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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940531024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894053102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894053102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-31
- Monat1894-05
- Jahr1894
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4030 der Wohnung Stambulow'« stattgefuodenen spontanen Hul digungen für den abgetretenen Minister bewiese,,. Wird Stambulow, getragen von der BolkSgunst, thatsächlich in Gegen,atz zu der ferneren Politik de« Prinzen Ferdinand treten? Noch liegt nicht« über den Inhalt der Ansprachen vor, die er an die Veranstalter der gestrigen Ovationen gehalten hat, aber er ist wohl der Mann dazu, im Interesse de« Lande« auch >n Gegensatz zu seinem Fürsten zu treten, Venn er ist so ausschließlich bulgarischer Patriot, daß ihm >ede Dynastie, auch dir coburgische, die er selber ge schaffen, nur al« Mittel zum Zweck der nationalen Wohlfahrt erscheinen muß. Es ist richtig, daß Stambulow Bulgarien mit eiserner Hand und vielleicht manchmal etwa« selbstherrlich über den Kops bc« Fürsten hinweg regiert hat, aber Bulgarien und sein Fvrstenthron bedurften für ihr Werden und Weiter- bestehen eine« solchen Manne«. Stambulow hat bei den Wahlen dafür gesorgt, daß Anhänger der Regierung in die Sobranje kam«, er hat jeden Bcrsuch russischer Umtriebe im Keime ersticht, er ließ höhere Militairs erschießen, sobald sie sich mit dem Zarenreiche in Unterhandlungen einließen, er hat sich damit zahlreiche Feinde gemacht, aber er handelte nie für sich, sondern >m Interesse der Freiheit und Unabhängigkeit seine« Vaterlandes, und nur ihm ist es zu banken, wenn Bulgarien heute ein« geachtete Stellung im europäischen Slaatenconcert eiiinimml. Ihm allein gebührt die Ehre sür die Regelung der macedonischen Schul- und Kirchensrage; er und niemand Anderes hat da« Verhält»,ß zur Pforte in ein freund schaftliche« umgestaltet. Da« kann Kürst Ferdinand nicht über sehen, daß Stambulow der Mann des europäischen Bertrauens, daß sein erprobter Patriotismus und seine mit weisem Maß ge haarte und durch tiofe Einsicht getestete Kraft eine in den «atrrnationaleu Beziehungen geradezu unersetzliche Bürgschaft Bulgariens gegenüber den ihm wohlgesinnten Mächten war. So lange Stambulow dem Fürsten zur Seite staub, hatte Europa die feste Zuversicht, daß die bulgarische Politik keine internationalen Verlegenheiten herausbeschwören werde; diese Zuversicht ist wesentlich erschüttert, wenn Stambulow, dal verkörperte Wahrzeichen der festen und unbeirrlcn Entwickelung Bulgarien-, seine« bestimmenden Einflüsse« entkleidet ist. Dckutsches Reich. 6. H. Berlin, 3V. Mai. Die Lächerlichkeit soll bekanntlich tobten. Heute haben sich die Socialdemokraten mit ihrem Bierboycott so lächerlich gemacht, daß sie beschämt »ach Hause gegangen sind. In dem vielgenannten Concordiasaal in der Andreasstraße sollten sich die ausgeschlossenen Brauerei- Arbeiter versammeln, um ihre Lage zu besprechen. Um 10 Ubr war der Anfang der Versammlung festgesetzt, aber obwohl 670 Ausgesperrte vorhanden sein sollen, waren um diese Zeit nur 40 Personen erschienen, die der Mehrzahl nach zu den Parteibudikern gehörten unk mit großen goldenen Ubrketten, die sich über die weißen Westen schlängelten, die Noth der »Arbeitslosen" grell illustrieren. Nach und nach sanken sich doch noch 400 Personen zusammen, nachdem der Anfang der Versammlung um eine Stunde hinauSgcschoben war. Der Referent, Gastwirtb Hilpert, machte ein be trübtes Gesicht, donnerte gegen die Indifferenten und Lauen und sorberte kann die Brauerei-Arbeiter aus, ibre Erlebnisse beim Bovcott zum Besten zu geben. Ta« geschah und war überaus lehrreich. Da stehen ke« Nacht« aus der Ebarlotten- kurzer Ebaussee die Brauerei Arbeiter, um zu vigiliren, wohin da« Bier der geboycotlcten Spandauer Bergbrauerei gefahren wird Sie trauen ihren Augen kaum, denn die Abnehmer sind die Parteibudiker, die sich durch Schreien in den Versammlungen am meisten bervorgetdan! Ein allgemeineS „Pjul!" folgt Liesen Mittheilungen, etliche Parleibudiker im Saal haben kalte Füße bekommen; denn wa« die Brauerei- Arbeiter auf der Ebarlottenburger Chaussee gesehen, das hat sich auch hundertsach in Berlin ereignet. Die „Genossen" theilen geknickt auch ihre Wahrnehmungen mit — sogar der Verb andScassi rer des Brauercigebilfen-Vereins bezieht Bier von einer zum Ringe gehörenden Brauerei! Es ist zu niederschmetternd. Während im Saale alle« „Pfui" ruft, lachen die aus der Galerie befindlichen Unbetheiligten aus vollem Halse. Der Boykott ist der Lächerlichkeit verfallen; sein Ende wird besiegelt sein durch die Parteibudiker. * Berlin, 30. Mai. Die Berliner Blätter erhalten nach stehende Erklärung: Der „Vorwärts" ist sehr bald bereit, gehässige Mittheilungen zu bringen, ebne sich die Mühe zu nehmen, solche aus ihre Wahrheit zu prüfen. In der Nr. l l5 jene« Blattes erschien ein Artikel „Der Bierring und die Bötlchermeister", worin cS heißt, daß „die Böttchereien, welche sür den Rinjf Fastagen liefern, sich ebenfalls den Beschlüssen ihrer Auftraggeber sügen mußten. Man hat, um die kleinen Unternehmer sicher zu haben, eine Con- ventionalstrase von 3000 vereinbart für den Fall, daß die Meister Gesellen nach dem neuen Tarif ein- stcllen u. s. w." Hieraus sandten 8 Faßfabrikanten und Böttchermeister Berlins, die sür die hiesigen Brauereien liefern, und zwar die Firmen W Benecke, C Borchert, W Koch, Lehmann ck Beyer, F. Lindner. F. Muth, G. Paabe und O. Schulmeister, eine Erklärung an den „Vorwärts", in welcher ausdrücklich gesagt wurde, daß der oben erwähnte Artikel in allen seinen Theilen auf Unrichtigkeit beruht. Diese Erklärung zu bringen hielt der „Vorwärts" sür un- nöthig! Natürlich kann e« diesem Blatte nicht angenehm sein, eine Erklärung zu dringen, worin ihm di» Unwahrheit so deutlich aus den Kopf zugesagt wird, aber für die Art und Weise de« Kampfe- und sür die Mittel, zu welchen der „Vorwärt»" und mit ihm die Socialvemokratir greift, ist dadurch wieder ein lehrreiches und vielsagende« Beispiel gegeben." * Berlin, 30. Mai. Heute hat bier abermals ein, Gerichtsverhandlung betreff« der Vorgänge nach der ArbeitSlosenversammlung vom 18. Januar statt gesunden. Es handelte sich um einen Anarchisten, Pawlowicz, der jene Vorgänge in einer öffentlichen Versammlung kritisirtc — wa« bekanntlich auch die Zeitungen getbau batten, die in der Verhandlung unter Vorjiy de« LandgerichtS- LirectorS Brausrwetter zu meisten« schweren Strafen ver- urtheilt wurden. Pawlowicz erhielt gestern l4 Tage Ge- sängniß Die heutige Verhandlung unterschied sich sehr zu ihrem Vortheil von der ersten durch die ruhige Leitung und die objektive Verhandlung derjenigen Zeugen, welche die Vorgänge vom 18. Januar ander« al« die Polizeibeamlen schilderten. Der Präsident, Herr Röseler, warf selbst die Frage aus, ob e« nicht provocirend wirken müsse, wenn Be amte in schlechten Civilkleidern plötzlich mit Gummischläuchen breinschlagen. (Nat^Ztg.) — Der Kaiser wird Thorn anläßlich der FestungS- übunaen in Len letzten Tagen de« Septembers besuchen. Die Festung-Übungen, welche auf die Kaisermanöver folgen, werden nur von den Fußartillerieregimenleru Nr. 11 und Nr. 15 auSgcsührt. — Ter BundeSrath wird am Freitag Nachmittag um 2 Ubr eine Plenarsitzung abbaltrn. Auf der Tagesordnung stehen mündliche AuSfchußberichte über die Vorlage, betreffend die zollfrei« Ablassung von Stahlröbren und roben »npolirten Röhren au« Kurier bei der Verwendung zum Schiffsbau rc.. und eine lange Reihe von Eingaben. — Der IustizauSschuß des BundeSra theS hat, wie die „N. A. Z." dort, die erste Lesung der Novelle, betr. die Abänderung der Strafproceßordnung, beendet. In der nächsten Woche soll die zweite beginnen. — Kanzler Leist ist gestern vom Reichskanzler empfangen worden. Nach Mittheilungen aus der Kameruner Schutztruppe wird Leist am meisten durch den Auditeur der Schutztruppe belastet, welcher das Zeugniß de« Polizei- meister« dafür anruft, baß Leist wiederholt ob»« Ursache den Schlüssel zum Gefängnisse der Dahomey-Weiber verlangte und bekam. — Minister Thielen ist au« der Rheinprovtnz wieder in Berlin eingetrossen. — Ter LultuSminisler vr. Boss« ist nach Marienburg abgereist. — Der bisherige LegationSsecretair bei der preußischen Gesandt schaft am päpstlichen Stuhle, Ur. Mumm von Schwarzen stein, ist hier eingetrossen. — Wie da« „B. T." meldet, ist Freiherr von Tbüngen zu der nicht wieder verschobenen, am 31. Mai stattfindenden Verhandlung wegen Beleidigung des Reichs kanzlers Grafen Caprwi hier erngetroffen. — Am letzten Sonnabend hat sich eine Deputation der hessischen Mitglieder de« Abgeordnetenhaus«« zu vr. Miauel mit einer Petition begeben, durch welche sämmt- lichc in Hessen wohnenden 12 hessischen Mitglieder de« Hauses den Minister ersuchen, einen Ausgleich mit den Allovial- erben deSKursürsten von Hessen beim StaatSmioislerium zu besürworten. — Wenn wir noch einmal auf den „Caligula" der Herrn Quidde zurücktommen, so geschieht eS, um eia schwei zerische- Blatt zu kören, die „NeueLürcherZeitung", die sich über den Artikel der „Kreuzztg ", von dem der ganze Lärm auSging, nachstehende Meinung gebildet hat: ,,.... Gereizte Agrarier, gekränkte MilitairS, mißvergnügt« Geistliche scharen sich um daS rücksichtsloseste OppositioaSdlatt, wie e» letzt die „Kreuzzeitung" ist und wie sie eS schon öfter« war. AlS die „itreuzzeitung" die Quidde sche Schrift io di« politisch« Arena zerrte, hat sie wodl ihre »ergrimmten Leser etwa« ergötzen, den »aiser persönlich stark ärgern und zugleich vor seinen Augen die Liberalen tüchtig discreditire» wollen, alt deren einen sie Herrn Quidde sälschlich darstellte. So unschuldigen Vemüthe« ist da« höchst geschickt redigirte Blatt nicht, daß man seiner Versicherung harmlos glauben sollte, nur die tiefe Entrüstung eines gekränkten monarchischen Herzen- habe ihm die Feder argen Quidde geführt. Der äußerliche Effect de» Eingreifens der „Kreuzzeuung" ist der, daß die ganze Welt jetzt über da« Pamphlet spricht und die ganze Press« sich mit der Sache beschäftigt, daß Tausend« und aber Tausende in Deutsch land mit der Nase daraus gestoßen werdeu, dt« vorher nicht« davon wußten." — Mit Bezug auf den Besuch de« Erzbischof« vr. Kohr, am kaiserlichen Hofe sei mitgetheilt, daß zur Erzdiöcese OlmUtz in Preußen nur zwei kleine Bezirke in den Kreisen Ratibor und Leobschütz gehören; in Kätscher sitzt der Delegat des Olmützer ErzbiSthumS. Der Krei« Glatz gehört zum ErzbiSthum Prag. — Die gemeinschaftliche Schlußsitzung der beiden Häuser des Landtage- wird, nach der „M- Z-", morgen Nachmittag 5 Uhr staltfinden. — Ueber die unter Mitwirkung der StaatSbaubeamtrn entwickelte Bauthätigkeit in Preußen während de« Jahres 1893 entnedmen wir dem „Eentralbl. der Bauverw." folgende Angaben: Nack deu Iabresberichieu der Regierungen haben im ganzen 599 HochbauauSsübrungea statt- gesunden gegen 608 im Jahre 1892. Bei Ermittelung dieser Zablen sind alle Neubauten, sowie Erweiterung«-, Wieder herstellung«- und Umbauten berücksichtigt, sofern die AnschtagS- summe für da- Hauptgebäude die Höbe von lO 000 erreicht. Neu begonnen wurden 337 (im Vorjahre 345), fortgesetzt 282 früher angesangene Bauten: vollendet wurden von ven begonnenen 127, von den fortgesetzten 220. Unter der Gesammtzahl der 599 Bauten befanden sich 47 Kirchen und Kirchlhürme, 38 Pfarrhäuser, 183 Sckulbäuser, 49 Gerichts- und Gefänguißgebäude, 85 Wobnungen sür Förster und Oberförster, l tO Gebäude auf Domainen u. s. w. — Die socialdemokratische ArbeiterbildungS- schule beschloß gestern Abend in einer außerordentlichen Generalversammlung, daS Honorar der Lehrer sür den Unter- richtSabend von 4 auf 5 -sk zu erhöben. Die bi-ber io jedem Sommer aus Rechnung der Schule veranstalteten Vergnügungen will man, der „Post" zufolge, fallen lasse», um ähnlichen Veranstaltungen der Parteiorganisationen keinen Abbruch zu tbun. Ein Antrag, Sonntag« die Echul- räume den Lebrern, die Privatcirkel abhalten, zur Versügung zu stellen, wurde abgelehnt. * Esten. 29. Mai. Der ReichStagSabgcordnete Ahlwardt, der kürzlich bier einen Vortrag Hielt, mußte sich, wie der „Köln. Volksztg." berichtet wird, bei diesem Anlaß zu einem, sein ganze- Gebabren so recht kennzeichnenden Widerruf bequemen. Als Ablwardt am 29. October t89l bier „auf trat", überraschte er seine Zubörer mit der Enthüllung, daß eine Dame aus Esten beweisen könne, daß die Juden an dem Nobiling'schen Attentate gegen Kaiser Wilhelm l. betbeiligt gewesen seien. Ahlwardt wurde jetzt wegen dieser Behauptung interpellirt und »abm zunächst zu der Erklärung seine Zuflucht, daß die damalige Aeußerung aus einem „Miß- verständniß" der ZeitungSberickierstatter Kerube. In die Enge getrieben, mußte er aber schließlich zugeben, daß er sich „un geschickt auSgedrückt" habe. In richtige« Deutsch übersetzt, besagt diese Ahlwardt'scke Redewendung wobl nicht« Andere«, als daß seine Behauptung blanke Erfindung gewesen sei. * Barme», 30. Mai. Der Deutschconservalive Parteitag sür Rheinland-Westfalen war nur von 500 Personen besucht. Gescher, Klasing und Manteuffel hatten ihre Bortrage abgesagt. Es sprachen Stöcker (über Kirche und Partei) und Freiherr v. Leven «über die rheinische Landwirtbschast in Bezug aus andere BerusSstände). (M. Z.) * Tüstelvorf, 31. Mai. (Telegramm.) Der rheinische Provinzial-Landtag bat befchlossen, das Kaiser- Wilhelm-Denkmal nach den Entwürfen LeS Bildhauers Hundrieser und des Architecten Bruno Schmitz aus- suhren zu lasten. Die auf 1 032 000 berechneten Ge- sammtkosten wurden bewilligt. * Aua Schlesien, 30. Mai. Nachrichten auS Waldenburg zufolge werden demnächst aus den Weissteiner Kohlengruben i» Folge mangelnden Absatzes zahlreiche Entlassungen von Arbeitern vorgenomnien werben müssen. * Aus Bayern. 29. Mai. Oberbayeriscbc und tiroler Socialbemokraten habeu dieser Tage in Rosenheim eine Zusammenkunft gehalten. Ueber die Ver handlungen bei derselben berichtet die socialdemokratische „Münchener Post": Tirol war vertreten durch die Orte Innsbruck, Wörgl und Kus- stein, da» bahkrii'che Gebirge und die Voraipen durch Starnberg. Tölz, Schostlach, Schlirrsee, Bruckuiuhl, Aibling. Kolbermoor, Roseahttm, Brannenourg, Oberaudorf, Traunstein. Reichendall. Auch Salzburg war vertreten. Bon der bayerischen LandlagSfractioa waren Löwen- stein, Schern, und B-llmar anwesend. Zum Schluss« saßt Voltmar dar Ergebniß der Verhandlungen zuiammen und ermuntert zum liebevollen Studium (lj der bäuerlichen Verhältnisse, sowohl nach der materiellen Seite al« auch in Bezug aus die Lbaraktereigeu- thümlichleitca und die Gedankenwelt der Bevölkerung. Die» Studium lei die nothwendige Borausieyuug jeder Landagitation, bei der mit Ruhe, Stetigkeit und Geduld vorg,gangen werden müsse; dasür sei dann aber auch der Lriolg desto sicherer. Rrdaer beglückwünscht di« Bersammlung zu dem über alle Erwartung gelungenen Verlaus der Loasrrenz, der im nächsten Jahre sicher ein förmlich organisirter Gailvarteitag sür das bayerische Hochland folgen werde. Ob zu der Beglückwünschung betreffs de« Verlauf« der Conferenz wirklich Grund vorhanden war, kann man nach dem Bericht nickt beurtheilen. Immerhin ist eS beacdten«- »erth, welchen Abbruch die Socialdemokratie in einem so klerikalen LandeStheil w»e Obcrbahern dem Centrum zu thun vermochte. DaS genannte socialdemokratische Blatt giebt darüber folgende Zablen: Während der Bntheil der EentrumSpartei an den in Lberbahern abgegebenen ReichStagSwahIstimmen noch 1878 74,4 Proc. betrug, ist er jetzl ans 65.9 Proc. heruntergesunken. Dasür ist umgekehrt der Aniheil der Socialdemokratie von Wahl zu Wahl mit schnellen Schritten gestiegen. Wir zählten 1878 5759 Stimmen gleich 4.6 Proc.; 1893 hatten wir 39 433 Stimmen gleich 20,7 Proc. Am auffälligsten ist der Rückgang f LentramS und der Auffch»,»- der Socialdemokratie in dem la-^reln ländlichen Wahlkreis« Rosenheim - MieSbach - Tölz vor ^ gegangen. D.e Ziffern de« StimmenantdeilS sind dorr: für st e Eenirum 1881: 87,1, 1881: 85.4. 1887 : 79.0, 1890 : 71,0, tt stä- 67P Proc: für die S»c,u>. demokralw 1881: 0,2. 1884: L.ijd-88?: 4.5. 1890:9.6. loltt 18F Proc. 49L * AuS Glsaki-Lpthriugen. Mai. Die französischen Zeitungen, die sonst sür elsaß-l>,.uttngische Vorkommnisse eine desoavere Rubrik hatten und über sie breitspurig zu be- richten pflegen, schweigen da« an Pfingsten in Eolmar abze- batlene große Sängerfrst lobt oder beschränken sich aus ein paar nichtssagende Zeilen. Die französischen Leser solle!, eben svstematisch in dem Glauben belasten werden, baß die Elsaß-Lothringer auch beute noch nicht« Andere« thun, als seuszenb und jammernd auf die „Befreier" warte» Selbst der im Allgemeinen ziemlich nüchtern urtbeilente „Temps" wagt seinen Lesern nicht die Wahrheit über da» Colmarer Fest zu sogen, das er frischweg al» eine „kste cles oluintour» allemaocks" bezeichnet. Dabei hatte der „Temps" einen eigenen Berichterstatter her- gesandt, der die Festlichkeiten von Ansang bis Ente miimachic und dabei durch Umsrage und den eigenen Augenschein fest- stellen konnte, Laß mindestens 80 Proc. der Sänger geborene Elsaß-Lothringer waren, ferner, daß die einheimische Be völkerung von Colmar durck Schmückung der Häuser mit Kränzen und Fahne» sich allgemein an der Sache detheilizle. Nickt uninteressant ist es. dag dieser Berichterstatter darüber erstaunt war, hier alle Well Deutsch sprechen zu hören. Er war, wie die Mehrzahl seiner Landsleute, der Ansicht, im Elsaß sei die Umgangssprache, abgesehen von den Ein- gewanderten, französisch. Von seinen nach dieser Seite bin gemachten Wahrnehmungen erzählt er seinem Blatte aber kein Sterbenswörtchen. Lesterreich-Ungar«. * Wien, 30. Mai. In der heutigen Sitzung des Club» der Vereinigten Linken wurde in Anwesenheit der Minister vr. von Plener und Gras Wurmdrand die Beantwortung der Interpellation Wradetz und NoSkc io der Angelegenheit desPsarrerSTeckert durch renMimster' Präsidenten beratben. Der Fmanzminister Vr. von Plener gab eine ausführliche Darstellung der inneren Lage. Ter Club beschloß einstimmig, die Aufklärungen beS Ministers zur Kennliuß zu nehmen und versicherte, die Vertreter dei Club« »n Cablnet nach wie vor auf das Eifrigste unterstützen zu wollen. — Prinz August Leopold von Coburg ist mit seiner Gemahlin, der Erzherzogin Carolina Immaculata, beute Nachmittag nach Sckladming al gereist. Am Babnhose waren der Herzog Alfred von Sachsen-Coburg und die Kamilienangedörigen erschienen. * Gien, 31. Mai. (Telegramm.) Die gestern im Um lauf gewesenen Gerüchte über die Demission beSCabinetS Weterle erweisen sich bi« jetzt als nicht begründet; all seitig jedoch wird constatirt, daß wichtige Differenzen belieben. Die Krise dürfte sich noch längere Zeit dmzieden. Wahr scheinlich ist, daß sämmtlicke ungarische Minister bebufS aber maliger Beratbung der Modifikation der dem Kaiser unter breiteten Vorschläge nach Vien berufen werden. Frankreich. * Paris, 30. Mai. Freimaurer batten an der Statue derIeanne d'Arc einen Kranz niedergelegt mit der In schrift: „Der Ieanne d'Arc, welche vom Königtbum verlassen und von der Kirche verbannt worden ist". Der Kranz würbe von katholischen Jünglingen entfernt, woraus ein Tumult entstand, bei welchem mehrere Berbastung:» vorgenomnien wurden. — Die Colonialgruppe der Deputirtcnkaminer beschloß, die Regierung in Betreff LeS von dem Cougostaat mit England geschlossenen Abkommen-, sowie in Beiress der englisch-italienischen Convention über die Ab grenzung der Einflußsphäre in den Regionen de« Golfe« von Aden zu interpelliren und beauftragte ihr Bureau, sub mit dem Minister des Auswärtigen, Hanotraux, sofort in» Einvernehmen zu setzen. Die äußerste Linke beaustragle die Depulirten Goblet und Pelletan, das Cabinel über seine Zu sammensetzung und seine Politik zu interpelliren. * Pari«, 31. Mai. (Telegramm.) Die Ernennung«, decrete der neuen Minister sind vom Präsidenten Earnot unterzeichnet worden und sollen beute im officiellen Journal bekannt gegeben werden. Ministerpräsident Dupuy bat gestern die ministerielle Erklärung, mit welcher er sich heule der Kammer vorstellen will, abgesaßt und wird sie zu nächst seinen College» im Ministerrath noch unterbreiten. — Die von verschiedenen Blättern gebrachte Meldung, Earnot habe den früheren Minister Bourgeois nur unter ge wissen Bedingungen mit der CabinetSbildung betrauen wollen, wird von diesem dementirt. — Für den durch die Ernennung Dupuy'S zum Ministerpräsidenten erledigten Posten eines Kammerpräsidenten candidircn Casimir Per,er und Brisson. Die Wahl wird wahrscheinlich erst Sonn abend erfolgen.— Ueber das angebliche Interview Turpin'S durch einen Retacteur der „Patrie" herrscht in der gesammteu Presse ungeheure Aufregung. Die chauvinistischen Blätter Moment, sic weiß ganz bestimmt, wer diese- Lied an jenem Nbend gesungen hat. Ein Moment, er schiebt die Noten zur Seite und legt cm ander Blatt auf. Ein wunderbarer Zusall will, daß auch diese- eine Hcidcnrose ist, doch purpurbluhend und in anderer Fassung. Hilbert von Donach besitzt einen sehr schönen, ausgiebigen Baryten, welchen er, ob er auch die längste Zeit seines Leben», wie er sagt, nur Naturschläger war, doch mit Geschick zu handhaben gelernt bat. Selten, vielleicht nie, hat er so voll endet gesungen. Möglich, daß seine Stimmung und die Disposition seiner Stimme, die Worte und ihre Melodie «ine eigcnthümlichc Harmonie zusammen bilden. Athemlos horcht Hilde diesem Sange. Unwillkürlich fällt r« ihr ein, daß die Musik die Sprache der Seele ist und ein jeder Ton, wa» auch die technische Kunst dabei thun mag, die Heimath verrätb, von wo er kommt Und wenn der Wald seinen Zauber übt in dem geheimniß- vollen elementaren Weben der Natur — auch diese Töne üben einen Zauber. Gleich lichten Fäden spinnen sie über Da«, wa» zwischen ihr liegt und ihm, über Alle, die da drängen ringsum — Und doch, Hilde Moran muß in der Tbat ein eizenthümlicke« Mädchen sein. Während jetzt cm jeder zu Donach eilt mit Lob und Dank, sein Blick vielleicht, ohne daß er e« weiß, den ihren sucht, wendet sie sich ab, als wäre sie aus einem verbrechen ertappt. Da« berührt ihn denn doch wirklich unangenehm Um so leichter wird e« Fräulein Tilli, ihn von Neuem in Beschlag zu nehmen. Tie junge Dame hat ihn werkwürdig gut be gleitet. Er widersteht dem Sange de« Rattenfänger« nicht; der führt zu den Trompeterlieder», diesmal denen von Riedel, di« sich zu ihren Neßler'scken Brüdern verhalten wie ein Bild in Oel zu einem Rupiner Bilderbogen. E« ist ein etwa starier Vergleich; Tilli bat ihn auch keine-weg« selbst gemacht, sondern von Jemand gehört, der sür ungemein musikalisch gilt! Donach ist empfänglich sür Humor und SarkaSmu«, und ohne «in Wort, eine Miene, die man beanstanden könnte, zwingt ihn di« tadellose junge Dame an ihre Seite sür da« Voovrr. Ta« Souper und der Tanz sind zu Ende. Da Hauptmann von Helltors seine Dame, m«t welcher er sich, trotzdem sie nicht ganz sein Genre ist, reckt gut unterhalten hat, im Stich kaffen mußte, blieb Hilde nickt« Andere« übrig, als sich die Ritterdienste de« Baron« gefallen zu lassen Es war eine prächtige Winlernacht; der Himmel klar »it tiefem Blau und großen, glitzernden Sternen. Ein leichte- Gewölk nur grenzt unten den Horizont rin, schneidend scharf aber weht die Lust über da« Feld. Hilde ist viel zu lebendig, um nickt diese Art von Papaaeno- Schtoß, mit de», sie sich selbst die Lippen gefesselt, al« quälend zu empfinden; Donach zu böslich, als daß ihm den Stummen neben einer Dame zu spielen nicht peinlich geworden wäre. Er macht einen Versuch, zu unterhalten: „Sie frieren doch nicht?" „Danke, nein " „ES war ein hübsches Fest." „Ja." „Sie haben sich gut amüsirt." „Doch ja." „Cie sind mit Rettberg'S verwandt?" „Nein." „Aber Sie bleiben länger hier?" Ja." Sem erstes Wort batte nämlich Hilde doch wieder scheu gemacht- er mißversteht ihr Empfinden. und nachdem noch einige Male die „Ja" und „Nein" der einzig« Erfolg seiner Anstrengungen geblieben sind, wird er ärgerlich: „Sie glauben doch, mein gnädige« Fräulein, daß nur der Zufall mich heute zum Lenker diese- Schlitten- gemacht bat?" „Gewiß", Hilda kann daran nickt zweifeln, und nun schämt sie sich, daß sie ihm mit dem Verbackt einer beabsichtigten Ueberrumpelung dock unrecht gethan. Sie möchte gut machen, dem Manne rin freundlich Wort sagen, dessen Sang so rin sack und natürlich, so warm und sympathisch klingt, wie er selbst ihr erschien, che — „Herr von Donach", beginnt sie endlich, „ich möchte Sie bitten . ." Indem säbrt ein Windstoß über die Ebene und verschlingt jede« weitere Wort. Von dem Nord gepeitscht, treiben graue, dichte Wolken über den Himmel und seine Sterne hin. wirbelnd fallen die großen Flocken hernieder, dir Fackeln drohen zu verlöschen. Zitternd hüllt sich Hilde in ihren Mantel ein. Mit einer bastigen Bewegung wirst Donach den Pelz von den Schultern, während seine rechte Hand die Zügel fester saßt, schlägt ihn seine linke nm ke» Mädchen« Gestalt. Unsinn — das gilt ihrem Protest — ich dm wetterfestI In der übelsten Laune saß Den*von Windig am andern Morgen lci dem Kasse«. Er Halle sich wölbend geärgert gestern Abend. Glücklicherweise war er von früh gewöhnt, seinen äußern und inner» Menschen au-«iaauder zu halt», so daß ihn Jedermann sehr beiter gesunden batte. Ebenso besaß er Nerven von Stahl, wa« nock elastischer und ballbarer als Eisen sein soll. Er hatte darum auch ungestört geschlafen, wa« immer angenehm ist, freilich aber nicht hindern konnte, daß sich jener Aerger, kaum baß er die Augen ausgeschlagen, auch wieder einstellte in einer Weise, daß ihn selbst der neuste englische Roman nickt zu bannen vermochte. Der Assessor pflegte nämlick sich den Kaffee mit Lectüre zu würzen- Er liebte die englischen Romane, die Sensation und die kamilzr uovel». Einmal ließ er sich ganz gern ein bischen durchrütteln, ohne daß eö dabei einer geistige» Anstrengung bedurfte, was bier ganz unnütz, eine reine Hirnverschwenkung gewesen wäre. Zum Andern unterbielt ihn der kleine Tratsch, ohne welchen eine tamily novel selten verläuft. Bent von Windig stammte au« kleinen Verhältnissen, und da« hatte ib» verdorben. Nur groß angelegte Naturen ver mögen den schädigenden Druck vonKlemlickkeit und Beschränkung zu überwinden und werten noch größer hierdurch. Andere dagegen, unfähig sür Widerstand, immer von Neuem auf da« Intsreffe de» Nolhwendigsten, de- eigenen Ich« beschränkt, müssen stet- kleiner und engherziger werden. Bent von Windig kannte nur kleine Interessen bi« aus da« eine, welche- sür ihn allerdings ein große« war, nämlich sich selbst gellend zu machen, Stellung und Ankeben zu er reichen, und sollte e« „über Leichen" gehen. Darum batte er zum Ersten tüchtig gelernt — war anerkannt ein seiner und famoser ArbeitSkops! — Dann aber schaute er um nach der nölhigen Connezion, die sür da- Fortkommen ebenso wirksam sein soll wie eine frische Brise für ein Schiff, selbst wenn alle Segel in Ordnung sind und alle Mann an Bord. Er wohnte in dem feinsten Viertel der Stadt, trug die feinsten Kleider, aß in dem feinsten Gasthof und verkehrt« nur in der exclusiver» Gesellschaft. Alles das kostete heidenmäßig viel Geld; aber eS empfahlt So ging es denn nicht ander«, al« daß seine Schwester, die Niemand kannte, von der er auch niemals sprach, die Kosten dieses strebsamen Bruder- bestritt. Freilich arbeitete sie darum fast Tag und Nacht sür «me Blumensabrik. Aber, lieber Himmel, sie war sünfunddreißig Jahre alt, eine alte Jungfer, b»e am Ende froh sein konnte, wenn sie sich so noch für die Familie nützlich machen durfte. Natürlich hatte sich Bent gewöhnt, sich seinen jedesmaligen Vorgesetzten lieben-würdig, nützlich, ja, unentbehrlich zu macken, nicht weniger den Einfluß de« schwachen auf da starke Geschleckt zu unterschätzen Er hatte, so lange er au-ging, niemals eine andere Dame für Tisch und Cotillon eogagirt als Präsidenten- oder zum «mdestr» Xegirrungs- ratbStöchtrr, außerdem seine Tanzkarte immer blank gebalten, um für den eventuellen Fall eines Mangels bier bei der Hand zu sein. Er machte eben der Tochter seines Präsidenten sogar ernstlick den Hof, weil daS diesmal am Platz zu sem schien. Der Präsident stand, was manchem großen und ge scheiten Manne schon widerfahren sein soll, unter Damen- regiment. Frau Ina hegte den natürlichen Wunsch, endlick ihre Aelteste unter der Haube zu sehen, Fräulein Tilli selbst war des Wartens müde. Die Damen waren ibm so sreuntlich entgegenzekommen, als eS nur der gute Ton zuließ. unter vier Augen zuweilen so sehr, daß eS sich zusammeiizunehmen galt, um nickt au« gutem Einvernebmen mit ibnen zu kommen. — Solange er seiner Frau noch keine Stellung zu bieten vermöchte, kielt er eS für ehrlos, um ei» Mädchen zu werben, pflegte Windig gern bei dergleichen tete-ä-tete zu erklären. Zu diesem männlich edlen Worte hatte er dann immer eine passende Miene, mal scheu oder verlegen, mal stolz oder traurig aufzusetzen verstanden. Ob Fräulein Tilli daS Alle« glaubte? Jedenfalls batte sie sich inimer bemübt, den Assessor zu trösten, daß er ganz gewiß die LandratdSstelle in Bockenrode bekommen würde, sobald nur der Alte, dessen Abgang täglich zu erwarten staut, sich endlich dafür entschließen wollte. Papa war ja so von seinen Leistungen überzeug», und ibm so gut! Jenen Posten hatte der Assessor vorläufig in« Auge gefaßt. Bot er dock dem jungen, mittellosen Manne sosort eine annebmbare Besoldung und eine einflußreiche Stellung, eine Stellung, in der sich etwas machen ließ, von der man. je nachdem, in die jetzig« Laufbahn zurück, oder aber auch gle-ck, wie mit einem Sprung, um vieles weiter, auSschreiten kvnnle. Da trat ibm plötzlich, ganz unerwartet, Hilbert von Donach in den Weg. Auch dieser war ei» guter Kops, älter als er, mit großen Gütern in dem Kreise Bockenrode angesessen, und wa« noch gefährlicher in die Wagschale fiel, eine gute Partie! Unk wenn Fräulein Tilli al- eine ebenso gute Rechenmeisterin die gleiche Taktik wie er sür ibr Lebensglück zu üben geneigt war, dann Kälte er ihr da» kaum übel nebmen dürfen. Doch er war «in Mann, und Männer könne» einmal die ihnen zukommend« Klugheit und Logik, namentlich wenn diese zu ihrem Nachtheil angewandt wrrd, in Frauenköpsen nicht vertragen. Kam noch dazu, daß, wenn der Baroa da« LandralhSamt «rbielt, er. Bent von Windig, noch langedm ein unbesoldeter Assessor bleiben konnte, froh, wenn sich auch hier und da ei» Comiliissorium sür ihn fand. Und da sollte ««, sich nicht ärgern Zum Teufel, airderträchtig war«! (Fottsetziu,, sol^I
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