02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.03.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950327029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895032702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895032702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-03
- Tag1895-03-27
- Monat1895-03
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Se ck S30 323'!, 314 1401. 400-2 730 600 484 817 >1. , 53'!, cs, 0-1, .et.1 SSI, sireo per 80 31. pv ' Ü.1V). «> dloäooe »4»r »ol- Lr»»lUsv, ker. 'er.Vttte- : Dolo- eine aus ) fl. au«- Da alle « Wetter- «si ^UUple^pebkttou ober be> Ist ^Äbs» G«trk o»d de» Vororten errichtete» «,«. »adestrllci, ab ge holt: vierteljährlich ^!4.LlX »et uvetmaUger täglicher Zustellung t>« Den» ^l 5^0. Durch dte Post bezöge» für Deutschland u»h Oesterreich: Viertels« drltch . Directe tägliche -renzbaodse»durig t>» U»«laud: monatlich 7.50 Dh»vrorge»-«u»«abe «rschet»» täglich '/,7llh^ dt» »beud-Lmtgab« Wochentag« 5 Uhr. Ledactton und LrveLitio,: L-hm»»e«,affe 8. DieErpedttio, ist Wocheutag« unonterbroche» Ochsful >m» früh 8 bi» «b.»d« 7 Uhr. Filiale«: vu» «e»»'s S-rtt«. (Alfre» H«h»Ib Ulliversitättstratzr 1, Loui« Lösche. Gethartneastr. 14. pari und Iköniasvlah Abend-Ausgabe. KMgrrIagMatt Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschiiftsverkehr. 158. ^e «ßrspattene Petitzrile 20 PH. Rectame» »ater dem Redactton«srrich sgg» ivalteaj öt)>4. vor de» Familieanachricht«, lkgeivalte») 40^. »tthrr, Schrtstra laut »»serem Pr-i». verzeichn^. Tabellarischer und Merasstz »ach höherem Tarif. Ertr«-Vri>«,n» (gesalzt), a»r mit d« Morgeu-Ausgabe. ohne PostbesSrdenmg öü.—» mit Postbesörderung 70.—, Ämrahmeschluß für Anzeige»: «b„d.«uSgade: Vormittag« 10 Ubr. Diorgeu-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen ft ei« halbe Stunde früher. Anzeige» sind stet« »» di« Gzheditt»» zu richte». Druck und Perlag von E. P okA t» Leivzig Mittwoch den 27. März 1895. 89. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. März. Wir haben gestern betont, daß der Besuch, den der Kaiser dem Fürsten Bismarck in Friedrichsruh abgestattet hat, durch den Beschluß des Reichstags vom 28. Marz und das Urtheil des Kaisers über diesen Beschluß eine ganz be sondere politische Bedeutung erhält. „Dieselben Par teien", so siibrten wir aus, „die am meisten eine vollständige innere Aussöhnung des Kaisers mit seinem ersten Kanzler fürchten, baben diese Aussöhnung geradezu erzwungen, indem sie den Kaiser mit „tiefster Empörung" gegen die Feinde Bismarcks erfüllten. Dadurch ist die innere Politik des Fürsten dem Kaiser förmlich aufgedrängl." Der gleichen Auffassung begegnen wir heute in der gestrigen Abendausgabe der „Hamb. Nackr.", die in einem Artikel über den Besuch deS Kaisers in Friedrichsruh sagen: „Einstweilen dürfte die Haltung Sr. Majestät des Kaisers dem Reichstage gegenüber und sein heutiger Besuch in Friedrichsruh zur Folge haben, daß die Klärung der i nn eren Situation, der wir dringend bedürftig sind, schnellere Fortschritte macht, als dies sonst der Fall gewesen sein würde. Die Reichstagsmajorität vom Sonnabend wird bald genug tnne werden, daß sie durch ihren Beschluß unfreiwillig dem Reiche einen Dienst erwiesen hat, der um so größer ist, je weniger er in der Richtung der Interessen liegt, denen die Majorität zu dienen glaubte. Sr. Majestät dem Kaiser aber wird der Dank der Nation im reichsten Maße dasür zu Theil werden, daß er als Staatsoberhaupt und Vertreter der Nation an dem greisen Be gründer des Reiches und der Neuerstarkung Preußens in so schöner Weise gut zu machen bestrebt gewesen ist, was der deutsche Reichs- tag zur Unehre des deutschen Namens gegen ihn gefehlt hat." Das beißt mit anderen Worten: die Mehrheit des Reichs tags hat wider ihren Willen dem Kaiser bewiesen, daß mit Hilfe der alten Feinde deS Fürsten und seiner Politik auf die Dauer eine dem Reiche förderliche Politik nicht zu machen ist, und der Kaiser hat durch sein Telegramm an den Fürsten wie durch seinen Besuch zu erkennen gegeben, baß ibm dieser Beweis völlig einleuchtet. Besonders bemerkenswerth ist, daß die „Hamb. Nachr." ausdrücklich erklären, sie seien der Zu stimmung des Fürsten Bismarck sicher. Vollständig klar würde auch der Mehrheit des Reichstags werden, was sie gethan bat, wenn die Absicht einiger demokratischer Heißsporne, die Entrüstungs-Depesche des Kaisers an den Fürsten im Reichstage zur Sprache zu bringen, ,n Erfüllung ginge. Aus der „Franks. Ztg." erfahren wir jedoch leider, daß diese Ab sicht aufgegeben ist, „weil das Telegramm des Kaisers formell und thatsachlich eine private Kundgebung ist, für die kein Minister die Verantwortlichkeit übernommen hat", und weck also daS Telegramm sich nicht gegen den Reichs- tanzler Fürsten Hohenlohe ausnutzen läßt. Es ist, wie ge sagt, bedauerlich, daß die ReickStagSmajorität darauf ver zichtet, über die Bedeutung des kaiserlichen Entrüstungs- Telegramms sich im Reichstage Aufklärung zu holen. Man würde den Herren gesagt haben, -aß das Telegramm nicht blos eine private Kundgebung, sondern zugleich eine könig liche Willensäußerung ist, die das preußische Ministerium nicht mißverstehen wird. Und da der Kaiser zugleich aus die Bundesfürsten sich beruft, so ist seine Aeußerung auch ein Wegweiser für die Ministerien der übrigen deutschen Staaten. Allerdings würde man den Herren auch gesagt haben, daß im Allgemeinen ein Heraustreten des Kaisers aus seiner Reserve nicht wünschens- wertb sei, weck es dem Hereinziehen des Kaisers in den Streit der Parteien Vorschub leistet. Aber dieses Zugeständ- niß würde die Herren doch nicht entschädigt haben für die unerwünschte Aufklärung über die Bedeutung des kaiserlichen Entrüstungstelegrammö in erster Linie für daS preußische Ministerium. Unterbleibt aber auch jetzt diese Aufklärung, so wird sie bald genug sichtbar werden. Vorläufig muß ja versucht werden, mit dem jetzigen Reichstage auszukommen. da die politische Lage viel zu verworren ist, um das Experi ment einer Auflösung zu gestatten. Aber die Zeit wird kom men, in welcher den Vätern des Votums vom 23. März die Augen darüber ausgehen, daß sie selbst den verbündeten Regierungen eine innere Politik aufgezwungen haben, welche die nächsten Reichstag-Wahlen von selbst zu einem allgemeinen Kampfe gegen die Mehrheitsparleien des jetzigen Parla ments macht. Heute wird sich der Reichstag ein neues Präsidium geben. Seltsamer Weise macht die „Köln. Ztg." den am 23. März unterlegenen Parteien den Vorschlag, sich nicht ab lehnend zu verhalten, wenn einem der Ihrigen ein Sitz im Präsidium angeboten werden sollte. Herr v. Levetzow hat jedoch bereits dem in Verlegenheit befindlichen Centrum eine abschlägige Antwort ertheilt und wie man auf national-liberaler Seite zu einem solchen Ansinnen sich stellen würde, geht klar aus folgender Auslassung der „Nat.-Lib. Eorr." hervor: „Die Parteien, die am Sonnabend aus ihre Vertretung im Präsidium aus einem Grunde, der sortbesteht, verzichtet haben, würden gänzlich unverständlich werden, wenn sie, einer Anregung der „Kölnischen Zeitung" Folge gebend, am Mittwoch wieder Candidaten stellen würden. Soweit die Rücksicht auf die Person des Fürsten Bismarck in Betracht kommt, würde ein solches Verhalten kaum milder beurtheilt werden als der Beschluß der Mehrheit, und politisch angesehen, wäre es als „srauenzimmerhaft" nicht zu schroff charakterisirt. Es ist denn auch eine ausgemachte Sache, daß sowohl die Nationalliberalen als die Conserva- tiven Candidaten nicht nennen werden und eine etwa trotz dem auf Mitglieder dieser Parteien gefallene Wahl Ab lehnung erfahren würde. Auch die Betheiligung am Wahlact wird nicht stattfinden. Die Befürchtung der „Kölnischen Zeitung", daß man durch den Nichteintritt in daS Präsidium in eine Politik unfruchtbarer Obstruktion hineintreiben könne, wird auf nationcckliberaler Seile nicht getheilt. Subjektiv ist diese Partei, durch ihr Wesen und chre ganze Vergangenheit, vor der Gefahr geschützt, zu einem demonstrativen Verzicht aus die sachliche Mitwirkung an den Reichsangelegenheiten fortgeriffen zu werden, und was die parlamentarische Gesammtlage anlangt, so ist ein höherer Grad „unfruchtbarer Obstruktion", als er bisher im Reichstag geherrscht hat, einfach nicht erreichbar. Nachdem die Vertreter der positiven Parteien auS einem zwingenden Anlaß aus dem Präsidium einmal ausgeschieden sind, wäre es ein unverzeih licher Fehler, wenn diese Parteien die politische Untauglichkeit des Reichstags von Neuem zu decken beginnen und die Ver antwortung für die Stagnation weiter mit dem Centrum theilen wollten, das sie allein verschuldet. Zieht daS Centrum die Conseguenzen der neugeschaffenen Bahn, so gebührt den auS dem Präsidium tretenden Parteien das Verdienst, den Anstoß zur Wiederbelebung der Reichspolitik gegeben zu haben, unterläßt es dies und bleibt alles beim Alten, so muß das kräftige Hervortreten der Gegensätze den maßgebenden Stellen die Augen für die Ausfindigmachung der Plätze schärfen, wo eine deutsche und preußische Regierung allein zuverlässige Stützen finden können wird." Heute soll das neue spanische Cabinet vor die CorteS treten. Uns kann eigentlich diese Vorstellung sehr kalt lassen, denn ob Herr Sagasta oder Herr CanovaS in Spanien regiert, ist so ziemlich gleichgültig — beide haben unseren Beziehungen nicht genützt. Herr Sagasta hat seit dem Bestände seines Ministerium- in seinen wechselnden Phasen, seit dem 11. December 1882, keine Gelegenheit und keine Energie gefunden, die Handelsbeziehungen zu Deutschland wieder auszunehmen, und Herr CanovaS hat ausdrücklich erklärt, daß er für den Schutzzoll bis zum Aeußersten ist. Ist somit ein wirtbschastliches Interesse nicht an den Minister- Wechsel geknüpft, so ist auch daS politische ein minimales. Wie sich in England Gladstone und DiSraeli adlösten, wie in Griechenland TrikupiS und Deljannis alterniren, so folgt in Spanien auf Sagasta CanovaS und auf CanovaS Sagasta. Die spanische Großmacht wird dadurch nicht mächtiger, und die spanischen Schullehrer erbalten dabei auch ihre Gehälter nicht. Kein Wunder, wenn das Volk einmal die vorgebrachte Folge satt bekommen würde und eine Schwenkung nach links machte. Auf Rosen wird CanovaS auch nicht gebettet sein, und wenn ibm auch Sagasta als aller routinirter Staatslenker und als Empfehlung für spätere Gegendienste seine Hilfe für den Staatshaushalt angeboren bat, sicher ist doch nicht, daß vielleicht nicht einige nach links abschwenken und sich zur Ab wechslung einmal zu Zorilla schlagen. Mit Canovas kommen nun hierdurch auch seine alten Gefährten an die Regierung. Von den neun neuen Ministern sind nur drei neue Männer. Da ist der Minister des Fomento (Unterricht und öffentliche Arbeiten) Bosch, der 189l Bürgermeister von Madrid war und als solcher von Canovas unterstützt, vom Minister des Innern Silvela und vom Iustizminister Villaverde bekämpft, diesen beiden Anlaß gab, aus dem Cabinet zu treten und eine besondere konservative Gruppe mit gemäßigt-liberalen Bestrebungen zu bilden; der Finanz- uilnister Navarro Reverter, von Haus aus Bergbau- Ingenieur, 1873 Commissar auf der Wiener Weltausstellung, dann Vertrauensmann des Großunternehmers Marques del Cainpo, später Abgeordneter, Umerstaatssecretair im Finanz ministerium und Verfasser des jetzt geltenden schutzzöllnerischen Tarifs von 1892, ein gewandter Budgetredner und Kenner der wirthschastlichen Verhältnisse Europas; der Colonial minister Castellanos, ein junger aragonischer Abgeordneter, der sich in Finanzsragen hervorgethan hat. Das neue Cabinet will die Kammer um die Ermächtigung angehen, den von der liberalen Regierung einmal vorgelegten Voranschlag für das am 1. Juli beginnende Finanzjahr durchzusühren, sowie nach dem Vorbilde des Cabinets Sagasta unbegrenzte finanzielle Voll macht für die Unterdrückung des Ausstandes auf Cuba verlangen. Was übrigens Cuba anbetrifft, so lauten die Nachrichten darüber nicht aushellend. Den „Sieg" der Regierungstruppen bei Iuruguana haben wir bereits mitgethrilt. Das war seit einigen Tagen wieder ein Lebenszeichen der havanesischen Re gierung. Man weiß deshalb nicht, ob die Ausslandsdewegimg Fortschritte gemacht hat oder ob sie still steht. Ruhig ist insbesondere die Provinz Puerto Principe, aber diese Ruhe kann trügen, denn gerade diese Provinz war bei allen früheren Aufständen ein Hauptbrennpunct der Losreißungs- bewegung. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß die kubanische Regierung sich von dem gegenwärtigen Aufstande nicht über rumpeln ließ, vielmehr dem geplanten gleichzeitigen Ausbruch der Bewegung in allen Theilen der Insel durch kräftiges Eingreifen zuvorkam und dadurch die Aussichten der Erhebung von vornherein beträchtlich einschränkte. Diesen gereicht auch zum Nachtheile, daß sie bei der großen Maffe der Bevölkerung keinen sonderlich lebhaften Sympathien begegnet, weil ihre Leiter zum Theil recht verdächtige Gesellen und ihre letzten Beweggründe zum Mindesten fragwürdig sind. Von einem der Hauptführer der Aufständischen, dem „General" Sanguily, wird erzählt, daß er sich während des großen Aufstandes der Regierung ergab und auf seine ehrenwortliche Zusage hin, an keiner Umsturzbewegung mehr tbeilznnehmen, begnadigt wurde. ES heißt, daß er mit dem Räuberhaupt mann Manuel Garcia Hand in Hand arbeitete, indem er dessen Raubzüge, deren Erträgniß der „guten Sache" zu Nutzen kommen sollte, von Havana aus leitete. Ob die „gute Sache" von diesen Räubereien wirklich Vortheil ge- ogen hat, ist jedenfalls fraglich. Unter den Weißen auf Cuba herrscht vielfach die Meinung, der jetzige Ausstand sei eigentlich nichts als eine Erhebung der von wütbendem Raffenhaß getriebenen Schwarzen gegen die weiße Haut und eine persönliche Spekulation einiger schlauer Drahtzieher. Auch im Stillen Ocean wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Es kommen jetzt nämlich ausführliche Nach richten aus Honolulu über die Ausführung der Strafen wegen der Revolution, und da findet man, daß die jetzigen Machthaber, die binnen Kurzem auch das Gegentbeil sein können, doch nicht soweit sich hinreißen ließen, ihre politischen Gegner oder besser ihre wirthschastlichen Antipoden — denn im Großen und Ganzen dreht sich auf den Sandwichinseln alles um den Zucker — zu köpfen. Der Exkönigin, die bekanntlich zu fünf Jahren Gefängniß und Strafzahlung von 5000 Dollars ver- urtheilt worden ist, wird die Zuchtbausarbeit jedoch erlaffen, und nach weiteren Nachrichten hat man ihr eine Pension von 10 000 Dollars geboten unter der Bedingung, sie im AuS lande zu verzehren. Die Neffen der verwittweten Königin Kaziolani, die Prinzen David und Cupid Kawanaka, waren gleichfalls in Haft, letzterer ist bereits der Theilnahme an der Verschwörung schuldig befunden, ersterer dieser Tage wieder in Freiheit gesetzt worden. Wie sich seitdem herauSgestellt, war Prinz David von der Königin Liliuokalani, im Falle die Revolution erfolgreich ewesen, zum Gouverneur der Insel Maui und zu ihrem Nachfolger als König von Hawaii ersehen, um die Nachfolge der Kronprinzessin Kaiulani, mit der die Exkönigin nicht aus gutem Fuße stand, zu hintertreiben. Thatsächlich hatte die Königin beabsichtigt, schon kurz nach ihrer Wiedereinsetzung zu Gunsten des Prinzen David abzudanken. In Folge des Einspruchs der Gesandten derVereinigten Staaten undEnglands hat Präsi dent Dole soeben sämmtlicheTodesurtheile in lange Ge- fängnißstrasen umgeändert. So wurden die Rebellenführer, die Amerikaner Gnlick, Seward, der Engländer Rickard, die Mischlinge Wilcox und Nowlein, der Deutsch-Hawaiier Bertel mann (die das Kriegsgericht zum Tode verurtheilt hatte), zu je 35 Jahren Zuchthaus und je 10 000 Dollars Strafzahlung verurtheilt, das Urtheil gegen Nowlein und Bertelmann, die als Staatszeugen aufgetreten waren, vorläufig aber nicht vollstreckt und diese in Freiheit gesetzt, ferner Karl Widemann, Sobn deS hawaiischen deutschen Exministers, zu 30 Jahren Zucht haus und gleichfalls 10 000 Dollars Straszahlung, die Ameri kaner Marsball und Greiz zu 20 Jabreil und je 10 000 Dollars und die Brüder Laue zu 5 Jabren und je 500" Dollars. Da daS Urtheil vom 20. Januar datirt, sind die Verurtbeilten bereits sämmtlich in Sträflingskleidung gesteckt und in Arbeit gestellt worden. Diese Sträflingskleider werden die Herren tragen, bis eine neue Staatsumwälzung sie de freit, und darauf werden sie Wohl nicht lange zu warten brauchen. Deutsches Reich. * Leipzig, 27. März. Eine Anzahl patriotischer Männer bat sich heute vereinigt, nachstehende Adresse au Seine Majestät den Kaiser zur Unterschrift auSzulegen. Tie Stellen werden demnächst bekannt gegeben werden, doch sei schon hier daraus hingewiesen, daß die Auslegung nur bis Sonnabend dauern kann. Die Adresse lautet wie folgt: Euer Majestät fühlen wir, die Unterzeichneten, uns gedrungen, auS patriotischem Herzen aufs Tiefste zu danken! Indem Euer Majestät bei einem 1 Anlässe, der hoffentlich einzig in seiner Art bleiben wird, sofort der FeiriHetsir. Ein Lecher Lethe. 35! Roman von R. Teilet. Nachdruck verbot««. (Fortsetzung.) „Unter diesen Umständen", sagte ich, „kann Wohl auch eine Operation ohne jeden Schmerz ausgeführt werden?" „Insofern der Geist betroffen ist, ja. Physische Erregbar keit ist während der Zeit total aufgehoben. Ehe nun der Patient unter diesen Einfluß kommt, hat er schon die Meinung der Aerzte gebört, daß die betreffende Operation notwendig sei — daS heißt zu seinem Besten — er hat sich z. B. schon an den Gedanken gewöhnt, ein Bein zu verlieren; Alles, waS er fürchtet, ist der physische Scbmerz, der zur Amputation gehört. Wenn nun dieser physische Schmerz aufgehoben ist, kann er die ganze Procedur mit großem geistigen Interesse, das nichts Schmerzhaftes in sich birgt, verfolgen. Woorali- sorm hebt alle physische Empfindsamkeit aus und schärft alle geistige Empfindlichkeit. Es scheint die Theile des Gehirns, die den Gedanken erzeugen, anzuregen, und die, von denen die physischen Erregungen herstammen, zu betäuben. Und ick glaube, eben weil diese letzteren für eine Weile gebemmt sind, hat der Geist einen freieren Spielraum, einen weiteren Platz, eine größere Thätigkeit." „Wenn also", sagte ich, „ein Mensch in glücklicher Stimmung es nehme, so würde eS natürlich daS Gefühl seines Glückes enorm verschärfen?" „ES würde ein außerordentliches Glücksgefühl erzeugen", antwortete vr. Falck mit blitzenden Angen. Er batte mich — vielleicht ganr unabsichtlich — auf eine Idee gebracht. Ick hatte mich noch nie in meinem Leben so glücklich gefühlt, als in diesem Momente durch die plötzliche Offenbarung, daß Etbelren mich liebte. Warum sollte ich dies Glück nicht auskosten? — ihm Schwingen leihen und mich von ihm in den höchsten Himmel der Freude, den der Mensch erreichen kann, tragen lassen? Der bloße Gedanke berauschte mich. Und wer sollte mich daran hindern? vr. Falck batte mir gesagt, daß das Mittel absolut ungefährlich sei nnd ich wußte, daß ich ihm glauben konnte. „Ich sehe eS Ihnen an", sagte er, „daß Sie Lust baben, e< zu vrrsucken." „Allerdings." „Sind Sie aber auch in der richtigen Stimmung dazu?" fragte er spöttisch. „Ich glaube wobl", sagte ich lachend. „Gut, so versuchen Sie eS. Ich freue mich, auf diese Weise Ihr Urtheil darüber zu hören!" Er stand auf. Ich hatte in einem Lehnstuhl zurückgelegt gesessen und sollte auf des DoctorS Wunsch diesen Platz be halten. Er nahm von einem Regale eine mit einer gelben Flüssigkeit gefüllte Flasche und näherte sich mir damit, wahrend seine andere Hand eine Taschentuch hielt. „Eine Hauptschwierigkeit", sagte er, „war eS, das Woorali in seiner gewöhnlichen flüssigen Beschaffenheit in die Adern dringen zu lassen. Aber ich habe eS herausgebracht. Und da die Mischung hier eingeatbmet werden kann, ist der Modus das Einfachste, was es nur giebt. Ich brauche nur ein wenig in dies Taschentuch zu sprengen und es an Ihre Nase zu halten — dann ist die Sache erledigt. Ein Zug genügt." Jetzt stand er dickt vor mir. „Sind Sie bereit?" fragte er. „Ja, vollkommen." „Gut. Beginnen wir also." Damit hielt er mir daS Taschentuch vvr'S Gesicht. Ich holte tief Athem, aber eS kam mir vor, als spürte ich nicht die mindeste Wirkung. Ich fühlte absolut keine Veränderung in mir, dagegen bemerkte ich mit Schreck und Entsetzen, daß eine große Wandlung mit vr. Falck vorging. ES war, als sei eine Larve von seinem Gesicht gefallen. Seine Selbstbe herrschung war zu Ende. Seine Augen starrten mich mit mörderischer Wuty an. Seine Lippen verzogen sich verächt lich und zornig. Sein ganzes Aussehen veränderte sich. Ich erkannte eS plötzlich klar. Dieser Mann, den ich für meinen Freund gehalten, dem ich schrankenlos vertraut hatte, war mein Feind, und sogar ein Todfeind. Ich konnte mir im Moment keinen Grund dafür sagen, aber die Thatsache prägte sich mir mit einer Schärfe ein, die zu beschreiben ich nicht im Stande bin. Unwillkürlich ver suchte ich mich zu bewegen — aufzustehen — dem uner warteten schrecklichen Gegner gewappnet gegenüberzutreten. Aber zu meinem Schreck bemerkte ich, daß ich mich nicht regen konnte. Ich hatte mir eingebildet, eS sei keine Ver änderung mit mir vorgegangen, aber da« war ein Jrrthum. DaS Wooralisorm hatte schon seine Wirkung gethan. ES war rasch und fein durch meine Nerven gelaufen und hatte die Verbindung zwischen dem Willen und den Muskeln unterbrochen. Der Wille war da, — kein Mensch war sich seiner je stärker bewußt als ich in jenem Moment — die Muskeln waren ebenfalls da, aber die Beziehung zwischen ilmen batte aufgehört. Ich war hilflos, sprachlos, regungslos, während mein Gehirn mit einer Schärfe arbeitete, wie ich sie früher nie an ihm bemerkt oder gefühlt hatte. „So!" sagte er mit leiser, zischender Stimme, in der die unterdrückte Wuth stärker herauszuhören war, als die lautesten Töne sie wiederzugeben vermocht hätten. — „So! jetzt habe ich Dich! blinder Narr, Du!" Ich wollte ihm antworten, daß meine Freundschaft für ibn mich blind gemacht hätte, aber ich konnte nicht sprechen. Ich konnte nicht einmal meine Augen abwenden; er stand dicht vor mir und desbalb konnte ich ihn trotz meiner Un beweglichkeit deutlich sehen. Dann schritt er auf die Thür zu und öffnete sie. Ich hörte wie er seiner Auswärterin sagte, sie sollte die Hausthür ver schließen und sich zu Bette begeben. Hierauf verschloß er die Thür deS Laboratoriums und stellte sich wieder dicht vor mich hin. „Wir brauchen uns nicht zu beeilen", sagte er. „Es wird unS Niemand stören. Die Wirkung dieser Einatbmung dauert zehn Minuten; wenn eS nöthig sein sollte, folgt dann eine zweite." „Wenn eS nöthig sein sollte" — WaS meinte er damit? Ich war nickt im Stande zu schaudern, aber ich hatte daS Gefühl, als überliefr ein Schauder eisig meinen Körper. Er begann mit schweren Schritten im Zimmer aus und nieder zu gehen — dann blieb er wieder vor mir stehen und sagte zornig und bitter: „Du hattest Dir eingebildet, jetzt sei jedes Hinderniß be seitigt, da der Narr Darvill sich batte erstechen lasten? Du hattest nicht an mich gedacht, wie? Du vergaßest, daß die Wissenschaft auch ein Wort dreinzureden hatte ? — Du-Hieltest mich für eine bloße Maschine, wie? — über die man lachen und spotten kann? Ich hatte kein Herz — bewahre! Daß ich lieben könnte, war ein ganz fernUegender Gedanke! Und noch dazu Ethelren lieben! Die Idee war zu lächerlich, nicht wahr? Sie war Dein Eigenthum. Der rauhe deutsche Doctor konnte mit dem glatten englischen Grafensohne keinen Vergleich auShalten. Pah! WaS meinst Du wohl, wer sie jetzt doch haben wird? Selbst wenn sie Dich momentan liebt, wie lange glaubst Du, wird ihre Liebe wohl dauern, wenn Du — dahin bist? Lebende Menschen können ihr Herz nickt an Tobte hängen. O nein, sie wird sich in ganz kurzer Zeit trösten." Ich bin nicht im Stande, den Schrecken, mit dem ich einen Worten zuhörte, zu beschreiben. Hätte ich sprechen, widerstreiten, entgegnen können, ,mir wäre nicht so entsetzlich zu Muthe gewesen. Selbst wenn die Worte umsonst gewesen wären, daS bloße Sprechen hätte mir Erleichterung verschafft. Noch nie vorher war es mir klar geworden, welch ein unschätzbares Gut die Sprache für den Menschen ist, selbst als bloße Ableitung der Gefühle. Aber ick konnte nickt prechen, vermochte keine MuSkel zu regen; ich mußte nur mit mmer wachsender Schärfe einsehen, daß meine Lage hilf- und wffnungSlos sei. O, eS war ein entsetzliches Gefühl, die Angst dieser vollständigen Bewegungslosigkeit und das lebhafte Bewußtsein dieses Zustandes. „Du sagst. Du habest sie von Anfang an geliebt?" fudr er fort. „Ich ebenfalls. Wer hätte sie sehen und nicht lieben ollen? Warum solltest Du sie haben und ich auf sie ver- ichten? Freundschaft, was? Pah! Freundschaft ist etwas ehr Schönes, bis die Liebe kommt — dann ist die Freund- chaft nichts als eine hohle Blase. Soll ich Dich schonen, weil Du mein Freund bist? Nein, gewiß nicht! Du wolltest mir daS Theuerste, daS ich ans der Welt besitze, rauben. Du wolltest mich tödten, wie ich Dich jetzt tödten will, nur lang samer und grausamer. Jetzt sage ich Dir", und vor Er regung begann er lauter zu sprechen, „daß mir der Gedanke, Ethelren könnte die Deine werden, ärger als der Tod ist. Ich habe ein Recht, mich vor dem Tode zu schützen. Das erste Gesetz der Natur heißt: Selbstvertheidiguna." Bei dem scharfen Denken, in daS mein Zustand höchster nervöser Anspannung mich versetzt batte, glaubte ich in diesen letzten Worten den ersten schwachen Hoffnungsschimmer leuchten zu sehen. Er überlegte eine Weile die Sache mit sich selber, er sprach nicht zu mir, und ich ersah aus seinen Mienen, daß er mit der heimtückischen, grausamen Handlung, die er eben zu thun im Begriffe stand, innerlich nicht ganz zufrieden war. Sein Gewissen arbeitete noch, wenn auch schwach. Er war ein Mann von Erziehung, Bildung, Geist, Scharfsinn. Er konnte meiner noch schonen — oder auch nicht. Es war, wie ich bereits gesagt, ein Hoffnungsschimmer, aber er ließ mich meinen Zustand absoluter körperlicher Hilflosigkeit doppelt schmerzlich empfinden. Noch einmal durchschritt er unentschlossen und zögernd daS Zimmer. Dann goß er abermals Wooralisorm aus da« Taschentuch und birlt «S vor mein Gefickt. D«r
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