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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.02.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980203019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898020301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898020301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-03
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84ß Deutsche- Reich. * Lei-zi«, 2. Februar. In dem „Deutschpatnotischen Berlage Wilhelm John" in Berlin erscheint seit Kurzem »Wehr undEhr", „Zllustrirte Zeitschrift für die Deutsche Armee, Marine und deren Freunde". AIS Chefredakteur ist auf dem Titelblatt Pr.-Lieut. a. D. O. Elster genannt. Die Oeffentlichkeit hat ein erhebliches Interesse daran, zu erfahren, ob der genannte Herr identisch ist mit dem welfischen Parteigänger gleichen Namens. * Berlin, 2. Februar. Gegen die „Privatdocenten- Vorlage" haben, wie schon kurz gemeldet, von den 84 ordentlichen Professoren der Berliner Universität die unterzeichneten 41 folgende Petition an das Abgeord netenhaus gerichtet: Die unterzeichneten ordentlichen Professoren der Berliner Universität ersuchen das Hohe Haus der Abgeordneten, dem von der Regierung vorgelegtcn Entwurf über die Rechtsstellung der Privat- docenten die Zustimmung versagen zu wollen. Der Gesetzentwurf läuft im Wesentlichen darauf hinaus, die nicht ungestillten Universitätsdocenten derselben Verantwortlichkeit zu unterwerfen wie die angestellten; die wesentlichste Neuerung, die er fordert, besteht für unsere Universität darin, daß dem einmal zugelassenen Docenten zur Zeit nur mit Zustimmung der betreffenden Facultät die Lehrtätigkeit untersagt werden kann und dieses Recht ihr genommen wird. Es erscheint uns hart und unbillig, diesenigen Docenten, welche, abgesehen von einigen geringfügigen öffentlichen Functionen, keine Beamtenrechte genießen, der Beamtenverantwortlichkeit in vollem Umfang zu unterwerfen. Den in dem Vorbereitungsstadium für das öffentliche Lehramt stehenden Männern gegenüber hat die Re- gierung schon jetzt, wenn sie aus irgend einem Grunde einem der selben mißtraut, die furchtbar schwere Waffe in der Hand, ihn, wie immer er wissenschaftlich stehen mag, vom Lehramt auszuschließen, was in den bei Weitem meisten Fällen auf eine Vernichtung seiner Tbätigkeit und häufig genug seiner Existenz hinauskommt. Das Siecht des Staates noch weiter zu steigern, dürfte kaum ein prak tisches Bedürfniß vorliegcn. ES erscheint uns nicht minder hart, daß durch die Einbringung dieses Entwurfs den Facultäteu thatiächlich der Vorwurf gemacht wird, in der Ausübung ihrer Disctvlinarbefngniß ihre Pflicht nicht gewissenhaft erfüllt zu haben. Dieselben haben mindestens ebenso sehr wie das vorgeordnete Ministerium ein Interesse daran, die Ehrenhaftigkeit der Körperschaft zu wahren, und ost genug sind sie bei vorkommenden Verstößen warnend, tadelnd, strafend eingeschritten. Andrerseits haben sie nach dem Grundsatz gehandelt, den Einzelnen in seiner Stellung zu politischen und religiösen Fragen bei Ein haltung der Schranken des Strafgesetzes und der öffentlichen Zucht gewähren zu lassen und sich der Gesinnungsverfolgung zu enthalten. Das Recht, den von der Facultät zum Katheder zugeloffencn Docenten aus dieser Stellung zu entfernen, besitzt und beansprucht dieselbe nicht; von dem Recht, welches sie besitzt, diese Entfernung bei dem Ministerium zu beantragen, ist mit äußerster Vorsicht Gebrauch gemacht worden. Sehr schwer würden wir es empfinden, wenn unseren Facultäten die Befnguiß genommen wird, den von ihnen .zugelassenen Gelehrten, die nach ihrer Auffassung vielleicht einen Tadel, aber nicht den Ausschluß von dem gewählten Beruf ver dienen, ihre Stellung zu wahren. Sie verlieren mit dieser Ent ziehung des humanen Schutzrechts den letzten Rest ihrer korporativen Selbstständigkeit. Wissenschaftliche Aechtung ist gefährlich auch für den, der sie ausübt; gefährlich vor Allem dann, wenn sie gegen jüngere, großen- theils noch in der inneren Entwickelung begriffene Männer zur Anwendung kommt. Der Ausschluß des nicht angestellte» Univer sitätslehrers vom Katheder läuft auf diese Aechtung hinaus. Die schwere Verantwortung für ein solches Verfahren tragen zur Zeit die betreffende Facultät und das vorgeordnete Ministerium gemein schaftlich ; damit ist den Männern der Wissenschaft wenigstens die Mitwirkung gesichert und, wie wir meinen, dasjenige Maß unparteiischer Gerechtigkeit erreicht, welche- in diesen schwierigen Fällen überhaupt erreicht werden kann. — Uebertragung der Ausschließungsbefuguiß auf den Disciplinarhos und das Staatsministerium schließt die Vertretung der Wissenschaft bei solchen Vorgängen aus und öffnet, wenn nicht der Gesinnungs- Verfolgung selbst, so doch mindestens dem Anschein einer solchen die Thore. Es ist dies weniger noch im Interesse der einzelnen davon betroffenen Personen als in dem wohlverstandenen Interesse unseres durch liberale Geistesmacht erwachsenen Staates zu vermeiden. Mit Rücksicht aus diese Erwägungen ersuchen die Unterzeichneten um Ablehnung des bezeichneten Gesetzentwurfs. ! Berlin, den 29. Januar 1898. Delbrück. Diels. Gierke. Harnack. Hirschfeld. Mommsen. Paulsen. Peruicc. Planck. Erich Schmidt. Tobler. Wagner. Waldeyer. Weinhold. Rammelsberg. Stumpf. W. Foerster. Kleinert. Warburg. Landolt. Schrader. Gusserow. A. Brückner. E. v. Bergmann. Erman. Schwendener. Kiepert. Heubner. Emil Fischer. Weber. Hübler. Kirchhoff. Engel mann. Brandt. Kaftan. Johannes Schmidt. Hübner. V. Liebreich. Lenz. Eck. FrobeniuS. * Berlin, 2. Februar. Bei der gestrigen Berathung des landwirthschaftlichen Etats im Abgeordnetenhause wurde erwähnt, daß in Nordamerika eine dem Obstbau gefährliche Schildlaus aufgetaucht sei, gegen deren Einschleppung nach Deutschland Maßregeln ergriffe würden. Die „Hamburger Börsenhalle" berichtet nun: „Nach einer Verfügung des Senats, der seinerseits jedenfalls auf Weisung des Reichskanzlers handelt, ist, wie uns mitgetheilt wird, seit gestern die Einfuhr frischen Obstes auS Amerika verboten. Diese Maßnahme wurde heute dahin rectificirt, daß die Wiederausfuhr nach England auf dem See- Wege gestattet wurde; dagegen ist der Verkauf und die Ein führung des ObsteS in Deutschland untersagt geblieben. Nach unseren Ermittelungen ist dieses überraschende Verbot darauf zuriickzusührcu, daß ein Professor in Süddeutschland in einer Kiste amerikanischer Aepfcl eine oder einige Schildläuse oder Blattläuse entdeckt haben will. Abgesehen vou der sehr großen Schädigung der Lihedereie» und des Handels wird diese plötzliche Maßnahme in weiten Volksschichten peinlich empfunden werden, da namentlich frischt amerikanische Aepsel in den letzten Jahren eia sehr beliebte», gesunde» uud billige- Nahrungsmittel sind." Gleichzeitig meldet die „Köln. Ztg": „Wie wir zuverlässig vernehmen, ist beim Grenzzollamt Emmerich die Nachricht von einem Einfuhrverbot für amerika nische« Obst (Aepfrl, Pflaumen »c.) ringegangen " Wenn in der That für die deutsche Obstzucht eine ähn liche Gefahr vorliegt, wie die Reblaus sie dem Weinbau be reitet bat, dann ist das energischste und rascheste Borgehcn gerechtfertigt. V. Berlin, 2. Februar. (Telegramm.) Der Kaffer beehrte nach der gestrigen Frühstückstafel den hiesigen englischen Botschafter Srr Frank LaScelleS mit einem Besuche. Heute Morgen machte er einen Spazier gang im Thiergarten und empfing nach der Rückkehr ins Schloß den Chef des Civilcabinets zum Dortrag und dem nächst den Landeshauptmann für das Schutzgebiet der Marschallinseln, Inner. (-) Berlin, 2. Februar (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet, daß der Reichskanzler von der leichten Erkältung wieder hergestellt sei. D Berlin, 2. Februar. (Telegramm.) Das Staats ministerium trat Nachmittags unter dem Vorsitze des StaatS- ministerS v. Miquel zu einer Sitzung zusammen. — Die „Nat.-Z." berichtet: MassenauSschlüsse aus socialdemokratischen Organisationen sind in der nächsten Zeit zu erwarten. Dem Beispiel einiger Fachvereine felgend, die solche Mitglieder ausgestoßen haben, welche sich bei Wahlen der Wahlpflicht entzogen, sind jetzt auch die socialdemokratischen Wahlvereine dazu übergegangen, „Muste rung" unter den Mitgliedern zu halten, die sich unter allerlei Vorwänden von der Stimmabgabe fernhielten. In der letzten außerordentlichen Generalversammlung deS social demokratischen Wahlvereins für den dritten Kreis führte dieser Gegenstand zu stürmischen Auseinandersetzungen. Wenn auch das Gesetz, so wurde ausgeführt, keine Wahlpflicht statuire, so bestehe diese doch für alle überzeugten Anhänger der Socialdemokratie; wer sich dieser Verpflichtung entziehe, sei als Feind der Partei zu betrachten und dementsprechend zu behandeln. Der Antrag des GastwirthS Gruner, nach welchem Jeder ausgeschlossen wird, der sich ohne genügende Gründe der Stimmabgabe bei Wahlen, an denen der Verein beschlossen hat, sich zu betheiligen, fernbält, wurde an genommen. Meist sind Geschäftsleute und kleine Handwerker von dieser Maßregel betroffen worden. — Im Februar-Heft der „Deutschen Revue" veröffent licht der britische Admiral P. H. Colo mb einen Aufsatz über die Entwickelung deS Seekrieges, worin er zu beweisen sucht, daß die Schiffsbau-Technik keineswegs stetig geworden sei, sondern sich nach wie vor in fortschreitender Entwickelung befinde, und daß gerade der gegenwärtige Zeitpunct weniger als je dazu angethan sei, sich auf Jahre hinaus für bestimmte Schiffsclassen festzulegen. Die „Berl. N. N." bemerken hierzu sehr richtig: „Die Arbeit hat gar keinen andern Zweck, als im englischen Interesse die deutsche Flotten- Vorlage zu durchkreuzen. Dieser in der demokratischen Presse hochgerühmte englische „Fachmann" vergißt hervor zuheben, daß die britische Admiralität, die doch min destens so fachmännisch ist wie der Admiral Colomb, un geachtet aller Torpedos aller Flotten der Welt nicht genug Linienschiffe und Panzerkreuzer bauen kann. Die Schrift hat ungefähr den Werth, als wenn ein höherer französischer Ofsicier die deutsche Heeresleitung davor warnen würde, für die Vertheidigung von Metz und Straßburg zu sorgen. Die Maßnahmen der britischen Admiralität sind hundertmal beredter als die Ausführungen deS Admirals Colomb." * Königsberg, 2. Februar. Die Stadtverordneten bewilligten 100 000 als Beitrag für den masurische» SchifffahrtScanal. * Hannover, 1. Februar. Im 19. hannoverschen Neichs- tagöwahlkreise, der gegenwärtig durch den Abg. Hahn ver treten wird, wurde in einer in Cuxhaven abgehaltenen Ver trauensmänner-Versammlung der freisinnigen Volks partei der Hofbesitzer Otto Eckel als ReichstagScandidat der freisinnigen Volkspartei für diesen Wahlkreis ausgestellt. — Der freisinnige Eckel dürfte der letzte fein, der Herrn vr. Hahn auS dem Reichstage „ekelt". * Cleve, 1. Februar. Die lex Heinze wirst ihre Schatten voraus. Ein hiesiger Buchhändler ist durch den Bürgermeister dazu veranlaßt worden, bei Vermeidung einer Polizeiverfügung die bekannten im Verlage von I. I. Weber inLeipzig erschienenen Zeichnungen von SaschaSchneider auS seinem Schaufenster zu entfernen, da an denselben von verschiedener Seite Anstoß genommen worden sei. (Köln. Z.) * Köln, 2. Februar. Die Staatsanwaltschaft hat noch ein weiteres Strafverfahren gegen den Criminalschutz- mann Kiefer eingeleitet, und zwar in Folge eines Briefes, den das als Zeugin im verflossenen Kieferproceß vernommene Frl. Hartmann aus Jülich kürzlich an die Staatsanwalt schaft richtete. Frl. Hartmann wurde durch Kiefer und dessen College» Siecher irrthümlich als Dirne verhaftet und während der Nacht festgehalten. In dem Briefe macht die Dame, der „Voss. Ztg." zufolge, überaus belastende Angaben über die Behandlung, die ihr in der Nacht auf der Wache zu Theil geworden sei. * Ansbach, 1. Februar. In einer vorgestern in Kloster Heilsbronn abgehaltenen demokratischen Vertrauensmänner versammlung wurde der Baumeister Simon Eckardt von hier als Candivat für den Reichstagswahlkreis Ansbach- Schwabach-Roth aufgestellt. Der bisherige Vertreter ist der demokratische Herr vr. M. G. Conrad. * Tlrahhurg, Februar. Der „Elsaß-LothrlngisLen Volk-Partei" zufolge wurde gegen den verantwortlichen Redacteur des in Straßburg erscheinenden „Landwirthschaft lichen Zeitgeist". Bader, daS Zeugnißzwangverfahren eiugeleitet. Die Veranlassung bildet ein im „Zeitgeist" er schienener Artikel, durch den sich die Firma Hachenburger in Darmstadt beleidigt fühlte. Hachenburger vermutbete als Einsender des Artikels seinen Eoncurrenten Adolf Theiß in Darmstadt uud verklagte ihn darum wegen Beleidigung. Bader wurde als Zeuge geladen und um Bekanntgabe, des Verfassers - ersucht. Da Bader sich weigerte, den Verfasser ru nennen, erhielt er vom Amtsgericht einen Tag Haft. Bader wurde neuerdings wiederbolt vorgeladen und zur Be kanntgabe des Verfassers anfgcfordert, doch ohne Er folg. (Frkf. Ztg.) * München, 1. Februar. Nach der „N. Fr. Volksztg." wurde gegen den Bauernbundführer Schmidt in Straubing auf Grund einer Rede über die Flottenvorlage daS Ver- fabreu wegen Majestätsbeleidigung eingeleitet. Oesterreich-Ungarn. Studcntcnstrcik. * Wie», 2. Februar. (Telegramm.) DaS „Fremden blatt" führt aus, daß die Art, wie die Resolution des Leit- meritzer Akademikertages durch die Hochschüler auS- gesührt wurde, leider sehr geeignet sei, die Sympathie zu beeinträchtigen, welche seither der deutschen Studentenschaft entgegengcbrackt wurde, da dieselbe den Boden des Gesetzes verlasse, sich gegen die Professoren auslehne und denselben ihren Willen aufzwingen wolle. Das mache sehr den Ein druck, als ob die studentische Action in eine politische um schlagen solle. Auf dem Akademikertage hätten die Professoren nur ein solches Verhalten empfohlen, das zum Schutze der Rechte und der Interessen der Studentenschaft geeignet sei; da sei der Verdacht nicht abzuweisen, daß die Studentenschaft in einen radica l-nationalen Kampf getrieben worden sei und zu einem politischen radikalen Werkzeuge werden solle. Angesichts dieser über die ursprünglich gezogenen Grenzen hinausgehenden Action erfülle das pflichtgemäße einmütbige Vorgehen der Professoren mit Befriedigung und Be ruhigung. Vielleicht werde die durchaus kaltblütige gelassene Aufnahme der studentischen Campagne das jugendliche Feuer derselben dämpfen. Es sei dringend nothwendig, die Hut des Deutschthums jenen Männern zu überlassen, die im Kampfe um die deutschen Rechte in Böhmen viel erduldet und mit deutschem Bewußtsein die Liebe zum Oesterreicherthum und die Pflichten desselben unleugbar vereinigen. Socialistische Unruhen. Pest, 1. Februar. Aus mehreren Comitaten kommen Nachrichten über socialistische Unruhen. In Torda er folgte gestern ein Zusammenstoß mit der Gendarmerie. Die Verhafteten mußten freigegeben werden, weil die aufgeregte Menge sich anschickte, das Stadthaus zu stürmen. Nach dem Szabolyser Comitat wurden 1k»0 Mann Gendarmen zur Verstärkung abgeschickt, da in mehreren Gemeinden Unruhen ausbrachen. Aus Kisvarda wurde heute dringend Hilfe ver langt, da dort ein förmlicher Aufruhr herrscht. Sofort sind zwei Compagnien Militair dorthin abgegangen. (Frkf. Ztg.) Frankreich. Procetz Picquard. * Paris, 2. Februar. (Telegramm.) Der Kriegs minister Billot nahm gestern Abend die Entscheidung des Untersuchungsausschusses, in der Angelegenheit Picquard entgegen, wird jedoch seine Entschließungen hierüber erst nach Beendigung deS ProcesseS Zola bekannt geben, damit es nicht scheint, daß er den Spruch der Geschworenen beeinflussen wolle. In militairischen Kreise» glaubt man, daß der Spruch des Untersuchungsausschusses für Picquard un günstig ausgefallen ist und daß Billot die Pensionirung Picquard's nachsuchen wird. — Der von Rein ach gegen Rochefort angestrengte BerleumdungSp roceß wurde heute uuter denselben Vorsichtsmaßregeln, wie sie am letzten Mittwoch im Justizpalast getroffen waren, fortgesetzt. * Paris, 2. Februar. (Telegramm.) Ueber die gestrige Verhandlung des Untersuchungsausschusses gegen Oberstlieutenant Picquard kann „Matin" trotz strengster Geheimhaltung ausführlich berichten. Nach dem Blatte hätte die Verhandlung folgenden Verlauf genommen. Der Aus schuß batte über die Frage zu entscheiden: „Ist Picquard in dem Falle, wegen schwerer Vergehen im Dienste verab schiedet zu werden?" Vorgeworsen wird ihm, er habe erstens über eine bereits abgeurtheilte Angelegenheit eine persönliche Untersuchung eröffnet und einem Nicht- militair Schriftstücke mitgetheilt, die dienstliche Be schaffenheit hatten, zweitens aus Rache dritten Per sonen Privatbriefe ausgeliefert, die vertrauliche dienstliche Einzelheiten enthielten. Die in der berühmten Anklageschrift Ravary'S enthaltene Beschuldigung, Picquard habe Ester- hazy'S belastende Papiere geradezu gefälscht, hat man nicht ausrecht zu erhalten gewagt. MaitreLeblois gab zum ersten Puncte ohne Weiteres zu, daß er, der nicht Militair sei, dem Picquard Schriftstücke gegeben habe, die DreyfuS' Unschuld beweisen. Wenn er dies früher öffentlich geleugnet habe, so sei eS gewesen, um seinen Jugendfreund Picquard nicht in eine schiefe Lage zu bringen. General de Gallifet bezeugte allgemein die hohe Ehrenhaftigkeit und beruf liche Tüchtigkeit Picquard's. Der zweite Anklagepunct betrifft dievierzehn Briefe deS Generals Gonse. Sie wurden geschrieben, als der große Generalstab gegen Picquard Straf maßregeln beschloß, weil er gewagt hatte, das begangene Ver brechen aufzudecken. Picquard war sinnlos vor Wuth und da er die Hände voller Beweise hatte, sprach er davon, alles auffliegen zu lassen. General Gonse schrieb ihm, um ibn zu beruhigen und zu beschwören, baß er seine Rachelust bezähme. Gonse tadelte gestern Picquard streng, daß er seine Briefe auS der Hand gegeben und leugnete nunmehr, daß er Picquard's Ueberzeugung getheilt babe; er habe nur fo gethan, um ihn zu begütigen!! DreyfuS' Vertheidiger haben bisher Gonse's Briefe nicht veröffentlicht, weil sie von vertraulichen Einzelheiten über den französischen Geheimdienst wimmeln. Die Abstimmung war geheim, dock ist es nack> „Matin" nicht zweifelhaft, daß der Ausschuß Picquard's Verabschiedung beschlossen hat. Der Beschluß geht an den Pariser Militairgouverneur, der daS Weitere verfügt. DaS Staatsoberhaupt hat übrigens daS Recht, einer Verurtheilung keine Folge zu geben oder nach einiger Zeit die Wiederänstellung deS Verabschiedeten anzuordnen. Untersuchungsrichter BertuluS soll, wie die Blätter deS klerikalen SyndicatS klagend mittheilen, die Ein stellung des Verfahrens gegen Mathias DreyfuS verfügt haben, den die Wittwe Sandherr auf Grund einer Prahlerei ihres irrsinnigen und bald darauf im Irrsinn ver storbenen Gatten beschuldigt hatte, er habe Sandherr 1894 bestechen wollen. (Voss. Ztg.) Niederlande. Allgemeine Tienstpflicht. * Amsterdam, 1. Februar. Der Gesetzentwurf betr. Ab schaffung der Stellvertretung beim Militair und Einführung der allgemeinen Dienstpflicht ist der zweiten Kammer nunmehr zugegangen. (Frkf. Ztg.) Italien. Brodkrawaüe. * Rom, 2. Februar. (Telegramm.) Aus Besorgniß vor neuen Unruhen sind in vielen Städten militairische Vorkehrungen getroffen, gleichzeitig werden Volksküchen eingerichtet und Brodvertheilungen vorgenommen. Be sonders groß ist das Elend in Sardinien. In Sicilien herrscht Unzufriedenheit und Gährung unter den Tausenden Arbeitsloser. * Mailand, 2. Februar. (Telegramm.) In Savig- nano wiederholten sich gestern die Unruhen, die Menge stürmte die Bäckerläden und raubte das gesammte Brod, dessen sie habhaft werden konnte. Meldungen über drohende Kundgebungen von Arbeitslosen liegen heute außer dem auS der Provinz Ferrara und aus der Umgegend von Neapel vor. (Voss. Ztg.) Asien. K i a o 1 s ch a u. L. Verkitt, 2. Februar. (Privattelegramm.) Gegenüber der alarmirenden Nachricht englischer Blätter aus Kiaotschau erfährt die „Nationalztg." von insormirtester Seite, daß dort die Ruhe seit der Ermordung des Matrosen Schulze nicht mehr gestört wurde. Chinesische Anleihe; Englands Rückzug. * London, 2. Februar. (Telegramm.) Wie den „Times" aus Petersburg berichtet wird, waren Vertreter der Discontobank, der Deutschen Bank und mehrerer anderer Berliner Banlfirmcn mehrere Tage laug in Petersburg. Nach ihrer Abreise hieß es in Finanzkreifen, eö sei eine russisch-deutsche Anleihe an China im Betrage von hundert Millionen Rubeln zum Abschluß gelangt. DaS Gerücht bedürfe indeß noch der Bestätigung. (Magdeb. Ztg.) * London, 2. Februar. (Telegramm der „Voss. Ztg.") Eine Pekinger Drahtung der „Times" besagt, England habe seine die Oeffnung TalienwanS erheischende Bedingung endgiltig zurückgezogen. In ihrer Erörterung über diese Meldung nehmen die „Times" an, die Zurückziehung der Be dingung sei nichts weiter als ein hübsches Zugeständniß, nach dem Grundsätze cko ut ckos. England verzichte auf das Vor recht des Zutritts zu einem nicht besonders wünschenSwcrlbcn Hafen, erhalte dagegen die Annahme der wesentlicheren Be dingungen seines Anerbietens. Zu ihrer Petersburger Drah tung, daß eine russisch-deutsche Anleihe für China im Betrage von 100 Millionen Rubel abgeschlossen worden sei, bemerken die „Times": „Während'wir glauben, daß der erfolgreiche Abschluß der britischen Anleihe für China zu den vorgeschlagenen Bedingungen, selbst ohne Oeffnung TalienwanS, England wie allen Handelsnationen der Well zu großem Vonheile gereichen würde, sehen wir keinen Grund, warum das Scheitern der Unterhandlungen von den ernsten Folgen, die in gewissen Kreisen erwartet werden, unverzüglich begleitet sein sollte. Es liegt weder im Interesse Rußlands, noch in dem anderer Mächte, einen Kampf mit England heraufzubcschwören. Falls wir nicht durch einen vorsätzlichen Angriff auf unsere Rechte heraus gefordert werden, ist es ganz sicher, daß wir uichrs thun werden, den Weltfrieden zu stören. Unser Handel hat zwar viele Interessen, für die im Nothfalle zu kämpfen wir vor bereitet sind; allein das größte unserer Handeisinteressen ist der Friede." (Ausführlich.) Tie Luge auf Korea. * London, 1. Februar. Eine Shanghaier „Dalziel"- Drahtmeldung besagt, mehrere Tausend Mann russischer Truppen rückten in die Mandschurei ein mit Ein willigung der chinesischen Regierung. * London, 2. Februar. (Telegramm.) Wie dem „Standard" aus Kobe telegraphirt wird, soll sich nach einer Depesche auS Söul der Kaiser von Korea geweigert haben, in der russischen Gesandtschaft Wohnung zu nehmen. Auch sei eine Ministerkrisis eingetreten. Der Minister deS Acußcren, der russische Neigung zeige, habe seine Entlassung genommen. (Fortsetzung des Texte- in der 1. Beilage.) haben soll, wenigstens berichten dies verschiedene ältere Reisende, während andere es freilich leugnen. Dem sei nun, wie es wolle, jedenfalls können wir uns den Gang, den die alberne Fabel von der verwandelten Schlangenzunge nahm, recht gut vorstellen. Ein Factum war, Paulus war hier auf Malta von einer Schlange verletzt worden, und Schlangen stechen mit ihren Zungen — der allgemeinen Annahme nach —, obwohl es dann schwer zu erklären ist, daß die Leutlein in der Umgebung des Apostels das Thier an seiner Hand hangen sahen. Le genden nehmen es allerdings mit der Logik nicht so genau! Paulus entzog den Schlangen der Insel die gefährlichen Werkzeuge für alle Zeit, und damit kein weiterer Mißbrauch seitens der alten Eigenthümerinnen mit denselben getrieben werden könnte, erachtete er es für praktisch, die Zungen in Stein zu verwandeln. Damit waren für die Malteser zwei Fliegen mit einem Schlage erlegt: erstens waren sie ihre giftigen Schlangen los, und zweitens war ihnen eine ganz hübsche Einnahmequelle eröffnet, denn nach dem medicinischen Geiste der Zeit, der unter dem erwähnter. Zeichen des „simili» similidug cnrnntar^ stand, konnte es gar kein besseres Verwahrungs- und Heilmittel gegen den Biß von Giftschlangen geben, als eben jene maltesischen gIl)88opetrLo,denen ja außerdem seit Pauli Zeiten der Nimbus des Wunders anhaftete. Die Sache entwickelte sich nun weiter. Unsere Ahnen per- sonificirten die Krankheiten bis zu einem gewissen Grade. Die Pest z. B. schlich herum wie ein böser Dämon, sie wird ein Würg engel genannt, der die Menschen antastet und schlägt, ja, sie wird mit einem Drachen, d. i. einer Schlange verglichen, der sich sein Schlachtopfer sucht und sticht. Was lag als Con sequenz eines solchen gewiß poetischen Vergleiches näher, als gegen das Gift jener unsichtbaren Schlange dieselben Mittel wie gegen den Biß sichtbarer Giftschlangen anzuwendrn? Die Pest ist ein giftiger Dämon, und was gegen ihr Gift hilft, wird überhaupt die Wirkung aller Gifte abhalten, daher sind auch die Schlangenzungen — jene versteinerten Haifischzähne — herrliche Gegengifte. Aber, wie gesagt, die Pest ist nicht blos giftig, sie ist auch ein dämonisches Etwas. Im Mittelalter ging auch ein anderer höchst unheimlicher Dämon, ein fürchterlicher Send ling der Hölle umher, das war „der schwere Jammer", „der fallende Wehtag", „das böse Wesen", „St. Veit's Uebel", und wie die Epilepsie sonst noch heißen mochte. Von ihrer Häufig keit im Mittelalter können wir uns kaum eine Vorstellung machen, aber aus der Menge ihrer Namen und der Unzahl gegen sie in Anwendung gebrachten Mittel, zu denen auch die Schlangenzungen gehörten, können wir sic doch einigermaßen er schließen. — Die Zungensteine oder Otterzungen wurden innerlich und äußerlich angewendet. Man trug sie als Amulette um den Hals, in Ohr- und Fingerringe gefaßt. Sie wurden in Trink becher eingesetzt und sollten hier schwitzen, d. h. mit einem feuchten Beschlag anlaufen, wenn Gift auf dem Tisch wäre. Bei Epi leptikern machte man hinten im Nacken einen Einschnitt, bis Blut kam, und band einen fossilen Haifischzahn darauf. Kindern hing man die größeren um den Hals mit derselben Absicht, wie man das jetzt mit Elfenbeinringen oder Stücken der Veilchen wurzel thut, nämlich damit die Kleinen beim Zahnen darauf beißen sollten. Aus den gla^opetris bereitete Pulver dienten als Streumittel beim Wundliegen der Kinder und bei Triefaugen, innerlich gab man sie gegen allerlei wirkliche und vermeintliche Vergiftungen, gegen Pest, Syphilis und Epilepsie. Aus dem thonartigen Gestein, in dem die Steinzungen in der St.-Paulshöhle auf Malta gefunden wurden, bereitete man Gefäße, die den in sie geschütteten Gifttrank unschädlich machen sollten u. s. w. Mit allen diesen Medikamenten wurde ein lebhafter und gewinnbringender Handel getrieben. Da die Sache durch Pauli Wunderwerk einen kirchlich-geistlichen Anstrich hatte, nahm sich ihrer die Malteser Geistlichkeit an. Da wurden, ganz im Sinne unserer Zeit (Kneipp, Kathreiner u. s. w.), schon 1643 Reclameschriften in fran zösischer und lateinischer Sprache gedruckt: L Lkalw, pur per- mi88ioll ck68 8uporisui-8«. Es sind uns Abdrücke solcher Zettel erhalten worden, aus denen wir ersehen können, daß die Sache ganz geschäftsmäßig betrieben wurde. Es wird darin versichert, die Schlangenzungen würden nur von durchaus zuverlässigen Männern gesammelt und ausgeführt, so daß das Publicum sich versichert halten dürfe, daß ein Betrug nicht unterliefe, näm lich außer dem großen, von vornherein stattfindenden, aber vielleicht unbewußten. Als die heilkräftigsten Schlangenzungen galten die aschgrauen, wahrscheinlich waren sie am rarsten, mußten am theuersten bezahlt werden, und vielleicht verstand man die Kunst, was nicht grau war, grau zu machen. Selbstverständlich hielten die geistlichen Kaufherren auf ihre Maare und waren sehr unangenehm berührt, als an verschiedenen Orten die Concurrenz anfing sich zu regen. Man mußte ja wohl nothgedrungen zugeben, daß ähnliche Gebilde auch ander wärts gefunden wurden, nur fehle ihnen die wahre Würze — es seien eben keine vom Heiligen Paulus verwandelte Schlangenzungen. Aber die Leute waren bockbeinig, und wenn sie auch dumm genug waren, an die Heil- und Wunderkraft der fossilen Hai fischzähne überhaupt zu glauben, so waren sie doch schon zu gescheit geworden, sich weiß machen zu lassen, sie müßten nun gerade von Malta kommen. So erzählt uns Johann Daniel Geier (1687), daß, als bei Flonheim in der Pfalz solche glEvpetras gefunden worden seien, die Mainzer Aerzte sie aufgekauft hätten. Man wurde aber gegen die ganze Sache mißtrauisch und fing an, sie für Schwindel zu halten, wobei man sich freilich den Kopf darüber zerbrach und sich weidlich herumzankte, ob die glossopetrae „Naturspiele" I»8U3 uaturao seien, oder ver steinerte Haifischzähne, wie Olaus Worm zuerst behauptet hatte. Dieser letzteren Meinung huldigt auch der große Leibniz. In seiner 33 Jahre nach seinem Tode erschienenen krotogaan (oder Urerde oder Urwelt) urtheilte er sehr abfällig über die Heilkraft dieser Gebilde. Gleichwohl hat auch er sich vom tirfeingewurzelten Vorurtheil der Signaturen noch nicht ganz frei machen können. Er läßt die versteinerten Haifischzähne pulverisirt als Zahnputz mittel gelten, weil das Pulver hart sei, er fügt aber doch hinzu, ein Zahn dürfe dem anderen Zahn doch wohl weniger schädlich sein. Andere Gelehrte werden ausfällig und sogar — ich muß es mit Bedauern feststellen — unzart, und ich bitte, nicht mich für ihre Aeußerungen verantwortlich machen zu wollen. So wirft der erwähnte Geier die Frage auf, welchen Nutzen die 8lo88vpeU ne überhaupt haben dürften, und giebt sich selbst die Antwort, die Jesuiten hätten den größten davon, denn sie trieben Handel damit. Ein seiner Zeit sehr berühmter Mann, Salomo Büttner, den ich hier wörtlich mit seiner alten Orthographie und Allem citire, sagt: „Die Maltheser Schlangensteine (Olo88op6trao) sind dermaßen bekant, daß auch der Dauer durch Marktschrcyer davon predigen höret. Einige der Herrn Calho- licquen, sonderlich Cornela Lapide, geben sie für ein Wunder- werck Pauli aus. Doch vernünfftige Leute haben es allezeit unter die pias trkmckes (fromme Betrügereien) gezehlet." — Die berühmte Waare, die einst die Marktschreier auf allen Gassen ausboten, kennt jetzt nur noch der Gelehrte! 8io trausit giori» wuncki! AL
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