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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.06.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940619028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894061902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894061902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
- Tag1894-06-19
- Monat1894-06
- Jahr1894
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Bezug «ms die auswärtige rnsstsche Politik ziemlich gut« Fühlung haltende „Nowoje Wrcmja": E« ist die» eine siie un» höchst angenehme ne«, Erscheinung. « dem Maße, al» der Wettstreit der wesleuroviische» Mächte in srila sich verschärft, verschiebt sich der Schwerpunkt der Orient- fragen au» den un» benachbarten Gebieten de» Ottoiiianischen Reiche» In dessen westliche afrikanischen Besitzungen, und weiter in da» übrig« «srita. Roch zehn bi« zwanzig Jahre, — und die „Schwarze Frage" wird in der internationalen Politik eia» ebenso dominirende Stellung »innehmen, al» die orientalisch« Frage während zweier Jahrhunderte sie behauptet hat. Die letzte hat mit ihre», ganzen Schwer- gewichte auf Rußland gelastet, ist grostgewachsen zugleich mit der russische» Politik, hat sie vollständig durchdrungen, hat von jeher ihren wunden Punct gebildet, und bildet ihn noch iminer. Tie asrikanischen Angelegenheiten sind un« aber völlig gleichgiltig, — wir können an ihnen theilnehmen, wenn und wie e« u»S »ach Lage der Umstände paßt, je nachdem wir einen Lunde«ge»vsse» unterstützen oder einen Gegner schädigen wollen. Für Westeuropa dagegen liegen di«Dinge ganz ander«: für Westeuropa ist Asrika die Goldgrube der Zukunft. — Wädreud de» letzte» Jahrzehnt» dal Asrika schon mehrmals Auloh gegeben zu manchen recht ernstlichen Conslicten zwilchen den westeuropäischen Mächten, und gegenwärtig ist e» bereit» zu Besitzergreifungen durch Trupvendetachcment» gekommen, gegen die der Nachbar seinerseits ebensall« Militairposte» vorrückeu lägt; zuvörderst handelt e» sich bei diese» Plänkeleien nur um klein« Detachement«, «her leicht könnten ganze Regimenter an deren Stelle treten. Man wird dann Material haben zur Abschätzung der wahre« Machtverhältniss« de» europälschtn Eoncerte». — Mag Europa sich mir Asrika beschäftigen; für Europa ist e» recht nützlich nnb nn» schadet r« nicht». Deutsches Reich. A verlt«, 18. Juni. Die deutschen Erhebungen über dir Beschäftigungszeit im Bäckereigcwerbe gelte» in Kreisen von Sachverständigen als das Beste, wa« in dieser Beziehung bisher geleistet ist: sie iibertrefftn die vielgerübmte» amerikanischen ardeitSstatistlschen Materialien nicht allein da durch, daß die letzteren beim Bäckereigcwerbe im Ganzen in sechs Betrieben Erbebunge» angcstcllt haben, während die deutschen sich aus über 6000 Bäckereien erstrecken, sondern auch die Bearbeitung de« gewonnenen Material» ist weit erschöpfender und übersichtlicher. Sehr interessant sind u. A. auch die Zahlen über dir LchrliiigSbaltung im Bäckergewerbr. Aus diesen Zahlen ergiebt sich, bah von 1551 befragten gewöhnliche» Bäckereien die Halste ohne Lehrlinge arbeitete; von den übrigen Betrieben hatten 10 Proc. nur Lehrlinge, 25,1 Proc. weniger Lehrlinge als Gesellen, 12,1 Proc. ebensoviel Lehrlinge wie Geselle»; in 22,2 Proc. der Betriebe hat die Zahl der Lehr linge die Zahl der Gesellen überschritten. In den meisten vieler letzigenaniiten Betriebe kommen ans einen Gesellen zwei oder mehrere Lehrlinge. Dieses Berhältniß findet statt in Betrieben von 3—5 Personen, seltener in den größeren Bäckereien, am häufigsten im nordöstlichen Deutschland, am seltensten in Süddeu tschland. In den Orten unter 2000 Einwohnern haben nicht weniger als 33,0 Proc. der Bäckereien nur Lehrlinge und ein kleiner Theii der Betriebe (12,0 Proc.) mehr Lehrlinge als Gesellen. Es be dürfen diese Zahlen wohl einer weiteren Erläuterung nicht, um die Nvthwendigkcil einer endlichen Regelung der Arbeits zeit im Bäckercigeiverbc darzuthun. * Berlin, 18. Juni. Anknüpfend an die kürzlich gemeldete Thatsache, baß der protestantische Pfarrer Müller im Elsaß wegen Beschimpsuiig der katholischen Kirche zu einem Tag Gesängniß verurthcilt wurde, stellen klerikale Blätter mit offenbarer Beflissenheit dieses Ertennlniß dem Unheil des Gericht« gegen den katholischen Pfarrer Dclsor gegenüber, welcher wegen Beschimpsung der pro testantischen Kirche zu drei Monaten Gesängniß verurtheilt worden war. Ein solcher Berglcich ist aber, wie die „Straß burger Post" hervorhebt, gar nicht möglich; denn: „Pfarrer Müller hat einen öffentlichen Beitrag ge balten und sich in diesem durch die Erregung de« Sprechens Hinreißen lassen, einen Ausdruck („Wahn witziges Dogma") zu gebrauchen, den er ursprünglich nicht gebrauchen wollte, wie dies schon durch die Tbaisachc be wiesen wird, daß der in Betracht kommende Ausdruck in seinem Manuscript nicht enthalten war. Psarrer Dclsor hin gegen hat in der von ihm herauSgegcbenen „Revue Catho- liqne" die gemeinsten Verbrechen als eine logische Folge des Protestantismus hingcstellt. Es hantelte sich damals um den schmutzigen Mordproceß Heintze in Berlin. Pfarrer Dclsor be sprach den Fall in seiner Zeitschrift und erklärte bei dieser Ge legenbeit, Berlin sei die Stadt der Gottlosigkeit, der Bestialität, der Berworscnheit zz, s. w. Alle«, was die Polizei ober der Protestantismus gegen diesen Pfuhl der Sunde au-zurichlen versuche, werde nutzlos sein, denn die Zuhälter seien keine schlechten Protestanten, sondern logische Protestanten. Der Staatsanwalt hatte in seiner Anklagerede die Bcinerkiing daran geknüpft, wenn der Angeklagte Zuhälter und Dirne» mit logischen Protestanten aus eine Sttise stelle, so sei das gleichbedeutend als ob er sage: der Protestantismus hat Grundsätze in sich, die zum Zuhälterthiiin und zur Dirne sühren. Wir wolle» auf den lci .igc» Gegenstand nicht weiter eingehen; daS Gesagte wird hinreichen, jeden denkenden Leser cinscheu zu lasse», welcher Unterschied zwischen der Aeußerung de« Pfarrer« Müller imd derjenige» de« Pfarrer« Delfor besteht." — Der Kaiser hat, der „Voss. Ztg." zufolge, durch eine» Rundrrlaß bestimmt, daß bei Veranstaltungen, di« au« Anlaß allerhöchster Reise» io dre Provinzen «nd der damit verbundenen Besichtigungen getroffen werden, di« durch die verfügbaren Mittel gezogenen Grenzen innrznhaltrn sind. Jngbesonder» soll vermiede» werden, zur Deckung der durch derartige Veranstaltungen entstandenen Auggaben mangels anderer etat-mäßiger Fond« den allerhöchsten Di«» position-sond in Anspruch zu nehmen. — Die durch die Presse gehende Nachricht, daß die Rück kehr de« früheren Cultn-minister- Grasen Zedlitz» Trützschler aus eine» hohen Berwaltungsposte« brvorsteh«, wird de» „Bert. N. N " von unterrichteter Seite al« den thatsächlichen Berbiiltniffen direct zuwiderlaufend be- eichnet. Was da« Oberprästdium von Schlesien anbelange, o habe Obcrpräsident v. Seydewitz allerving« seinen Ab- chied eingercicht, e« erscheine jedoch keine-weg- auSgeschlosien. daß der verdienstvolle und noch sebr rüstige Beamte dem königlichen Dienste erbalten bleibe. In Schlesien selbst würde diese Wendung mit großer Grnugthuung begrüßt werden. — Für morgen Mittag ist nach dem „B- T" eine Sitzung deS Justiz-AuSschussc- deS BundeSrath« einberufen, um über die Herausgabe einer Statistik der Concurse zu berathen. — Wie die „B. P N." hören, liegt cS in der Absicht der ReichSrezicrung, den kürzlich festgestellteu Gesetzentwurf wegen Ausdehnung der Unfallversicherung auf da-Hand werk amtlich zu veröffentlichen, um so weiteren Kreiien Ge legenheit zu geben, sich darüber zu äußern, ehe die Vorlage zur definitiven Feststellung an den BundeSrath gebracht wird. — Wie die „ BolkS-Zeitung" meldet, ist man im preußischen Unterrichtsministerium gegenwärtig mit der Aus arbeitung »ine- V o l k - s ch u l l e h r e r » Besoldungs- Gesetzes beschäftigt. Ta- genannte Blatt hört, daß man im Ministerium der Meinung sei, ein solche« L«hrer-Be- solduiigSgesetz werde zweckmäßig von einer LoSlösung der Schnlunlerbaltuiig von der Einzclgemcindc abzusehen haben. Danach werde beabsichtigt, daS Stelleneinkommen resp. daS sogenannte Grundgehalt auch ferner zu Lasten der betreffenden Einzelgemeiiidei, zu belassen, dagegen sämmtliche Gemeinden des Regierungsbezirks nach dem Borgange de« jüngst erlassenen RuhegedaltS-CastcngesctzeS zu AlterSznlagcncassen zu vereinigen. — Jüdische Caricaturen pflegt der kiesige Restau rateur B. an de» Schaufenstern seine« GescbäflSlocaleS auS- zttstellen. Auf eine vom Ceutralvcreiii deutscher Staatsbürger indischen Glaubens ergangene Anzeige war gegen ihn Anklage wegen Uebertretung des tz. 0 deS noch in Geltung befindlichen preußische» PreßgesetzeS erhoben worden, wonach das öffent liche Ausstellen von Placatcn, die einen ankeren al- rein gewerblichen Inhalt haben, mit Straft bedroht ist. Der Angeklagte batte vor dem Schöffengericht behauptet, daß die Ausstellung der Bilder mit seinem Gewerbe zusammenhäiige, da er al« Kunstverlegcr und Schr»sle»bandler Gewerbe steuer bezahle. DaS Schöffengericht batte den Angeklagten sreigesprvchen. Die hiergegen eingelegte Berufung de- A»itS- anwalis ist, der „Nordd Allg. Ztg." zufolge, von der achten Strafkammer verworfen worden. — Die gemischte Deputation zur Borberathung der städtischen Steuerreform lehnte die Umsatzsteuer, sowie den Antrag aus Erhöhung der Belrieb-steuer und die Einführung einer LustbarkeitSsteuer ab. Ebenso fand die Anregung, außerhalb gebrautes, in Berlin eingesührte« Bier zu be steuern und die Schlachlhossteuer zu erböhcn, keinen Anklang. — Den Psarrer der kiesigen St. Golgatha-Gemeinde, Pastor Witte, batte bekanntlich da« königl. Consistoriui» der Provinz Braiiteubnrg am 4. Januar l892 für geistig gestört erklärt, ihn vom Amte suspcndirt und am lk Januar >802 seine Zwa»gS-Eil>eritiru»g verfügt. Dieser Beschluß de« Eo,isistot in,»- ist durch den evangelischen Oberkirchcnrath aufgehoben worden. — Die Generalversammlung de« BerinS für Social politik wird am 28. und 29. Septeniber in München abgehaltcn, und zwar sollen die industriellen Cartele und da« ländliche Vererbung-recht bebandelt werden. — Der Gesandte der schweizerischen Eidgenossenschaft am hiesigen Hose, Oberst Roth, Hai eine» Urlaub ang,treten. Während seiner Adwesenhelt sungirl Legatlonl-Rath vr. Ftniuger al» Ge- jchäjlStraaer. — Das Mllglled de« preußischen Abgeordnetenhauses, Herr Fabrikbesitzer Adolf von» Herbe, hat am Montag, wie schon lelegraphiich gemeldet, seinem Lehen ein gewaltsame« Ende ge macht. Die Plätter berichten hierüber: Ter Abgeordnete Adolf von, Heed«, wohiihast aus seinem Gute Heide bei Halver in West fale», pflegte während seiner Anwesenheit in Berlin i» einem Hotel tm Gildweslen der Stadt LogiS zu nehmen, wo er in der erste» Etage für sich zwei Zimmer scst gemiethet hatte Am Sonntag erhielt der Hotelbesitzer von Herrn v. Heede ein Telegramm, in welchem er sein Eintreffen in Berlin für Montag Bormittag ankllndigte, und e« kam auch der Abgeordnete gestern früh um 8 Uhr hier an. Sofort nach seiner Aiikunst be gab sich Herr vom Heede nach seinem Zimmer, um noch eio wenig zu ruhen und ersucht« den Ha»»diener, ihn um 12 Uhr zu wecke». Mg der Diener dieser Anordnung Fol«« teilt»»,, antwortete ». nicht. Mau öffnet« daher dt« verschllossea« Thür gewaltsam and faul sitzen. Aus dem v. Heed« todt aus de« kophä sitzen. Auf ' ' Flüssig Tisch« stand ei» feit besan» und »eben dem Z! afferglaö, i» de« sich «in« trüb« , Glas« lagen mehrere Brief«. Et» sofort herbAgerufeuer Arzt dea bereit« vor zwei Stunden eiugetretene» Tod durch ver- gistuug fest, wel 47 war, konnte ebenso- »rt da» benutzt, Gift wenig'erniittekl werden, wi« di« Berautossuug zu der traurige» Lhat. Di« Leich« wurde noch a« Nachmittag nach de» Schauhaus« gebracht. — Herr Adolf vom Heed« gehörte dem Abgeordnetenhaus« eit dem Jahre 1879 a» uud war «tu etsrtgeö Mitglied der national- tberalen Partei; er war B«rtreter des Wahlkreise« Alteua-Iserlohn. Geboren 18. April 1845 zn Halver, besuchte er von seinem 7. Lebens- ahre ab da« Realgymnasium in Ltppstadt uud wandte sich später >«r industrielle» Laufbahn zu. Belgle«. * Brüssel, l8. Juni. Der oberst« Polizricommiffar er- klärte gegenüber einem Berichterstatter de« „Journal tz« Bruxelles", daß nach Ansicht der Mitglieder der Untersuchung führenden Behörde die Explosion in der Rue royale nicht aus rin Dynamitattrnlat zurückzusühren sei. Die Sach, verständigen seien der Meinung, daß die Explosion nicht durch Dynamit, sondern durch Forcit verursacht worden sei. Dir Explosion habe in den Geschäftsräumen der „Sunz. life insuranee Company os Eauada" stattgrfunden, welche au da« Patenlbureau anstoßen. Jtalie«. — Wegen Majes»St«beleidigung ist »in von der Uebung zurückkehrender Landwehr mann auf dem Bahnhof Freienwalde verkästet worden Er hatte zu Mitreisende» die beleidigenden Aeußerunaen gethan, weil ihm die Weiterbeförderung zu lang« dauert«. (I) Die Passagiere machten erst Meldung, als der Landwehr mann sich wiederholt weigerte, die Beleidigung zurückzunehme». * Danzta, 18. Juni. Hier wird, pol» ä«n Blättern zufolge am I. Juli ein neue«, große« polnische« Eommissionö- uud Bankgeschäft eröffnet werden. — Auch eia Zeichen der Zelt. * Na«, l8. Juni. Dir Commission der Generale zum Studium von Reformen im Hrereswesen wird an, 2l. d. Mt«, im Kriez-iuinisterium zusainmentreten. Ter „Riforma" zufolge ist di« Commission ermächtigt, ohne an der ständigen Einrichtung von 12 Armeecorp« zu rühren, die Aufhebung, Einschränkung und Umbildung der einzelnen Theile de« Hrere» vorzuschlagen. Spanien. * Alen-bnrg, l8. Juni. Die hiesige „Flensburger ritung", da« deutschgeschriebene Fitialorgan de« dänischen eichstag-- und LandtagSabgeordnetcn Johannsen, stellt am t. Juli sein Erscheinen ein. Die beständigen Prahlereien der dänischen Agitatoren mit ihren nordschlr«wigsche» Fort schritten wird man nach diesem Ergebuiß beurtheileu können. * Wilhelmshaven, 18. Juni. Die gestrige Feier zum 25jährigen Bestehen de« KriegSbafen« und der Stadt Wilhelmshaven verlief glänzend. Die Vereine und Körper schaften hielten einen Festzug durch die Stadt. Die Festrede hielt Bürgermeister Oetken vom Rathhauft au«. Den Schluß der Festlichkeiten bildete ein großer Couimer« io der Burg Hohenzollern. Weimar» 18. Juni. Die socialvemokratischr Parteileitung unsere« Großherzoglhui»- hat beschlossen, zum ersten Male in die Agitation für die Landtags wahlen rinzulreten. * Renftatzt a. tz. Haardt, 18. Juni. Hobt», der frühere Bürgermeister von KaiierSlantern vordem Führer der pfälzischen Demokratie, ist, 79 Jahre all, heute früh gestorben. (B. T) * Au« Elsaß-Lothringen. 18. Juni. Gleich zu Anfang der abgelaufenen Session de- Lande-an-schnfle- brachte die Gruppe der Elsässer den Antrag aus Beseitigung der hier noch geltende» Ausnahmegesetze ein. Der Antrag kam nicht zur Berathung, er wird aber bei der nächsten Gelegen heit wiederholt werten, und zwar wird sich dann, wie au» den Aeußernngen der einheimischen Presse hervorgeht, der Hauptangriff gegen die hier noch geltende französische Preß- gesetzaebung richten. Diese umfaßt einen geradezu unglaub liche» Wust veralteter Bestimmungen. Ei» elsaß-lothringische- Blatt hat zusamniengestellt, daß über die Presse nicht weniger al« 17 812 verschiedene Gesetze und Verordnungeu von Ludwig XVUl., 15 800 von Karl X., 23 295 von LouiS Pbilipp und rund lO 000 aus der Republik und dem zweiten Kaiserreich in Kraft sind, im Ganzen also gegen 72 000. Dazu kommen nocd auS der Zeit von 1789 bis l814 gegen 48 000 weitere Gesetze, Verordnungen, Bestimmungen, Be schlüsse u. s. w., so daß die Gesa»,intzahl auf t lO OOO steigt. Die Juristen Duboy und Jacob habe» berechnet, daß, abge sehen von den zahlreichen vor 1789 erlassenen Gesetze», da für unser Land giltige Preßgesebmaterial sich au- nicht weniger als 4 400 000 einzelnen Bestimmungen ziisanunen- seye, ein Material. daS kein Jurist, auch wen» er die Pießgesetzgebuug zur Lebensaufgabe machte, zu beherrschen vermag. Dazu kommt noch, daß die in verschiedenen Zeitstromiinzea entstandenen Bestimmungen sich vielfach widersprechen. Der Ausspruch eines Juristen, eS könne kein Redakteur drei Zeilen schreiben, ohne gegen eine dieser Bestimmungen zu fehle», ist daher durchaus keine Uebertreibung. Unter diese» Umständen ist e« erklärlich, daß sowohl die einheimischen wie die alldeutschen Blätter, ebenso wie die Juristen, die Ersetzung der alten P>eßgesetzgeb»ng durch daS ReichSpreßgesetz wünschen. Auch bei der Regierung, die in dem bekannte» Dictaturparagraphen eine hinlängliche Handhabe gegen etwaige PreßauSscheitiingen besitzt, baden, wie nach der „Schles. Ztg" zuverlässig verlautet, nruerting« Erörterungen nach dieser Seite hin stattgefunden. * Nlm, 18. Juni. Durch LabinetSordr« de« Kaiser« ist an Stell« de» Generalmajor- Cella der bayerische Generalmajor Schumacher zmn To»»»a»da»t«n von Uliit ernannt worden. Oesterreich, ttrigarn. * Wien, 18. Juni. Der Kaiser begiebt sich morgen in Begleitung der fremdländischen MilitairattachSS nach dem Brücker Lager zur Jnspiciruug der Truppen der zweiten Lagerperiode. * Schruinitz (Ungarn), >8. Juni. 500 Bergarbeiter haben die Arbeit eingestellt, weil die halbjährige Steuer aus ein Mal vom Lohn abgezogen wurde. Da« Verhallen der Ausständigen ist ruhig. * Matzrttz, 18. Juni. Der Senat »ahm mit 127 gegen 72 Stimmen rin Vertrauensvotum für die Ne gierung an. * Matzritz» t8. Juni. Dem Vernehmen nach sollen die russisch » spanischen Handel«vertragSverba»d- lungen eine» glatten Fortgang nehmen und ein definitiver Ergevniß in baldige Aussicht stellen. * Matzrttz, tS. Juni. (Telegramm.) Gutem Ver- nehmen nach lagern 50 Millionen Peseta« Kriegs entschädigung seiten« Marokko« in Mazagan, doch können dieselben nicht vor Eingang der erforderlichen Be willigung de- neue» Sultan- auSgeliefert werden. Schweden und Norwegen. * Atzrifttanta» tk. Juni. Gestern ist in Bergen der Delegirtentag der norwegischen Arbeiterpartei zu- saminengetreten. E« sind 43 Vereinigungen vertreten Bei der Verhandlung über eine Reihe von Parteisrage» sprachen Instrumentenmacher Sjösteen und HöchstengerichtS- advocat Ludwig Meyer gegen ein Wahlbündniß mit der Linken und empfahlen der Arbeiter partei, eigene Candidaten aufiustelleu und dafür zu stimmen. Sodann wurde eine Commission nicdergesctzt, um eine i» dieser Richtung gebende Resolution zu verlassen. Wie ecinnerlich sein dürfte, bat jüngst der Vorstand deS nor wegischen LiukenverciiiS seinerseits von einem Wahlbündniß mit den Socialbemokrateu abgcratheu. (Bvfs. Ztg.) Dänemark. * Kopenhagen, l8. Juni. Tie Eigenthümer der für die Kieler Regatta angemelkete» dänischen Dachten be schlossen gestern Abend, wegen der Ausweisung der däni schen Schauspieler au- HaderSleben in diesem Jahre nicht an den Regatten de- kaiserlichen Dachtclub« theilzunehmen. Orient. * Wie man der „Pol. Corr." a»S Konstantinopel, 18. Juni, berichtet, bildet der zwischen England und dem Congostaate abgeschlossene Vertrag für die Pforte de» Gegenstand andauernder Auftiierksamftit. Die türkische Regierung hat zu Beginn dieses Monat«, sofort nach dem sie von dem Inhalte diese- Vertrag!» Kenutniß er balten hatte, ihren Botschafter in London, Rustci» Pascha, bcaustragt, gegen diejenige» Verünbarungen de- Vertrage«, welche da» zum Besitze de- ollomaiiischen Reiche« gehörende Gebiet von Wadai betreffen, sormelle Vorstellungeu zu erheben. Die in Folge dessen enzlischer- seitS der Pforte rrtheilten Aufklärungen scheinen in Konstantiiiopel nicht befriedigt zu haben. Ei» vor einigen Tage» abgeballener Miuisterrath befaßte sich mit dieser Angelegeuheit und, wie es heißt, dürfte Rustein Pascha zur Erneuerung deS Proteste- der Pforte angewiesen weide». Diese Action der Pforte sei zum Theile unverkennbar aus Nath- schläge von französischer Seite zurückzusühren. Andererseits scheint c«, daß man sich am Bosporus auch durch die Haltung Deutschlands gegenüber dem erwähnten Vertrage crmulhigl fühlte, dir Hoheit-rechte der Türkei aus da-Gebiet von Watai, welche allerdings erst nach einer Wictcrerobcrung de- Sudan- zu praktischer Bedeutung gelangen könnten, bei dieser Gelegenheit geltend zu machen. DeS Weiteren meldet mau der „P. C" dorther, daß nach Mitteilungen von unterrichteter Seite im Hinblick auf die Waren-Angelegenheit von Konstantinopel au« an den Kbedive Abba« Pascha da» Ersuche» gerichtet worden ist, die geplante Europareise aufzuschieben. Ma» glaubt, der Kbedive werde die Reffe erst nach Erledigung dieser Frage unternehmen, so daß sie vielleicht Heuer über haupt nicht mehr stattsinden dürste. * Kafia, 18. Juni. Nachrichten auö Makedonien melden die Wiedererössnuug aller geschloffenen bul garischen Schulen. Tie strenge AuSsühruug der Be- Erstaunen sowohl die glänzende Equipage wie da« junge Mädchen betrachtete, da« »»t ihrem Herrn nach Hause kam Der Baron war wieder ausgestiegcn und hatte die Zügel ergriffen. „Aus Wiedersehen" — riff er grüßend zurück — „aus Wiedersehen — aus baldiges Wiedersehen!" Die Pserde flogen davon. Noch einmal sah er sich grüßend um, und dann war der Wagen an der Biegung der Dorsstraßc verschwunden. .Hier, meine gute Johanna", sagte der Dechant z» der Alten, „bringe ich Dir eine neue HauSgenossin, meine liebe Nichte, richte ihr gleich daS Giebelzimmer oben ein »nd mache ihr Alles recht bekaglich und angenehm, damit sie sich bei un- wohlt fühlt. Die liebe Anna wird Dir auch gern in der Wirtbschast zur Hand gehen und Dir dam, sehr bald einige Erleichterung i» der Arbeit für Hau« und Garten schaffe»." DaS gutmüthige Gesicht der Köchin verzog sich z» einem etwa« gereizten Ausdruck und spitzig, mit scharfer Betonung, sagte sie: „Ich habe noch niemals Erleichterung verlangt, Hochwürden, und bin noch nicht so alt, daß ich meine Arbeit nickt allein thun kann. — Jed werde de», Fräulein gern zeigen, wie da« und da» zu machen ist — in der Stadt wird sie wohl nickt so recht Gelegenheit gehabt haben, sich in der Wirthschast um zusehen." „Unsere Wirtbschast war nur ganz klein", sagte Anna, „ich werde gern lernen und gewiß bei Ihrer Erfahrung gute Ge legenheit dazu finden." Das Gesicht der Alten, welche die dargebotene Hand deS jungen Mädchen» mit einem altfränkischen Knick« ergriff, klärte sich e,n wenig aus; doch schien sie durchaus nicht ganz zufrieden mit dem Erscheinen der neuen HauSbewodnerin zu sein; dennoch führte sie Anna sogleich über den sauberen, mit «and bestreute» Flur »nd eine weiß gescheuerte Treppe in ein kleine- freund liche» Giebelzimmer hinaus, dessen Fenster mit wildem Wein umrankt war. da- eine hübsche Aussicht in den Garten und »ach der Kirche bin bot Es war wenig darin auszuräiimen, daß Bett stand bereit, Vorhänge von gewürfeltem Kattun hingen an den Fenstern Die Alte batte also nicht« mehr zu tdun. als hier und dort die einfachen Möbel abzuwiscken. wo sich etwa eine kleine Lage de« ibr so verhaßten Staube» angesetzt baden mochte Anna packte ihren Koffer au«, bängte ibr.' wenigen Kleider i» einen altfränkischen Schrank mit gelben Messingbelchläqen >»d stellte die kleinen Erinnerung-gegenstände, Nähkästchen und dergleichen, sowie zwei Schattenrisse ihrer Eltern auf die Comniode von gebräuntem Eichenholz auf. Während sie daniit beschäftigt war, schlug auf der nahen Kirche die Betglockc an. Die Alte legte ihr Staubtuch fort, faltete die Hände und sprach leise vor sich hi» da- Abendgebet. Anna fuhr mit dem AuSpacken ihrer Kleinigkeiten fort, welche sie mit wehmütbigei» Blick betrachtete. Die Alte war erstaunt über die Nichtbeachtung de- GlockeuzeichenS; sic schüttelte bedenklich und mißbilligend den Kopf, aber sie mochte nicht malmen, dazu kannte sie da» junge Mädchen ja noch zu wenig und durste sich eine solche Er innerung an da« unterlassene Gebet der Nichte ihre« Herrn gegenüber nicht erlauben. Bald war Alle« eingerichtet. Die Köchin lehnte Anna'« Anerbieten, ihr sogleich hilf reiche Hand zu leisten, »irmlich kurz ab, und Anna machte mit ihrem Oveiiu eine» Gang durch den Garten. Er zeigte ibr seine Gemüsepflaiijmigen und seine Bluiueubeete. Daun führte er sie durch da» Hau-, um sie init ihrer neuro Heimath bekannt zu macken Ta war da- Wohnzimmer de« Dechanten mit einer kleine» Bibliothek, einem breiten Schreibtisch und einem großinäch- tigen Lehnstuhl, daS srem,bliche Wohugemach, rin Eßzimmer und »och eine sogenannte gute Stube, in welcher Besuch ein- psangen wurde, uud Alle« war so rein und sauber, daß man eine Staubflocke vergeblich gesucht haben würde. Da« einfache, aber vortrefflich bereitete Abendessen verlief ziemlich schweigsam. Der Dechant war mvde, und früh zog flch da« junge Mädchen in ihr trauliche« Zimmer zurück. Wenn auch der fast berauschende Leben«- und Jugendiittith, der während der Fahrt in ihr aufgefiammt war, ibr Herz durchglübte, wenn auch da« klare Bewußtsein ihrer Einsamkeit i» der Welt und der tiefe Schmer» um die Mutter wieder in ihr mächtig wurden, so empfand sie doch in der freundlichen Umgebung eine stille, friedliche Ruhr, welch« ihr wohlthat, Sie dankte Gott au« ganzem Herzen, daß er ihr den gütigen Obe,», zugesührt und ihr eine H"l»siätte gegeben, in der sie sich für die Prüfungen de« Leben« sammeln uud vorbe reiten konnte. S>« nahm den kleine» Blumenstrauß voa ihrer Brust und stellte ,bn in rin GlaS Wasser. Dir etwa« ermatteten Blllthen strömten neu erfrischt wieder kräftigen Dust au«. Dieser Dust drang zu Anna'« Lager hi», er ließ die Erinnerung an ihre Fahrt durch die frische freie Natur und an den jungen Manu, der ihr die freundlichen Blumen gegeben, märchenhaften Bildern gleich» in ihre Träume hinliberziebe». Der Baron Hilmar von Bergbolz war mit seinen rasche» Pferden schnell in dem etwa eine halb« Stuud« enlferiile» Anzersui» aiigesvunne». Der Ort war ei» Marktflecken von über tausend Ein wohnern, bcwobnt von einigen großen Hofbesitzer» und kleineren Bauern. Er batte eine hübsche protestantische Kircbe, die Höje waren freundlich und sauber, an einem freien Platz in der Mitte lag eine Apotbeke, dabei der Gastdof „Zur Krone", welcher neben den Wirlb-sluben erste» »»d zweite» Range« auch einige sauber und städtisch riugcrichlete Zimmer zur Auf nahme von Gallen enthielt. Al- der Wagen vor der Thür diese« Gastbofe«, neben welcher sich Futterkrippen für die au-span»e»den Fuhrleute befanden, vorfuhr, eilte der Diener de» Baron», den er vorau«- geschickl, heran und der behäbige Wind folgte, mit seiner Kappe in der Hand, um den vornehmen Gast zu begiüßen und ihn nach den für ihn eingerichteten Zimmern zu führen. Hilmar war mit Allem zufrieden, versicherte dem ganz glück lichen Wirth, daß seine Erwartung übertroffe» kci und kleidete sich schnell um, um sogleich, obgleich der Abend schon zu dunkeln begann, sich bei seinem Vorgesetzten, dem Amtmaun Altbau«, zu meldezr. Er fand leicht den Weg nach dem gegen de» AuSgang de« Orte« hin liegenden Amtöbausk. E« war die« rin großer, massiver Bau mit einem ge» pflasterten, von einem Gitter eingeschlosftnen Vorbof, ring» umgeben von einem parkartigeu Garten; seitwärts befand sich der große WirthschaftSbof. Die alten bannöverschrn Amtmänner und Drosten batten meist eine der großen königlichen Domainen al« AmtSdotirung und waren dadurch mit der Landwirthschaft ihre« Bezirk« praktisch verbunden In dem euren Flügel de« großen AmtShaiift» befanden sich dir Bureau«, in dem anderen Ställe und Wirthschaft«- räum«. Der Haiiptban enthielt die sehr geräumige Dienstwohnung, welche der gegenwärtige Oberamtmana Altbau« nur zu einem kleinen Theile benutzte Doch waren die Räume vollkommen eingerichtet und eine Reihe vo» Fremdenzimmern stand für die stet« freudig unb i» «eitrr Ausdehnung gewährte Gast- freuudfchaft bereit. Der Baron zog die Glocke an der Thür des Flügel», der die Dieusträittiie enthielt. Bald erschien ei» starker Mann in einem grauen HiuSrock mir einer laiigcu Pftife im Munde. Er trug ein schwane« Käppchen ans dem grauen Haar, und sein starkes volle» Ge sicht mit dem grauen Backenbart, der etwa- rötblichc» Nase und den kleine» blinzelnde» Augen zeigte eine sehr aus geprägte, selbstbewußte Würde. Er schien »»gebalte» über die Störung, und rui streng verweisendes Wort an de» nach Schluß der Dienststiiuden Komnietiden mochte auf seine» Lippen schweben; dir elegante unb vorneittne Erscheinung re« jtttige» MantieS, den er vor sich sab, stimmte idn etwas milder; aber iminer »och mürrisch, sagte er ziemlich kur»: „Die Bureauzeit ist voiüber — was wünschen Sie? Der Herr Amtiiiauu sind heute in Geschäften nicht mehr zu sprechen." „Nun, ich hoffe", sagte Hilmar, „der Herr Amtmann wird doch die Güte haben, mich einen Augenblick zu empfangen, ich bin der Auditor von Bergbolz und wollte e« nickt miier- lasftn, mich sogleich nach meiner Ankunft zu melden, um morgen den Dienst antretrn zu können." ES zog wie freuudlicher Sonnenschein über da« finstere Gesicht de« Alten; er nabm sein Käppchen ab »nd verbeugte sich ehrerbietig, aber doch mit einer gewisse» Vertraulichkeit, al« od er den jnugeu Auditor seine« Wohlwollen» ve,sicher» wolle. „Wir erwarten Sie schon, Herr Baron", sagte er. „wir haben vor einigen Tagen da« Rescript über Ihre Ernennung be kommen. und e- liegen schon einige Sacken für Sie bereit. Der Herr Oderamlniani, werden sich gewiß sehr freuen, Sie zu seden. Der Herr Auditor Nötbeke» ist auch da unk der Herr Vr. Mendel — ick werde Sie gleich binüberfübren. Ich bin der Amt-vogt Philipp«", fuhr er fort, mit einer Miene, al« setze er die Kenutniß seine« Namen» »nd seiner Stellung bei de», nenantretenden Beamten al« zweifellos voraus, „und stehe dem Herr» Baron stet« zu jeder Auskunft zur Verfüg«»»." Hilmar reichte dem Allen die Hand, die bi'eser bescheiden, aber mit einer gewissen Beschützermiene ergriff unb kräftig drückt«. Dann gingen beide über den Hof, stiegen die Cleintreppe vor dem Eingang de« HauptbanseS binanf »nd «raten in einen ballenarligen Vorplatz, au« welchem «iue breite Trepp« in da« Hauplstockwerk führte. (Fortsetzung folgt.)
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