stärkt. Er hat uns gezeigt, daß der Richter sich nicht vor der Welt ver schließen darf, sondern mitten in der Welt stehen muß, wenn das Recht lebendig bleiben soll. Er hat uns gelehrt, wie Gerechtigkeitsliebe, Pflichterfüllung und Lebensfreude sich zu einem wundervollen Dreiklang vereinigen lassen. Neun Friedensjahre hindurch und während der ganzen Dauer des Krieges hat Exzellenz von Seckendorfs an der Spitze des Reichsgerichts gestanden. Der Zusammenbruch Deutschlands hat ihn, der einst für Deutschlands Einheit und Größe mitgekämpft hatte, im tiefsten Herzen getroffen; er erkannte schärfer als viele, welch langen Leidensweg Deutschland fortan werde gehen müssen. Niedergezwungen hat ihn auch dieses schwerste Erlebnis nicht. Er harrt auf seinem Posten aus und führt das Reichsgericht durch die ersten schweren Wirren der Nachkriegs zeit mit ruhiger Hand hindurch. Am 31.. Dezember 1919 scheidet er, der Fünfundsiebzigjährige, aus dem Amte. Fast dreizehn Jahre hat er dann noch unter uns und mit uns gelebt. Lange schien es, als könnten die Jahre ihm nichts anhaben. Als schließ lich sein Nacken sich beugte, als die Spuren des Alters sich dem fein geschnittenen Antlitz aufprägten, da blieben seine Sinne frisch, sein Geist klar, sein Herz warm und empfänglich. An aller Trübsal und jeder Hoffnung seines Volkes nimmt er lebendigen Anteil; jede Sorge des Reichsgerichts empfindet er mit. Seinen Verwandten und seinen Freun den innerhalb und außerhalb des Reichsgerichts blieb er der treueste Freund. Viele von denen, die ihm nahestanden, sind vor ihm dahin gegangen; die Freundschaft, die ihnen gegolten hatte, hat er an Kindern und Kindeskindern bewährt. Auch die Freude am Leben ist nicht von ihm gewichen; bis zuletzt war es sein größtes Glück, fröhliche Menschen um sich und bei sich zu sehen. Am mächtigsten aber traten in diesen letzten Zeiten sein stählerner Wille und die Ritterlichkeit seines Wesens hervor. Die versagenden Glieder zwang er, mitunter fast zornmütig, in den Dienst; keine körperliche Beschwer, keine Ermattung konnten ihn hin dern, jeden Brief alsbald zu beantworten, jeden Besuch in Wind und io