Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.05.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990527028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899052702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899052702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-27
- Monat1899-05
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS k der Hauptexp,ditto» oder den tm Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung in« Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Au-gab« erscheint um '/,? Uhr. die Sbend-AuSgabe Wochentag« »m 5 Uhr. Uedaction und Lrpedition: AohanntSgasse 8. Di« Expedition ist Wochentag« ununterbroche» geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. »< Filialen: Dtt« Klemm'« Sortim. (Alfred Hahn). UniversitätSstraße 3 (Paulinuni^. Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und LöntgSplatz 7. Abend-Ausgabe. KWMrIaMM Anzeiger. Amtsblatt des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nslizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Pret- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamrn unter dem RedactionSstrich (4a»- spalten) bO^j, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem PreiS- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung Vs 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 265. Sonnabend den 27. Mai 1899. S3. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. Mai. Wenn nach ernsten Verhandlungen über wichtige politische, sociale und wirtschaftliche Fragen auch der Humor zu seinem Rechte kommt, so wird nur ein unverbesserlicher Griesgram etwas dagegen einzuwenden finden. Wenn aber solchen Ver handlungen der „Ulk" vorberg eht, so ist eS begreiflich, daß ernste Männer sich peinlich davon berührt fühlen. Wahrscheinlich aus diesem Grunde gehen einige Bericht erstatter über den X. evangelisch-socialen Congreß mit Stillschweigen über eine Rede hinweg, die Professor Dr. Hans Delbrück an dem den Hauptversammlungen vorangegangenen Begrüßungsabende über die Lösung der socialen Frage durch das Fahrrad gehalten hat. Andere Blätter, die anscheinend die „Pointe", den Zweck der Rede nicht verstanden haben, berichten über sie folgendermaßen: Professor vr. Delbrück-Berlin (mit lebhaftem Beifall begrüßt): Wir sind heute Abend schon in eine Behandlung der socialen Frage eingetrrten. Mir ist neulich ihre Lösung aufgegangen (Heiterkeit): das Fahrrad! (Heiterkeit.) Ich radle nämlich seit 2 Jahren. Ein Fahrradler verträgt keinen Alkohol — wie wichtig für eine sociale Besserung! (Heiterkeit.) Die Wohnungsfrage wird gelöst werden durch das Fahrrad. Die Arbeiter werden aus der Stadt in Villencolonien radeln. (Heiterkeit.) Wenn alle Arbeiter erst rin Fahrrad habe», werden sie auch in die Natur hinaus radeln und nicht in socialdemokratischen Versammlungen bösen Agitatoren anheimfallrn. Wie aber allen Leuten Fahrräder geben? Das ist die Frage! Und da werden wir wohl noch unseren Congreß nöthig haben! Trotz der Seltsamkeiten, Vie dem Redner bekanntlich anhaften, bezweifeln wir doch keinen Augenblick, daß er, wenn er ernsthaft über die Bedeutung des Fahrrads für das ganze moderne Leben hätte reden wollen, Bemerkenswertbes über dieses Thema gesagt haben würde. Er hat zweifellos an unrechter Stelle ge>cherzt und dadurch auf der einen, seine Worte ignorirenben Seite angestoßen und auf der anveren die Meinung erweckt, er habe im Ernst gesprochen. Solchen naiven Seelen gegenüber ist eS wohl am Platze, darauf hinzuweisen, daß daS Fahrrad, wie alle modernen Verkehrsmittel, keineswegs ein Mittel zur Beein trächtigung der Socialdemokratie ist, sondern von dieser mit Erfolg als Hebel der socialdemokratischen Agitation benutzt wird. Da Herr Professor Delbrück jedenfalls im „Vorwärts" die Nachrichten über das social demokratische Vereinswesen verfolgt, so weiß er genau, daß eS in seiner nächsten Nähe, in Berlin, einen Arbeiter-Rad- fahrervereiu giebt, der in drei Bezirke getheilt ist. Welche Dienste die socialdemokratischen Radfahrer beim Flugblatt vertheilen, bei Wahlen rc. leisten, darüber sind die social demokratischen Zeitungen nicht selten des Lobes voll. Ueber die Bemühungen, radelnde Arbeiter durch Einfangen für die socialdemokratischen Radfahrervereine von der Berührung mit der bürgerlichen Welt abzuschließen, belehrt der Verlauf der „Arbeiter-Radfahrerconferenz", die am 2. Oster- seiertag für die in Vereinen organisirten Arbeiter-Radfahrer des Königreichs Sachsen in Döbeln stattfand. Die „Sächsische Arbeiterztg." vom 2l. April dieses Jahres berichtet über die Conferenz u. A. Folgendes: „Es wurde beschlossen, für Ausbau des Organs Sorge zu tragen, denn nur durch eine gute Presse sei es möglich, die dem Verband noch fernstehenden Arbeiter-Radfahrer zum Eintritt in den Rad fahrerbund „Solidarität" zu bewegen. Ferner wurde beschlossen, die Vereine in Chemnitz, Zwickau, Leipzig und Dresden zu be- auftragen, je einen Vertrauensmann zu wählen, welche dann gemein- schaftlich die Agitationen für den Bund betreiben sollen... Das Verhalten der Leipziger Vereine, die dem Bunde bisher ab- lehnend gegenüberstanden, rief eine Debatte hervor. Schließlich er klärten die Leipziger, dem Bunde in nächster Zeit bestreik» zu wollen." Fügen wir nach dem Berichte der „Sächsischen Arbeiter zeitung" noch hiuzu, daß zur Döbelner Conferenz zweihundert Radfahrer erschienen waren, daß sie einen Corso durch die Stadt veranstalteten, der Hunderte von Zuschauern herbei lockte, so wird gewiß Professor Delbrück überzeugt sein, daß das Zweirad kein Mittel zur Schwächung der Socialdemokratie, sondern ein Hebel ihrer Agitation ist. Und wenn Delbrück weiter sagte: der Arbeiter könne mit dem Rabe aus der Stadt fort- und in „Villencolonien" radeln, so hat er damit sicherlich alles Andere behaupten wollen, als daß derartige in der Nähe von Jndustriccentren gelegene „Villencolonien", aus denen der Arbeiter mittels des Zweirades nach seiner Fabrik fährt, durch das Zweirad Verluste an Social demokraten erlitten hätten. Nichts als ein Scherz kann endlich die Behauptung sein, daS Rad schaffe Wandel in Bezug auf die Trunksucht. Denn wenn auch Rennfahrer während des Training sich des Alkohols ent halten, so läßt sich daraus doch nicht aus eine allgemeine Abneigung der Radfahrer gegen den Alkohol schließen. Tbat- sächlich sind selbst Rennfahrer, nachdem das Rennen vorüber, keineswegs geschworene Feinde des Alkohols, und wie eS mit den Tourenfahrern bestellt ist, darüber kann man sich leicht durch einen Blick in die Vereinslocale von Radfahrvereinen überzeugen, in denen Trinkhörner gewöhnlich nicht fehlen. Selbst starke Zecher erblicken im Rade nichts weniger als ein Hinderniß für den Alkoholgenuß: wie ein Ritt zu Pferde als wirksamstes Mittel gegen die Nachwehen „starker Sitzungen" von allen Kennern geschätzt ist, so dient auch da« Stahlroß dazu, die peinlichen Folgen des AlkobolgenusseS zu beseitigen, weil es Gelegenheit giebt zum „Ausarbeiten". — Hätte Herr Professor Delbrück seinen Humor bis zur Stunde der Bierzeitung aufgespart, so hätte er seinen Zweck sicher lich erreicht und wäre der Gefahr, ernst genommen zu werden, glücklich entgangen. "Die „Germania" benützt den 25. Todestag des CentrumSführers Hermann von Mallinckrodt zu einer Anregung, die eine nltramontane Herausforderung ersten Ranges ist. Das Berliner CentrumSblatt schlägt vor, Mallinckrodt ein „würdiges Denkmal" zu setzen. Dagegen hätten wir an sich nichts einzuwenden. Aber der Ort, an dem die „Geamania" das Denkmal angebracht wissen will, stempelt daS ganze Denkmalunternehmen zu einer ultramontanen Herausforderung. Man höre: „Dem demüthig-schlichten Sinne des verewigten Führers entsprechend, soll es kein prunkendeSDenk- mal sein, sondern eine einfache Gedenktafel mit dem Relief von Mallinckrodt'S in der St. Hedwigs kirche. Für die Kirche hat er gestritten, im Kampfe für den heiligen katholischen Glanben hat er sein Leben gelassen: giebt eS einen besseren, einen würdigeren Platz für ein Mallmckrodt- Denkmal, als die Mutterkirche der Reichshauptstadt? Daß die kirchlichen Behörden gegen eine der artige Ehrung eines begeisterten Kämpfers für die Rechte der Kirche nichts einzuwenden haben würden, glauben wir wohl annehmen zu dürfen." — Wir halten eS für ausgeschlossen, daß die kirchlichen Behörden diese Ehrung gestatten. Es ist in höchstem Maße unpassend, einem Parteimanne überhaupt in einer Kirche ein Denkmal zu setzen: dem Gotteshause, das dem Frieden geweiht ist, muß der Parteistreit unter allen Umständen fernbleiben. Soll aber gar einem Parteimanne vom Schlage Mallinckrodt'S in einer Kirche ein Denkmal gesetzt werden, so ist daS nicht nur ein un passendes, sondern auch ein herausforderndes Beginnen. Denn bei H. von Mallinckrodt hat sich das Eintreten für den Katholicismus im Culturkampf zum leidenschaftlichsten Fanatismus gesteigert. Er begnügte sich nicht damit, den unerschütterlichen Widerstand der Katholiken zu ver künden: er bekämpfte die ganze neuere Entwickelung Deutsch lands als ein Werk deS Unrechts und der Gewalt. Wenn einem solchen Manne in einer katholischen Kirche ein Denk mal gesetzt wird, so verletzt man damit aufs Tiefste die Empfindungen der gottlob zahlreich vorhandenen Katholiken, welche die neuere Entwickelung Deutschlands mit anderen Augen ansehen, als Mallinckrodt. Vollends herausfordernd aber wirkt ein Denkmal Mallinckrodts in der Hedwigs- kirche. Regelmäßig pflegen sich hier die hohen katholischen Reichs- und Staatsbeamten bei ossiciellen Feiern ein zufinden, auch der Kaiser oder sein Vertreter erscheint oft genug gerade an dieser Stätte. Hier einen Mann durch ein Denkmal zn verherrlichen, der die Staatsgewalt in langen und erbitterten Kämpfen befehdet hat, kann nicht anders, als eine übermüthige Herausforderung des Klerikalismus auf gefaßt werden. Die kirchlichen Behörden haben daher die klare Verpflichtung, gegen die beabsichtigte Ehrung Mallinckrodt'S in irgend einer katholischen Kirche Einspruch zu erheben. Thun sie das nicht, so fordern sie die Staats gewalt ebenso heraus, wie daS Caplansblatk, daS jene Heraus forderung empfiehlt. Bekanntlich hat die Friedensconferenz von vornherein entschieden, daß sie sich mit der Frage der sogenannten interessanten Völkerschaften in Europa weder in direkter, noch in indirecter Weise beschäftigen werde, weil sie ein beschränktes Mandat besitzt. Der Empfang von Delegationen dieser Völkerschaften, die feierliche Ueberreichung von Denkschriften u. s. w. ist also unmöglich, was aber die ver schiedenen Actions- und Agitationscomites nicht abgehalten hat, Delegirte nach dem Haag zu schicken, denen die Aufgabe zufällt, die Conferenzdelegirtcn privatim für ihre Interessen zu be arbeiten. So sind, wie der „Kr.-Ztg." aus dem Haag ge schrieben wird, dort bereits Delegirte finländischer, makedonischer, armenischer, jungtürkischer und ungarisch-rumänischer ComitLs eingetroffen, und intrigiren wacker hinter den Coulisien, eifrig unterstützt von den zahllosen Friedensaposteln und Friedens tauben, die gegenwärtig hier zusammengeströmt sind. Die Conferenzdelegirten werden gleichzeitig mit Petitionen und Denkschriften allerlei Art überschwemmt. Sogar die Polen haben sich wieder einmal mit einer Denkschrift an die Delegirten der Friedenskonferenz gewendet, ^lbstverständlich bedeuten alle diese Agitationen nur einen Schlag ins Wasser, weil keiner der Delegirten die Befugniß hat, sich in Dinge einzumengen, die ihn nichts angehen. Es heißt, daß mehrere Delegirte, unter Anderen der erste ottomanische Be vollmächtigte, Turkhan Pascha, nachdrücklich die Forderung er hoben haben, daß kein Mitglied der Friedenskonferenz irgend einen Delegirten der erwähnten Agitationscomites empfängt oder deren Briefe beantwortet. In der That könnte selbst der private Verkehr von Conferenzmitgliedern mit derlei außerhalb der Friedensconferenz stehenden Elementen der Friedenskonferenz selbst ein jähes Ende bereiten. Ueber die voraussichtliche Dauer der Conferenz gehen die Meinungen weit aus einander. So viel steht fest, daß alle Bevollmächtigten ihre Wohnung in der niederländischen Residenzstadt bis Ende Juni bestellt haben, woraus hervorgeht, daß sie nicht an die Möglich keit der Beendigung der Confcrenzarbeiten vor diesem Datum glauben. Der deutsche Bevollmächtigte Graf Münster siedelt am I. Juni nach Seebad Tcheveningen über, woselbst er Wohnung bis I. Juli bestellt hat. Sollten die Confcrenzarbeiten aber auch bis Ende Juni nicht abgeschlossen sein, so wird an eine Unterbrechung der Friedensconferenz gedacht werden. Dieselbe würde dann für den Monat September zur Fortsetzung ihrer Thätigkeit wieder einberufen werden. Eine derartige Unter brechung wäre indessen ein böses Vorzeichen für das Gelingen der Conferenz, weil die Erfahrung lehrt, daß vertagte diploma tische Versammlungen in der Regel nicht mehr zusammentreten. Alle Berichte, welche über die Tumulte auf Tamoa in Berlin eingetroffen, constatiren, daß das Verhalten des Com- mandanten des kleinen Kreuzers „Falke" Corvetten-Capitän Schoen selber ein mustergiltiges war. Von unserem aus wärtigen Amte ist ausdrücklich erklärt worden, daß der Com- Mandant des „Falke" nicht einen einzigen Fehler gemacht, er habe sich mit einer diplomatischen Gewandtheit benommen, die alle Anerkennung verdiene, zumal da die Situation die denkbar precairste war. In allen Wirren hat Corvetten- Capitän Schoenfelder die Rübe und Umsicht nicht verloren; nicht der geringste Vorwurf hat ihm gemacht werden können. Nach den bisherigen Berichten ist die Vermuthung nicht von der Hand zu westen, Laß es sich um einen von langer Hand vorbereiteten Coup der Engländer gehandelt hat. Ueber die gegenwärtige Lage auf Samoa wird dem „Bureau Reuter" aus Apia, 17. Mai, gemeldet: Mataafa schickte ein Begrüßungsschreiben an die Hohe Commission und es heißt, daß er jedem einstimmigen Befehl der Commission, der ihm überbracht wird, gehorchen werde. Doch ist cs zweifelhaft, ob er die Waffen niedcrlegen wird, wenn nicht Malietoas (TanuS) Leute gezwungen werden, es auch zu tbun. Die Rebellen (gemeint sind die Anhänger Mataafas. Red.) werden, wenn eS ihnen befohlen wird, sich in ihre Wohnstätten zerstreuen, aber sie sagen, sie werden nie Malietoa als König anerkennen. Während deS Bombardements durch die Kriegsschiffe sollen nur ein oder zwei Leute verwundet worden sein. Die Eingeborenen haben die Stärke der Europäer noch nicht begriffen und würden darum zu weiteren Extremen gehen, sollte der Krieg wieder ausbrcchen. Die „Rebellen" bleiben außerhalb der von Admiral Kautz bezeichneten Linien. Sie haben ihre neue Stellung stark befestigt. Inzwischen werden Malietoa's Leute gedrillt und sie haben Mulinuu befestigt. Eine beträchtliche Anzahl Leute ist durch die englischen Kriegsschiffe von anderen Inseln herbeigebracht worden. Die Hälfte (?) der erwachsenen Männer SamoaS erwartet die Entscheidung der Commission, um Malietoa tbatkrästig zu unterstützen. Tie Deutschen bereiten An sprüche auf Entschädigung vor. Eine deutsche Firma be ansprucht 60 000 Dollars, eine andere 20 000 Dollars. Der englische Consul hat diejenigen, welche Verluste erlitten haben, aufgefordert, ihre Ansprüche geltend zu machen. ES heißt, daß die Commission darüber entscheiden wird. Mataafa erklärte dem Correspondenten, er habe den Vertrag aufrecht erhalten, auch stets befohlen, nicht aus Europäer zu schießen. Andernfalls hätte» ganze Abtheilungen Matrosen von im Busch versteckten großen Haufen Eingeborenen niedergeschossen FeiriHetsn Außer Diensten. zzj Roman von Ernst Wichert. Nachdruck verdct r. Er erinnere sich nicht mehr, sagte er, ob des Försters Ottomar so groß sei, wie er, und blinzelte ihr dabei zu; sie müßte es doch wissen. „Warum?" fragte sie, wurde aber doch roth. Nun wollte er hören, ob wieder ein Täubchen eingetroffen sei und etwas Hübsches mitgebracht habe. „Ich weiß nicht", sagte sie mit spitz bübischem Lächeln, „ob wieder eins bei den gnädigen Fräulein ans Fenster geklopft hat; mir haben sie's nicht verrathen." „So reden Sie sich nicht aus, Kindchen", erwiderte er, „ich denke mir doch, was ich will. Wie viele Tauben aus unserem Schlage hat er denn überhaupt mitgenommen?" „Wer, Excellenz?" „Ach, thun Sie doch nicht so. Ottomar natürlich." Sie zuckte die Achseln. „Mir hat er es nicht gesagt." „Noch ist die Sache mit dem jungen Menschen auch gar nicht in Ordnung", mischte sich Frau Berner ein. „Wir hätten sonst gegen ihn nichts, wenn er sein Examen gut besteht und eine Anstellung bekommt. Aber der alte Randolf weiß sich ja vor Hochmuth wegen seines Jungen gar nicht zu lassen und meint, wir müßten ihm die Hand küssen, wenn er unsere Emma für voll ansehcn will. Na, und das haben wir doch nicht nöthig, Excellenz. So ein fleißiges und tüchtiges Mädchen kriegt auch sonst noch einen Mann." „Und so ein hübsches", setzte der Freiherr hinzu und klopfte dabei Emma die Wange. „Soll ich gelegentlich mit dem alten Randolf sprechen — was? Soll ich?" „Ich möcht's ihm so nicht abzwingen", antwortete Emma, „er könnt' mir's hinterher vorwerfen." Es konnte Alles wie Scherz klingen — wie der gnädige Scherz eines älteren Herrn, der recht herablassend freundlich mit der hübschen Tochter eines Untergebenen verkehrte. In Gegenwart der Eltern! Dabei war gewiß gar nichts Verfängliches, und so nahmen es auch die beiden Alten, und so nahm es Emma, und so nahm er's selbst, oder überredete sich wenigstens leicht, daß es nicht anders gemeint sei. Er langweilte sich und wünschte eine Ableitung von häuslichem Aerger zu haben, irgend ein Spiel, das seine Gedanken eine Weile angenehm beschäftigen konnte. einen Nervenreiz, der sanft prickelte. Diese halbe Stunde bei dem Schloßverwalter wirkte erheiternd für den ganzen Tag. Als der Freiherr nach oben zurückkam, fand er im Flur eine Anzahl Waldarbeiter, die auf ihn gewartet hatten. Andere standen, wie er durch das Fenster bemerkte, auf dem Hofe. Sie müßten sich bei dem gnädigen Herrn beschweren, stellten sie vor, weil sie zu wenig Lohn bekämen und der Förster sie abgewiesen hätte. Er hörte sie an, aber ohne besondere Aufmerksamkeit: mit solchen Kleinigkeiten solle man ihn doch nicht behelligen. Das seien für sie nicht Kleinigkeiten, wurde geantwortet, sie müßten von dem Lohn leben und wollten gern ehrlich bleiben. Er ver sprach nun, daß er sich informiren wolle. Die Leute hatten wohl selbst den Eindruck, daß er sic nur los zu sein wünsche, und redeten nun dreister auf ihn ein. Wenn er sich bei dem Förster befragen wolle, hätten sie auch zu Hause bleiben können, der nehme doch nur seines Herrn Partei, und der Pfarrer bekümmere sich nur um die Augenverdreher und die Knierutscher in der Ge meinde; der Schulze müsse ihnen aber ihre Armuth bestätigen, und wenn der gnädige Herr sich einmal selbst im Dorf umsehen wolle, werde leicht die Wahrheit zu Tage kommen. Sie setzten sich erst langsam in Bewegung, als er sie ernst aufforderte, nun zu gehen und seinen Bescheid abzuwarten. Einer von ihnen hielt sich doch noch länger auf. Das war der struppige Mensch, den Randolf dem jungen Fräulein Becker genannt hatte. Er hätte noch eine ganz besondere Klage, sagte er. Er habe seine Arbeit immer gut verrichtet, aber seit Kurzem ver weigere sie ihm der Förster ganz und gar. Das müsse denn doch einen Grund haben, meinte der Freiherr schon ungeduldig. „Einen Grund hat's wohl", sagte der Arbeiter, „aber der zieht doch nicht. Ich soll gewildert haben." „Aha!" „Ja, beweisen kann es mir der Herr Förster doch nicht. Und soll's einmal geschehen sein, so ist's aus Noth geschehen, und überhaupt — brodlos machen darf er mich nun doch nicht. Wenn den armen Menschen erst Alles egal ist, giebt's nichts Gutes für Vie Reichen." Der Freiherr verwies ihm solche dummdreisten Drohungen und versprach, den Fall untersuchen zu wollen. Er erkundigte sich aber nicht einmal nach dem Namen des Mannes, und diesem fiel gar nicht ein, daß der gnädige Herr ihn nicht kennen könne. Es wäre da eine gute Gelegenheit gewesen, als oberste Instanz ein zugreifen und nach dem Rechten zu sehen. Aber das waren so unbedeutende Dinge, wenn er sie mit den Tagesaufgaben ver glich, daß ihm die Schätzung überhaupt schwer wurde. Und jetzt waren seine Gedanken ganz anderswo. Es ärgerte ihn nur, daß ihm etwas Verdrießliches dazwischen geworfen wurde. — Jungenheim hatte wirklich die Gräfin Westerhagen durch seinen Besuch beglückt. Der Capitän sprach mit großer Verehrung von ihr. Jungenheim fand ihr Heim „ungemein poetisch" und wurde nun in ihre schriftstellerischen Mühen und Sorgen eingeweiht, die doch trotz mancher Mißerfolge „so be glückend" waren. Es gelinge ihr wohl Gedichte und kleine Prosa sächelchen unterzubringen, aber selten gegen Honorar. Ein paar Novellen seien früher abgedruckt — Hofgeschichten, die auch ge fallen sollen —, aber jetzt dränge es sie, in der Frauenfrage Stellung zu nehmen, und sie könne sich doch, so sehr sie allen ihren Mitschwestern eine würdige Lebenslage wünsche, unmöglich mit Forderungen begeistern, die einen ganz »»weiblichen Charakter trügen. Alle Poesie müsse aus der Welt, wenn die von den Eiferern angestrebte Ordnung der Dinge Wirklichkeit werden sollte. Das habe sie in einem dreibändigen Romane aus geführt, mache aber mit ihm die betrüblichsten Erfahrungen. Wo hin sie ihn auch sende, er komme immer wieder zurück, und das sei zuletzt recht ärgerlich. Man wolle nur etwas Sensationelles, möge es auch noch so ungesund sein. Ja, wenn man keine Empfehlung habe! Er war unvorsichtig genug gewesen, von seinen Beziehungen zur Presse zu sprechen. Nun bat sie ihn mit rührender Bescheidenheit, sich nur die Vorlesung einiger Capitel gefallen zu lassen. Sie griff auch schon in die Tischschieblade, stand aber doch von ihrem Vorhaben ab, als er ihr bemerklich machte, daß einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Stellen ihm doch unmöglich ein Bild von dem gewiß vortrefflichen Ganzen geben könnten, und sich lieber das Manuskript zur Lectüre ausbat. „O, wie darf ich Ihnen zumuthen . . rief sie, von seiner Liebenswürdigkeit ganz entzückt. Er versicherte, daß er die Gewohnheit habe, lange aufzu bleiben, und für eine so angenehme Beschäftigung nur dankbar sein könne, hier gehe man gewiß früh schlafen. „Ihr Wille geschehe denn", sagte sie ergeben mit einem war men Händedruck, „und Gott vergelt's! Aber ein Gedicht wenigstens müssen Sie hören — wirklich nur ein einziges. Es ist so schlecht geschrieben, sonst legte ich es dem Roman bei." Er ergab sich in sein Schicksal, hatte aber die geopferten fünf Minuten nicht zu bereuen. DaS Gedicht war tief empfunden und in der Form unanfechtbar. Sein Lob konnte denn auch ganz ehrlich sein. Er begab sich nun auf sein Zimmer und schrieb, da er Papier und Feder vorfand, einen Artikel für seine Berliner Tages zeitung als Correspondenz aus der Residenz. Die gute Laune, in der er sich befand, ließ die Schilderung der verzweifelten Be mühungen, auf den Grund einer Sache zu kommen, die nun einmal durchaus keinen haben sollte, bestens gelingen. Der Artikel konnte wie ein Senfpflaster wirken, das vielleicht seine richtige Stelle finden und die Blasen ziehen würde. Er be gnügte sich überall mit prickelnden Andeutungen, die doch von den Betheiligten verstanden werden mußten, und suchte durch die humoristische Einleitung auch den weiteren Leserkreis zu unter- halten. In dem Begleitschreiben gab der Doctor Auftrag, das betreffende Blatt sofort an bestimmte Adressen unter Kreuzband abzusenden. Als er an das Fenster trat, das Geschriebene nochmals zu überlesen, bemerkte er unten im Park die beiden jungen Damen, nicht weit von der Flora mit einem Ringspiel beschäftigt. Er couvertirte rasch den Brief und ging, ihn in der Hand haltend, hinab. Die Schwestern sahen ihn wohl komme», »ereiferten sich aber nur noch mehr in ihr Spiel, als bemerkten sie ihn nicht. Erst als er schon nahe herangekommen war, warf Irmgard, die gegenüber stand, den Reif über Armgard so weit hinweg, daß Jungenheim ihn mit dem Arm für sie auffangen konnte. Bravo, Herr Doctor!" rief sie. „Wenn Sie so gut fangen können, sollen Sie auch die Erlaubniß erhalten, mitzuspiclen." „Das heißt, wenn es Ihnen Vergnügen macht", setzte Arm gard hinzu, „und Ihnen Ihre Zeit nicht zu kostbar ist." Er hob den Brief in die Höhe. „Jck> bin scdon fleißiger ge wesen, als ich's eigentlich verantworten kann. Sobald ich dieses Schreiben der Post übergeben babe —" „Aber Sie dürfen's ja nur in den Kasten werfen, der im Hausflur steht", fiel Irmgard ein; spätestens morgen früh wird nach der Post geschickt und dann gehen die Sachen mit." Der Doctor zögerte. „Das ist mir zu spät und auch nicht sicher genug. Ich glaube, es findet noch vor Nacht eine Post beförderung nach der Eisenbahn statt." „Ist der Brief so wichtig?" „Kann wobl sein —" „Gewiß an eine Dame —" „Irmgard!" „Jedenfalls an ein Wesen mit weiblichem Artikel", sagte er lächelnd, „wenn auch sächlicher Natur." „Nun werden Sie wieder mystisch." ,/An die Redaction einer Zeitung — nichts klarer als das." „Den Brief hat also Herr Doctor Junge geschrieben." „Das darf ich nicht verrathen, mein beste- Fräulein; er würde
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite