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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188807054
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880705
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880705
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-07
- Tag1888-07-05
- Monat1888-07
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1888
- Autor
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Grschet»t täglich früh 6»/, Uhr. Retorlim, »»i LrpedM»» Joha»»e«gaffe S. I-rech-iuitzra her Ueöarttn: Bormittag« 10—1> Uhr. Nachmittag« 5—6 Uhr. gm tt» Rita,»»« ei»»tta»dtn M«»»krMt» »„ Nrd-rti,» »i«ä v«»i»»Ilch, Annatzwe »er für die «ichftsolsrn», Nummer hefttmmte« Inserate an Wechrnta-en ht» 8 Uhr NachmMaa«, an Lean- >»»Arstta,e«fr>itz dt«'/,9Utzr. Zn den Filialen für Ins -Annahme: Vit« Klem«, Universititsftraß« 1. Laut» Lösche, Katharine,str. 23 pari. n. Königtplotz 7, «ur bi« '/,3 Uhr. WpMkrTagMillt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschüftsverkehr. 187. Donnerstag dm 5. Juli 1888. Abonnemeirt-prei» vierteljährlich «V, Mk. inel. Brinaerlob, 5 Mt., durch di« bezogen 6 Mt. Jede einzelne Numme» NO Ps Belegexemplar 10 Ps. Gebühre» für Extrabeilage» lin Tageblatt-Format gesalzt) ohne Postbelördernng 60 Mk. Mit Postbejvrderung 70 Mk. Znirrate 6gespaltene Petitzeile SO Pf. Größere Schriften laut uns. Prei-Verzeichnis Tabellarischer a. Ziffernsatz nach Höhen» Tarif. Urrlamen »ater dem Redartion-strich die «gespalt. Zeile bOPs.,vor denFamiliennachrichteu die ügespaltene Zeile 40 Pf. Inserate sind stet- an die Sx-etzitia» »n senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prnonumsrnnäo oder darch Past- »achaahme. 82. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung, öle Er-ff»«ng de- Dich« ««d Schlachthofe- der Stadt Leipzig betreffead. Unter Bezugnahme aus unsere in Nr. 168 der „Leipziger Nachrichten" und Nr. 16S de« „Leipziger Tageblattes" am 17. lsb. Mt». abgedruckte Bekanntmachung vom 15. lso. MtS. bringen wir hierdurch nochmal» zur öffentlichen Kcnntniß, dah der von der Stadt Leipzig an» Gemeindcmitteln erbaute öffentliche Vieh- und Scklachtbos a« LS. Jalt d. I. i» Betrieb gesetzt werden soll. Bon und mit diesem Tage tritt da» in tz 1 unter d. de- Ort-statute« vom 18. November 1882, bestätigt unter dem 25. November 1882, die Einführung de» Schlacht- iwange« in Leipzig betr., vorgesehene Derbot der ferneren Benutzung bestehenden Privatschlächtereien in Kraft und müssen all« in Absatz 2 de» eit. ß 1 ausgesübrtrn Vornahmen — da» Schlachten sämmtlicher Gattungen von Schlachtvieh ein schließlich der Pferde, jede Verrichtung, welche damit im Zusammenhänge steht, wie da» Abhäuten. Enthaaren, Au»- weiden desselben, mit alleiniger Ausnahme de» Enthäuten» der Kälber, da» Entleeren und Reinigen der Eingeweide — im Bezrrke der Stadt Leipzig in dem gedachten öffentlichen Schlachthause erfolgen. Die in tz. 7 unter d. Abs. 2 bestimmte Frist von sechs Monaten für die Anbringung der wegen diese» Verbote» geltend zu machenden Ersatzansprüche läuft vom 17. l. Mt»., dem Tage der erstmaligen Veröffentlichung der Bekanntmachung im AmtSblatte, an. Die Anordnungen in tz. Z de» OrtS- statute», daß aste» im Gemeinvedezirke eingeführte frische Fleisch, welche» nicht im öffentlichen Schlachthause der Stadt Leipzig ansgeschlachtet ist, einer Untersuchung durch die Thierärzte bez. Trichinenschauer zu unterziehen ist, sowie in tz. 5 de« Ort«, statute», daß in öffentlichen, im Eigenthume und der Ver waltung der Stadt stehenden FleischverkausShallen frische» Fleisch von Schlachtvieh nur dann seilgeboten werden darf, wenn e« im öffentlichen Schlachtbause der Stadt Leipzig ausgeschlachtet ist, solle» von und mit dem L«. Juli dsS. IS. in Kraft treten. Der erste Biehmarkt soll Montag, den LS. Juli, von 8 Uhr Morgen« bis 2 Uhr Nachmittag» abgehalten werden und werden Thiere auf dem Viehhofe vom 12. Juli ab angenommen. Exemplare derDteh- und SchlachthosSorduuna und der Gebührenordnung können znm Preise von 4tt bet uuserer Sportelcaffe L entnommen »erden. Leipzig, am 30. Juni 1888. Der Rath der Stadt Leipzig. Ür. Georgi. Hentschel. Bekanntmachung, die sog. Reserve-Droschken betr. Die Revision und polizeiliche Abstempelung der zum Droschkendienst zu verwendenden sog. Reserveivagen soll in der Zeit vom 2. bi- mit Ich Juli diese- Jahre- vorgenommen werden. Die Besitzer derartiger Wagen werden daher hiermit auf- gesordert, lctzlere während de» gedachten Zeiträume» Vor mittag- von 8 bi- II Nhr vor de», Polizeihau» am Naschmarkt vorzusahren. Wenn bezüglich dieser Reserve- Wagen auch nicht die gewöhnliche» Ansprüche wie bei den regelrecht im Betriebe befindlichen Droschken gemacht werden.! so müssen doch auch diese Wagen mit unversehrten, reinlichen Ausschlägen versehen sein und sich in gut lackirtem Zustande befinden. Nach dem 14. Juli d. I. sind andere Reservewagen, al» die mit vorschriftsmäßigem, neuem Stempel versehenen, im Droschkcnbetriebe nicht weiter zu verwenden und haben die jenigen Droschkenbesitzer, welche dieser Bestimmung zuwider-1 hanteln, außer der sofortigen Außerbetriebsetzung der betr. Geschirre ihre Bestrafung mit Geld bi» zu 30 ^lk, evrnt. Hast zu gewärtigen. Leipzig, den 20. Juni 1888. Da- Polizetamt der Stadt Leipzig. ' "hl Bekanntmachung. Den Zuschlag der von un» am 16. Juni d. I. znr Verpachtung versteigerten Wiesen für die darauf Methanen Gebote haben wir abgelehut und entlasten jämmtliche Bieter in Gemäßheit der Bersteigerung»- wdingungen hiermit ihrer Gebote. Leipzig, den 2. Julr 1888. Der Rath der Stadt Leipzig, lb. 2677. vr. Georgi. Ceru serutti. Vrlmnlllmchiiiir. Di« Hebamme Johanne Auguste Anna verehel. Reibestetn, hier. Nürnberger Straße 30, hat bei un» angezeigt, daß sie die Functionen al» Hebamme niedergelegt habe, wa» hiermit bekannt gemacht wird. Leipzig, den 29. Juni 1888. Der Rath der Stadt Leipzig, vm. 1245. I)r. Georgi. Neustadt. Tie Kksterftelle an der hiesigen Kirche ist »ergehen, was wir den Bewerbern um dieselbe hierdurch mittheilen. Plagwitz, den 4. Juli 1888 Der Kirchentwrftanh zn Plagwttz. k. Schmidt. lrrtschneiver. Mühluer. Der Inhaber de» von unserem lll. Filial al» abhanden gekommenen angezeigten Jnt«rim»sch«ine» über da» Sparcaffen buch Serie II Nr. 151334 wird hierdurch aufgrsordert, den selben innerhalb drei Mouaten und längsten» am 6. Oktober 1888 an die Unterzeichnete Anstalt zurückzugeben oder sein Reckt daran zu beweisen» widrigenfalls der Sparcaffen-Ordnung gemäß dem anoemeldeten Lerlustträger, nach erfolgter Be eidigung seiner Anzeige, da« Buch auSgehändigt werde« wird. Leipzig, den S. Juli 1888. Die Verwaltung de- Leihhaus»- »ad der Spar raffe. Vellmmtnech««». Nachdem Herr AlfonS Devrieut, Buchhändler, Nürnberger Straße 12 hier, di« aus ihn gefallene Wahl z— Armenpflcger im 37. Districte angenommen hat, ist Ders am 29. Juni d. 2. durch den stellvertretenden DistrictS-k.-.- sicher Herrn Buchhändler Hermann Hucke in diese» Amt ein gewiesen worden. Leipzig, am 8. Juli 1888. . ^ Da- «renendirectort»«. H Uo-öSO. Ludwig-Wolf. «rtu« Anzeige zufolge hat der Kellner Carl G«il Sander pris 1881 unter Sl Erstatteter «, 83. April 1881 unter Nr. 10 vom Gemeindrvorftand zu «rzber, anlgepellte« Dienstbuch verloren. «>r bitten, dasselbe im Ausfindungsfalle an »a« abznliese Lechj^ a» 28. Juni 1888. »«« Volkesa»t »erGtadt Lechzt«. I. 3253. Iretschaeidrr. Wege» Peinigung tz« Ixpeditio»«räume bleibt »SALi-rr-.«- >OkMUUH UUH GtOMMSDWßOMlte i»«». OchL Freiwillige Versteigerung. Da« zum Nachlaste de« SchankwirthS Tdeockor 6aet»rLorn»x«I in GraSdors bei Laucha gehörige Gasthos-grnndstnck mii Restauration«, gärten und den sonst dazu gehöriqen Feld- und W>esengru»dstücken, Folium 5 de« Grundbuch-, Nr. 6 de» Brandcatoster» nnd Nr. 19, 20. 28, 45, 62. 78 de« Flurbuch» sür GraSdors, soll der Erbihrilong halber verkauft werden. DaS ganze Besitzihnm enthält noch dem Flurbuche 6 Hektar, 4 Ar. »3 mw — 10 «cker. 276 IHR. Fläche, ist mit 482,38 Steuer- rinheiteu belegt »nb ottSgerichllich, bezw. durch den Sachverständigen aus zusammen 42 700 ^l taxirt. Hierbei wird hrrdorgehoben, daß in dem Grundstück die Gast, wirthlchast bisher schwunghast betrieben wird und der Gasthos Gras dorf wegen seiner günstigen Lage unfern vom Bahahose Taucha ei» von dem Leipziger Publicum vielbesuchter schöner AutslngSort ist. Der Gasthof ist durchaus erweiterungsfähig, hat einen hübsch Tanzsaal und die zugehörigen schönen RestaurotionSgärten lastet, sich durch den znm Grundstück gehörigen, a» sie angrenzenden Feld- plan, welcher auch zu Baustelle» zu vcrwerthen wäre, oergrößer« und verschönern. Nähere» ist au» den an GcrichtSstclle und im Grundstück selbst auSbüngenden Anschlägen zu ersehen. BersteigerungStermin soll am Montag, den 16. Inlt 1888» vormittags IV Uhr an hiesiger GerichtSstelle abgehaltc» werden. Kauflustige werden geladen, in diesem Termine zn erscheinen, ihre Gebote abzng-ben und hiernach drS Weiteren gewärtig zu sein. Taucha, am 28. Juni 1888. Königl. Lachs. Amtsgericht. Taubert. Petter». Nichtamtlicher Theil. Die Laiserreise nach Lt. Petersburg. Die Fahrt Kaiser Wilhelm'» II. nach Sk. Petersburg ist fest beschlossen, sie wird am 13. Juli von Kiel aus aus dem Seewege erfolgen. Kaiser Alexander trifft Vorbereitungen, um seinem kaiserlichen Vetter die herzlichste und beste Aus nahme zu gewähren, und die Welt wird bei diesem Anlaß erfahren, daß die Freundschaft zwischen den beiden Kaiser häusern den verwandtschaftlichen Beziehungen, durch welche sie seit langer Zeit verbunden sind, vollkommen entspricht, bekanntlich warKaiscr Nicolaus, derGroßvater Alexander'» III.» mit einer Schwester Kaiser Wilhelm'» I. vermählt, so daß also die Verwandtschaft zwischen den Häusern Hohenzoller» und Romanow schon seit drei Generationen besteht. Ta» verwandtschaftliche Verhältniß hat trotz der wiederholten Trübung der politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland stet» ungestört fortbestanden, und e» hat leider nicht an schmerzlichen Anlässen auf beiten Seiten gefehlt. Welche die Herzlichkeit und Innigkeit diese» Verhältnisses zu erhöhen geeignet waren. Der Mordanschlaq Noblling'S aus Kaiser Wilhelm zu Pfingsten 1878 und die Ermordung Kaiser Alerander'S ll. am 13. März l88I, endlich der Tob der Käfter Wilhelm und Friedrich waren Ereignisse, welche in Berlin und in St. Petersburg gleich schmerzlich empfunden worden sind. Man kann nicht sagen, daß dieses innige Verhältniß der beiden Kaiserhäuser zu einander ohne Einfluß aus die politischen Beziehungen Deutschland» und Rußlands geblieben wäre, obgleich e» nicht auSzereicht hat, um alle Verstimmungen zu verhindern. Bi» zum Jahr 1878 war die Freunbschast Rußland» und Deutschland» nicht auf die beide» Kaiserhäuser beschränkt, sondern begriff auch die Staaten in sich; dann aber trat durch die Schuld de» Fürsten Gortschnkow eine gegenseitige Verstimmung ein, weil dieser Deutschland sür die Ungunst der Bedingungen de» Berliner Friedens sür Rußland veranlworllich machte» ohne dazu in den Thatsacken irgend welche Grundlage oder Unterstützung zu finden. Der Berliner Hede ist zu Stande gekommen, weil sonst die Gefahr eine» kriege» zwischen England und Rußland drohte, in welchen wahrscheinlich auch Oesterreich-Ungarn verwickelt worden wäre. Der Antheil, welchen Deutschland an dem Abschluß diese» irieven» hatte, beschränkt sich aus die geschickte Leitung der Zerhandlungen, durch welche die HaliptgesichlSpnncte in da recht« Licht gesetzt worden sind. Die Entwickelung, welche die Verhältnisse später auf der Balkanhalbinsei genommen habe», fallt lediglich der russischen Politik zur Last, welche e« nicht ver standen hat, die Sympathien Bulgarien» und Serbien» zu erringen, sondern vielmehr in beiden Staaten den Trieb nach vollständiger Unabhängigkeit von Rußland groß gezogen hat. Daß in Folge besten der österreichische Einfluß aus der Balkan- Halbinsel stärker geworden ist, kann nicht überraschen, da Oesterreich-Ungarn den Unabhängigkeitsbestrebunge» der Balkan völker keine Hindernisse bereitet bat. sonder» ihnen jeden möglichen Vorschub leistet. E» ist unzweifelhaft, daß die Un abhängigkeit der Balk.instaaten mit der russischen Polilik in ebenso unlösbarem Widerspruch stebt, wie sie mit den Wünschen Oesterreich-Ungarn» übereinstimmt. An diesem Gegensatz« ist da» Drrt-Kaisrr-Bündniß zerschellt, und darau« tat sich dt« Spannung zwischen Rußland und Oesterreich Ungar» entwickelt Die russische Prelle begrüßt den bevorstehenden Besuch Kaiser Wilhelm'» in St. Petersburg mit Jubel und mit dem Au»vruck der Hoffnung, daß sich darau« eine glückliche Lösung der bulgarischen Frage ergeben werde. Da- ist charakte ristisch für die öffentliche Meinung Rußland». Während die rein persönliche Seite der Zusammenkunft in Deutschland und Oesterreich-Ungarn mit Reckt in den Vordergrund gestellt wird, saßt man in Rußland den Besuch lediglich al» politische» Ereigniß auf und gründet darauf Erwartungen, die mindesten» a!» hochgespannt bezeichnet werden wüste». Die Thronrede iser Wilhelm'» bei Eröffnung de« Reichtag« zieht die Grenze dieser hochgespannten Erwartungen, indem sie au-drücklich von der sorgfältigen Pflege der persönlichen Freundschaft kaiser Wilhelm'» sür Kaiser Alexander und der seit tOO Jahren bestehenden friedlichen Beziehungen zun, russischen Nachbarreiche spricht. Diese persönliche Freund- chaft der beiden Kaiser und die friedlichen Beziehungen beider Reiche haben aber mit der bulgarischen Frage nicht» ;u tbun. „Diese und andere Bewegungen in Bulgarien haben ür Deutschland kein Interesse", schrieb vie „Norddeutsche Allge meine Zeitung" nach dem Attentat auf den Fürsten Alexander in der Nacht vom 20. auf den 2l. August 1886, und an dieser Politik der Nichteinmischung in die Wirrnisse aus der Balkan- halbinsel hat die deutsche Politik bi» zum heutigen Tage fest» gehalten. Die guten Dienste Deutschland» zur Vermittelung de» Gegensätze» der russische» und österreichischen Polilik aus der Baltanhalbinsel sind stet» bereit gewesen, und daß sie in dem gegenwärtigen Stadium der Streitfrage um so bereit williger zur Verfügung gestellt werden, ergiebt sich aus Gründen, deren Klarheit einleucktet. Aber e» wäre verfehlt, den Kaiser Wilhelm al- den Träger einer Sendung anzu sehen, welche bestimmt ist, die Lösung der bulgarischen Frage zu finden. Die Sache liegt heute so. wie sie zur Zeit der Abdankung de» Fürsten Alexander von Bulgarien lag: Oesterreich-Ungar» begünstigt die Unabhänigkeit der Balkanstaaten, während Rußland da» Streben hat, Bulgarien und Serbien, Rumänien und Griechenland ebenso seinem Willen zu beugen, wie da» der Türkei gegenüber geschieht. Solche Gegensätze lasten sich nicht auSgleichen, sondern die Zeit muß darüber entscheiden, welche Politik den Sieg davontragen wird, die erhaltende oder die zerstörende. E» ist sehr viel gewonnen, wenn Ruß land zu der Ueberzeugnng gelangt, daß die Lösung der bulgarischen Frage im russischen Sinne auf unbestimmte Zeit, beziehungsweise bi» zum Eintritt günstigerer Verhältnisse ver tagt wird. Rußland hat bereit- früher Beweise sür seine Fähigkeit, den günstigen Zeitpunkt zur Verwirklichung seiner läne abzuwarten, gegeben. Im August 1870, mitten im ietümmel de» deutsch-französische» Kriege», zerriß Rußland den Pariser Vertrag vom 3l. März 1856, welcher ihm da» Schwarze Meer verschloß, und verlündele, daß e» fortan wieder seine Kriegsschiffe in da» genannte Meer senden werde. Siebzehn Jahre später hob Rußland die Freihasenstcllung BatumS aus und fand dabei ebenso wenig Widerspruch wie bei Zerreißung des Pariser FriedenS- vertrage». Rußland wird auch eine« Tage», wenn sich eine Lustige Gelegenheit dazu findet, den Berliner Vertrag außer rast setzen, aber bi» dahin werde» Oesterreich-Ungarn und Italien mit Deutschland dafür Sorge tragen, daß der Berliner Vertrag auch ferner von Rußland geachtet wird. Die Stellung Rußland» aus der Balkanhalbinsei ist durch den Regierung» antritt Kaiser Wilhelm'» nickt Verbeffert worden, der deutsche Standpunkt ist heule noch derselbe, wie er zur Zeit dc- MordanschlageS gegen den Fürste» Alexander und am 6. Februar 1888 war, als Fürst Bismarck Vie Ziele der deutschen Politik Rußland gegenüber darlegte. Deutschland will mit Rußland im Frieden leben, aber nickt aus Kosten der Unabhängigkeit der Balkanstaaten und der Interessen, welche Oesterreich-Ungar» aus der Balkauhalbinsel zu wahren hat. Die Fabrt Kaiser Wilhelm'S nach St. Petersburg ent spricht de» aus Erhaltung des Friedens gerichtete» Wünschen Deutschlands ebenso sehr wie de» Interessen seiner Ver bündeten, aber die öffentliche Meinung Rußland« irrt, wenn sie glaubt, daß Kaiser Wilhelm die Lösung der bulgarischen Frage in seinem Portefeuille trägt. * Leipzig. 5. Juli 1888. * In diplomatischen Kreisen nimmt man an, daß da» Botsckaster-Essen, da» der Kaiser nach Ablaus der ersten Trauerzeit zu veranstalte» beabsichtigt, am 11. Juli stallsiuden werde, so daß also dieReise nach Petersburg keinesfalls vorher, voraussichtlich aber unmittelbar nachher angetreten werden dürste. Daß der Reichskanzler bei seinem hohen Alter und seiner nach der letzten schweren Zeit erklär lichen Nuhebebürfliakcit den Kaiser aus dieser Reise nickt be gleiten wird, ist selbstverständlich, zudem auch schon ossiciö» mitgetheilt worden. Ob der StaatSsecretair des Auswärtigen Amte», Graf Herbert BiSmarck, an der Reise theilnchiiien wirv, war nach der „Köinischen Zeitung" bisher mit Be stimmtheit noch nicht zu ermitteln, ist aber wahrscheinlich Jedenfalls ist das von einigen Blättern gemeldete Gerücht, daß Gras BiSmarck demnächst nach London reisen werde, ebenso au« der Luft gegriffen, wie die geheimnißvolle Sendung, mit der dieselben Blätter die Reise de» General-Adjutanten v. Winterseld nach London aufzubauschcn versucht hatte». Wie es scheint, werden übrigen» die Botschafter und Gesandten, die infolge de» Thronwechsel» neu beglaubigt werden müsse», ihre Beglaubigungsschreiben nicht in besonderer feierlicher Ausfahrt übergeben, sondern, wie da» schon nach dem Tode Kaiser Wilhelm'- I. geschehen, dem Auswärtigen Amt über gehen. Der Kaiser, der schon ohnedie« überaus angestrengt zu arbeiten hat, würde durch die mii Empfang aller einzelnen Gesandten und Botschafter verbundenen Feierlichkeiten über mäßig und ohne zwingenden Grund belastet werden. Die Mehrzahl der Diplomaten sott übrigen» bereit» im Besitz der neuen Beglaubigungsschreiben sein. Soweit man hört, werden sie in ihrer großen Mehrheit unmittelbar nach dem Botschafter- Essen ihren Sommerurlaub antreten. * Die Ausschüsse de» BnndeSralh» halten jetzt täglich Sitzungen ab, um da» noch ziemlich umfangreiche Pensum zu erledigen, welches da» Plenum vor Eintritt der Sommerpause ausznarbeiten hat. Außer den AuSsuh-ung« bestimmungen znm Zuckersteuergesetz unv den damit zusammen hängenden EniwUrse» Uber Erleichterungen, welche einzelnen Gewerben gewährt werden solle», die Zucker für ihre zum Export bestimmten Fabrikat« verwenden, unterlitgen haupt sächlich der verathung der Au»schülle noch dt« den Zoll- anschluß von Hamburg und Bremen vetreffendrn Regulative ' zu de« Zoll- nnd Gtrurrgesetzen. Di« Letzteren haben anch * Unter der Ueberschrift „Zur Geschichte der 99 Tage" bringen die „Hamburger Nachrichten" einen Artikel, welcher in seinem Schluß Folgende» besagt: „Friedrich III. war von der Bedeutung de- prenhischen König- tbumS ganz ebenso durchdrungen, wie sein Later; rin „parlamen- tarischer" Herrscher wäre er ebenso wenig geworden. Aber er war allerdings persönlich au» aufrichtiger Ueberzeugnng constiiutionell gesinnt; wenn nu», wie e» unbestreitbar ist. während seiner kurzen RegikrungSzeit eine Anzahl schwerer Verstöße gegen den Lonstiiio- naliSmuS vorgckommeu sind, so muß man schon hieraus schließen, daß die schreckliche Kranklieil die Einmischung unberufener Hände er- möglichte. Gleich der erste Erlaß de» kranken Kaiser», über die LandeS- irauer, war staatsrechtlich »nwii kjam, denn er entbehrte, obgleich er rechtS- gillige lande«- und ort-polizeiliche Verordnungen aushebei» sollte, der ministeriellen Gegenzeichnung. ES wurde dann der Versuch gemachl, die Genehmigung des Gesetzes über die Verlängerung der preußischen LegiSlalurperiod« zu verweigern, ohne rin Ministerium, welche- dasür die Verantworilichkeit zu übernehmen bereit war — denn den Augenblick sür die Beseiligung deS Fürsten BiSmarck hielleu die, welche diesen Coup vorbereiteten, zur Zeit noch nicht sür gekommen. Herr von Pultkamer wurde ohne Misten deS Ministerpräsidenten entlassen. Ueber jede dieser drei Maßregeln würde» die Deulsch- Freisinnigen als tneonstitutionell einen Höllenlärm erhoben haben, wenn ihre Interessen dadurch verletzt worden wären. Sie schwiegen .» der elfteren und hatten bei de» beiden anderen die Hände im Spiele, weil sie ihnen nützlich waren. Kaiser Friedrich hatte keinen rößeren Antheil daran, als den äußerlichen, den man seitens etne» liodlkranken höchsten» verinuthe» kann. Die sorlichrlttlichen Mitglieder und Helfer der Lamarilla sind in der Lage, daraus hinzuweisen, daß in den 99 Tagen den Staat». Interessen kein schwerer Schaden zugesügt worden, daß sür einen Theil der öffentlichen Meinung sich sogar die Erinnerung an eine mit Beifall ausgeuommene Maßregel, die Entlassung de» Herrn von Putlkamer, daran knüpft; damit suchen sie dem moralischen Gericht, von welchem sie sich, wenn die Wahrheit bekannt wird, bedroht sühlen, zu entgehen. Ihre Absichten sind eben nicht zur Vollendung gelangt; e» ist dem edlen Kaiser erspart geblieben, daß sein Name dazu niißbr-inchtwurve, den Staat-mann zu stürzen, welcher da» deutsche Reich geschaffen hat. Denn die», der Sturz de-Fürsten BiSmarck, war da- Ziel aus welche» hingearbeitet wurde. Dreimal wurden Anläufe dazu >enommen. Der erste, gleich nach dem Thronwechsel, war der unge- Lhrlichste, denn der Kaiser war damals noch veihälintßmäßig kräftig und »ocumentirte deutlich seine Hochschätzung deS Kanzlers, so daß die ortschritlliche» Hoffnungen eine Zeit lang sehr sanken. Der zweite, chon gefährlichere Versuch wurde während der Bettenberg-Asfaire unternommen; der dritte, indem man Pultkamer dergestalt stürzte, daß der Reichskanzler sich dadurch verletzt fühlen sollte. ES ist un- zweiselhast, daß man ihn „weggeürgert" hätte, wenn durch das Schicksal diese» politische Jntriguenspiel nicht beendet worden wäre." Die vfficiösen „Berliner Politischen Nachrichten", welche Vorstehende» wiedergeben, bemerken zu der Mittheilung de» Hamburger Blatte»; Wenn die vorstehenden Aussührungen in ihrer Offenheit für Manchen etwa» UeberraichendeS enthalten sollten, so können wir dinzusügen, daß der Verfasser derselben augenscheinlich dar Ueberraschendste noch — verschwiegen hat. * In Mayen ist am 1. Juli der Landrath a. D. Deliu» im Alter von 80 Jahren gestorben. Der Verstorbene gehörte lange Jahre, von 1849 bi» 1861 und von 1867 bis 1885 dem Abgeordnetenhaus? an, seit dem Bestehen der national liberalen Partei als ein treue« Mitglied derselben. Die Liebenswürdigkeit seine» Wesen», die Lauterkeit seineSCHarakter» halten ihm bei Mitgliedern aller Parteien ein reiche» Maß von Hochachtung, Verehrung und Beliebtheit eingetragen. * Die „Berliner Politischen Nachrichten" ent halten folgende Erklärung: In Bezug aus unsere unlerm 29. Juni gemachten Angaben, be- treffend da- hinterlastene Vermögen des geistlichen Raths Gyrdt» ersucht unS der Erbe, Herr Domcapitular und Mitglied deS deutschen Reichstags I>r. Franz, um Ausnahme einer „Erklärung", welche „sich auf thalsächliche Angaben" <8- 11 des PreßgcsetzeS) nicht nur nicht stützr, sonder» überhaupt keinerlei thalsächliche Angaben enthält, so daß wir unS nicht veranlaßt finden, von der „Erklärung" des Herrn Dr. Franz weiter Notiz zu nehmen, sondern demselben es überlassen, „zur Wahrung der Ehre seines verstorbenen väter liche» Freundes nnd zum Schutze einer schwer gekränkten, noch lebenden, hochachtbaren Dame" — wie er sich anSdrückt — die jenigen Schritte zu thnu, welche ihm auf Grund der Gesetz« sreistehen. * Wie au» Berlin gemeldet wird, soll die für den 21.Juli in Aussicht genommene außerordentliche Generalversammlung der Deutsch-Ostasrikanischen Gesellsaft nicht statt- finden. Es hat sich ergeben, daß in Folge der eingetrctenen Sommerreisen einer großen Zahl von Mitgliedern e» nicht möglich ist, die Statutenänderung soweit vorzubereiten, daß auch die vorher erforderliche Verständigung mit der Aus sichtsbehörde rechtzeitig genug herbeigesübrt werden kann. In der Sitzung de» DireclionSrath» vom 30. Juni ist beschlossen worden, die Tagesordnung der aus den 21. Juli anberaumt gewesenen außerordentlichen Generalversammlung aus die ordentliche Generalversammlung zu verlegen, welche im Sep tember d. I. siattsiiideii soll. Herr Hugo Oppenheim ist zum zweiten Vorsitzenden der Deutsch-Ostasrikanischen Gesellschaft gewählt worden. « * « * Dem „Hamburgischen Correspondenten" gehen über die Sociatdemokratie in der Schweiz folgende Aus führungen zu: „Vom Parteicomitü der socialdemokratischeu Partei der Schweiz wurde soeben eine Einladung erlassen zu einer Parteikonferenz, die Sonntag, den 8. Juli, in Aarau abgehalten werden soll. Da» Bction-comitü und da» BunbcS- cvmitS de» Schweizerischen Gewerkschaft»!)»»»-» ist gleich falls eingeladen worden. — Eine „Socialistische Agitations schule" oder, wie sie nun genannt wird, „Politische Fort bildungsschule der Bernischcn Arbeitervereine" ist nun lhal- sächlich ins Leben gerufen worden; die erforderlichen Lehrkräfte sind gewonnen, und die »vlhigen Locale stehen zur Verfügung. Vorläufig^ wird man da- Local de» Grütliverein» Bern, Brunngass- 70, benutzen. Am 28. Juni nahm der Unterricht seinen Anfang; in der ersten Stunde wird „die sociale Frage und die Lehren der Socialdemokratie" behandelt, in der zweiten Stunve soll Schweizer Geschichte gelehrt werden. Di« Zahl der Tbcilnchmer ist eine unerwartet große. Da» Bei spiel der Berner Socialisten wird in anderen Schweizer Städten schnell Nachahmung finden; schon beim Austauchcn de« Projekte» ließen sich zahlreiche Stimmen im ganzen Lande für dessen Verwirklichung nicht nur in Bern, sondern auch an anderen Orten mit ausgeprägter Arbeiterbevölkerung vernehmen. — Dem Ba-ler „Arbeiterfreund", der kürzlich für ganz Deutschland verboten worden ist, schreibt ein lior- respondent au« Bern, daß dir Eantoa«reairr»ngeu seiten« der eidgenössischen politischen Polizei aufgrsordert Word«« sei««, öffentlich« Versammlungen streng zu überwachen."
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