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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 18.07.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188407185
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840718
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840718
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungChemnitzer Anzeiger und Stadtbote
- Jahr1884
- Monat1884-07
- Tag1884-07-18
- Monat1884-07
- Jahr1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 18.07.1884
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' t ' ' . ' ' 7 N)"'" ^7 - - --' '.'.'77 -r». - > ^ '->' c. M-' > M- Themuitzer Anzelgerland SiadtOpte. Rr. LS«. Freitag, 18. Jnlk 1884. keil« 2. »olle, welche die im Allgemeinen kräftigeren Kinder der Landbewohner bereit- genössen. Er wie- aber auch auf dar Ziel de- Verein» hin, den Spielplatz durch Ankauf eines großen daneben liegenden Feldes zu vergrößern. Den Kindern legte der Herr Redner die Pflichten an'S Herz, welche ihnen bei Benutzung dieses Spielplatzes uothwendiger- weise auferlegt werden müßten. Hierzu gehöre vor Allem Gehorsam gegen die beaufsichtigenden Herren Lehrer, ein angemessenes Verhalten und Erscheinen in ordentlicher Kleidung und mit Schuhen. Nach einer Pause von 10 Minuten vereinigten sich die Kinder, von denen unge fähr 400 erschienen waren, unter Anleitung de- Herrn Oberturn. lehrerS Zeltler zum fröhlichen Spiele, wozu der Verein ebenfalls einige Utensilien, wie große und kleine Lederbälle, Reifen u s. w. angeschafft hatte. Seitwärts sorgte die konzertirende Militär-Kapelle für die Unterhaltung der Erwachsenen. Unter den Festtheiluehmern bemerkte man außer dem Vorstände de» Verein», an seiner Spitze Herrn Hofrath vr. Krug, Herrn Polizeidirektor Siebdrat, Herrn Stadtverordnetenvorsteher 0r. Enzmann, Herrn Stadtrath Kunze und verschiedene andere den städtischen Behörden angehörende Herren. ES ist zu wünschen, daß sich recht viele Eltern dem Vereine im Interesse ihrer eigenen Kinder anschließen möchten, besonder» auch deshalb, weil auf diesem Spielplätze die Kinder stet» unter Beaufsichtigung eine» Lehrer» sich befinden. — Der rühmlichst bekannte WohlthätigkeitSverein „Christbaum" hielt gestern in der Feldschlößchenbrauerei zu Alten- darf sein 5 Stiftungsfest ab. Der Verein verfolgt den wahrhaft edlen Zweck, alte bedürftige Kranke zu unterstützen. ES werden zu diesem Behuf« namentlich die Erträgnisse der von dem Vereine abge haltenen Abendunterhaltungen verwendet, so daß eine sehr ansehnliche Summe jede- Jahr zur Vertheilung gelangen kann. Da» Fest ver lief in der besten Weise und legte ein schönes Zeugniß ab für den Geist» welcher den Verein beseelt und der namentlich in dem herzlichen Verkehre der Vereinsmitglieder unter einander seinen Ausdruck fand. Möge der „Christbaum" in Zukunft kräftig weiter wachsen, parken und fröhlich gedeihen —ä. Der 12jährige Sohn eine» an der P.straße wohnenden Schuhmacher» wird seit gestern Mittag vermißt, ohne daß bis jetzt eine Spur von ihm aufgefunden wordm wäre. —* Vor einigen Tagen berichteten wir, daß ein Unbekannter welcher angegeben hat, vom Vorstand deS hiesigen AlbertvereinS hierzu beauftragt zu sein, in ganz unverschämter Weise hauptsächlich bei den Bewohnern de» KaßbergeS und der Neefestraße und dergl. gebettelt hat, und zwar zur Anschaffung eine- Bruchbandes. Heute können wir diesem Berichte zufügen, daß dieser Bettler einer uns zugegangenen Mitteilung zufolge in Dresden festgenommen worden und obige Bettelei hier und auch in Zwickau zugegeben hat. Der Aufgegriffene ist ein Handarbeiter au» AnSweiler in Bayern. —* Am Dienstag Nacht» traf ein Wächter auf dem Schiller- Platz einen hiesigen bekannten Bleistifthändler auf einer Bank liegend und schlafen. Der Wächter weckte denselben, darauf wurde letzterer grob «nd vergriff sich an dem Wächter. Nur mit Hilfe eines zweiten Wächters gelang eS, den Menschen nach der Polizeiwache am Schiller platz zu bringen. Dort setzte er sein widerspenstige- Benehmen fort, beschimpfte die Polizeibeamten und schlug dieselben in» Gesicht, sodaß sogar eine« blutete. Trotzdem dieser Mensch auf einer Seite gelähmt ist, gelang eS doch nur mit der größten Kraftanstrengung ihn zu be wältigen und mittelst Transportwagens nach dem Arresthaus zu bringen. Auf dem Wege dahin setzte er den Lärm fort und auch im Arrrsthau» schlug er die Beamten, sodaß dieselben alle Vorsichtsmaß regel« zu treffen hatten. 8— Ein am Sonnabend auf dem Marke feilhaltender Ge schäftsmann hatte ganz entschiedenes Pech an diesem Tags. Der Mr lös den verkauften Maaren, war. nämlich so genug, daß nicht einmal dir-Tzespn-'dr^wtts hatte; zu "piaem Schrecken bMe er über dies noch bemerk, daß ihm das theuerste Ttttck. iMer Maare auf unerklärliche Weise abhanden gekommen war, und als er in voller Wuth nach Hause zurückkehrte, mußte er noch die unangenehme Ent deckung machen, daß — seine Frau sämmtliche Möbel und Betten fortgeräumt hatte und durchgegangen war. Seltsamer Weise söhnte sich der Ehegatte mit dem ihm von seiner Ehefrau gespielten Streich sofort wieder aus, wenigsten» meinte er in ungalanter Weise, daß ihm hierdurch eher etwas Gutes als Schlimmes zugefügt worden wäre. iV—. Am Dienstag Morgen kurz vor Abfahrt des von Leipzig nach hier abgehenden Zuge» nahm noch ein — äußerst anständig ge neideter — Herr in einem Koupee dritter Klaffe Platz. Bald nach ihm betrat ein anderer in Chemnitz wohnender Herr dasselbe Koupee und erkannte in dem Sommerüberzieher, welchen der zuerst Angekom- mene trug, den seinigen, der ihm vor einigen Tagen auf der Tour Leipzig-Chemnitz entwendet worden war. Der rechtmäßige Besitzer veranlaßte sofort die Inhaftnahme des Diebes, trotzdem der Letztere sich de- und wehmüthig aufs Bitten legte und die unter den obwal tenden Umständen drastisch wirkende Bemerkung machte, daß er in acht Tagen Hochzeit zu machen gedenke. Wohl oder Übel wird das Herrchen die Gründung seine» Heim» noch auf einige Zeit verschieben müssen, da er die ihm jetzt zur Verfügung gestellte G«r;onwohnung nicht nach eigenem Belieben wechseln kann. —i. Die üble Angewohnheit der Kinder, alle» Mögliche mit der Hand anzugreifen, bestraft sich mitunter sofort. So betastete am Dienstag Mittag ein Knabe, welcher seinem in einer hiesigen Maschinenfabrik beschäftigten Vater da» MittagSbrot gebracht hatte, eine an der Wand lehnende Eisenstange, wobei er sich durch das erst au» dem Ofen gekommene glühend heiße Eisen nicht unbedeu tende Brandwunden an der Hand zuzog. — Einem Soldaten der Dresdner Garnison hat seine hier wohnende Geliebte einen argen Streich gespielt. Sie hatte große Sehnsucht nach ihrem Schatz und wollte ihn gern einmal hier in Chemnitz begrüßen. Wa» macht da» spekulative Kind? Sie setzt sich hin und schreibt ihrem Liebsten in Dresden einen Trauerbrief, worin sie ihm anzeigt, daß plötzlich seine Schwester in Chemnitz mit dem Tode abgegangen sei und er sich daher schleunigst Urlaub er bitten möge, um dem Begräbniß beizuwohnen. In diesen fingirten Trauerbrief legt sie aber noch ein Blättchen Papier, worauf sie dem Schatz anzeigt, daß die Nachricht von dem Tode der Schwester nur erfunden sei, damit er Urlaub bekomme. Der Soldat macht behufs Urlaubsgesuche» seinem Vorgesetzten Meldung von dem angeblichen Trauerfalle und dieser verlangt den betr. Brief zu sehen. Der treu herzige Vaterlandsverthcidiger holt nun den Trauerbrief und läßt auch das Blättchen darin liegen, welche» die Auskärung über die Lüge enthält Natürlich wird dem Vorgesetzten das ganze Lügen gewebe sofort Kar, die Sache wird weiter untersucht und — statt zu seinem Schatze nach Chemnitz marschirt Freund Urian auf 6 Tage in strengen Arrest. (Dresd. Nachr) —p. Gestern Nachmittag passirte einer auf der Z. straße wohnen den Frau etwa» in der Thal höchst Unangenehmes. Dieselbe sah nämlich zum Fenster heraus und sprach mit einem zufällig vorüber gehenden Bekannten. Da, o Graus, fällt ihr, als sie den Mund zu herzhaftem Lachen öffnet, ein Theil ihres künstlichen Gebisse- auf die Straße. Selbstredend sprang der Untenstehende hinzu, um noch recht zeitig zu verhindern, daß die imitirten Kauwerkzeuge unter die Räder eine» eben daherkommenden Wagen» geriethen, doch waren einzelne der Zähne infolge de-Falle» aus zweitem Stock derart lädirt, daß die Besitzerin, welche hauptsächlich auch deshalb untröstlich erschien, weil ihr» Ge- heimniß", das sie bisher so sorgfältig zu wahren gewußt hatte, nun- mehr offenkundig geworden war, wohl die Hilfe eine» Zahntechniker» in Anspruch zu nehmen genöthigt sein wird. —p. Daß vor auswärtigen, d. h im Auslande befindlichen soge nannten StellenvermittlungSbureaus nicht genug gewarnt werden kann, lehrt abermals die Thatsache, daß ein hier wohnender zur Zeit stellen loser Kaufmann von einem Wiener Agenten, welcher die bestimmte Zusicherung an de» Stellensuchenden hatte gelangen lassen, daß er ihm ein paffendes Engagement vermitteln könne und werde, um die Summe von 15 Mark — geprellt worden ist. Nach Einsenden dieser Summe hat nämlich, wie der Geprellte erzählt, der saubere Patron absolut nichts mehr von sich hören kaffen. —Die dermalen herrschende, wahrhaft tropische Hitze reizt im hohen Grade zu hastigem Genüsse von kühlenden Getränken jedweder Art an und namentlich ist Vielen «in GlaS recht kalten Biere» ein wahrer Hochgenuß. Nur muß hierbei die Vorsicht beobachtet werden, da» Getränk langsam und nur schluckweise zu genießen und nicht etwa in wenig Zügen da» Glas zu leeren. Da» letztere thaten gestern Nachmittag zwei Männer, dir, sichtlich erhitzt, in ein Restaurant der emiraten und Jeder ein- voller Glas Bier, ohne abzusetzen, in einem Zuge leerten, und sofort auch ein zweites ihnen gebrachtes GlaS bis zur Hälfte auStranken. Während eS anscheinend dem Einen nichts „gethan" hatte, fing der Andere bald an, über heftige Schmerzen »im Leibe" zu klagen, wurde leichenblaß und mußte von dem An erbieten des WirtheS, sich einige Zeit auf das Sofa zu legen, Ge brauch machen, wobei er indeß in wahrhaft herzbrechender Weise stöhnte und ächzte. Eine schnell bereitete Tasse schwarzen Kaffees und ein ziemlich großes GlaS „Kräutermagen" schafften endlich Hilfe und so kam denn der Unvorsichtige diesmal mit einem leichten Un wohlsein davon; hoffentlich wird ihm der Tag aber doch für einige Zeit im Gedächtniß bleiben als Warnung: vorsichtig zu sein beim Genüsse kalter Getränke in heißer Jahreszeit. —o. Die Wahrheit des bekannten Spruches „Glück und GlaS, wie bald bricht das" , wenigstens betreffs deS zweiten vom Glase handelnden TheileS, mußte gestern rin Herr in einem Restaurant der inneren Stadt erfahren. Derselbe hatte nämlich an einem Tische Platz genommen, an welchem eS Brauch ist, bei jedem Schlucke zuvor an- zustoßen. Wohl oder übel mußte der Hinzugekommene sich diesem »Komment" fügen, und so kam eS denn, daß nach einem recht kräf tigen Stoß gegen die Seidel der Zechgenossen der Boden seines Glases, gerade, als er einen recht kräftigen Zug thun wollte, abfiel und sich die braune Fluth des echten Bairisch auf seine Weißen, so eben auS der Wäsche gekommenen Beinkeider ergoß. Das „ewige Anstößen" verwünschend, begab sich der „Begossene" in einer rasch herbeigeholten Droschke nach Hause. Selbstverständlich hatte er auch noch obendrein das Bittere des ErfahrungrsatzeS „wer den Schaden hat, braucht sür den Spott nicht zu sorgen" durchzukosten. —p. Daß eS noch immer Leute giebt, welche nicht wissen, wie« viel das Porto für einen Brief beträgt und deshalb den Adressaten in die unangenehme Lage versetzen, Strafporto nachzuzahlen, mußte gestern wieder ein hiesiger Geschäftsmann erfahren, dem eine ziemlich nichtssagende Mittheilung in einem nur mit einer 3-Pfennig-Marke beklebten Briefe gemacht wurde. Der Adressat war, da er vorher nicht wissen konnte, was der Brief enthielt und daher die Annahme nicht verweigerte, gezwungen, 7 Pfennig nachzuzahlen, da ein der artiger Brief als unfrankirt behandelt und hierbei nur der Betrag der aufgeklebten Marke in Abzug gebracht wird. —o. MS gestern Nachmittag ein Herrauf einer derzurSchloß- teichinsel führenden Brücke stand und dem munteren Treiben der Karpfen zusah, entfiel ihm plötzlich die feine Meerschaumspitze, welche er im Munde hatte. Einige der feisten Karpfen mochten meinen, sie sollten gefüttert werden, wenigstens versuchten sie nach der Spitze z« schnappen, fuhren jedoch ganz erschreckt zurück, als sie bemerken, welcher Natur das in'S Wasser gefallene Objekt war. Selbstredend versank die Spitze, welche, wie der Verlustträger aussagte, einen Werth von 10 Mark repräsentirte, ohne daß es den Insassen eines herzu kommenden Bootes gelungen wäre, dieselbe herauszufischen. —z-. Eine Scheere ist kein Kinderspielzeug, die» dürfte wohl Jedermann wissen und trotz alledem sieht man so häufig, daß Mütter in allzu großer Nachsicht ihren Keinen Kindern gestatten, mit jenem Instrument, welches in unkundiger Hand zu einer ge fährlichen Stich- und Schneidwaffe werden kann, zu spielen. So konnte man auch gestern wieder in den Anlagen am Schillerplatze be obachten, daß ein kleines, etwa Ljähriges Kind der Mutter die Scheere aus dem Korbe nahm und nun mit derselben Schneidübungen an stellte. Hierbei schnitt sich die Kleine in den Daumen der linken Hand, so daß sie laut weinend und schreiend »ach Hause getragen werden mußte. —ft— Leute, welche weder lesen noch schreiben können, werdm in unserm deutschen Baterlande und besonders in Sachsen immer seltener, aber Personen, die von den Verkehrsverhältnissen gar keine Ahnung haben, giebt es massenhaft. So schrieb letzthin eine in einem benachbarten Orte wohnende Frau einen Brief, deren sie im Leben vielleicht kaum drei geschrieben hatte, an ihren Sohn mit folgender Adresse: Au meinen guten Sohn Gottfried in Drüsen der bei Weid- müllersch die Kleder rene macht neben der Kirche mit den dicken Thurm. — Trotz dieser mangelhaften Adressirung war e» der Post, wie man hört, doch gelungen, den Brief an die richtige Adresse zu befördern, da sie den Empfänger ganz richtig in einem Hause neben der Frauenkirche vermuthete. Sächfkfch-S. Bor dem Königl. Schöffengericht in Leipzig spielte sich kürzlich eine insofern interessante BeleidigungSkagsache ab, al» der Gerichtssaal der Schauplatz magnetischer Experimente wurde. Veran lassung zu dieser Klage war eine magnetische Soiree, welche s. Z. der HeilmagneHeur Weder veranstaltet und wobei sich der Lehrer Heger als „Medium" angemeldet hatte und auch für „sensitiv" erklärt worden war. Das Experiment Weder'» mit Heger schien auch zu gelingen, als plötzlich ein Freund de» Letzteren ausstand und Hegern „zur Ver nunft" ermahnte. Da gab Heger die nur zum Schein übernommene Rolle auf und erklärte da» ganze Verfahren für „Humbug" rc. und ahmte alsbald nach diesem Vorfall die Experimente Weder's ohne Schwierigkeiten nach. Weder aber hielt sich für schwer beleidigt und klagte, so daß die Sache vor das Königl. Schöffengericht zur Abur- thcilung gelangte und nunmehr im Laufe der Beweisaufnahme die magnetischen Experimente vorgeführt wurden. Bei dem Privatanae« kagten gelangen dieselben, während der PrivatKäger nicht so glücklich operirte. Das Resultat dieser interessanten Verhandlung war die Freisprechung Heger's von der erhobenen Anklage, indem der Gerichts hof von der Ansicht ausging, daß die Heger'schen Aeußerungen nicht der Person des Ankägers, sondern der Sache gegolten; der Antrag des Letzteren auf Zuerkenuung einer Buße von 500 Mk. wurde durch diese Entscheidung hinfällig. Am Montag Mittag 12 Uhr begannen im „Grünen Baum" zu Glauchau die Verhandlungen des Verbandes der Schneider korporationen des Muldenthales, der dem Verband der Schneider korporationen von Sachsen, der Sächsischen Herzogthümer und Thü ringens als für sich bestehender Theil angehört. Nach Ausweis der Präsenzliste waren anwesend aus: Glauchau 27, Chemnitz 9, Penig 5, Rochlitz 4, Werdau 3, Krimmitschau 2, Grimma 2, Lichtenstein 2, 1, Ernstthal 1, Reichenbach i. B. 1, in Summa 74 Mit- Jm Jrrcnhause. " Roman von Ewald August König. (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten „Was soll die Komödie?" erwiederte der alte Mann. „Glauben Sie noch immer mit diesem Hokuspokus mich bethören zu können? Ich bin nicht krank.bin niemals krank gewesen! Sie sind nur das Werkzeug eines Schurken und selbst ein Schurke, well Sie sich dazu hergegeben haben." „Noch immer dieselbe fixe Idee!" Nagte der Doktor. „Sie wissen sehr genau, daß eS die Wahrheit ist," fuhr der Patient fort; „mein Neffe fürchtete, ich wollte noch einmal heirathen, und e» ist wahr, er hatte Grund, da» zu befürchten; denn ich stand schon im Begriff, mich zu verloben Da verbündete er sich mit Ihnen, und Sie ließen sich von diesem Schurken willig gebrauchen. Sie sind ein Scheusal, mein Herr, aber auch Sie wird die Vergeltung erreichen." Doktor Janin wechselte mit seinem Vertrauten einen bedeutungs vollen Blick. „Wir werden die Douche noch einmal anwenden müssen, Tom," sagte er, „wir haben mit dieser Kurmethode schon sehr viel erreicht, versuchen wir'» noch weiter damit." Der alte Mann war, wie von einem jähen Schrecken ergriffen, zusammengefahren, aber im nächsten Momente blitzte Zornesgluth aus seinen Augen „Douche und Peitsche, Hunger und Kerker, das sind die Mittel, durch die man hier seine Zwecke zu erreichen sucht, Zwecke, welche die Hölle auSgebrütet hat!" rief er. „Man hat auch an mir diese Mittel versucht, aber sie prallen ab an meinem gestählten Körper; meinen Verstand werdet Ihr nicht zerrütten, DoKor Janin!" „Sonderbare Ideen!" spottete der Doktor. „Es ist die Furcht vor Verfolgung, die man so häufig bei einem Irren findet. Werner, Ihr wißt selbst nicht, was Ihr sagt, und es Däre Euch entschieden besser, wenn Ihr jede Aufregung vermeiden wolltet. Ich sage Euch noch einmal, Euer Zustand hat sich bedeutend gebessert, und Ihr könntet schon in einigen Tagen die Anstalt verlassen, wenn die Besserung so fortschreitet." Werner blickte überrascht auf, seine Miene verrieth, daß er an der Aufrichtigkeit zweifelte, und das ironische Lächeln, welche» die Lippen des Doktors umspielte, mußte diese Zweifel erhärten. „Aber -Egen hemmen die Genesung," fuhr der DoKor fort, ^>«Mdem Puls des Patienten griff und mit wichtiger Miene dem alten Mann in die Augen schaute; „nichts kann leichter einen schweren Rückfall Hervorrufen, als solche Störungen in der Genesung. Ich dachte mii?S wohl, der Pul» ist schon rascher geworden, und das Auge hat auch wieder den Fieberglanz." Der Patient hörte die letzten Worte kaum; sein ganze» Denken war mit der Hoffnung beschäftigt, die so plötzlich als leuchtender Stern an seinem finstern Horizont aosstieg. „Sagen Sie mir die Wahrheit," bat er, „wollen Sie wirklich mich entlassen? Ist eS Ihr Ernst, daß Sie mir erlauben wollen, diese Anstalt zu verlassen?" .Glauben Sie, meine Anstalt sei für Gesunde gegründet?" er wiederte Janin ironisch. „Ueber diesen Punkt wollen wir schweigen —" „Wollen Sie wirklich darüber schweigen?" fragte der DoKor mit scharfer Betonung. „Ich wüßte überhaupt nicht, was Sie da rüber sagen könnten. Oder glauben Sie wirklich über meine Anstalt etwas Nachtheiliger sagen zu können?" Werner schwieg, seine Lippen zuckten, und die Adem auf seiner Stirn schwollen an; man sah ihm an, daß er gewaltsam sich bezwang um den Sturm, der in seinem Innern tobte, nicht zum Ausbruch kommen zu lassen. „Ich will Ihnen genau sagen, wie Ihre Krankheit sich äußerte, nahm der DoKor wieder da» Wort, nachdem er eine Weile vergeblich auf Antwort gewartet hatte. „Sie glauben sich verfolgt, und vor allen Anderen sahen Sie in Ihrem Neffen, in mir und diesem braven Wärter Ihre Verfolger. Sie hörten nicht auf freundliches Zureden, Sie tobten und wütheten, drohten mit dem Gericht, dem Staats anwalt und Gendarmen und zwangen mich durch diese Anfälle von Tobsucht zu Maßregeln, die ich nur sehr ungern ergreife. Dann wurden Sie allgemach ruhiger, aber die fixe Idee blieb." „Es ist keine fixe Idee!" fuhr der alte Mann in leidenschaft sicher Erregung auf. „Ruhig, ruhig, mein Bester I ES würde mir herzlich leid thun wenn Sie mich zwängen, die Douche noch einmal anzuwcnden Nichts ist mir verhaßter, als wenn ich meine Patienten dieser Kur unterwerfen muß. Und wenn ich Ihnen sage, daß es nichts weiter als fixe Idee ist, so müssen Sir das mir, dem Arzte, der au' diesem Felde reiche Erfahrungen gemacht hat, glauben. In der letz ten Zeit sind Sie ruhiger geworden, und ich habe schon daran ge dacht, Sie als geheilt aus meiner Anstalt zu entlassen, aber ich kann dies doch nicht eher, bis ich die volle Neberzeugung gewonnen Hab«, daß Sie wirklich genesen sind. Nehmen wir also an, ich entlasse Sie heute, was würden Sie zuerst thun?" „Sie fragen noch?" erwiederte Werner, in dessen Augen der Zorn ausflammte. „Ich würde zuerst meinen Neffen aussuchen und ihm den Raub entreißen." „Und was weiter?" fragte der DoKor, dessen lauernder Blick jede Bewegung des alten ManneS beobachtete. „Dann ginge ich zum Staatsanwalt." „Noch immer die alte Idee!" „Ihm würde ich meine Erlebnisse in diesem Hause mittheilen." „Und wissen Sie auch, wa» die Folge dieser Mittheilungen wäre? Man würde Sie in meine Anstalt zurückbringen." „O nein," erwiederte der alte Mann, „man würde dieses Hau» schließen und —" „Tom, ich fürchte, dieser Patient ist unheilbar," sagte der Dok« tor mit eisiger Ruhe, „von seiner Entlassung darf noch keine Rede sein. Der Bursche wäre im Stande, uns die gesammte Polizei Eu ropa- auf den Leib zu Hetzen durch seine nichtswürdigen Lügen und Verläumdungen. Wenn er riach seiner Entlassung seinen Neffen nicht mehr fände, würde er auch dafür mich verantwortlich machen." Der alte Mann hatte sich hoch aufgerichtet; jetzt wurde es ihm Kar, weshalb er die Freiheit zurückerhalten sollte. Sein Neffe hatte den Raub in Sicherheit gebracht, den Bettler wollte der Doktor auS seiner Anstalt entfernen I Das war der erste Gedanke, den die Worte Janin's in seiner Seele aufsteigen ließen; er traf den Nagel auf dm Kopf, schärfer und richtiger, wie er vielleicht selbst es glaubte. Das Haupt stolz und trotzig zurückgeworfen, heftete er den flammenden Blick fest auf den keinen hageren Herrn, dessen Lippen ein sarkastischer Zug umspielte. „Das ist es!" sagte er mit gehobener Stimme. „Nachdem der Zweck erreicht ist, möchte man mich in da» Elend Hinausstoßen. Aber lieber da», lieber an den Thüren um eine Brotrinde betteln, als in diesem Hause bleiben. Lassen Sie mich hinaus, noch heute; ich will nicht ruhen, bis ich den Schurken gefunden habe, der die Schwester meiner srühverblichenen Gattin Mutter nannte. Und wenn ich ihn habe, dann will ich mit eigener Hand ihm daS Thor de» Zuchthauses öffnen, und wenn er auf den Knien darum bettelte, Verzeihung soll ihm niemals zu Theil werden." (Fortsetzung folgt.)
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