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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189007050
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18900705
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18900705
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-07
- Tag1890-07-05
- Monat1890-07
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1890
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1. Scilue M LchM Tijkdlill >»d K»!M Ar. M. ÄMdkid de» 5. Juli 18S». verborgenes Gold. Erzählung von Caroline Deutsch. Nachdruck »erboie». (Fortsetzung.) VII. Es regnete seit einigen Tugen ununterbrochen und der See hatte sein blauschiinme^ndeS Kleid auSgczogen und sich in ein schmutzig araueS Gewand gebullt, grad wie eS zu dem Wissen Wetter paßte; auch war sein Angesicht nicht mehr so lächelnd heiter, die Wellen spielten nicht, wie sonst, mit ein ander, küßten und liebkosten sich nicht; sie grollten, hoben und senkten sich zürnend, als wollten sie sich gegenseitig erdrücken oder verschlingen. Die Lust war wie mit grauen Schleiern ! verhüllt und die Gesichter der Badegäste, die hinter den an- gelausenen Scheiben vergebens nach einem Sonnenblick spähten, waren auch nicht freundlicher und heiterer. Graf Fezeny und Horwath bewohnten drei hübsch ein gerichtete Zimmer zusammen, deren Fenster nach dem See gingen. Die beiden Männer waren seit langen Jahren, noch von ihrer Kindheit her, befreundet, so verschieden sie auch von Geburt und Stellung waren. I Der Bater deS Grafen batte den muntern, aufgeweckten l Knaben, den Sohn seines Pserdchirte», der im gleichen Alter Irnil seinem Sohne war, auf eigene Kosten studiren lasten und libm dann durch seine Empfehlungen eine einflußreiche Stellung in der Welt verschafft, und so war aus dem Sohne dcö EsikoS der bedeutendste, bekannteste Advocat des Landes geworden. Horwath war dankbar dafür. Denn, wie er sich auS- drückte, hatte jeder Mensch eine Achillesferse.... eine Stelle, wo er entweder vom Engel oder — vom Teufel zu packen war Der grünende Punct, wo bei ibm der Engel saß .... j war die Dankbarkeit für das gräfliche Hauö. Er war zu jeder Dienstleistung bereit, wenn sie auch Opfer ! enthielt und erwies sich in tausend und aber tausend Dingen ' seinem Wohlthäter und nach dessen Tode seinem Sohne ge fällig, auch .... in vielen unsauberen Angelegenheiten. Denn da der Erste« in scincin Berufe nicht besonders gewissenhaft, der Andere hinwiederum eine gewaltthätige, von finsteren Trieben beherrschte Natur war, die ihn immerzu in un angenehme Händel verwickelte, so mußte diese dann Horwath jedes Mal auSgleiche». j Aber soviel ihm dieser Mann auch zu schaffen gab, der Irücksichtslos, hart, brutal und mehr gefürchtet als geliebt war, Horwath hatte für ihn im Grunde feines Herzens eine starke, fast zärtliche Anhänglichkeit^ Der Graf stand beim Fenster und sah auf den grauen See und Horwath saß mit übcr- ^ einandcrgeschlagenen Beinen auf dem Sopha und rauchte. „Ein trübseliger Anblick und ein Wetter zum Davonlaufen," sagte der Graf finster. „Besonders, wenn man in solch guter Laune ist, wie Sie ! es sind, Gras." Und da der Andere schwieg, setzte Horwath mit einem forschenden Blick hinzu: „Sie verheimliche» mir j eS umsonst ... die — Begegnung hat stattgefunden." „Nehmen Sie es a», daß — ja," versetzte Cornöl, ohne ! sich umzuwende». „Und die Unterredung ist nicht zu Ihrer Zufriedenheit ausgefallen? Die Hoffnungen, die Sie darauf setzten, haben !sich nicht erfüllt?" Eine Weile war es stille beim Fenster, dann tönte eS hart und kurz zurück und die Worte waren von einem schrillen Lachen begleitet: i „Es Ware», wie immer — Hiebe ... nur noch ein Bischen schärfer und einschneidender, als sonst . . ." „Und Sie sehen »och immer nicht ein, daß cs Zeit ist, die lächerliche und deniüthigendc Rolle aufzugcben, die Sie seit mehr al- einem Jahre spielen?" „Im Gegentheil, ich beharre fester als je dabei. Und — verlassen Sie sich darauf ... ich werde mein Ziel erreichen", fügte er mit einer eigcntbümlick'en Betonung hinzu. „Aber durch welche Mittel denn? Wir leben ja nicht in der Raubritterzeit, wo man sich mit Gewalt ein Weib an eignen konnte. Und Gräfin BoriSka ist... die letzte Frau, der so etwas gegenüber anz..wenden wäre. Und dann werde ich ganz irre an Ihnen, Graf, Berechnung allein kann cs nickt sein; cs giebt noch reichere Frauen im Lande, als eS die Gräfin ist und — auch leichter zu erreichen. Ist eS Haß, ist cs Liebe, das Sie auf diesem Wege so unerschütterlich festhält?" „Beides", versetzte der Graf und aus seinem Innern hrach eS jetzt, wie eine unterirdische Flamme: seine dunklen Augen glühten und in dem magere», scharfen Antlitz zuckte jede Muskel in schwer unterdrückter Leidenschaft. Bald er sehne ich ihren Besitz, so heiß und wild, daß ich die Hölle ihretwegen stürmen könnte, dann wieder... baß ich sie so tics, so unsäglich, daS ich ihr das größte Herzleid anthun könnte, um — ihr daS zu vergelten, was sie an mir — getban." „ES wäre besser. Sie hätten die Gräfin nie wieder ge seben," sagte Horwath erschrocken über diesen wilden, maß losen Ausbruch. „Kann sein," sprach der Andere leise. Nach einer Weile fügte er ruhiger und init dem alten, bestimmten Ton hinzu: „Doch ängstigen Sie sich nicht, Horwath, eS wird Alles schön und glatt enden. Sie sollen eS sehen, und ist sie erst . . . meine Frau, dann wird ihr Trotz und — auch mein Zorn schwinden. . ." „Sie führen etwas im Schilde . . . Graf, Sie haben einen Plan?" „Erst die Idee davon, Horwatb, sobald sie reif ist, werde ick sic Ihnen mitthcilcn, Sie haben ja auch eine Rolle darin." „Sie planen doch nichts GcwaltthätigeS?" rief der Advocat, ihn erschrocken anblickend. „Nein, nein, beruhigen Sie sich. Sie zarte, harmlose Seele! Es soll Alles schön und glatt enden, ich habe eS Ihnen schon gesagt", versetzte Fezcny mit einem leisen Spott in der Stimme. „Ich bin sonst nicht auf den Kopf gefallen," meinte der dvocat, „wie Sie aber da zu einem Ende kommen wollen, bin ich wirklich neugierig WaS Geduld und Beharrlichkeit betrifft, haben Sie za in diesem Jahre daS Höchste geleistet, WaS ich Ihneu auch nicht zugetraut hätte, Sir, der sonst so wenig Widerstand ertragt... Aber was jetzt? Welches Mittel wollen Sie anwenten? Ich kann über dies Thema nicht auS Erfahrung sprechen, aber... wie ich gehört, soll man ja den verlorenen Weg zu dem Herzen eines WribeS wiedcrsinden könne», aber nur wenn eS liebt. Die Gräfin liebt Sic aber nicht, so blind können Sic nicht sein, um dies zu glauben. Würde sic Sie kalt oder gleichgültig behandeln, so wäre das noch eher denkbar. Die Liebe, diese gesetzgebende und gesetzloseste aller Mächte, soll ja unberechenbar sein: Oft offenes Feuer zum Himmel hinauf, danu wieder still- glübende Lohe unter Schnccbcrgen . . . unter dem todtcn, ode» Gestein, im Schutt, das wir Berachtunz, Geringschätzung nenne», ist — sie nicht zu finden Täuschen Sie sich nicht selber, Graf... Gräfin Boriska behandelt Sie derart." Fezeny wurde sehr bleich, die Adern an der Stirne schwollen an und die Augen traten hinter den dichten, dunkeln Brauen, die jetzt wie Borsten geradeaus standen, wie zwei Kohlen mit fast phoSpkorcScireudcni Scheine hervor. „Hüten Sie sich, Horwath!" sagte er mit leiser, dumpfer Stimme. „Sic haben mich einen jähzornigen Mann ge nannt, meine Nachsicht gegen Sic könnte auch ihre Grenze» finden . . „Bon mir können Sie Alles hören", versetzte der kleine Mann unbeirrt und mit dem ruhigsten Tone der Welt; er mochte an derartige Ausbrüche gewöhnt sein; „denn Sie wissen, daß Sie keinen besseren Freund als mich besitzen, daß mir Ihr Wohl wie mein eigenes am Herze» liegt." Horwath'S Ton war wärmer geworden, ja eS lag eine eigen tbümlichc Weichheit in der sonst so trockenen und scharfen Stimme. „Sic stehen an einem Abgrund", fuhr er dann eindringlich fort. „Ihre Gläubiger in Galizien, in Ungar» drängen, ich kann sic nicht länger Hinhalten und Sie, Gras, nicht berausarbeiten, wen» ick mit meinem ganzen Bermögc» für Sie einstünde. Die Spielschulden der letzten Jahre gehen inS Ungeheuere . . . nur eine reiche Hcirath kann Sic retten, und ick hätte eine Partie für Sie." „Ich Hab' ja auch eine: Boriöka'S Geld soll . . . mich loSkausen . . ." „Es ist leider eine fixe Idee bei Ihnen", sprach Horwath, „und wer weis;, wie das enden wird?" „Quälen Sie sich nicht mit gransen Borstellungen", ver suchte der G^af zu scherzen, „es wird kein Trauerspiel dar aus. Trotz Ihrer niederschmetternden Beweise, wie Sie nur Ihr zersetzender Verstand erfinden kann, bau' ich dock .... auf die Vergangenheit. Ein Weib, daS so geliebt, kann nie wieder vergessen .... und — daraus bau' ich meinen Plan." Eine Weile war eS still zwischen den Männern, dann sagte Horwath: „Sehen Sie, Graf, heul' ist ein Wetter, das sich zum Erzählen eignet. Die schweren Regentropfen falle» so eintönig ermüdend und die grauen Nebel scheinen nicht nur ins Zimmer, sondern auch in'S Herz zu kriechen .... Ich weiß von Ihrer BerlobungS Geschichte mit der Gräfin Bodgany soviel wie nicktS .... Sw hatten mir die Berlobuug kurz angezeigt, dann hörte ich von Ihnen nicktS, bis Sic eines Tages wie ein Berzweiseltcr bei mir in Pest erschienen. Ihre Hochzeit sollte in Kurzem sein, da war ihnen ein unglücklicher Handel dazwischen ge kommen, den sollte ich erst anSgleichcn. DaS tbat ich auch, wie schon mehr als einmal .... wenn auch keiner noch von solch schwerer Art war .... Doch statt der Hockzcitsanzeige, die ich dann erwartete, erschienen Sie eine« Tage- plötzlich wieder in Pest, nicht als Ehemann, auch nicht als Bräutigam mehr — Heirathelen einige Wochen später die reiche Gräfin Wolizin, die nicht mehr jung und ein abcnteuerlickcS Leben in Pest führte und gingen mit ihr nach ihren Gütern in Galizien." „ES war eine traurige Ebe," sagte Fezcny. „Sie war cine alternde Kokette, dabei zärtlichkcitöbedurftig und eifer süchtig, wie die Hölle. Da rettete ich mich an den Spieltisch, stürzte mich in den Strudel deS wilde» LebcnS — toller als jemals und als meine Frau nach drei Jahren starb, war nicht nur ihr Bcrmögen dahin, ich batte auch noch eine un gcheure Schuldenlast." „Eine kurze und traurige Geschichte. Doch wo und auf welche Weise wurden Sie mit Gräfin Boriska bekannt, die aus Nordungarn stammt, und durch wen erfuhr sie von jenem unselige»^ Handel, der sich auf Ihrem Gute Barfa, »» äußersten Süden deS Landes abspielte? .... Denn, daß Sie cs ihr nicht mitthcilten, das... das könnte ich wohl beschwören." Und als der Graf zauderte, fügte Horwath hinzu: „Ich bade ein doppeltes Anrecht darauf, diesen Tbcil Ihres Lebens kenne» zu lernen, erstens als Ihr Freund, dann verlangen Sic ja meine Mithilfe in dieser Angelegenheit" „Gut," sagte der Graf, wie nach kurzem, innerem Kampfe, „Sie sollen dieGcschichte hören, Sic sollen ersah«», WaS ich sonst noch Keinem erzählte,und auch die llebcrzcuanng gewinnen, daß ich, trotz Allem und Allem, doch mit meinen Boranssetzungen Recht habe..." Er nahm eine Eigarre auS Horwath s Hand, steckte diese an und setzte sich ihm dann gegenüber. vm. „Sie kennen meine Kinder und ersten Iugendjabre," bc gann er, „denn wir verlebten sie zusammen. Sie als mein Spielkamerad ertrugen alle meine Launen, Wildheiten, ja roden Mißhandlungen mit einer unverwüstlichen Geduld, und mich rührte diese auöbarrende Unterwürfigkeit und ich faßte eine Art Zuneigung für Sie. Aus meine Bitten ließ Sic mein Bater an meinem Unterricht tdeilnehmen, so lange ich Hauslehrer hatte, wir gingen zusammen auf das Gymna sium und verbrachte» die UniversitätSjabre mit einander, dann trcnnten sich unsere Wege: ich trat in die Armee ei» und Sic als Praktikant bei einem Advocaten in Pest Doch will ich mich auch bei dieser Zeit nicht zu lange aufkalten. Ich war ein wilder, flotter Ofsicicr. Sie kennen nieine Natur, ich gehöre nicht zu den Rücksichtsvollen; wenn es meinen Wunsch, meinen Willen galt, Hab' ich selten daS Wohl und Wehe Anderer in Erwägung gezogen. Als einziges Kind meiner Eltern, von einer maßlosen Liebe verwöhnt und verhätschelt, war ich gewohnt, von den ersten Tagen meines Bewußtwerdens jeden meiner Wünsche erfüllt zu sehe»; außerdem auf der Höbe dcö Lebens stehend, sah ich meinen Willen als den allein maßgebenden an ... . Tie wilden Berlockungen der Jugend umfingen mich und ich vertraute mich dieser reißenden Strömung, ohne an daS Später zu denken, in der Bollkrafl und dem Vollgefühle beißen, verzehrenden LebenSdursteS, an. — Wie WackS waren die Herzen der Frauen in meiner Hand, und so rasch ging kein Alexander in seine» Eroberungen vor, wie ich ... . in meinen Liegen. Und da ick ebe» so rasck mit der Waffe zur Hand war, und jede Einmischung zu strafe» wußte, so war ich bald der ^csäbrlickste und gefurcktcleste Mann, nicht nur in der Armee, sondern auch in den Familien. Um diese Zeit meiner höchste» Triumphe, aber auch meiner größten finanziellen Zerrüttung, denn — daS väterliche Erbe war längst a» Spieltischen und in LiebeSbäntcln draus gegangen, und Schulden wie Berge batten sich ui» mich ge thürmt, lernte ich Baron Mcgjianich kennen Er war a»S dem äußersten Norde» dcö Landes, der hohen Karpathengegend, und nur besuckSwcise in Pest. Ein ledcuSsriscker, warm blütigcr Man», fanden wir bald Gefalle» an einander und verlebten eine lustige Zeit zusammen Ich war sei» Führer und er lernte durch mich voll und ganz daS Leben und Treiben der Hauptstadt kennen. Als er dann nach Woche» bcimrcistc, schieden wir mit dem Bersprechcn baldigen Wiedersehens, und zwar sollte ich nach Neu Sande, wo seine Güter lagen, koiniucn. Dem Baron war eS ernst damit; denn als einige Wochen verstricken, ohne daß ich mein Bei sprechen cinbielt, kam cine dringende Einladung zu einer großen Bärenjagd, die er in seinen Forsten veranstaltete Ich war von jeher ei» leidenschaftlicher Jäger und daS Wichtigste hätte inick von einer derartigen Aussicht nickt zurückgeballc», ich nahm Urlaub und fuhr nach Neu Sandek." „Wieder war eö eine lustige Zeit, die ick dort verlebte. Die Winke waren heitere, lebensfrohe Menscken, und das stattliche Schloß schien ein Bcrkcbrsplatz für ein und aus ziehende Gäste zu sein, denn nie wurde eS von Besuchern leer. Gaftiuählcr, Jagden, Schlittenwetlsahrtcn, Kartenspiele wechselte» mit einander ab und ick lernte die Gutsherr sckafien der ganze» EKgend bis über die galiziscke Grenze hinaus kennen." „Biel körte ick von einem Grafe» Bodganu spreche», der kur; vor meiner Ankunft gestorben, und der nächste Nackbar der MegjianickS gewesen war. Man schilderte ihn als wüsten, wilden Menschen, der Zeit seines Lebens Gesprächsstoff für die Gegend geliefert batte." „Sehr reich und von altem Adel, mied und haßte er seine Standeögenossen und verkehrte mit Leuten von niedrigster Stellung, von denen er sich auch nicht die besten Elemente bcrauösuckte, und so war sein Schloß der Bcrcinigungspunet und Tumniclplatz aller nieder» Leidenschaften, so daß es von allen anständigen Menschen gemieden und gescheut war." „Doch das war noch nicht Alles von dem Manne. Er hatte ein einziges Kind, eine Tochter, die ließ er vollständig als Knaben erziehen, in allen männlichen Beschäftigungen, wie: Reite», Schwimmen, Jagen, Rauchen, »ntcrrichtcn, sie durfte nur Knabenkleidcr tragen und mußte bei alle» wüsten Trinkgelagen des BaterS zugegen sein. Nun sprach inan davon, was eigentlich aus dem Mädchen, daS jetzt siebzehn Iah« zählte, vollständig scheu und verwildert war und ganz ver waist dastand — denn die Mutter war, als das Kind noch kein Jahr alt war, mit einem Liebhaber durchgegangc» und batte nie wieder etwas von sich hören lassen, — was aus dem Mädchen, das eine solche verkehrte Erziehung genossen, werden sollte? Reich war sie, sehr «ick, aber welchen Mann würde das Vermögen reizen, wenn er an die lebendige Zugabe dachte?" „So sprach man über diesen Fall, Einige meinten sogar, die Geistlichkeit oder der FiScuS müßte die Angelegenheit in die Hand nehmen, daS Bermögcn cinzieben, das Mädchen i» ein Kloster stecken , WaS eigentlich das Beste, das einzig Richtige wäre. Mich ließ der Zufall einige Tage später ihre Bekanntschaft auf eine eigentküniliche Weise macken." „Der Baron hatte die versprochene große Bärenjagd ver anstaltct. Biele Treiber, cine große Meute, dreißig bis vierzig Jäger, so zogen wir am früke» Morgen aus, vermummt und verhüllt in Pelzen, wie Nordpolfahrcr. Es war ein klarer nnd ruhiger Tag, aber so kalt, daß sich die schnccbelastcten Bäume in eisigen Schauern schüttelten, der gefrorene Boden unter unser» Schritte» knisterte und knarrte, die Vögel er starrt in den Aeslen und auf dem Wege lagen, und der feuchte Hauch, der von unscrn Lippen ging, sich zu EiSkrystallen um unsere Schnurrbärte formte." „Eine Zeit lang ging eS durch enge Tbalkcssel, steile Aus stiege, spiegelglatte Leen, die im Sommer die Augen der Gebirge genannt werden, weil sie klein, kreisförmig und durch die lichte Färbung ihrer Gewässer wirklich wie blaue schim mernde Sterne ans der ticfgrüncn erhabenen Umgebung her vorblicken, jetzt sich aber durch nichts von dem ander» Boden unterschiede», als die reine, furchcnlose, eisglatte Fläche." Es war gefährlich, sich von der Gesellschaft zu trennen, denn verirrte ma» sich einmal in den schnecvcrwchten, nnwcg samen Tannenforsten, die sich stundenlang bis zu den zackigen Kämmen deS Gebirges zogen, wo die Natur nicht nur dem Menschensuß, sondern jedem keimenden Leben ei» Halt zuz» rufen schien, so konnte man sich als verloren betrachte» Da eS aber unbequem und für die Jagd hinderlich war, in einem Gliede zu marschiren, so verlbcille» wir »nS in Gruppen und wendeten uns »ach verschiedene» Richtungen " „Ich noch mit vier Andere» war bald einem Bären auf der Spur. Wir batten ihn auS seinem Berstccke anfgeschencht, da er aber in keiner schußgcrechtcri Lage war, so gingen unsere Schüsse fehl und er selber brach aufgeschrcckt in wilder Flucht durch den Wald " „Bon de» heftigen Stößen brachen vor nnd hinter ibm Zweige und junge Bäumchen und die großen, starken Bäume bogen und schüttelten sich »nd sendeten eine» Wirbel dichter Schneeflocken herunter, der ihn immer sccundenlang unfern Blicken entzog, und hörte dieser aus »nd verzog sich der Rauch unserer Schüsse, die wir auf gut Glück loSfeucrten, so sahen wir vor uns oder seitwärts das braune Fell de« TbiereS zwischen den nackten Stämmen kiiiturcksckiinmcrn. ..." „Immer bcißer, immer wilder wurde ich in der Lust de» BersolgcnS, je mehr Schwierigkeiten u»S das brauukaarigc Ungclhüm bereitete. Ohne auf die Zurufe meiner Begleiter zu achte», brach ick jetzt, wie er, in wilden Sätzen durch da» Gestrüpp, wand mich mit blitzartiger Geschwindigkeit zwisckcn de» Stämmen kindurck Wie lange ich so in wildem Lause dahin stürmte, ich weiß es selber nickt. Mein Körper war wie i» schwingender Bewegung; trotz der eisigen Kälte schoß mir daS Blut wie Feuer durch die Ater», die Schläfen känimcrten und daS Herz scklug zum Zerspringe»; riesige Funkenrätcr sprangen vor meine» verschwommenen Blicken, die sich i»S llucntliche vermehrten, vor meinen Füßen aufblitzlcn, und bis z» den Kronen der Bäume aussticgen. Ich verlor daS Bewußtsein teö festen BodenS unter mir nnd trotzdem ick da und dort an den Bäumen anstieß, hatte ich dock daS Gefühl, als flöge ich ... . Da, was war daS? Der starke, verkrüppelte Arm einer Zwergcickc hielt mich auf und — daS war mein Glück, sonst wär ick geradeaus zu Boden gestürzt und im Fall .... hätte die Flinte loSgcben könne» . . . Halb betäubt, lehnte ich mich an die Eiche, krampfhaft den rettenden Ast sesthaltcnk, mein Körper war in Schweiß gebadet, wie Nebel lag eS vor nicinc» Augen und Alles halte sich von seiner ursprünglichen Stelle losgelöst und trebte sich mit mir im Kreise: die Bäume, der Himmel, der zwisckcn den schlanken Kronen blickte und der Boden, auf dem ich stand." „Minuten währte eS, bis ick mich erholte und die furcht bare Erregnng überwand. Mein Herzschlag wurde Nissiger, daS Blut begann lansamcr zu fließen und ich blickte mit Bewußtsein um inick." „Wo befand ick» niick? Tiefe, lautlose Stille hcrrsckte um inick. Ter cigenllicke BanmwuckS batte aufgchört und wa» sick »ock 5>U—«i«> Schritte vor mir da auSbreitcte, war Zwcrg- aesckleckt, verkrüppeltes, am Bode» kinkricckcndcs Gesträuch ... Aber steil, in fast geraden Linien, stieg in gewaltigen Formen der Bergkamin vor mir auf, cine zerklüftete, zerrissene Riesen- lnancr, schneebedeckt, in Kegeln und Zacken auslausend und mit seine» äußersten Spitzen in den Himmel ragend, dessen verbleichender Lckcin sich jetzt wie ein leickcr, grauer Flor aus sie legte . . . Schimmernd und fnnkclnd und glatt und unberührt lag die schneebedeckte gewaltige GebirgSwelt da vor mir, als bade sie nie eines Menschen Fuß betreten ..." „Ick setzte mein Jagdhorn an den Mund, aber nur der Wind, der leise durch die Bäume hinter mir rauschte, nnd die Raben, die ansgesckeuckt mit inißtöucndcm Gekreisch sich flatternd über meinem Haupte erhoben, gaben aus den Hellen, langgezogene» Ton Antwort. Ich kannte nie Furcht, aber damals fühlte ick cine» beängstigenden Schauder durch mein Her; geben. Noch eininal setzte ich das Horn a» den Mund und noch eininal gaben mir dieselbe» Ltimmcii Ant wort . .." „Nu» blieb nichts anderes für mich übrig, als nmzu- kchreu und den Weg, de» ick gegangen, wieder zu verfolgen; der Pfad »inßte ja durch die cingctrctencn Spuren kenntlich sei». Biellcickt glückte eS mir, mit den Begleitern oder den anderen Jägern wieder znsainiucnzuircffcn, oder wenigstens, so lang cs »och nickt vollständig Nacht geworden, aus dem Walde kcranszukoniine»." „Und ick wandte mich zurück und eilte zwisckcn de» schlanken Stämmen dahin, aber ich war wie in einem Zauberbannc, wie Einer, der i» einen unheilvollen Kreis geratben, nickt niekr den Ausweg findet. Mehr als eine Stunde war ich dahin geeilt und nichts als — Wald und wieder Wald! Betrat ich mit klopfenden Herzen eine Lichtung, wäkncnk, da» Ende desselben erreicht zu haben, so war eS nur, um in einen tiefer», dichter» Theil dieses ungeheuren Forstes zu geratbc». TodeSmatt, bald erstarrt vor Kälte, merkte ick mit Entsetze», daß die Schalten immer länger wur de» und ein immer fahleres Grau an die Stelle de» verschwindenden Tageslichtes trat Und wenn dann die Nacht kam nnd die fürchterlichen Bewohner deS WaltcS, die wir TagS über gehetzt, ihrem BernichtungSwerke »ackgingcn?!... Wieder fühlte ick jenen todeskaltcn Schauder durch mein Herz geben. Sic wissen, ich war im Kriege; furchtlos aus blitzenden Läusen lmbe ich den Tod auf mich gerichtet gesehen: WaS war aber auch daS gegen das leise, aber so sicher beraiischlcickcude Grauen? Gegen daS Un geben«, Entsetzliche, daS ick im Dunkel der Nacht koininen sah, daS sich in der Stille dieser Ocde, für jedes Menscken- obr »nerrcickbar, von jede», Mcnschcntritt entfernt, nur den stnninien Himmel und die schweigenden Bäume als Zeugen, sckrcckenSvvll an mir vollziehe» sollte? Doch WaS war daS? Jetzt knisterte eS in kurzer Entfernung von mir, hinter einem dickten Strauchwerk, das cine Grnppe von Tannen umschloß. Es ist ein Geräusch wie von brcckcnden und nicdcrgctretcnea Aestcn und Zweigen. Da, »och ein Krachen, der letzte Busch thcilt sick und — die funkelnden Augen eines Wolf«S sehen mich an!" (Fortsetzung folgt.) Literatur. Gerade noch zur rechten Zeit, da- heißt, um auch als Bäder- oder Ferienreise Literatur Verwendung zu finden, bringt der Verlag von Oswald Schmidt in Leipzig-Reudnitz leine Ha»S- und V«lksbitzli«thrk aus den Buck>erinarkt. Die vorliegende» fünf Bändchen cnlhalte» eine Sammlung ausgewählter und vortrefflicher Erzählungen und Novellen, welche sich durch geichickle Fassung und Behandlung des Stoffes vor ähnliche» Erzeugnisse» recht vortheilhait auszeichnen. Die Ausstattung ist eine gediegene »nd der Preis ein billiger. Die Hesse sind selbstverständlich auch einzeln zu beziehen; dielelbe» haben Folgendes zum Inhalt: 1) „Der Sonnenwirlh" von Erich Norden; 2) „Herab und Hinaus", vier Erzäh lungen von Erich Norde»; 3) „Auf Schloß Heinrichs- waldau" von Martha Eitner; 4) „Der Vagabund" von Erich Norden: 5) „Neue .Häuser", „Die Steinschleifer von Galling", zwei historische Erzählungen von Ludovica Hesektel. Die Namen der genannten Autoren haben auf dem Gebiete der heileren und unterhaltenden Muse einen so guten Klang, daß wir daraus verzichten können, noch etwas htnzu- zusügen. —x. Heute Sonnabend Abend 9 Ahr Tvkluss lies Ssison-ßkusvvi'lLsuss Bessere Atlerderstosse und Dniiren-Lonseetron für die Hälfte der bisherigen niedrigsten Preise. Lelonnadenstrab*. Ecke Alexanderstrahe.
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