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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.06.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010611029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901061102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901061102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-11
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4232 wo et etwa «rforderllch sei» sollt«, die sorgfältigste Beachtung Liefer Gr«»dsätzr »ur Pflicht macht» wird. Da« klingt allerdings wesentlich anders al« die Meldung der «Köln. Bolk-ztg ". Vom Geschichtsunterricht ist in der Bersligung nicht direkt die Rede. Wohl aber muß man an nehmen, daß in dem Einzelfalle, der die Verfügung ver anlaßt hat, beim Geschichtsunterrichte in einer Simultan- Fchule die UntrrscheidungSlehren der Consessionen erörtert worden sind und daß Herr vr. Stuvt da« künftig vermieden sehen will. Und da der Erlaß nicht nur der Wiesbadener Regierung mitgetheilt worden ist, so muß mau ferner annehmen, daß der preußische Cultu«- ^ninister — er sagt e« ja auch direkt — nicht nur in Simultanschulen den Geschichtsunterricht von den Unter- scheidungSlehren der Coafessionen frei gehalten sehen will. Nun wird eS aber recht schwierig sein, bei der Besprechung geschichtlicher Persönlichkeiten wie der Papste und Luthe?« ganz und gar von diesen Unter« scheidungSlehren abzusehen. Und jedenfalls werden die ÄrschichtSlehrer sich sehr in Acht nehmen müssen, wenn sie nicht Beschwerden heraufbeschwören wollen. Die „Köln. Bolkrztg.- war daher, als sie die Verfügung so auslegte, wie sie e« getbau, gar nicht so sehr im Unrecht. Sie und ihre Gesinnungsgenossen werden bei ihrem bekannten Spürsinn schon Gelegenheit zu Denunciationen finden, die den Lehrern der Geschichte an den preußischen Volksschulen zeigen, wie gefährlich eS ist, von historischen Persönlichkeiten wie von den Päpsten und Luther mehr al« die Namen zu erwähnen. DieUebertrtttSdewesuu« io der Umgebung vonKomotau Wird immer kräftiger. InSaaz find seit 1. Januar 1901 40 Personen übergetreten; kein Gottesdienst ist ohne vollzogenen oder angemeldeten Uebenritt vergangen. In der letzten Zeit sind auch mehrere angesehene Bürger übergetreten, viele sind ständige Besucher des evangelischen Gottesdienstes geworden. In Podersam wird demnächst der Grundstein zur evange lischen Kirche gelegt. In Horschowitz, wo vor Kurzem di« ganze Gemeind« übertrat, finden aller 14 Tage Gottesdienste statt, die stets sehr stark besucht sind, in allen Dörfern der dor tigen Gegend stehen zahlreiche Uebertritte bevor. Ebenso ist eS in und um Woratschew. In Brunnersdorf erfolgten 4 Uebertritte, in Klöster! e und Tfchekowitz sind sehr viele angemeldet. In einigen Jahren dürfte die ganze Gegend evangelisch sein. In Radschitz bei Liebotitz traten in der ersten Juniwoche 40 Personen zum Protestantismus über. Auch in Langenau und Hohrnelbe sind wieder zahlreiche Anmeldungen erfolgt. — In den bisher streng katholischen Alpenländern regt sich das Interesse für evangelisches Christen- thum immer mehr. Am 19. Mai wurde Vikar Schiefermaier in Rottenmann «ingeführt. In Admont werden regel mäßig« Gottesdienste gehalten. Auch Judrnburg erhält «inen Vikar. InZeltweg wurde auf Verlangen vieler Katho liken eine Predigtstation gegründet, Uebertritte sind bereits er folgt. In Murau und Leoben nimmt dir Bewegung stetig zu. — In großer Bedränqniß ist die Gemeinde Gabel in Nordböhmen. Seit 31 Jahren hatte sie ihr« Gottesdienste in einem als Betsaal eingerichteten Raume des Schlaffes Neu falkenburg gehalten; jetzt ist ihr dieser Raum plötzlich gekündigt worden. Der Gemeindevorstand, ein schlichter Handwerksmann, konnte in seiner engen Wohnung nur Altarbild, Harmonium und Bücherschrchik sunterbringen, Kanzel und Altartruhe mußten wegen gänzlichen Raummangels in einen Pferdestall gestellt werden. Das evangelische Leben im Städtchen blüht kräftig auf, ein« gottesdienstliche Stätte ist dringend nöthig. Die Gemeinde beabsichtigt, ein schlichtes Kirchlein für 8000 fl. zu bauen. 2000 fl. und ein schöner Bauplatz sind vorhanden, die Gemeinde besteht aber aus armen Leuten und ist unfähig, aus eigenen Mitteln das Fehlende zu beschaffen. In der letzten Ausgabe der niederländischen „Zeit schrift für Strafrecht" theilt der Professor der Gynäkologie an der Universität Amsterdam, vr. Hektor Treub, «inen unerhörten Fall priesterlicher Bevormundung einer Patientin mit. Es handelt sich dabei, wie der „Köln. Ztg." aus Amsterdam geschrieben wird, um folgende Thatsachrn: In Amsterdam sollte eine ihrer Niederkunft rntgegensehende Frau au Andringen des sie behandelnden Arztes künstlich entbunden wer den, weil die Untere Niederkunft nach dem Urtheil des Arztes den 'Tod der Wöchnerin -mit ziemlicher Sicherheit herbeiführen würde. Di« Frau theilte dem Arzte mit, daß ihr Beicht vater ihr verboten habe, seinem Rath« zu fol gen; eine Unterredung des Letzteren mit dem Priester hatte ebenfalls keinen weiteren Erfolg, als daß di« Frau dem Arzt den Bescheid mittheilte, daß es bei der Weigerung des Geistlichen sein Bewenden haben müsse. So geschah es, aber die Frau starb, wie es der Arzt vorausgesehen hatte, während sie nach dem Urtheil des Professors Treub unbedingt am Leben geblieben wär«, wenn man dem Arzt freie Hand gelassen hätte. Professor Treub wandte sich an den Bischof von Haarlem, Bottemanne, der ihm in einem ausführlichen Briefe mittheilte, daß der Geistliche sich durchaus an -di« Vorschriften der Kirch« gehalten habe, da im Jahre 1895 in Rom für derartige Fälle eine besondere Verordnung ausgr- fertigt worden sei. „Es erhebt sich nun die Frage, ob der nieder- LLndrsche Gesetzgeber es dulden kann, daß «in Collegium von Priestern in Rom über Leben und Tod weiblicher niederländischer Untrrthanen verfügen darf", sagt v». Treub, und er glaubt, daß er seine Pflicht als Arzt verletzen würde, wenn er nicht alle Kräfte aufbtete, um diesem Uebelstande zu steuern. Deutsches Reich. Q Berlin, 10. Juni. Da« Fichte-Denkmal und der Reichskanzler. Die Philosophische Gesellschaft zu Berlin hatte auf Antrag idreS Vorsitzenden Professor vr. Lasson einen Aufruf an weite Kreise gesandt zur Bil dung eine« Ausschusses zur Errichtung eines Denkmals in Berlin für den Philosophen Johann Gottlieb Fichte. Nicht nur in Deutschland, sondern auch im AuSlande hat dieser Aufruf bei Vertretern der Wissenschaft, Kunst und Politik den erfreulichsten Widerhall gesunden. Auch der deutsche Reichskanzler Graf von Bülow bat seinen Beitritt zu dem zu bildenden Comitb erklärt und zwar in einem an den Professor vr. KarlKebr- >ach gerichteten Schreiben, da- wegen seiner Beurtheilung der Thäligkeit Fichte'S und der von ihr noch jetzt zu er hoffenden Nachwirkung auf die heutige Generation allgemeine» Interesse beanspruchen dürfte. DaS auS Karlsruhe datirte Schreiben lautet: Hochgeehrter Herr Professor! Die mir freundlich mitgetheilte Absicht der Philosophische» Gesell- chast zu Berlin, dir Errichtung eines Denkmal» für Johann Gott lieb Fichte an der Hauptstätte seines Wirken» herbeizusührrn, hat meinen vollen Beifall. Den muthigen Bekämpfer nationaler Verzagtheit, der auf dir Gefahr de» Tode» zu Deutschen sprach, al» Andere schwiegen, die Jugend mit dem eigenen festen und gewisse» Geist er füllend, und der fo, durch die innerliche Erneuerung de» Geschlecht», da» zu seinen Füßen saß, die zuversichtliche Hoffnung einer neuen glorreichen deutschen Geschichte verwirklichen half, diesen GeisteShelden in der Form und in dem Sinne zu ehren, wie es Ihr Ausruf auS« spricht, ist in der That eine zu lösende Schuld der nationalen Dank barkeit. Das Bild des großen Patrioten, noch Goethe'S Wort rin« der tüchtigsten Persönlichkeiten, die man je gesehen, muß unter uns ausgerichtet werden zugleich als eine Mahnung für dir kommenden Geschlechter, seiner Lehre getreu die sittliche Aufgabe der Bekämpfung der Selbstsucht und der Hingebung an den Staat im Bewußtsein und Willen festzuhalten. Ich erkläre mich gern bereit, dem Comitö für Errichtung eine» Fichtedenkmal» in Berlin beizutreten. Mit aufrichtiger Hochachtung Graf v. Bülow. )-( Berlin, 10. Juni. Der Panslawismus und der Ssokolisten-(Turner-)Bund. Die „Nowoje Wremja" erläßt einen glühenden Aufruf an alle Slawen, fick an dem nächstens in Prag zu feiernden Ssokol«Feste, als einer Ver brüderung sämmtlicher slavischen Stämme, zu betbeiligen. Dies Fest soll selbstverständlich eine großartige Demonstration gegen den Germanismus sein. — Wir lassen den Wortlaut beS Aufrufs hier folgen: „Wollt ihr aus eine Stunde oder, richtiger gesagt, aus drei Tage Kalifen sein? Wenn ja, so folgt der flammenden Einladung der Tschechen und besucht ihr internationales Festl Niemand weiß Volksfeste mit solcher Begeisterung, solchem Glanze zu arrangiren, wie dieses kleine, aber standhafte und hitzige slawische Volk, weiche beständig um seine nationale Existenz, jein slawisches Selbstbewußtsein kämpst. DieThrilnehmer au der JahrhundertfeierPalacky'S, drs„VaterS de» tschechischenVolkeS",welche1898stattsand,werden dir mächtigen Ein drücke von dem elementaren Aufschwung de» slawischen BolkSgefühlS niemals vergessen. DaS majestätische Bild des prachtvollen St. Wjatschrsslaw-PlatzeS, welcher von einem jubelnden Volke besäet war, das dir theurrn Gäste au- der ganzen weiten slawischen Welt be grüßte — darunter auch die allertheuersten, die russische» Brüder, die Söhne deS großenlRußland, welches schon durch seine bloße Existenz eine rettende Bedeutung für daS Slawenthum besitzt — ist ihnen zu Herzen gegangen und wird aus ihrem Herze» niemals getilgt werden! Ein Blumenregrn fällt aus den Händen reizender Tschechinnen in euren Schooß. Blumen strecken euch auch die Händchen kleiner Kinder entgegen, welche euren ganzen Weg entlang vor Len Erwachsenen stehen. Ringsum da» Stöhnen de» BolkSentzückens, ein Meer fröhlicher slawischer Flaggen, von oben bis unten mit triumphirendem Volke brsäete Häuser und . . . zum Conlrast in einigen Häusern Todtenstille, demonstrativ herabgelassene Store» . . . DaS sind die Wohnungen der gekränkten Deutschen . . . Die jetzigen Feste der Prager Sjokol-Turuer, deS ersten patrio tischen Bunde- des Landes, welcher gegen 800 Vereine und gegen 60 000 Mitglieder umfaßt, verspreche» den Festlichkeiten zu Ehren PalockyS in keinem Stücke etwa» nachzugeben. Au» der ganzen slawische» Welt werden Gäste eintreffen: Slowene», Serbo-Kroaten, Bulgaren, Polen, Tschechen aus Amerika. Der französische Turner bund wird sich officiell betheiligen, Belgier, Schweizer, Italiener werden da sein . . . An tschechischen Falken („Ssokol" heißt Falke) werden mehr al» 12000 im Festkleide zusammen fliege», außerdem kommen 1b 000 Halb wüchsige, die künftige» Ssokolisten, und ungefähr 1000 Damen — die weiblichen Mitglieder der Abheilungen deS Ssokol. Aus der große». hinter der Stad» errichtete» Arena werde» gleichzeitig' über 6500 Turner üben — ei» Schauspiel, welche« selbst der grüßte Turarrbulld, der deutsche, niemals geboten hat. (Zum VII. deutsche» Turnfeste, welche« im Jahre 1889 in München gefeiert wurde, er ckienru 21000 Turner.) Dem Anscheine nach schielen sich dir Tschechen überbaupt an. diese» Bund in die Tasche zu stecke»." — Wenn neuerdings wieder gemeldet wird, der Reichs tag werde des Branntwein st euergesetzeS wegen im September zu einer kurzen Session einberufen werden, so versteht es sich von selbst, daß eine solche Nachricht dazu angethan ist, in Abgeordneten- und Interessentenkreisen den Wunsch nach einer baldigen zuverlässigen Information derer, die «S Haupt« ächlich angeht, zu unterstützen; den Wunsch «rach einer Infor mation darüber, was denn eigentlich die Regierung beabsichtig« und was nicht. Alle Welt ist sich klar darüber, daß die der siteicbsregierung im letzten Branntweinsteuergesetz ertheilt« Er mächtigung, im Sinne deS Branntweinsteuergesehes über die Eingänge der Brennsteuer zu verfügen, mit dem 1. October dieses Jähre» abläuft. ES bedarf keiner weiteren Begründung, wenn mancher Abgeordnete» in der Voraussetzung, daß eine Sitzung des Reichstages vor dem 26. November nicht stattfindet, «in« Dispositionen getroffen hat. Es wäre nicht unverdienst- ich, wenn die Reichsregierung erklären lassen wollte, daß eine Zwischensession wegen des Branntweinsteuergesetzes nicht zu er warten sei, oder aber, daß «ine bestimmt« Entschließung darüber noch nicht habe getroffen werden könn«n, aber bald bekannt ge geben werden würde. — Zur Frage der Reichsfinanzreform wird der „Nat.-Liv. Corr." „von einer den leitenden Kreisen eine« deutschen Bundesstaate», und zwar nicht eine» der kleineren, nahestehenden Seite" geschrieben: E« sei in hohem Grade fraglich, ob die durchaus wünschenSwerthe Erreichung deS Zieles einer ReichSfinanzreform, welche allen Betheiligten möglichst gerecht wird, schon im Zusammenhang mit der Reichstarifreform sich gewinnen kaffen dürfte. — Die kaiserliche CabinetSordre, durch welche die nach Frankreich beurlaubten Officiere angewiesen werden, sich in Orten ohne Garnison innerhalb der ersten 24 Stunden ihre» Aufenthalts bei der örtlichen Civilbebörde vorzustellen, ist, der „Magdeb. Ztg." zufolge, jetzt auch auf die Marine ausgedehnt worden. — Die „Berl. N. Nachr." veröffentlichen die folgende, anscheinend vsficiöse Notiz: Einige Blätter halten eS für angebracht, eine lange Erzählung der Pariser „Patrie" wiederzugeben, die nach angeblichen Mitthri- lungen von Gutssez, de» inzwischen verflorbeneo Commandanten der „Princesse Alice", der Nacht de» Fürste» von Monaco, über Atllßrrungen deS Kaiser« bei der bekanaten Be gegnung in Bergen zu berichten weiß, wo der Kaiser vor zwei Jahren an Bord eine- französischen Schulschiffe- einen Besuch abstattete und mit dem Fürsten vo» Monaco zusammentrnf. Dem Kaiser wird unter Anderem die Wendung in den Mund gelegt, in dem deutsch-französischen Bündniß gegen England liege die Zukunft. Der Kaiser soll außerdem gegenüber Guiffez, der früher französischer Marine- officier gewesen war, Elsaß-Lothringen al» „Graben" be zeichnet haben, der zu de» Kaisers Bedauern Deutschland und Frankreich von einander trenne u. s. w. Selbstverständlich ist an der ganzen Erzählung kein wahre- Wort. — Wie Minister vr. v. Miquel gegangen worden, glaubt die „StaatSb.-Ztg." genau zu wissen. Sie erzählt nämlich, Graf Bülow habe seinerzeit, statt einen Minister« ratb zu berufen, die Minister nur zu einer vertraulichen Besprechung eingeladeu, um ihnen „seine höchsteigene Ent schließung" über die Absetzung der Canalvorlage und die Verabschiedung de» Landtage« mitzutheilen, an der nichts mebr zu beratben oder zu ändern sei. Darauf habe Herr v. Miquel geäußert, daß nun wobl die Zeit für seinen Rück tritt gekommen sei. Auf die Aeußerung habe ibn Graf Bülow festzelegt. Diese Art der Beseitigung von Ministern, mit« sammt der Einladung zur Einreichung des Entlassungs gesuches, sei ein Novum in Preußen. Weiter erzählt daS Blatt: r- Gegen Ende de» vorigen JahreS soll der „Nordd. Allg. Ztg." die Weisung zugegangen sein, keine vsficiöse Note von Herrn v. Miquel aufzunehmen, ohne vorher vom Reichs- kanzler, beziehungsweise von srinem Beauftragten daS Placet ein- geholt zu haben. — Die Entschädigung der Inhaber der Privatpost anstalt en nach dem Reichsgesetz vom 20. December 1899 kann als abgeschlossen gelten. ES steht nur noch die Ent scheidung über die Berufung einer einzigen Anstalt, und zwar der von Hannover auS. Derrn Inhaber hatte die Ein reichung der Begründung seiner Berufung so lange verzögert. Mit Einschluß der Entschädigung der nicht in den Reichsdie»si übernommenen Angestellten der Privatposten, die bereit« am 1. October v. I. abgeschlossen war, hat die gesammte Ab lösung einen Aufwand von 7Vr Millionen Mark verursacht. — Der „Staatsanzeiger" veröffentlicht die Verleihung de» Schwarzrn Adlerorden« an den Prinzen Heinrich der Niederlande, Gemahl der Königin Wilhelmina. Reichsregierung zu die Zu der bevorstehenden A gesetze» beschloß man für den Fortbestand der freien kauf männischen HilfScassen «inzutreten. Wegen des Verfahrens bei Abstimmung über früheren Ladenschluß machte Herr Geheimrath Wilhelm i dieMittheilung,daß eine BundeSralhö- Verordnung darüber erscheinen werde. Eine Resolution, die die Einrichtung von HandelSinspectoren fordert, wurde angenommen, ebenso die der Einführung völliger Sonntags ruhe in Engrosgeschäften. * Nürnberg, 9. Juni. Es besteht die Absicht, eine neue Vereinigung der protestantischen Geistlichen Bayern» durch Schaffung einer „amtöbrüderlicbea Con- ferenz" zu bilden. Das Fundament dieser amtsbrüderlichen Gemeinschaft soll die biblische Wahrheit sein; in konfessioneller Hinsicht schließt sie sich der evangelisch-lutherischen Landeskirche an. Irgendwelche Schranke zwischen ihren Mitgliedern und ihren AmtSbrüdern soll durch sie nicht errichtet werden. Die Gründung haben die Herren Pfarrer Koller (Bürgleio) und vr. Eichhorn (AnSbach) in die Hand genommen. Zur Be- rathung über die genauere Gestaltung und den Ausbau der Conferenz soll nächste Woche eine geschloffene Versammlung stattfinden. Oesterreich-Ungarn. * Wien, 10. Juni. (Herrenhaus.) Bei der heutigen Verhandlung über die Wasserstraßen vorlage zollten fast alle Redner der Regierung Anerkennung. Der früher« Ministerpräsident Graf Thun sprach der Regie rung die besten Wünsche für das weitere Gelingen ihrer großen Aufgabe aus. Ministerpräsident v. Ko erber meinte, die Regierung dürfe den eingetretenen Umschwung vielleicht als ein Zeichen dafür a-nsehen, daß es Nach und nach doch möglich werde, auch ander« Fragen mit Ruhe und Sachlichkeit nn Parlament zu behandeln. Allerdings sei es erforderlich, auf die verschiedenen, anscheinend widerstrebenden Interessen der zahlreichen Völker und innerhalb derselben auf die einzelnen Erwerbs- und Ge- — Der Justizminister vr. Schönstedt Ist au» btt Pcotzfikß Sachsen hier angekommeu, der Präsident de» ReichSbank-Directorium« vr. Koch i» Dienstangelegenheitea uach Ost- und Westpreußen odgereisk. — Der Landwirthschastrminister von PodbielSk! wird sich am DounerStag nach Halle begeben, um zunächst al» Gast de» AmtSrath» von Zimmermann in Benkendors die landwirthschastliche Versuchsstation Lauchstrdt und die Benkendorsrr Wirtschaften zu besichtigen. Der Eröffnung der landwirtbschastlichrn Ausstellung tu Halle gedenkt der Minister ebenfalls beizuwohnen. * Oldenburg, 10. Juni. Königin Wilhelmina von Holland und Prinz Heinrich trafen heute hier ein, um bis zum 12. Juni hier zu bleiben. * Neustrelitz, 8. Juni. Der Streik der hiesigen Bau arbeiter ist erfolglos verlaufen. Der Vertreter des Berliner Verbände« hat den Streikenden mitgetheilt, daß Unterstützungen seitens de« Verbandes nicht weiter bewilligt werden könnten. Da inzwischen anderweitig Arbeitskräfte gewonnen sind, so wird die Mehrzahl der Ausständigen ^enöthigt sei, sich an anderen Orten nach Arbeit umzusehcn. * Äarotschtu, 9. Juni. Der Deutsche Tag gestaltete ch zu einer imposanten Kundgebung deS deutschnationalen Bewußtsein« der Ostmarken; über 4000 Personen waren anwesend, besonder« zahlreich waren die unteru Volksschichten vertreten. * Münster, S. Juni. Hier verlautet mit aller Be- iimmtheit, daß eS in der Absicht der Staatsregierung liege, die juristische Facultät an der Akademie schon mit dem Beginn deS nächsten Sommerhalbjahres in» Leben treten zu lassen. * Bonn, 10. Juni. Erzbischof Simar traf um 7 Uhr >ier ein, um einer Einladung de« Kronprinzen zur Tafel zu folgen. v. Gotha, 10. Juni. Mit Ende Juni läuft die Fiuanz- »riode des Gothaischen Staate« ab. Man nimmt indeß an, daß der Landtag zur Berathung de« neuen Etat« nickt werde einberufen werden, daß vielmehr die Regierung die Verlängerung deS jetzigen Etats auf eia Jahr beantragen werde, da neue Steuergesetze in Vorbereitung seien. Auf alle Fälle muß der Domänenetat vor Ablauf deS Juni verabschiedet werden. DaS „Tageblatt" fordert die LandtagSboren auf, energisch bei Berathung deS Domänenetats gegen den über großen Wild stand Front zu machen. Gerade in diesem Vinter seien die herrlichen Wälder durch daS Hochwild arg beschädigt worden. * Rudolstadt, 10. Juni. Die thüringische Fabrikinspection hat bei den Regierungen die reichsgesetzliche Einschränkung der Verwendung von jugendlichen und weiblichen Arbeitern unter 20 Jahren in Textilbetrieben beantragt. * Loburg, 10. Juni. Der Verband kaufmännischer Vereine hielt gestern hier seine Hauptversamm lung ab. An der Spitze deS Verbandes stebt seit langen Jahren der Vorsitzende des kaufmännischen Vereins ru Frankfurt a. M. Herr C. Ludwig Schäfer. Der erste Punct der Tagesordnung betraf die Regelung der Arbeits zeit der Contor- und Lagergehilfen in nicht offenen VerkausS- tellen. In einer Reso ution begrüßte man die von der em Zwecke angestellte Befragung, enderung des Krankenversicherungs- Fortbestand der freien kauf- heit war ihrer Natur so gänzlich fremd, baß die Anstrengung, gegen Francesca und Frau Harold den Anschein von Freund schaft aufrecht zu erhalten, ein« schwere Aufgabe für sie bildete, und recht schmerzlich waren ihr Francesca's vertraute Mit theilungen von ihrer Liebe zu Dudley und dessen Leidenschaft für sie — Francesca. Außerdem war Dudley selten daheim, und wenn ja, dann gab er sich den Anschein, völlig eingenommen zu sein von Francesca; und selbst ihr getreuer O'Meara hatte durch gewiss« Andeutungen und Verleumdungen, dir er in Bezug auf Dudley in letzter Zeit hatte fallen lassen, eS bei ihr verdorben. All das Herb« zusammengefaßt, war es denn auch ein rech! trauriges und sorgenvolles Gesichtchen, daS dem jungen Manne gegenüber saß, und wie er seine Hand auf die ihrige legte, da stürzten ihr die Thränen aus den Augen." „Du hast etwas auf dem Herzen", sagte er rrmuthigend, „etwas, daS mich betrifft?" „Sehr viel sogar", erklärte Betty jetzt tapfer. „Du befahlst mir, Alles Deinen Händen zu überlassen und Dir zu vertrauen. Aber es scheint «ine völlig« Veränderung mit Dir vorgegangen zu sein; und ich hasse und mag die Dinge, di« ich über Dich höre, gar nicht glauben!" „Welche Dinge?" Unter dunklem Erröthen senkte sie den Kopf. „Daß Du spielst und trinkst und Dich in schlechter Gesell schaft herumtreibst —" „Wer hat es Dir gesagt?" fiel ihr Dudley in di« Rede. „Herr O'Meara. Und ich sagte ihm darauf, es seien Lügen, und habe mich mit ihm gezankt!" „Woher weiß der es denn?" „Er hat «inen lustigen, schlecht beleumundeten Vetter — Patrik O'Meara — der ihm Alles erzählt." „Ist Pat O'Meara sein Cousin? Ich bin mit ihm zu sammen gewesen. Was er gesagt hat, ist die Wahrheit. Ich habe schlecht« Gesellschaft in London besucht, und reise jetzt nach Paris, dort noch schlechtere aufzusuchen." „Ich dachte, Du reistest zu Deiner Stiefmutter?" „Ja, werdt aber nicht bei ihr bleiben." Betty blickte ihn nachdenklich an and seufzt«. „Ich vrrfirhe Dich nicht", zwang sie über die Lippen. „Es witd aber bald geschehen. Vertraue mir nur, Betty, dal ist besser als mich verstehen. An einem Manne haftet Diele«, da« «licht zu verstehen für «ine oute Frau besser ist. Dank dem Himmel, konn« ich zwei solcher Frauen, — Dich und die petita widr» — rein«, -arte, brave, selbstlose, gutherzige Wesen, deren Gchitchoii in ihren liebevollen Semiithern liegt, und nicht in der äußeren Maske, unter der die gräßlichste Bosheit und Ver dorbenheit versteckt ist!" Das junge Mädchen überrieselte es eiskalt bei der Herbheit seiner Worte und dem Ausdruck seines Angesichts, als er sie aus sprach. Aber sie freute sich im Stillen, daß ihr Glaube an ihn auf gutem Grund basire und daß er in ihrer Seele auch ferner den Platz ihres Helden innebehalten könne. Hätte Betty Dudley mit den Augen folgen und ihn noch nicht 24 Stunden später in der feucht-kühlen Dämmerung eines Sep- tembermorgenS aus einer verrufenen Pariser Spielhölle treten sehen, «inen Mann, den er in dieser Nacht im Spiel zu Grunde gerichtet, halb führend, halb mit sich fortschleifend, dann würde sie sich doch gewundert haben. Der Mann war groß und blond, schlank gewachsen und aus nehmend schön, nur daß bereits der unverkennbare Zug der Aus schweifung und fortgesetzten Nachtdurchschwärmens und flotten Lebens seinem feingeschnittenen Gesicht den Stempel aufzudrücken begonnen. Es war der Honourable Herbert Devereux, der vierte Sohn Lord St. Clare'S, den Dudley Revelsworth nach vierzehn tägigem Suchen unter der denkbar dunkelsten Gesellschaft von London und Paris schließlich in letzterer Stadt gefunden und zum Fall gebracht hatte. Die Bekanntschaft des Honourable Berlin zu machen, hatte keine Schwierigkeit. Sein Benehmen Fremden gegenüber war entweder familiär oder unverschämt; doch war er zumeist ge neigt, Jedem, der -Geld zu seiner Verfügung zu haben schien, freundliches Entgegenkommen zu erweisen. Sobald er daher di« Uebrrzeugung gewonnen, daß Herr Dudley — wie Dudley Revelsworth sich nannte — seine Taschen mit Banknoten gespickt hatte, ließ er augenfällig den Wunsch, Kameradschaft mit ihm zu schließen, zu Tage treten, und das noch um so bereitwilliger, als Dudley ihm versicherte, kein Gewohnheitsspieler zu sein. Aber trotzdem neigte sich daS Glück ganz auf Dudley's Seite. Obgleich der Honourable Vertin durchaus nicht über Anwendung kleiner Kunstgriffe erhaben war, die seine Gewinnchancen beim Spielen beträchtlich zu erhöhen vermochten, gelang es ihm doch nicht, seinen Zweck zu erreichen, da Dudley's scharfes wachsames Auge unentwegt auf ihn gerichtet war. Und wie in den frühen Morgenstunden der Besitzer des Etablissements mit der Meldung eintrat, daß es Zeit zum Schließen und Vie Spitler die Säle zu verlassen hätten, da fand sich Berlin Devereux als Dudley's Schuldner mit einer Summe von 750 Pfund Sterling. Sein Pech verfluchend, ließ sich Devereux von Revelsworth aus den Räumen fortführen; auf der Straße aber wandte er sich mit Ungestüm nach seinem Gläubiger um. „Sie haben mich völlig ausgebeutelt; der Teufel mag sie holen!" murmelte er. „Aber höllisch gerieben müssen Sie sein, wenn Sie Ihr Geld kriegen! Ich habe nicht so viel, mir nur eine Flasch« Fist kaufen zu können, und will mich hängen lassen, wenn ich weiß, wann und woher neuen Vorrath nehmen!" „Kommen Sie mit mir in mein Hotel", suchte ihn Dudley zu beschwichtigen, indem er den Arm de« jungen Mannes ergriff. „Dort giebt'S die Meng« Fist, und ich werdr Ihnen rin Zimmer geben lassen, wo Sie Ihre Enttäuschung verschlafen können. Zuvor jedoch muß ich «ine kurze Unterredung mit Ihnen pflegen." Devereux stierte ihn «inen Moment mit ziemlich einfältiger Miene an; dann trat «in schlauer Zug in sein« blutunterlaufenen Augen, und er brach in rin höhnisches Lachen aus. „Sie haben Lust, meinen Finanzminister zu spielen, weil mein Vater Graf ist?" fragte er. „Den Schlich haben andere Burschen auch schon probirt, es nützt aber nicht auf lange. Ich wähle mir meine Gesellschaft lieber selbst; ich kann nicht vor Jedem zu Kreuze kriegen." „Dieser Besorgniß dürfen Sie sich «ntschlagen, Herr De vereux", erklärte Dudley eisig, nur mit Mühe dem Verlangen widerstehend, dem Manne für seine Insolenz eine handgreifliche Züchtigung angeveihen zu lassen, „ich wünsche weder Ihren Finanzminister zu spielen, noch Ihre Gesellschaft auf lang« zu genießen; Alles, was ich wünsch«, ist, Ihnen «in paar Frag-n vorlegen zu dürfen, und wenn Sie mir diese wahrheitsgetreu be antworten, dann will ich Ihnen zur Vergeltung Ihre Spiel schuld quittiren!" „^U risbt, — fragen Sie los!" rief Devereux mit halb trunkenem Lachen. „Wenn Sie etwa «in Buch schreiben unv etwas auS dem Leben hören wollen, dann kann ich Ihnen «ine Menge tolle Geschichten erzählen." Nach kurzer Fahrt in einem Fiaker traten sie in da» Hotel, in dem Dudley sein Zimmer hatte und wo er seine Reisetasche zurückgelassen. Sehr bald befand er sich mit -dem Honourable Berlin in einem luxuriös eingerichteten Salon, mit dem Blick auf eine der vornehmsten, jetzt menschenleeren Straßen, vor ihnen ein Teller mit feinem Biskuit und mehrere Flaschen Champagner. „Und nun schießen Sie los mit Ihren Fragen", rief De vereux. sobald er ein Glas Champagner hinuntergestürzt, die Hände in dir Taschen vergraben und die Füße von sich gestreckt hatte. „Handelt es sich um «in Mädchen?" „Um eine Frau", antwortete Dudley, vorwärts gebeugt, ihn scharf dabei beobachtend, „eine Frau Namens Francesca!'' Am Nu ging im Wesen seine» Gefährten eine vollständige Veränderung vor — alles Blut floß zurück au» seinem erhitzte» Geficht, und «in verstohlen-erschreckter Zug trat in seine Augen. Auf die Füße springend und durch Anhalten an der Rücklehn« seines Sessels sich sesthaltend, stierte er sein Gegenüber arg wöhnisch an. „Ich hab« den Namen nie zuvor gehört", sagte er schließlich in mürrischem Tone. „Weshalb die Frage?" „Vor ungefähr drei Wochen", fuhr Dudley unbeirrt fort, „erkannten Sie sie doch, als sie bei der Walton-Regatta neben mir in einem Nachen saß. Sie befanden sich in einem langen Boote. Erinnern Sie sich nun?" „Beim Jupiter — daher kam mir Ihr Gesicht auch bekannt vor!" murmelte Devereux leise. „Dor einem halben Jahre", ergriff Dudley von Neuem das Wort, „begegneten Sie ihr in einem Varietätentheater in der Näh« von Leicester Square. Sie hatte noch «tne Frau — ihre Hauswirthin — bei sich und redete Sie an. Sie aber leugneten in beleidigenden Ausdrücken jede Bekanntschaft mit ihr ab unv schlugen sogar nach ihr, woraus Sie in «in Cab sprangen. Ich trat dazwischen." „Das waren also Sie wieder!" sagte der Ander« verdrossen. „Diel Glück möge Ihr Dazwischentreten Ihnen bringen!" „Wenn Sie mir ganz genau mittheilen wollen, was Sie von ihr wissen und welchen Grund Sie zu der Furcht vor ihr und dem Haff« gegen sie haben, dann werde ich Ihnen einen vollen Empfangsschein für die mir schuldenden siebenhundertfünfzig Pfund Sterling ausstellrn und, wenn Sie gestatten, auch noch «inen Check — rückzahlbar nach Ihrem eigenen Belieben — für augenblickliche dringende Bedürfnisse, einhändigen. Um die Be zahlung werde ich Sie nicht drängen." „Was ist denn aber der Grund, daß Sie alles Mögliche über sie zu erfahren wünschen?" * „Nehmen Sie einmal an", erwidert« Dudley * bedächtig, „ein Herr, für den ich mich inieresstr«, ein Derwanvter von mir, wünsche diese Dame zu heirathen." - „Sie zu heirathen?" rief Devereux entsetzt. ^„Dann wolle der Himmel sich seiner erbarmen! Aber sie wird nie ein« Ehe ringehen, dürfen Sie versichert sein! Vor noch nicht zwei Mo- naten begegnet« ich ihr in London in der Row, wo sie mit einem anderen Narren, einem schmächtigen, blaffen, fremdländisch aus- sehenden Burschen, der sie auch heirathen wollte, promrnirte." „Das war mein Stiefbruder." „Und ihn meinen Sie vermuthlich?" „Nein. Er ist vor mehreren Wochen plötzlich gestorben." (Fortsetzung folgt.)
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