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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940921025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894092102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894092102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-21
- Monat1894-09
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S8S4 «ach und «ach, obwohl dir Rechtgläubigen Grund haben, über da« sich mit jedem Jahr verringernde An sehen der „glanzenden Pforte" zu klagen. Da« c-manische Reich ist da- einzig« Land in Europa, in dem die Ausländer mehr Rechte haben als die Inländer. Abgesehen davon, daß die innerhalb diese« Reich« wohnende» Ausländer nicht der türkischen Regierung sondern den- Bertretern ihrer eigenen Staaten unterstellt sind, bestehen in der Türkei auch viele von der türkischen Verwaltung unabhängige An stalten. In Konstantinopel befindet sich eine Anzahl englischer, französischer, deutscher und österreichischer Post-Bureau«, dir ihre eigenen Postmarken und ihre Beamten haben, welche sich um die ottomanische Regierung aar nicht zu kümmern brauchen. Für da« Musietarislik de« Libanon hat der Sultan nicht einmal da« Recht, einen Gouverneur zu ernennen, wenn nicht alle sechs in Kon- ftantinopel residirenden Botschafter der Großmächte ihre Zu stimmung geben; widerspricht auch nur einer von ihnen, so ist die Berufung hinfällig. Die Ausländer haben ihre unab hängigen Gerichte, ihre Gesängnisse und zum Theil auch ihre eigene Polizei. — Trotz der Ungunst der Verhältnisse gelang e« Abdul Hamid, einige Reformen in seinem Reiche einzu. führen. Unter ihm wurde die Finanzwirthschast einigermaßen reorganisirt, wa« namentlich in jüngster Zeit bemerkbar ge worben ist; dir Militairverwaltuug und die Ausbildung der Truppen wurden unter ausländischen, namentlich deutschen Heerführern und Berwaltnngsbeamten gründlich reformirt; ferner verwandte man ansehnliche Mittel, um die BolkSauf- klärung zu heben. Einen neuen, wirklichen Aufschwung wird dessen ungeachtet der MobammedaniSmu» in Europa wohl überhaupt nicht mehr nehmen. Er ist hier im Absterben be griffen, und die Zeit seine» BerscheidenS dürste in nicht allzu Werte» Ferne liegen. Deutsches Reich. ^ Berti», 20. September. Der Reichstag ist bekanntlich i» seiner verflossenen Tagung ziemlick unglimpflich mit den neuen Forderungen für die Marine umgegangen. Die erst« Rate für den Bau keS bereit- vorher einmal ab- gelehnteo Panzerschiffs zum Ersatz sür „Preußen" (I Million Mark) wurde zwar durch Eonservative, Nationalliberale und die Mehrheit de« EentrumS bewilligt, dagegen wurde di« Forderung eines gepanzerten Kreuzers als Admiralsschiff in überseeischen Gewässern zum Ersatz für die „Leipzig" (l, Rate t Million Mark) abgelehnt, ebenso ein Aviso „Falke* (l. Rate I2U0 000 ^). Wie jetzt verlautet, wird im nächsten Etat der Bau eine- großen Kreuzer« wiederum und daneben drei Kreuzer nach dein kleinen Typu« Hesordert werde». Die Forderungen wurden damals mit geringe» Mehrheiten au- finanziellen Gründen abgelehnt, obwohl ihre Berechtigung überwiegend anerkannt wurde. Man wird wobl erwarten dürfen, daß jetzt eine günstigere Stimmung herrscht. Die großen überseeischen Interessen Deutschland« ersordern mit jedem Jahr dringender eine aus- reichende, actionsbereile Flotte. Knausereien aus diesem Gebiete sind um so weniger angebracht, als dir deutsche Marine sich immer in den Greiizen gehalten bat. die durch die Erhaltung .'»er großen Lantarniee geboten sind. N Berlin. 2» September. In der beabsichtigten Novelle zu den UnsaliversickeriingSgesetzen sind auch einige Abschnitte der Neuregelung der Unfallverhütung-Vorschriften gewidmet. Es soll die Bestrafung der Unternehmer für Zu widerhandlungen gegen die von den Derus-genossenschaften crla sscnen Vorschriften anders geordnet und cS soll den land- mirlhschastliche» BerusSgenossenschaslen die Befugniß zu Strasandrohnngen in den Vorschriften gegen die Arbeiter beigelegt werden. Sicherlich wird mit der Durchführung dieser Neuerungen mancher Mißstand, der sich bisher auf dem Gebiete der Unfallverhütung bemerkbar gemacht hat, au» dcr Welt geschafft werden. Jedoch irrt man, wenn man annimint, daß damit den Unfallverhütung-Vorschriften der BerusSgenossenschaslen diejenige Beachtung werde verschafft werden, welche ihnen zukomiiien muß, wenn sie ihrem Zwecke vvlli.z entsprechen solle». Daß dem gegenwärtig nicht so ist, liegt daran, daß nach den» bisherigen Wortlaut der llnlallversichernngSgesetze e» wobl möglich ist, die BetriebS- unlernebmer sür die Aiißerachtlasfuna einer Vorschrift in einer sür sie reckt empfindlichen Weise zu strafen, den Arbeiter aber nicht Der Arbeitgeber kann dadurch, daß fei» Betrieb zu einer höheren Gcfahrenclaffe veranlagt wird, oder auch unniittelbar hohen Geldstrafen unterworfen werden, der Arbeiter nicht. Verböte eS da« Gesetz nicht schon, dem Letzteren höhere Geldstrafen al« bis zu sechs Mark ausznerlege», "so würde auch die Verhängung einer für ihn einpsindlichen Strafe dadurch unwirksam gemacht werden, daß die Beitreibung derselben säst regelmäßig sich als unmöglich Herausstellen würde. Und doch wird «in großer Theil der Unfälle durch Außerachtlaffen der Unfall- verhütungsvorschristen seitens der Arbeiter herbeigesübrt. Unter Leu 25.6 l Procent der Unfälle de- Jahre- 1887, welch« nack der Statistik de- Reich«-VcrsicherunaSamIt« durch d,e Arbeiter herdeigeführt wurden, waren 5,l? Procent aus das Handeln wider bestehende Vorschriften und l,76 Procent durch die Nichtbenutzuag oder Beseitigung vor handener Schutzvorrichtungen, also 6,93 Procent sammt- licher Unfälle, aus die unmittelbare Außerachtlassung der gegebenen Unfallverhütung-Vorschriften zurückzusühren Bei einigermaßen strenger Bestrafung der Arbeiter ließe sich voraussichtlich dieser Procentsatz stark vermindern. Allerdings würde man durch Erhöhung de« im Gesetze vorgesehenen Strafmaße« au« dem schon angegebenen Grunde wenig er- reicheu. Durchgreifende Abhilfe ließe sich nur durch eine differenzielle Entschädigung der Unfälle, je nachdem sie selbst verschuldet sind oder nicht, erzielen. — Der deutsche Gesandte am niederländischen Hof, Geh. Lega- tloa-.Rath Gras zu Rantzau, ist von dem ihm bewilligten Urlaube nach dem Haag zurückgekehrt und hat die Geschäste der Gesaadtschast wieder übernommen. — Der Botschafter von Radowitz ist zu längerem Urlaub« hier au- Madrid eingetroffe». Er wird sich erst End» vctober wieder aus seinen Posten begeben. — Der bisherige Gesandte in Stockholm, Genrraladjutaut und Generallieutenant Gras zu Wedel, ist hier eingetroffen. — Dt« „Krenzztg." erklärt dt» Absicht de» Gouvernenr« Frhrn. v. Scheie, mit Beginn nächsten Jahre» feinen Posten zu verlassen, damit, daß er mit Ablauf diese- Jahre« zwei Jahr« in Afrika zugebracht habe, eine A«I», die nach vielfach«» Erfahrungen meist hinrelche, um bei den zum ersten Mal« dort thäilgen Europäern eine fühlbare Wirkung aus ihre Lonstitntton hervorzubringen. Wie r« heißt, wäre da- auch beim Gouveraeur kyrhrn. y tzch«;, hervor getreten. — Der vezirktamtmann von Tanga v. St. Paul« Jllaire beabsichtigt, wie dasselbe Blatt mittheilt. nächst« Woche die Rückreise nach Oslafrika aneutrrtea. Sr traf im Frühjahr zu Neapel ein, und Niemand glaubt», baß er nach den Tropen werde zurückkehr«, können, da er an Tchwarzwasserfieder litt. Indessen hat «kn« ärzt lich« Untersuchung ergeben, daß er vollkommen gesund geworden ist und ohne Gesahr sich wieder in tropisch« Gegend», begeben kann. — ltr. O. Baumonn ist tn den Dienst einer deutschen Plantaaea- gesellschast in Usambara getreten und wird demnächst nach Ostafrtk» abreifen, um in jenem Thetle unsere« Schutzgebiet««, da» er am besten kennt, sein« Vorschläge Uber dt« Nutzbarmachnaa der frucht baren Landschaft praktlsch zur Ausführung zu bringen.— Dte Meldung, daß die deutsch« Togo-Expedttton unter Führung de« Herrn ». PawlowSkt von Homburg nach Westafnka adaegangen fet, hat zu der Annahme geführt, daß Herr v. PawlowSN überhaupt zum Leiter de« Unternehmen« aa-ersehen sei. Da- ist indessen »ich! der Fall Znm Führer der LogoFkrpedition ist der vr. ptül. G. Grüner, der Leiter der Station Misahäh«, bestimmt. — Der Magistrat (nicht Se. Majestät, wie rin ver stümmelte», nach Schluß der Redaktion de« heutigen Morgen- blatte« »ingctroffene« und mithin auch der Redaktion nicht vorgelegte- Telegramm meldete, d. Red.) hat den Wegfall der MiethSsteuer nach den Beschlüssen der gemischten Deputation angenommen. — Zur Beseitigung von Zweifeln bei Au«fübruog de» Gesetze» über die Unterstützung vou Familien der zu Frieden-Übuugen eingezogenen Mannschaften vom 10. Mai l892 haben die Minister de« Jnnero und der Finanzen den auSführenden Behörden erläuternde Be merkungen zngehen lasten Darnach besteht für Kinder, die nach beendigter Uebung geboren werden, ein Unterstützung«- anspruch überhaupt nicht: für Kinder, die während der Uebung sterben, beschränkt sich der Unterstützungsanspruch nach den« Zeitpunkt de» Eintritt« diese« Ereignisse«. Ein von der Ehefrau de« Einberufenen in die Ehe mitaebrachte« uneheliche« Kind ist, auch wenn eS von dem Einverusenen unterhalten wird, nicht unterstützung-berechtigt. Bei Kindern, welche den Geburt-namen der Mutter tragen, ist demzufolge regelmäßig eine Bescheinigung darüber beizubringen, vag sie die Rechtsstellung ehelicher Kinder besitzen. — Die Kornträger in Berlin wollen in einen Loho- kamps eintrelen. Die Kornträger unterstehen eigentlich der Berliner Kaufmannschaft. Diese hatte «in eigene« Wägeramt für die Kornträger einaerichtet, denen t873 von diesem Wägeramt ein durch Ministerium und Polizeipräsidium be- slätigier Tarif gewahrt wurde. Da« Wägeramt ist im Laufe der Zeit säst gänzlich außer Thätigkeit getreten, die Lade arbeiten werden heute privaten Unternehmern übertragen, die Kornträger und Speichereiarbeiter, die ja auch eine moderne Organisation besitzen, müssen vielfach weil unter dem Tarif arbeiten. Jetzt haben sie die gegenwärtige „Saison" dazu au-ersehen. ihren Taris wieder zu Ehren >u bringen. Am Mittwoch Abend beschloß eine öffentliche Versammlung der Gelreideträaer, Schipper und Speichereiarbeiter, vom nächsten Morgen ab nur noch da zu arbeiten, wo der Tarif be zahlt wird. — Angesicht« de» großen Mangel» an pharmacru- tischcn Gehilfen, der namentlich aus dem Lande herrscht, bemerkt die „Pharm. Ztg": E« unterliegt wohl nicht dem geringste» Zweifel, daß mit der eventuellen Einführung de« Matnrunis sofort die Zulassung von Frauen al« Hilf«- apolhekern gestattet werden müßte, wenn nicht der größte und gefährlichste Personalmangel eintreten soll. — Da« Capitel der Religion wird auch in diesem Jahre den socialdemokratischen Parteitag beschäf tigen. Mehrere Genossen de« l. Berliner ReichSIagSwabl- kreise« haben einen Antrag auf Abänderung bezw Präci- sirung de« schon so oft erörterten Programmpuncte«: „Religion ist Privatsache" gestellt. — Nachdem die Berus»genosfenschaftrn ihre Rech» nuug«rrgebnisse für da« Jahr 1893 dem Reich«Ber- sicheruug«amt eingereickt haben, wird in dem letzteren au der Zusammenstellung, wie sie alljährlich nach tz. 7? de« Unfall- versicherulig-aesetze« dem Rc,ch«tage vorgeleat werden muß, gearbeitet. Die Nachweisung für 1893 dürste dem Reichs tag« nicht lange nach seinem Wiedcrzusammeatritt zugehen. * Tnnzt«, 2l. September. Für die HuldigungSsahrt der Westpreußen nach Varzin hat da« Comit« gestern Nachmittag die letzten Bestimmungen getroffen. Der Ein marsch in den Schloßhos von Varzin wird sich wie folg» vollziehen. Voran geht ein Musikcorp«, dann folgen da« Eomitö, die Damen au« beiden Zügen, dir Herren de« Zuge« Elbing-Danzia in Front von 6 Personen, endlich, nach einem zweiten Mnstrcorp«, die Herren de« Zuge« Thorn-Graudenz «n gleicher Gliederung. Der Sonderzug von Thoro darf nicht mehr al« 13 Wagen führen, und e« mußten daher telegraphische Bestellungen bereit- zurückgewirsen werden. Da« ComitS empfiehlt diesen zu spät Gemeldeten, zur Fahrt einen fahrplanmäßigen Zug zu benutzen und sich in Hammer- mühlr den Festtheilnehmern anzuschließrn. Beim Doaderzuge von Thorn-Graudenz werde,» wegen der längeren Fahrt in der Nachtzeit Heizvorrichtunaen bereit gehalten. Etwa vor handene Wagen 2. Claffe sollen ausschließlich den Damen überlassen werden. * Kiel. 29. September. Au« Rönne wird hierher berichtet: Die deutsch« Kreuzercorvette „Prinzeß Wilhelm* fft gestern Abend wieder flott gemacht worden, ohne Schaden genommen zu haben. Der Kaiser war auf der Fahrt von Danzig »ach Swinemünde vor Rönne an der Strandung«stellc einaetroffen, um die Abbringung-arbeilen zu besichtigen, und yat al-bald nack glücklicher Beendigung der Arbeiten die Fahrt wieder fortgesetzt. * Bremen, 20. September. Der auch weiteren Kreisen außerhalb Bremen« bekannte Schulrath Professor Eonstaatin Bulle hat sich, wie schon berichtet, infolge eine« sckweren, schon nahezu drei Jahre andauernden rheumatischen Leiden« »enöthigt gesehen, sein, Entlassung rinzureichen, vi« auch vom Senate genehmigt ist. Nur zwei Jahre hat Bulle da« Amt eine« bremischen Sckulrath« bekleidet, »l« e« vor 2 Jahren eingerichtet werden sollte, hat er e« heftig bekämpft, trotzdem vertraute ihm der Senat da« Amt an. Im Ganzen hat er 27 Jahre in bremischen Diensten gestanden. Nach absolvirtem Studium wurde er 1867 Lehrer am hiesigen Gymnasium; im Herbst 1879 übertrug man ihm die Leitung dieser Anstalt. In weiteren Kreisen ,st Bulle namentlich al« der Verfasser von Darstellungen der neuesten Geschichte viel genannt worden. 1876 erschienen seine .Geschichten der neuesten Zeit 1815—1871* in 2 Bänden. E« folgten die „Geschichten der Jahr« 187 t bi« l877* und später dehnte er seine Darstellung bi« »um Jahre 1885 au«. Die Freund« Bulle'« können nur wünschen, daß die völlige Befreiung vom Arbeiten ans Bulle « Leiden von beilbringendem Einfluß sein möge. Denn nicht nur für die Enlwickeluog der bremischen Schulen ist e« ein Verlust, wenn Bulle nicht wieder thätig sein kann. Er hat seit einer Reihe von Jahren auch im politischen Leben unserer Stadt eine hervorragende Thätigkeit entwickelt, deren Erfolg bei der vorjährigen Reich»taa«wahl sichtbar zu Tage getreten ist. Ihm ist e« in erster Linie zu danken gewesen, daß der Zu sammenschluß aller Parteien bei der vorigen Reich«- tag-wahl und di» Ausstellung eine« gemeinschaftlichen Candi- daten keine Schwierigkeiten bot. Der Sieg diese« über den socialdemokratischen ist zum größten Theil «in Verdienst der langjährigen Thätigkeit Bulle «. Auch weiterhin hat sich in der hiesigen freisinnigen Partei sein mäßigender Einfluß geltend gemacht. * Ttzorn, 20. September. Der Großfürst-Thron folger passirte den hiesigen Hauptbahnhos aus der Reise nach Darmstadt. * BreSIa«, 20. September. Der Proceß, betreffend den Antonienhütler Arbeiterkrawall, wird am 1., 2. und 3. October vor dem Schwurgerichte zu Beuthcn verhandelt werden. -7- Rltentzur«, 20. September Der socialdemo kratische Parteitag de« Herzogthum« Sachsen-Altenburg, der auf den künftigen Sonntaa nach Eisenberg einberusen war, kann daselbst nicht abgebalten werden, weil e« den Social demokraten nicht gelungen ist, einen Versammlung«saal zu bekommen. In Gößnitz, wo zunächst die Jahre«versamm- lung siattfinden sollte, liegen dir Verhältnisse ähnlich wie in Eisenberg, weshalb de» Parteitag in Alteoburg abgehalten werden soll. * Biartzurß, 18. September. Der «Franks. Ztg." wird geschrieben: „In Langgön« bei Gießen ist am Sonntaa der hessische ,,Bauernkönig" gestürzt worden, vr. Otto Böckel ist von seinen einstigen Creatoren, denHirschel undKöhler. schmählich verrathen und vernichtet worden. E« war kein Brgräbniß erster Claffe, da« dem einst Hochgefeierten hier von seinen «guten Freunden" bereitet worden ist. Die seit langer Zeit wühlende Hirschel-Clique hat am Sonntag auf der Generalversammlung de« Mitteldeutschen Bauernverein« triumpbir». vr. Böckel legte unter kurzen Worten in der Generalversammlung seinen Vorsitz nieder. Er mußte e« thun, denn er wäre andernfall« bei der Neuwahl kurchgchillen. Die Hirschel-Leute batten Alle« vorbereitet. Keine Stimme erhob sich zu seiner Vertheidiguaa. Köhler- Gießen ward zum Vorsitzenden gewählt, Hirschel bleibt Schriftführer. Vr. Böckel erhob sich dann noch einmal, und sichtlich rrregt erklärte er seinen Au«tritt au« der anti semitischen Res orm Partei und schloß mit einem energischen Abschied«gruß: „Ich verlasse Euch auf'« Nimmer- wieberseben." Spitzenreiter und die jubelnde Dorfgemeinde empfingen «inst den ungekrönten Heffenkönia, die Ortschaften waren festlich geschmückt, und seine Worte anden den andach tigen Glauben de« Evangelium«. Ein ein amer» verrathener Mann, verließ jetzt der „Messias* da« Dorf, lange bevor die Generalversammlung geschlossen war. Sofort nach seinemGcheide- wort begab er sich eilend« zur Bahn. Da« Ende eine« Demagogen! Da« Hauptquartier de« „Mitteldeutschen Bauernverein«* siedelt nun von Marburg »ach Frankfurt-Ofsrnbach über. Den diesigen Arbeit-genoffen Böckel«, Enaelter und Peter«, ist sofort gekündigt worden. Die Hirschrl-Elique will ein neue«, zweimal wöchentlich erscheinende- Blatt herauSaeben, da« in Offenbach gedruckt werden und bereit« diese Woche in einer Probenummcr erscheinen soll. Wegen de« vor zwei Jahren hier begründeten Bcrkauf«burrau», zu dem jede Ort«- aruppe 25 Mark beisteuerte, soll eine^neue Versammlung ein berufen werden, weil die Verhältnisse de« Bureau» nicht ganz klar sind. Die Generalversammlung war gut besucht. Es mochten 180—190 Ortsgruppen de« Mitteldeutschen Bauern verein« vertreten sein." Oesterreich-Ungar«. * Wien, 20. September. Das Vorgehen de- Erzbischofs Tamassa (vgl. die heutige politische TageSschau. Red.) wird darauf zurückgeführt, daß Samaffa seiner Zeit al« Ver trauensmann der Regierung in Rom erschien, dort aber mit seinen freiheitlichen Auffassungen durch dir Cardinile rücksichtslos abgewiesen wurde. Der Ingrimm der Eardinäle ging so weit, daß sie später, al« Samaffa zum Prima« ernannt werden sollte, veranlaßten, daß der päpstliche Stuhl dagegen formell Einspruch erhob. * Wien. SO. September. Der König und die Königin von Rnmönien trafen Abends 7 Uhr incognito hier ein. * Pest, 20. September. Anlaß zu den Beratbuogen zwischen den Finanzministern v. Plener und Wekerle gab der sachliche Zusammenhang der WährungSregelung und der Bankstatutfrage. Dem „Lloyd" zufolge stimmen beide Minister in allen Fragen überein. Frankreich. p. Part», 20. September. Der Correspondent de« „TempS", welcher dem deutschen Kaisermanöver bei- gewohut hat, erklärte, er habe den Eindruck mitgenommen, daß dir beiden Armeccorp« im Nordosten de« Reiche« Eigen schaften gezeigt hätten, welche jenen de« 8., 15. und l6. Corp«, die im vorigen Jabre in den Reich-landcn manövrirten, noch überlegen wären. * Part«. 20. September. Präsident Casimir-Prrier ist in da« ElysSe zurückgekehrt. Für seine Reise nach Chateaudun waren nach der „V Z." ungewöhnliche Vorsichtsmaß regeln getroffen worden. Casimir-Perier fuhr in einem sehr hochrädrigen Wapen ohne Trittbrett; von der Höhe de« Straßendamme« wäre er kaum zu erreichen gewesen. Aus dem Wege, de» der Zug nahm, war so viel Militair auf gestellt, daß die Bevollerung zu zahlreicherem Zusammen strömen gar keinen Platz fand. (Weiter unten berichten wir über die Vorsichtsmaßregeln, die zum Schutze de« Zaren aus dessen Reise nach Spala getroffen waren. Welche merk würdige Entwickelung der Dinge, daß da- von ver Volks vertretung gewählte Oberhaupt der freien Republik genau ebenso de« Meuchelmorde« gewärtig sein muß, wie der erbliche Selbstherrscher de« despotisch regierten Zaren reiche«! Red. de« „L. T ") * Pari«, 20. September. Bei der heutigen vom Herzog von Orlean« angeorvnelen Todtramesse für den Grasen von Pari« in der Madeleinekirche waren der Bruder und der Vetter de« Verstorbenen, Herzog von Cbartre« und Gras En, sowie alle getreuen politischen Freunde, die Spitzen der Aristokratie und die Redakteure royalistischer Blätter an wesend. Der Erzbischof von Pari« ließ sich durch den Abdö Earvn vertreten. Die Herzoge von Nemour«, Joinville und Aumale waren abwesend, da sie er klärt hatten, sie wollten an keiner orleanistischen Kundgebung thrilnehmen. Die Kirche war mit Hermelin und schwarzem Sammet decorirt. (N.-Z.) * Nantes, 20. September. Der Eongreß aller socia- listischen Parteirichtungen nahm mit 63 gegen 36 Stimmen den Generalstreik im Princip an. Niederlande. * Nottertzan». 20 September. Eine hier eingetroffene Privatdepesche au- Lomdok meldet: Die Sasak« schlugen die Balinesen bei Padoetan nnv verbrannten deren Habe. Unsere Truppen bombardiren Tjakra-Negara. E« ist jetzt erwiesen, daß auch ein Theil der Sasak« beim verrath heraufdämmertc, der Mond am HimmelSbogcn verschwand »Md gegen den herausdänimernden Tag sich noch einmal mit schwarzen Fittichen die Nackt aus die Erve herabsenkte. Ehe sie wieder ihr Lager aussuchte, beugte sich Frau ClSbetb über da« Beuchen ihres kleinen Erich, lauschte auf dessen Aldemzüge, und wenn dann der Knabe vor Angst die Angrn schloß und Schlaf beuchelle, dann beugte sie sich wohl noch tiefer und küßte ihn aus die Augen. Und van» raunen heiße, salzige Tbränen aus die rosigen Backen de« Kinde«, und ein Sruszer, wie au« zerbrochenem Herzen hervordringend, rang sich über die Lippen der unglückliche» Frau So ging eS Nacht sür Nacht. Oer Knabe wagte nicht, der Lene etwa« davon zu sage» Einmal »ur fragte er die Mutter selbst, als diese in einem sonnige» Augenblick, ihrer alten Gewohnheit gemäß, wieder Erich aus den Schoch nahm. Frau ElSbeth sah ihn erstaunt an »nd murmelte eine unver ständliche Antwort. Dann ließ sie ih» leise von ihre» Knien «vieder herabsinkcn und ihre alte TheilnahniSlosigkcit war tz»ieder eingelreten. Frau Barbara ließ e» an nick»« jeble» Immer von Neuem wieder suchte sie die Tochter zu beschäjtigen und auszuheitern; sie brachte idr die Kleine, dir sich zu einem aar lieblichen Menschenblllmlein entwickeln wollte, sie legte ehr bas Kind in die Arme, bat sie, der Kleinen winzig« Stirne zu lüssen. Immer batten ihre Beinühunge» nur den Erfolg, daß heiß« Tyräne» den Augen der jungen Frau entströmten und diese bitter >ck vor sich hinseuszte. „Arme«, arme- Kind", murmelte sie r n» wohl mit einer Stimme, die an» einer anderen Wc» beriil -zulönen schien, „so jung noch und so elend schon, ach, daß der Herrgott so viel Jammer in der Welt zuläßt!" Und men» bann Frau Barbara ihr den kleinen Erich znsUbrte, ihr schilderte, welche« Glück sie noch in jenem Besitze zueigen cibe, dann seufzte Fra» ElSbetb, schüttelte den Kops nnd niemle: „Das Enke ist nahe, dal Ende. Ach. Mutter, schissen zu können, immerzu, ohne aus- juwachen, ohne ten Schmer», cen nagenden, brennenden im Herzen, w«e selig muß da« sein!" Lcne, die ibrc Herrin mit rührender Sorgfalt bewachte. War in großcr Bcsorgniß, und da» Kopsschütteln de« öster erscheinenden Arzte« gab ibr Rech! Eine« Nacht«, als der Mond mit vollem silberne» Glanz« wieder d '. d die Fensiersckc'bcn in ra- stille Gemach berein- slulbeü. e.bcl' sich Fra» ElSdctb wieder und ging mit über der Brust gciallele» Hände» laullo- im Zimmer hin und her. Ter kleine Erich, der bei ihrer ersten Bewegung sofort wach geworden war, vermochte bei vollem Mondschein ganz deutlich ihre weitgeöffneten, suchend bald da, bald dorthin gerichteten Augen zu unterscheiden. „Du rufst mich, ja, ich höre Dich, ja, Du rufst mich!" murmelte Frau El-beth dann mit tonloser Stimme, während sie sich suchend bald hierhin, bald dorthin wandte, „wenn ich nur wüßte, wo der Weg ist, der un» zusammensührt, Fried, mein süßer Fried ... e« ist so weit zu Dir, so unerreichbar fern stehst Du vor mir!" Der Knabe richtete sich >n die Höhe: „Mutter, sbist Du eS?" fragte er. Die junge Frau wendete sich zn ihm um und trat an sein Lager heran. „Still", murmelte sie, „nur still. Du darfst nicht sprechen, sonst geht er von mir!" „Wer denn, liebe« Mutterte? Ich sehe Niemand!" „Siehst Du ihn nicht, dort schaut er in« Fenster zu un« herein — Du mußt ibo doch kennen, Erich, den lieben Vater. Schau, so traurig blickt er darein. Er muß so allein liegen, tagein, tags»« " „E« ist Niemand da", murmelte da« Kind, dem bänglich »» Muthe wurde. Aber die junge Frau gab keine Antwort, sic beugte sich Uber da« Bett de« Kleinen, hob ihn heran«, preßte ihn an sich und drückte einen heißen, langen Kuß aus seinen schwellenden rothen Mund, al« ob sie die Seele de« Kinde- au» diesem herau«laugen wollte. „Ich kann nicht leben, mein kleiner, süßer Bube, ich muß zu ihm. der mich erwartet, der mich zu sich rust", murmelt« sie, .habe Dein Mütterchen immer lieb, da» Dir jetzt den Schmerz machen muß, von Dir zu gehen', setzte sie dann ausjanimernd hinzu, .weil e« sie hier unten gar nimmer leidet. Ich bin immer bei dir, wenn Du mich auch nimmer siehst; im Geist« bleibe ich bei Dir, ich werde den Herrgott bitten, daß er Dich gut und fromm werden läßt, mein Liebling!" Der Knabe schauerte bang zusammen E« war ihm, al« lege sich da« Gefühl heraanayeode» Unglück« bleischwer aus sein Empfinden. Dann ging di« Mutter plötzlich zum Schrank. Jetzt brachte sie ein vom Moodstrabl lichtumsiossenr» Gewand her vor und begann sich «mzulleiden. z .Mutterte, wie bist Du schön*, flüstert« Erich plötzlich, der nun völlig wach geworden war und aus seinen Knieen jetzt im Beuchen bockte. .Du siehst au-, wie eia Engel oder eine Fee, wie die Lene mir immer erzählt hat!* Die junge Frau hatte inzwischen da« weißc Gewand, ihr Brautkleid, da« fl« nur «ui«al i» ihre« Lebe», an ihr,« Ehrentage, getragen und da« sie seitdem sorgfältig aufgehoben batte, um ihren schlanken Leib gelegt. Nun holte sie au« dem Schranke noch einen länglichen Kasten, nahm Schleier »nd Kranz au» demselben hervor und beim silbern hereinstuthenden Mondschein trat sie vor den Spiegel, befestigte den Kranz in ihrem Haar und legte dann den Schleier um, dessen Falten wir ein langer wallender Mantel ihren schlanken Leib um- schloffen. „Mutterle, Mutterl«, sag', bist Du der liebe Gott?" flüsterte da« Kind wie gebannt, dir beiden Händchen gegen die Brust pressend. Da wendete sich die junge Frnu nach ihm um. Bon Neuem umschloß sie mit ihren Armen da« Kind. „Ich bin eine arme, müde Frau," stöhnte sie auf. »Aber nun ist « bald zu Ende und der Friede wird mir werden. Dein Vater ruft, er winkt, ja, ja, ich komme schon," flüsterte sie. Dann lehnte sie sich über de« Kinde« Haupt und zwang diese« mit sanster Gewalt, sich in die Kissen zurückzulehnen. Die weinte heiße Zähren und die Tropfen sielen auf da« Gesicht de« Kinde«. Dann durchlief ein Aeckzen ihren Körper, diesen wie im Fieber schüttelnd. Da« dauerte eine geraume Weile und unter der Hand der Mutter, die all- mäklig sich beruhiate, verwirrten sich de« Knaben Gedanken, dieser schloß die Augen vollend» und bald verkündeten seine friedlichen, ruhigen Athemzüge, daß er eingrschlafen und in da« lichte Reich der Träume eingegangen war. Da erhob sich Frau ElSbeth und trat an da« Crucistr heran, da« in einer Zimmerecke, kaum von dem Mondstrabl erreicht, hing und ernst zu ibr herabblickte. Sehnsüchtig streckte sie beide Hände au«: .Wenn e« eine Sünde ist, daß ich Frieden suche, so verzeibe mir, gnadenreicher Gott", flüstert« sie, .wenn r« eine Sünde ist, daß ick mein Kind nicht mit mir nehme, rechne e« mir nicht aal Er ist so jung, so süß und lieb, er soll leben bleiben und sür seine armen Eltern beten!" Dann richtet, st« sich aus und noch einen letzten Blick aus den friedlichen Schläfer wersend, aina sie lautlo« au« dem Zimmer. Draußen aus dem Flur blieb sie noch einmal stehen; da« Weinen der Nein«» Eva, so war die Nachgeborene in zwischen artaost worden, drang zu ihren Ohren. Wie zögernd näderte sie sich der Thür und nachdem sie sich mit einem Blick durch «ine Ritze Überzug» batte, daß Lene in tiesem Schlummer auf ihrem Lager liege, aing si, aus den Zrheaspitzen in da« Zimmer, beugte sich über da« Bett uud drückte nur» lange» Kuß aus dir kleme, winzig« Stirn de« Kinde«. Dann ging sie wieder au« dem Zimmer. Die Treppen schritt sie hinunter, verließ da« Hau«, brückte die nur an» gelehnte Thür wieder leise in da« Schloß und durchschritt den Hos; der Kettenhund schlug zwar knurrend an, aber beim Anblick der grell vom Mondlichte beschienenen unheimlichen Gestalt krvck er in seine Hütte zurück und ließ die Scheidende lautlos an sich vorüber. Nun stand Frau Ellbeth aus der Straße. „Heim, nur heim, schlafen dürfen, ruhen, bis zum jüngsten Tage," flüsterte sie. „Ich trag « ja nicht länger, es ist gar zu schwer!" Dann ging sie langsam durch die Straßen, dem Friedhöfe entgegen. Nick»« regte sich. Voll, fast senkrecht fielen die Strahlen de« Monte» aus die Erde herab. Der Wächter, der schlaftrunken in einem Thorbogrn lebnte. rieb sich die Auge», al« lautlo« die weiß« gespenstige Gestalt vorüberwallte, dann schlug er bebende ein fromme« Kreuz und wagte nicht, sich von seinem Platz« zu rühren, bi« in der Ferne, in den mit ten MondeSstrablen sich mengenden weißen Nebelgebilden, die unheimlich« Gestalt verschwunden war. Da scklng e« vom nahen Kirchlhurme Ein-, der Wächter bekreuzte sich und sang dann mit zitternder Stimme ten frommen Sluiikenruf. VIII. Am nächsten Morgen ging Lebrecht Winkler io Erwartung seiner Morgcnsuppe, die er gemeinschaftlich mit dem Gesinde in der großen Wohnstube «inzunebmen pflegte, in letzterer aus und nieder, al- sich die Thür austbat und Frau Barbara bleich und verstört in da« Zimmer herein- gestürzt kam. „Na, wa« hast denn schon wieder?" fragte Winkler, während er einen verwunderten Blick aus seine Frau warf, «nun, so rede dock, so Hab' ich Dich ja nimmer geseb'n", setzte er hinzu, al« er sab, wie seine Frau vor ibm stand, wie sie sprechen wollte, aber nur unarticulirt« Laute sich ihren Lippen entrangen. „Lebrecht, unser Kink, unsere ElSbeth", stöhnte die Frau wieder, während »in Heller Thränensirom über ihre Wangen rollte, „sie ist fort!" Winkler zuckte unwillig mit der Achsel. «Ich Weiß nit recht, wa« Du willst, Frau*, sagte er» „sie wird fortgegaogea sein nach dem Friedhof!" „Nein, Mann", stöhnte Frau Barbara, „sie ist sortgegangen in den Tod! O mein Himmel, warum bast Du mir da« angrlhan! Nu» ist e« zu spät und alle Tbränen «nd allc Reu' geben fi« un« nimmer zurück!" (Fortsetzung f»lgt.)
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