe ist folgendermaßen festgesetzt worden: 1) Stiftungsfest; 2) Kinder fest; 3) Neuwahl von Vorstandsmitgliedern an Stelle der auSscheiden- den; 4) Ausnahme neuer Mitglieder; 5) Sonstige Vereinsangelegen- heiten. — Donnerstag, den 17. Juli, wird im Saale der Börse die zwölfte Generalversammlung der „Unfallversicherungs-Genossenschaft zu Chemnitz" abgehalten. Auf der Tagesordnung stehen folgende Punkte: 1. Vortrag, eventuell Justifitation der Jahresrechnung und des Rechenschaftsberichtes des Vorstandes über da- vom 1. Januar bis ultimo Dezember 1883 rechnende zwölfte Geschäftsjahr. 2. Beschluß fassung über Verwendung des Ueberschusses vom Geschäftsjahr 1883. 3. Beschlußfassung über die laut Jahresbericht von Verwaltungsrath und Vorstand vorgelegten Anträge auf Abänderung der Statuten. 4. Wahl zum Ersatz der statutengemäß ausscheidenden, aber sofort wieder wählbaren Mitglieder des Verwaltungsrathes, nämlich der Herren: Adelbert Langbein in Leopoldshall, Kommerzienrath Albert Niethammer in Kriebstein, Eduard Stadt in Chem nitz, Eduard Wiede in Chemnitz. 5. Beschlußfassung über etwaige von Mitgliedern vier Tage vor der Generalversammlung anzumeldende Anträge. — Dem (12.) Jahresbericht der genannten Genoffenschaft entnehmen wir, daß Ende 1883 1851 Etablissements mit 38,177,816 Mark Löhnen gegen 34,718,100 Mark Löhnen im Vorjahre ver sichert waren. Die Prämieneingänge beliefen sich im Jahre 1883 zur Höhe von 379,573 M. 84 Pf. auf Grund der Anträge. 142,774 M. 84 Pf. auf Grund der Abrechnungen in Gemäßheit von § 9 Abs. 4 der Statuten, in Sa. also auf 522,348 M. 68 Pf. gegen 463,724 M 91 Pf. im Vorjahre. — Haftpflichtversicherungen exi- stirten noch in 67 Etablissements mit 2,775,209 M. Löhnen. — Unfälle waren 4267 gegen 3714 im Vorjahre zu verzeichnen, da runter 39 Todesfälle und 157 schwere Verletzungen. Die Entschädig ungen betrugen einschl. der gebildeten Leibrentenrücklage von 44 515M. und einschl. der eingeschätzten Fälle 536,768 M. 56 Pf. gegen 363,175 M. 68 Pf. im Vorjahre. — Aus dem Rechnungsabschluß ergiebt sich, die Nothwendigkeit, zum ersten Male seit dem Bestehen der Genoffcn- eine Nachzahlung auf die Prämien in Höhe von 25 pCt. für das Jahr 1883 einzuziehen. Der Verwaltungsrath hat in Gemäßheit des 8 11 der Statuten diese Nachzahlung in einer Sitzung vom 27. Juni 1884 beschlossen und wird nunmehr mit der Einhebung dieses Nachschusses demnächst verfahren werden. Motivirt wird diese Maß regel durch die große Anzahl schwerer Unfälle mit kostspieligen Folgen. Sodann seien aber auch die Regulirungen immer schwieriger geworden. Der Steigerung der Entschädigungsansprüche lasse sich eben nicht wirksam rnt- gegentreten, so lange das Haftpflichtgesetz noch bestehe. Die Gebote der Ge nossenschaft hätten sich z. B an die Grenzen, welche das Reichsunfallver sicherungsgesetz ziehen wolle, schon seit lange gehalten, öfter dieselben überschritten; aber immer häufiger mißlinge die Einigung auf solcher Basis. Bereits in dem Berichte pro 1882 sei erwähnt worden, daß sich die Generalversammlung im Jahre 1884 mit dem Reichsgesetze, betr. die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883, auseinander- zusetzen haben werde. Dieses Gesetz trete nun am 1. Dezember 1884 in Wirksamkeit. Für die große Mehrzahl der bei der Genossenschaft versicherten Arbeiter werde durch dieses Gesetz auf die ersten 13 Wochen nach Eintritt eines Unfalles Kur und etwa die Hälfte des Verdienstes aus der Krankenkaffe verbürgt. Natürlich gehe nicht an, daß nun auch ferner die Genossenschaft den vollen Lohn und die Heilungskosten auch für die ersten 13 Wochen nach dem Unfall leiste. Es werde aber auch nicht angehen, etwa für diese ersten 13 Wochen aus der Genossenschafts-Kasse wenigstens den Fehlbetrag zuzulegen, welch r während dieser Zeit dem Verletzten am vollen Einkommen entgeht. Vielmehr ist der Vorstand der Ansicht, daß mit Rücksicht auf das Juli 1884. Seit« 2. Krankenkaffengesetz die Genossenschaft vom 1. Januar 1885 an sich der Vertretung für die Folgen der Unfälle während der ersten 13 Wo- cheo nach Eintritt derselben entschlagen soll und könne; nur fordere daS Interesse der Arbeitgeber, daß dieselben von der Genossenschaft doch insofern auch für die ersten 13 Wochen noch vertreten werden, als etwa aus dieser Zeit ein Haftpflichtanspruch noch gegen sie formirt werden möchte; voraussichtlich indeß werde dieser Fall nur sehr ausnahmsweise eivtreten. Aus diesen Erwägungen geht der Antrag auf Abänderung der Statute« her vor Schließlich wird noch darauf hingewiesen, daß das Reichsunfallver sicherungsgesetz erst mit dem Zeitpunkte der GenvfsenschaftS-Thätigkeit ein Ziel setzen werde, von welchem ab das Gesetz thatsächlich in Wirksamkeit treten werde. Heute sei dieser Zeitpunkt noch nicht sicher bekannt; als Termin sei in den Debatten de« Reichstages von einer Seite der 1. Oktober 1886 genannt worden, während vom Tische des Bundesrathes die Meinung geäußert wurde, daß das Ge setz wohl schon früher in Wirksamkeit gesetzt werden könne; bekanntlich werde zunächst ein längerer Zeitraum durch die Vorbereitung mittelst Bildung von Berufsgenossinschaften in Anspruch genommen werden. Jedenfalls blieben bis zu dem Zeitpunkte, zu welchem das Gesetz wirklich in das Leben trete, alle die Gründe bestehen, welche bisher die Mitglieder zur Versicherung veranlaßt haben, insbesondere da» Hast pflichtgesetz, und es zweifelt daher der Vorstand nicht, daß bis zum Eintritt der Wirksamkeit des ReichSunfallversicherungsgesetzrS die Mit- glieder im eigensten Interesse dem Unternehmen treu bleiben werden; sobald aber gewiß ist, wann das Gesetz in das Leben tritt, sollen rechtzeitig die Schritte für die dann unvermeidliche Liquidation ge- than werden. — —-JnBaumann'sThiergarten, Reichenhainerflraße, wird -in einer eigens dazu erbauten großen Ausstellungshalle von Sonntag den 13. Juli bis Ende September eine große zoologisch-naturhistorische Ausstellung abgehalten. Es gelangen zur Ausstellung große Kollektionen einheimischer und fremdländischer Vögel, Fische, Muscheln und See- thiere aus allen Meeren der Erde, Amphibien und die ganze Jnsekten- welt, darunter reiche Sammlungen europäischer und überseeischer Schmetterlinge. Letztere sollen in ihrer Reichhaltigkeit und Farbenpracht den Glanzpunkt der Ausstellung bilden. Die größte Anzahl der Objekte stellt die Firma Viktor Kuhlmann's Ww. in Dresden und daS Museum des verstorbenen vr. Krause ebendaselbst. —* Gestern Nachmittag kurz noch 4 Uhr gerieth auf der Theaterstraße in der Nähe der Friedrichstrabe ein ca. zwei Jahre altes Kind unter einen langsam daherfahrenden einspännigen leeren Lastwagen. Zum Glück wurde dar Kind, welches über die Strecke laufen wollte und das Geschirr nicht beachtet hatte, nur leicht verletzt. Dem Geschirrführer soll eine Schuld nicht beizumessen sein. —* Gestern Vormittag fuhren auf der Moritz str aß e und Ecke der Brauhausstraße zwei Lastgeschirre zusammen, wobei rin Geschirr führer glücklicherweise nur leicht verletzt wurde. Das eine Geschirr fuhr aus der Brauhausstraße und bog nach Moritz- und Annenstraße zu ein, während das andere von der Moritz- nach der Brauhausstraße zu einbog; dadurch gerieth der eine der Geschirrführer zwischen beide Wagen. —1. In einem am Holzmarkte befindlichen Hause verletzte sich gestern Abend ein ungefähr drei Jahre alter Knabe auf seltsame Weise nicht unerheblich am Halse. Derselbe wollte nämlich die zum AuSgehen gerüstete Mutter noch liebkosen, stieg deshalb auf einen Stuhl und schlang seine Aermchen um den Hals der Mutter, die ihren Liebling fest an sich preßte. Plötzlich schrie aber der Knabe laut auf und die bestürzt dreinschauende Mutter bemerkte, daß sich derselbe am Halse verletzt hatte und heftig blutete. Det Knabe hatte sich nämlich an der spitzen Busennadel der Mutter geritzt und die Nadel war, als die Frau ihren Liebling an sich drückte, tief in den Hals eingedrungen. Der herbeigerufene Arzt erklärte, daß dir Dame noch von Glück sprechen könne; denn wenn di« Nadel nur einen Zentimeter weiter nach vorn eingedrungen wäre, so hätte sie die große HalSarterie verletzt. —8. Vorgestern Nachmittag spielte sich vor einem Hause an der oberen Hainstraße eine aufregende Szene ab, die einen tieferen betrübenden Einblick in rin zerrüttetes Eheleben gestattete. Einem dort wohnhaften Ehepaare, welches sich schon seit langer Zeit nicht besonders gut vertragen hatte, war das einzige Kind gestorben und sollte an vorerwähntem Nachmittag begraben werden. Ein Unwohl sein verhinderte die Frau, wie sie sagte, mit zum Begräbniß zu gehen. Doch dasselbe war nur vorgeschützt; denn kaum hatte der Mann di« Stube verlassen, um dem Kinde daS letzte Geleite zu geben, so er schienen schon in der Wohnung einige vorher bestellte Männer, welche die in der Stube befindlichen Möbel unter Anleitung der Frau auf einen Wagen schafften. Der auf dem Friedhof anwesende Gatte wurde durch einen von den Nachbarn ausgeschickten Boten benachrich- „Auf Sie?" fragte Frohberg. „Wie wäre das möglich? Sie waren ja noch nicht auf der Welt." „Möglich wäre es dennoch." „Wenn Sie selbst Nachsehen wollen, so habe ich durchaus nichts dagegen einzuwenden. Ich habe jene Papiere damals versiegelt und in einen Schrank gelegt, der in dem Zimmer des Verstorbenen stand. In dem Zimmer selbst ist nichts geändert worden, es steht und liegt dort noch Alles genau so, wie es damals gestanden und gelegen hat; wir haben das Zimmer nicht benutzt." Alfred sah den alten Herrn forschend an, aber er fand keinen Zug in diesem Gesicht, der ihm Mißtrauen hätte einflößen können. Nur der unstäte Blick, der vergeblich einen Ruhepunkt zu suchen schien, ließ aus ein schuldbeladenes Gewissen schließen; aber konnte und durfte man daraus sofort schon einen so scharfen Schluß ziehen.? Konnte dieser Mann in seinem vielbewegten Leben nicht trübe Er fahrungen gemacht haben, die ihm Mißtrauen gegen jeden Menschen einflößten? Und konnte es nicht ebensowohl diese- Mißtrauen sein, was sich in dem unstäten Blick wiedrrspiegelte? War es denn unmöglich, daß Alles sich so verhielt, wie Doktor Janin ihm be richtet hatte? Das artige, ja fast freundschaftliche und dennoch zurückhaltende Benehmen des alten Herrn erschütterte seine Zweifel, und waren dennoch diese Zweifel in irgend einer Weise begründet, dann mußte er sehr vorsichtig sein; denn in diesem Falle, das fühlte er instinktiv, hatte er es mit einem außerordentlich schlauen Fuchs zu thun. „Es wäre möglich, daß ich in diesen Papieren eine Anerkennung meiner Rechte auf die Hinterlassenschaft meine- Großvaters fände," sagte er. „DaS glaube ich nicht," erwiederte Frohberg, „daran hat Ihr Vater keinesfalls gedacht. Wie hätte er auch eine Todesahnung haben können? Der Tag, an welchem er seine Braut zum Mtar zu führen gedachte, war schon nahe, und wenn er auch wußte, daß er durch diese Heiralh mit seinem Vater sich entzweien würde, so hegte er doch die felsenfeste Ueberzeugung, daß es deshalb nicht zu einem völligen Bruch kommen würde." „Hat er selbst Ihnen das gesagt?" „Er vertraute mir, wir waren sehr innig mit einander be freundet. Noch auf jenem unglücklichen Spazierritt sprach er mit mir über die Zukunft —- er war so heiter, so glücklich I Und dann brach plötzlich das Unglück über ihn herein. DaS Pferd, welches er ritt, scheute vor einem Baumstamm und ging mit seinem Rener durch, und als ich Eduard wiedersah, lag er blutend, mit zerschmettertem Haupt am Boden. Ich vergesse diesen Anblick nicht." (Fortsetzung folgt.) Im Jrrenhause. Roman von Ewald August König. (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Sein stechender Blick heftete sich fest und durchdringend auf den Eintretenden, der diesem Blicke mit ernster Ruhe begegnete; es war, als ob die Beiden ihre Kräfte zu dem bevorstehenden Kampfe messen wollten. „Ich kenne einen Herrn Alfred Frohberg nicht," sagte der alte Mann in kühlem, aber höflichen Tone, „wollen Sie die Güte haben, mich darüber aufzuklären, inwiefern Sie berechtigt sind, diesen Namen zu führen?" Noch immer ruhte der Blick Alfreds unverwandt auf ihm, aber keine Wimper zuckte in dem Antlitz des Gutsherrn. „Diese Frage läßt mich erkennen, daß Sie sehr genau wissen, wer ich bin," erwiederte er. „In der That, nein!" „Mein Vater war Ihr Vetter " „Eduard?" fragte Frohberg anscheinend erstaunt. „Ach, jetzt erinnere ich mich. Sie sind der Sohn des Fräulein Brand, der Braut meines Vetters. Aber da haben Sie doch nicht die Berechtig ung, den Namen Ihres Vaters zu führen." „Gesetzlich nicht", sagte Alfred stolz, „aber ich führe ihn, ich mich moralisch dazu berechtigt glaube." Der alte Herr zuckte die Achseln und bot seinem Gast einen Sessel an. „Derartige moralische Berechtigungen erkennt daS Gesetz nicht an", erwiederte er; „ein Dokument, welche- Sie mit dem Namen Frohberg unterzeichnen, ist ungiltig." „Erlauben Sie, ich bin amerikanischer Bürger; in Amerika ist mir da« Recht zuerkannt, mich Frohberg zu nennen." „Wir wollen darüber nicht streiten. Darf ich Sie fragen, was mir die Ehre Ihre- Besuches verschafft?" „Ich wünsche über daS Schicksal meines VaterS Gewißheit zu erhalten", erwiederte Alfred, und jetzt mußte Frohberg unwillkürlich vor dem forschenden Blick des jungen Mannes die Augen nieder- schlagen. „Haben Sie diese Gewißheit noch nicht?" fragte der Gutsherr. „Ihre Mutter muß sie Ihnen ja gegeben haben." „Meine Mutter zweifelte." „Woran?" fragte Frohberg rasch. „An dem Tode meine- VaterS." Der alte Herr lächelte spöttisch. „Ich finde das begreiflich", sagte er in sehr freundlichem Tone. „Das Unglück kam so rasch und es zertrümmerte so schöne Hoff nungen, daß Ihre Mutter einigermaßen berechtigt war, mit ihm zu hadern. Und aus dem Hader entstanden dann die Zweifel. Sie waren leider unbegründet, das Gericht hat auf den Antrag Ihrer Mutter die genauesten Nachforschungen in der Irrenanstalt angestellt: sie führten zu keinem Resultate. Ich sage Ihnen ganz offen, daß diese Zweifel mit ihren Folgen mich tief gekränkt und beleidigt haben, dennoch war es mir und ist es mir noch heute lieb, daß diese Unter suchung stattgefunden hat, ich kann mich auf sie berufen, wenn Sie sich auf die Zweifel Ihrer Mutter stützen wollten. Im Uebrigen können Sie auch in der Anstalt des Doktors Janin das Nähere über den Tod Ihres Vaters erfahren." „Ich war bereits dort." „Und hat Doktor Janin Ihnen Mittheilungen gemacht?" „Ja, er las mir einen Bericht vor, den er an jenem Unglücks tage geschrieben haben will." Der alte Herr lächelte noch immer. „Die Zweifel Ihrer Mutter scheinen Ihnen eingeimpft zu sein", scherzte er; „glauben Sie mir, es ist Thorheit, über sie nachzudenken. Ich bin bereit, Sie an den Sarg zu führen, in dem die Gebeine Ihres VaterS ruhen; wenn Sie es wünschen, erlaube ich Ihnen, ihn öffnen zu lassen, Sie werden in ihm die Uebcrreste finden; ich denke, das muß Sie überzeugen." „Nach dem Tode meines Großvaters übernahmen Sie das Erbe", sagte Alfred, ohne auf den Vorschlag Frohbergs etwas zu er- wiedern, „ich möchte mir die Frage erlauben —" „Ob ich gesetzlich dazu berechtigt gewesen sei? Außer mir war kein Verwandter des Verstorbenen vorhanden." „Meine Mutter —" „Sie war die Braut meines Vetters." „Dennoch hätte ihr nach moralischen Gesetzen ein Theil des Erbes überantwortet werden müssen." „Was sind moralische Gesetze?" erwiederte Frohbcrg achsel zuckend. „Welche Geltung haben sie vor dem Gericht? Mein junger Herr, ich würde mich nicht geweigert haben, Ihrer Mutter eine Summe zu zahlen, wenn sie nicht so feindlich gegen mich aufgetreten wäre. Wenn ich schroff und zurückstoßend gegen sie war, so trug sie selbst die Schuld daran." „Wir wollen über diesen Punkt nicht streiten," sagte Alfred, „vielleicht sind unsere Ansichten darüber so weit auseinanvergehend, daß wir uns nicht darüber einigen würden. Sind in den hinter- laffenen Papieren meines Vaters keine Schriftstücke gefunden worden, die auf meine Mutter oder auf mich Bezug nahmen?"
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