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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020220026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902022002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902022002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-02
- Tag1902-02-20
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1274 berathung ruhig fortaehea laffen uud ihre Stellung zu dem Compromißaatraae erst kundgrden, nachdem er zum Beschlüsse erhoben worden^. Die Bud gcta,isst ellüng Japans für das Fiskaljahr 1902—1903 sieht eine Gesammtciuuakmc von 273,5 mid Gcsammtausgaben im Betrage von 271 Millionen He» vor. Gegen daö laufende Etatsjahr be- öciitet das ein Weniger von 38,3 Millionen Ben bei den Einnahmen, ein Meür von 12,7 Nttllioneu Ben bei den dauernden, ein Weniger von 11,4 Millionen Ben bei den einmaligen Ausgaben. Die Einstellung höherer Beträge bei den dauernden Ausgaben wurde erforderlich durch die gesetzlich fcstgelegte Tilgung der Staatsschuld, durch die Anforderungen des öffentlichen Unterrichtswesenö, endlich durch Mehrausgabe für Bcrkehrsmittel, Wegebau u. s. w. Neu in den Etat eingestellt sind Forderungen für Ea- seruenbauten auf Formosa, für Hafcnbauten in Bokvhama und Kobe, für Errichtung eines Lehrstuhles der medici- nischcn Wissenschaft auf der Insel Musin, einer höheren Handelsschule in Nagasaki uud einer Gewerbeschule in dem circa 150 Kilometer östlich Kioto, an der Jseno-Bai ge legenen Nagoja. Nachdem der Etat in dieser Form bereits die Genehmigung der unteren Kammer erlangt hat, ist anzunehmen, daß er auch den Staatsrath ohne wesentliche Modifikationen passiren wird. Das geschäftliche Leben ist noch immer mannigfachen Schwankungen ausgesetzt. Einerseits machen sich jetzt erst die Folgeerscheinungen der wirthschaftlichen Krisis früherer Jahre in dem Zusammen bruch mehrerer, nicht genügend fundirter Bankinstitute und in den Mißerfolgen industrieller Unternehmungen be merkbar, andererseits hat die günstige Lage des Seiden marktes, sowie die außergewöhnlich gute Rcisernte, die mit 78 Millionen Hektolitern den durchschnittlichen Betrag um 17 Proccnt überstieg, sehr zur Besserung der Verhält nisse beigetragen. Um diese Entwickelung weiter zu sörderu, ist für das nächste Jahr eine japanische Aus stellung geplant, die in der zweitgrößten, 800 000 Ein wohner zählenden, an der Mündung der Jodogawa, 27 Kilometer östlich des Hafenortes Kobe, liegenden Stadt Osaka stattfinden und am 1. März 1903 eröffnet werden soll. Mit der Ausstellung soll eine Abthcilung für aus ländische Musterwaaren und Fabrikationserzeugnisse ver bunden werden. Osaka liegt in der fruchtbarsten und volkreichsten Provinz des Landes und hat sich innerhalb der letzten fünf Jahre industriell und kommerziell außer ordentlich entwickelt. Auf Grund der Vervollkommnung der Eisenbahnverbindungen im eigenen Lande erwartet man lebhaften Besuch der Ausstellung durch die eigenen LandeSbcwohncr, aber man rechnet auch auf zahlreiche ausländische Gäste, da die Aussicht besteht, daß bis. zur Eröffnung der Ausstellung die transsibirische Bahn im Betriebe ist und somit dem bisherigen Seewege ein lieber- landweg angereiht wird, der, wenn die in dieser Beziehung gehegten Erwartungen in Erfüllung gehen, die Reisenden in 25 Tagen circa aus Mittel-Europa nach Kobe, bezw. Tokio führen wird. Deutsches Reich. * Leipzig, 20. Februar. Die Revision des Straf gesetzbuches gehört zu den Aufgaben, mit denen das Reichsjustizamt beschäftigt ist; sehr nahe scheint ihre Lösung allerdings nach den bei der EtatSverbandlung erfolgten Mittheiluugeu nicht zu sein. Die Wissenschaft arbeitet inzwischen der Lösung vor. Auch der diesjährige Juristentag wird darüber verhandeln. Einer der hervorragendsten StrafrechtSlehrer, Professor Wach in Leipzig, hat soeben einen Vortrag, den er in der Jahres versammlung der rheinisch-westfälischen Gefängniß - Gesell schaft über die „Zukunft des deutschen Straf rechts" gehalten, im Druck erscheinen laffen. Die kleine Schrift enthält eine Fülle anregender Gedanken. Wach fol gert auS der Criminalstatistik, daß unsere Strafgesetze im Allgemeinen eine vorbeugende Wirkung ausüben, daß aber in bestimmten sprciellen Beziehungen diese Wirkung versagt, so namentlich beim Rückfall und bei der Crimi- »alitat der Jugend. Wach empfiehlt u. A. Heraufsetzung der unteren Grenze des strafmüudigen Alters, Ausdehnung der Zwangserziehung und Erziehungsstrafe von Reichs wegen. Die Geldstrafe sei in ihrer Maximatbestimmung, m der Art deS Ersatzes im Falle der Uneintreibbarkeit reform bedürftig.' Nicht minder das Freiheitsstrafensystem und der Strafvollzug. Die kurzzeitige Freiheitsstrafe ist keineswegs entbehrlich, aber einzuschränken und größerer Differenzirung etwa analog den militärischen Arreststrafen fähig und be dürftig. Sie muß anpassungsfähiger, einerseits wirksamer, andererseits schonender, gestaltet werden. ... In letzterer Hinsicht muß eine der Festungshaft entsprechende Strafe häufigere Anwendung finden. Wach beklagt ferner ein Neber- maß der Strafverfolgungen, veranlaßt besonders durch das Legalitat-princlp der Staatsanwaltschaft. Die Methode unserer Strafgesetzgebung aber leide an „ungesundestem" Formalismus in der Frage der Strafbarkeit uud weit gehendstem richterlichen Ermessen in der Frage der Straf hohe". — In ersterer Hinsicht einige Beispiele. . Sachbeschädigung, Diebstahl, Unterschlagung, Raub sind von dem Strafgesetzbuch zu formalistischen Thatbesländen herab- gewürdigt, bei denen es gleichgiltig ist, ob das Object Ver- niögenswerth hat oder nicht; es kau» eine Lappalie sein . . . . Tas Str.-G.-B. 8 243 statuirt Fälle des sogenannten schweren Diebstahls. Aus dem Bahnhof im Wartesaal stehen Schirin und Stock mit einer Strippe verbunden; einem Dritten gefallen Stock und Schirin; er möchte Beides, aber er mäßigt sich; es ist doch zu viel aus einmal; er löst den Stock und geht damit von dannen. Jetzt hat er einen schweren, normal mit Zuchthaus von ein bis zu zehn Jahren bedrohten Diebstahl begangen. Ist er aber klug, Hot er das Strafgesetzbuch studirt, so nimmt er Beides, dann ist der Diebstahl ein einfacher, aus den nur Gefängniß von einem Tag bis fünf Jahren steht. Und sollten die Gegenstände nicht oder nicht mehr zum Reisegepäck gehören — waS der Dieb nicht weiß — so trifft ihn keinesfalls die Strafe des schweren Diebstahls. Lat ein Hausdieb schonend die Cossette mit falschem Schlüssel geöffnet oder sie erbrochen, um sich mit dem Inhalt zu begnügen, so ist der Diebstahl schwer, ist die Cassette mit gestohlen, so ist er einfach, leicht . . . Unser Gesetz aber nöthigt uns. Gleichartiges ungleichartig und Ungleichartiges gleich- artig zu behandeln; es erhebt unwesentliche oder doch nur zu Straf- zumessungsgründen qualificirte Momente zu wesentlichen That- bestandsmerkmalen, bereitet der Gerechtigkeit Hindernisse durch seine kasuistische und inconsequente Behandlung des Gleichwerthigen. Professor Wach erinnert daran, daß die Verfasser des gegenwärtigen Strafgesetzbuches keine Schuld trifft: Als der Entwurf des Strafgesetzbuchs im norddeutschen Reichstag eingebracht ward, geschah eS ohne Illusion über seine Unvoll kommenheit und mit dem Ausblick auf demnäcbstige Um arbeitung. Es bandelte sich zunächst darum, einheitliches Recht zu schaffen. Jetzt aber sei die Reform dringlich. (Nat.-Ztg.) /?. Berlin, 19. Februar. Der schlechte Reichstags besuch macht zur Abwechslung auch dem Organ der bayerischen Eentrumspartei Kopfschmerzen. Zumal der Umstand, daß kürzlich die Linke selbstständig einen Beschluß durchsetzte, bat auf daS Münchener Blatt Eindruck gemacht, wenn jener Beschluß auch nur eine an fick gleichgiltige Sache, die Vertagung des Hauses, betraf. „Am Sonnabend bätte die Linke", schreibt die „N. B. Z." in Anknüpfung hieran, „thatsächlich cS in der Hand gebäht, die Republik zu erklären, aber es scheint wirklich Kreise zu geben, für weiche dieser Gedanke weniger schreckhaft ist, also der, den Reichstagsmitgliedern Diäten zu zahlen. Und mit einem solchen Reichstage gedenkt man den Zolltarif zu Stande zu bringen. Eine blutigere Ironie kann es nicht geben." — „Thatsäcklich" hatte es die Linke auch am Sonnabend nicht in der Hand, die Republik zu erklären. Das verhinderte die Geschäftsordnung des Reichstages. Ein ent sprechender Antrag nämlich konnte von der Linken auch am Sonnabend nicht eingebracht, geschweige denn sofort zur Berathung gebracht werden, weil am Sonnabend der Postetat auf der Tagesordnung stand, mit diesem aber der fragliche Antrag nicht in der „wesentlichen Verbindung" steht, die § 49 der Geschäftsordnung als zur Einreichung notbwendig bezeichnet. Anstatt also durch die Vorführung lächerlicher Schreckgespenster die verbündeten Regierungen zur Bewilligung von Diäten anzureizen, sollte das bayerische EentrumSorgan lieber aus das Ehrgefühl und das VerantworllichkeitSbewußtsein gerade der bayerischen CentrumSabgeordncten wirken, um einen besseren Besuch veS Reichstages herbeizuführen, denn die CentrumSbayern stellen gewöhnlich das Gros der Reichstagsschwänzer! — In Sachen der angeblichen Aeußerungen des Kaisers über daS Duell, welche die „Potsdamer Zeitung" am 9. December veröffentlichte, ist nunmehr Anklage erhoben und Termin auf den 12. März, Vormittags 11 Uhr, vor der ersten Strafkammer in Potsdam angesetzt. Angeklagt sind: 1) Redakteur Paul Groll, 2) Buchdruckereibesitzer Fritz Stein in Potsdam, und 3) der Geheime Rechnungsrath Julius Steinbach in Potsdam. Die Anklage lautet auf Be leidigung der beiden Leutnants v. Kessel und v. Goßler aus 8 186 deS Strafgesetzbuchs. — Der Kaiser hat aus Anlaß des in Cannes erfolgten Ab lebens des Herzogs Rudolf v. Croy, erblichen Mitgliedes des preußischen Herrenhauses rc., an den Sohn desselben, den Herzog Karl v. Croy auf Schloß Dülmen i. W., ein in den wärmüen Worten gehaltenes Beileidstelegramm gesandt. Weitere Bei leidsbezeugungen gingen telegraphisch noch ein: vom Kaiser von Oesterreich, dem Könige von England, dem König der Belgier, der Königin-Regentin von Spanien, dem Grobherzoge von Mecklen burg-Schwerin. dem Großherzoge von Luxemburg und dem Reichs kanzler Grafen v. Bülow. — Die vereinigten Ausschüsse deS BundeSratbS für Handel und Verkehr und für Justizwesen hielten heute Sitzung. — AuS ersten „deutschfreundlichen" vaticanischen Kreisen erfährt der römische Correspondent eines hiesigen Blattes, daß die NeichSregierung sich von Neuem über die Haltung deS polnischen Klerus, besonders deS Erz bischofs v. StabelewSki, bitter beschwert habe. Stabelewski, der bei seiner Ernennung eioe so deutschfreund liche Haltung an den Tag legte, setze jetzt der polnischen Agitation keinerlei Widerstand von Bclaog entgegen. Die Lage in Polen werde immer ernster und drohe geradezu gefährlich zu werden. — Und daran etwa» zu ändern, wird sich Rom wohl hüten, und wenn die „RtichSregierung" noch so schöne Augen hätte und überhaupt im Vatikan vertreten wäre. Die Notiz erweist sich hoffentlich auch ihrem Sinne nach so unzuverlässig wie die staatsrechtlichen Kenntnisse ihres Verfassers. — Wie die „Karlsruher Zeitung" erfährt, haben sämmt- liche Bundesregierungen den Vorschlägen der ortho graphischen Conferenz in Berlin zugestimmt. E» ist zu erwarten, daß in nächster Zeit im BundeSrathr eine Ver einbarung über den EiusührungStermin der neuen einheitlichen Rechtschreibung getroffen wird. — Der nationalliberale Provinzial-AuSschuß für die Provinz Sachsen hat die Vertrauensmänner der Provinz zu einer Besprechung über OrganisationSfragen auf Sonntag, den 23. Februar, nach Halle (nicht, wie gestern in Folge eines Druckfehlers zu lesen war, nach Gotha) berufen. — In der Frage der Lehrerbildung in Preußen ist der Gesammtvorstand deS preußischen LehrervereinS einer Erklärung deS Ausschusses beigetreten, der empfiehlt, die Be handlung der Frage, >o weit sie nicht die Fortbildung der Lehrer betrifft, einstweilen noch au-zusetzen, waS aber selbst verständlich eine Kritik und eingehende Besprechung der neuen Lehrpläne und ihrer Wirkungen nicht ausschließe. — Der zum Vorsitzenden der Zolltarif-Commission deS Reichstages gewählte Abg. Rettich ist mecklenburgischer Domänen rath und seit 1888 Hauptsekretär des Mecklenburgischen patriotischen Vereins, des landwirthschaftlichen Central-BereinS. Bon 1868 bis 1892 war er Besitzer eine» Rittergutes in Mecklenburg. Seit 1893 vertritt er den Wahlkreis Hagenow im Reichstage alS Mit glied der konservativen Partei. Er ist mehrfach als Berichterstatter für wichtigere Gesetze hervorgetreten, so sür das Viehseuchen- und Margarinegesetz und bethätigt sich viel an agrarpolitischen Debatten. Vorsitzender einer größeren Commission ist er wohl noch nicht gewesen. — Es wurde vor einiger Zeit mitgetheilt, daß im Reichsschah- amt eine besondere Instanz für Entscheidungen in Branntwein steuer-Fragen geschaffen werden solle. Tie in Betracht kommenden Mehrkosten sind im neuen Etat bereits auSgeworfen. Wie wir er fahren, sollen die Functionen deS neuen Vortragenden Raths dem jetzigen Mitgliede des ReichSgesundheitSamtS, Geheimen Rath Buchka, übertragen werden, einem Bruder des früheren Mitgliedes der deutsch-conservativen ReichslagSsraction und späteren Colouial- directors dieses Namens. — In Darmstadt starb, 76 Jahre alt, der Ober-Post- director o. D., Geh. Ober-Postroth Karl v. Bahl. Er war lange Zeit Ober-Postdirector in Potsdam und hatte viele Jahre hindurch die postalischen Anordnungen beiden Reisen Kaiser Wilhelm'» I. zu treffen und ihre Ausführung zu überwachen. Kurz nach seinem Uebrrtritt in den Ruhestand wurde er geadelt. * Elbing, 19. Februar. Die „Elbinaer Ztg." betrachtet die Candivatur des Fürsten zu Dohna-Schlobitten nunmehr als auS der Welt geschafft. Wie daS Blatt meldet, soll auch die Berliner Leitung der deutsch-conservativen Partei für Herrn v. Oldenburg eintreten. Danach hätte also der Bund gesiegt. * Hamburg, 19. Februar. Johannes Halben, deffen Tod gemeldet wurde, leitete in Hamburg eine von ihm 18ü3 begründete höhere Knabenschule bis zum Jahre 1872 und fungirte seitdem als erster Lehrer an den staatlichen Bildungsanstalten für Lehrer in Hamburg, sowie alS Mitglied der Oberschulbehörde. Der Ham burgischen Bürgerschaft gehörte er ein Lebensalter hindurch an und war mehrere Decennien lang Bicepräsldent derselben. Dem Reichs tage gehörte er von 1884 bis 1887 als Mitglied der deutsch-frei sinnigen Partei sür Pinneberg an. D Hamburg, 20. Februar. (Telegramm.) In der Sitzung der Bürgerschaft, die bis heute früh 1 Uhr sich auSdehnte, wurden die Anträge auf Errichtung von Arbeiter und HandlungSgehilfen-Kammern abgelehat. * Osnabrück, >9. Februar. In Haste wird, nachdem hierzu die behördliche Genehmigung eingetroffen ist, ein großes Ursu l i nerinnenkloster, daS den Namen St. Angela erhalten soll, errichtet werden. * Aus Württemberg. Der Gesammtaüsschuß des katholischen Schullehrervereins erläßt soeben eine Erklärung, nach welcher er w e d e r die Zu rück n a h m c der gegen die geistliche Bezirksschulaufsicht gerichteten Ravensburger Thesen vorgenommen hat — wozu er gar nicht befugt sei —, noch auch ihre Zurücknahme dem Plenum des Vereins oorzuschlagen beabsichtigt. Damit ist der anscheinend schon geglückte Centrumsvorstoß in letzter Stunde, wenigstens vorerst, abgeschlagen. Die Gründe für dieses kaum noch erwartete Ergebniß sin- folgende: Erstens darf die liberale Presse sich mit Genug- thuung das Verdienst beimessen, daß sie rechtzeitig, nach dem Rnf'schen Rückzugssignal vom 21. Januar, Alarm ge blasen und der liberalen Lehrerschaft das Gefühl ein geflößt hat, daß sie nicht allein stehe. Das war sehr wichtig. Wichtiger aber noch, daß die Thatsache bekannt wurde, das Cultusministerium habe bereits einen Gesetz entwurf abgeschlossen, nach welchem zwar an der getft- lichcn Ortsaufsicht, auf die auch das evangelische Volk Gewicht legt, nichts geändert, die Bezirks aufsicht aber fachmännisch geregelt werden soll. Der Gesetzentwurf gelangt, sobald daS Staatsministerium ihm die — zweifel los erfolgende — Genehmigung crthcilt hat, alsbald an die Kammern. Die katholischen liberalen Lehrer würden also so unklug wie möglich handeln, von der Charakter frage ganz abgesehen, wenn sie jetzt einen von ihnen lang- nnd wohlerwogenen Beschluß zurückziehen würden. Die Aussichten des Gesetzes hängen nicht ganz, aber doch guten Tbeils davon ab, daß die Lehrer beider Confessionen zu ihm stehen. Der Kämpfe wird es freilich noch genug darüber geben, und das Ccntrum wird Alles daran setzen, den Entwurf zu Fall zu bringen. Oesterreich - Ungarn. * Wie», 18. Februar. Die drei Gruppen desHerre u- hanses wählten je drei Vertreter, welche in der Zucker st euerfrage zur Wahrung der Interessen der Landwirthschaft und der Industrie mit dem aus den Mit gliedern des Abgeordnetenhauses bereits gebildeten Comite Zusammengehen werden. * Wie», 19. Februar. Das Herrenhaus hat die Vorlage, betreffend das Recrutencontingent, angenom men. — Das Abgeordnetenhaus hat die Vorlage, betreffend die bosnischen Bahnen, in allen Lesungen an genommen und dann die zweite Lesung des Budgets be gonnen. Frankreich. Arbeiterbewegung; Berhältniß z» Be»ezuela. * Marseille, 19. Februar. Die Genossenschaft der Matrosen der Handelsschiffe protestirtc in einem an die „Compagnie Generale Transatlantique" gerichteten Schreiben gegen die schlechte Behandlung, welche angeblich den Schiffsmannschaften dieser Gesell schaft zu Theil werde, und drohte mit einem A u s st a n d, falls in dieser Hinsicht keine Aenderung eintrete. * Paris, 20. Februar. (Telegramm.) Der Minister -es Acußern und der bevollmächtigte Vertreter Venezuelas, Maubourget, haben gestern das Ab kommen betreffs der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Venezuela, deffen Natificirung bis zum 1. Mai 1902 erfolgen soll, und ferner einen Meistbegünstigungsvertrag zwischen beiden Län dern, der unmittelbar nach jener Natificirung zur Ge nehmigung unterbreitet werden wird, unterzeichnet. Spanien. Zur Lage. * Madrid, 19. Februar. In Barcelona hat sich heute Abend die Lage verschlimmert. Es kam zu zayl- reichen Zusammenstößen zwischen Ausständigen und Truppen. Von beiden Seiten wurde geschossen. Mehrere Personen wurden verwundet, einige Bäckereien wurden geplündert. * Madrid, 20. Februar. Nach Depeschen aus Bar celona herrscht im Tec-Thale große Erregung. Die telephonische Verbindung zwischen Barcelona und Bada- lona ist unterbrochen. In Billanueva y Geltru kamen Zusammenstöße mit der bewaffneten Macht vor. Der Zeitungsverkauf in Madrid ist untersagt. Die Gesellschaft „Rothes Kreuz" hat Befehl erhalten, ihr gesammtes. Material bereit zu halten. Es wird eine Ausdehnung des' Ausstandes auf die Provinz Saragossa befürchtet. Am 1. März wird ein allgemeiner Aus st and in ganz Spanien erwartet. * Barcelona, 19. Februar. Die Truppen, die zur Wiederherstellung der Ruhe herangczogen worden sind, wurden von Individuen, die auf den Balcons des Theaters „Santa Madrona" sich befanden, angegriffen und mußten von der Schußwaffe Gebrauch machen. Mehrere Personen wurden verwundet. DaS Militär schlug die Thüren ein, um die Angreifer festzunehmen, die Revolverschüsse abgaben. — Die letzten Kautschuk fabriken, die noch offen waren, sind geschloffen wor den. Die Ausständigen betrachten die Schließung als einen großen Triumph. — Ein Anarchist Namens Bonafulla ist festgenommen worden. — Die Druckereiarbeiter drohten, diejenigen College», die die Arbeit wieder aufnehmen, zu tödten und die Druckereien zu zerstören. Die Zeitungsdirectoren be schlossen, bis zur Wiederherstellung -er Ordnung die Zeitungen nicht erscheinen zu laffen. * Madrid, 19. Februar. In der heutigen Sitzung der Kammer erklärte -er Justizminister auf eine Anfrage, nach den letzten aus Barcelona eingetroffenen amtlichen Telegrammen sei die Lage dort unverändert. Der Ver kehr der Straßenbahnen sei noch nicht wieder hergestellt, die Arbeit in den Fabriken noch nicht wieder ausgenom men. In Manresa und Sabadell herrsche wieder Ruhe, doch hätten dort die Arbeiter die Arbeit noch nicht wieder ausgenommen. * Madrid, 19. Februar. Der Senat nahm cndgiltig die Vorlage wegen Aufhebung der verfass ungs- Die letzte Bermuthung Erich's traf keineswegs zu. Stephanie hatte kaum gewußt, daß die Beiden zu sammen ausgeritten waren. Sie ließ Las Paar vorüber, ohne ihre Anwesenheit zu verrathcn; ruhig prüfend sah sie in das stark geröthete Gesicht der ungen Frau. Diese trug ein Neitkleid von einem sehr schönen Mittelblau, das ihren Teint und die Farbe des b onden Haares wunderbar hob. Sie war sehr hübsch, das ließ sich nicht leugnen, das längliche Oval -er Wangen war bis zum Kinn mit tiefem Roth bedeckt, die schmale, feingezeichnete Nase weiß und die Augen grau, sprühend, schillernd. Die Figur erschien zum Zerbrechen! zierlich, aber sie besaß die Biegsamkeit einer Wcidengerte, auch kvnnte man hier unmöglich von Magerkeit sprechen, denn alle Formen hatten trotz ihrer fast kinderhaften Zartheit vollendet weiche Rundungen. Etwas Elfenhaftes bastele der jungen Frau nicht an, vielmehr etwas ganz robnst Gesundes, und dieser Gegensätze wegen waren die Männer fast ohne Ausnahme vernarrt in sie, freilich nur in der Weise, wie man sich für ein Kunstwerk begeistert, das Allgemeingut ist. Stephanie hatte anfangs, als sie hier auf Eckhoff die ersten Male mit Selma zusammentraf, für diese ge schwärmt. Jetzt stand sie derselben kühl und kritisch gegen über, vielleicht sogar ein wenig überlegen, zur Ironie geneigt, was Selma schon bemerkt uud als eine Heraus forderung angesehen haben mochte, denn sie ließ jetzt keine Gelegenheit vorübcrgehen, ohne Stephanie zu reizen. Seit nahezu acht Wochen befand sich Stephanie auf Eckhoff. Ihre Verlobung mit Eckhoff war nicht veröffentlicht worden. In schweigendem Ueberetnkommen hatte man diesen Punct nicht wieder berührt. Betreffs der Erbschaftsangelegenheit war die Majorin allerdings orientirt. Doch hüllte Bernhard sich auch ihr gegenüber in abso lutes Schweigen. Für Las junge Mädchen war die Situation peinlich und eine Andere an ihrer Stelle hätte wohl kaum mit gleicher Ruhe diese seltsame Prüfung bestanden. Hier aber kam Stephanie die Gewohnheit zu statten, jedes Borkommniß, jede» Mißverständnis mit Still schweigen und feinem Tact -u übergehen. Sic war aus ihrer gleichmäßig freundlichen Haltung nicht ycrauözubriugcn, und was Eckhoff aufreizte, ver bitterte, und ihn immer wieder zu der Phrase veranlaßte, „das Alles thut sie nur des Geldes wegen, um dcu schnöden Mammon zn erreichen, beherrscht sie sich, wie eine Gottheit —", das gefiel der Frau Majorin -och sehr, und sie erkannte recht bald, daß hier nicht Verstellungskunst, sondern angeborener Tact und eine vorzügliche Erziehung die Motive bildeten zu einer Harmonie, welche die beste Gewähr für dauerndes Eheglück ist. Bernhard aber wollte nicht zum zweiten Male glauben! Zu frisch hafteten in ihm noch die Eindrücke jenes klaren, schneeverwchten Wintertagcs, wo Alles in ihm sonnige Hoffnung, heiße Liebcsseligkeit und felsenfestes Vertrauen gewesen war, und Stephanie spottend, von kaltem Hoch- nruth geleitet, seinen Mannesstolz so tief demüthigte! Nein, jene Stunden der Verzweiflung, der furchtbarsten Seelen qual konnte er nicht vergessen, „niemals!", sagte er sich, und, um von jenen dunklen, verführerischen Augen, dem wchmüthigen Lächeln der frischen, rosigen Lippen nichts mehr zu sehen, wandte er sich mehr und mehr der Frau von Linden zu. Stephanie hatte bis vor Kurzem die Anbetung und Vergötterung ihres Selbst als Lebenszweck betrachtet. Nachdem aber die erschütternden Ereignisse der letzten Monate sie aus diesem Traum banalster Selbstverherr- ltchung recht unsanft aufgerüttelt hatten, wuchsen ihrer Seele neue Schwingen. Die Liebe zu Eckhoff zog in ihr Herz und bildete gleich sam den Centralpunct für andere edle Regungen, die wie aus dunklen, plötzlich vom Sonnenschein durchleuchteten Gründen in ihr emportauchien, sich entfalteten und mehr und mehr vervollkommneten. Trotzdem ihre Liebe anscheinend keine Erwiderung fand, fühlte Stephanie sich keineswegs entmuthigt, selbst als Selma von Linden auftauchte und Bernhard sich mehr und mehr dieser zuwandte, lächelte die heimliche Braut nur still in sich hinein. „Ich habe sein Wort", sagte sie sich, „und ich gebe den Ge liebten nicht wieder frei. Im Gcgenthcil, er wird, cr muß mich lieben lernen, denn ich will um seine Zuneigung werben in unendlicher Demuth und Geduld." Freilich dachte Stephanie nicht daran, mit Selma zu rivaltstren. Mochte Jene sich doch mit Bernhard unter halten, mit ihm ausreiten, ihn ganz mit Beschlag belegen; Stephanie war nicht zur Eifersucht veranlagt. „Ich liebe ihn aufrichtiger, besser, als Jene", sprach sie zu sich, „ich bin schöner, als die Andere, vielleicht auch veranlagt, ihn mehr zu beglücken! Auf meiner Seite ist das gute Recht, denn ich bin seine Braut! Es müßte doch seltsam zugehcn, wenn er nicht eines TageS zur Besinnung käme und mir Gelegenheit gäbe, gutzumachen, was ich ihm einst Schlimmes zugefügt!" Ihre Augen füllten sich dann wohl mit heißen Thränen, während sie, als handle es sich nm ein Gelöbniß, mit gefalteten Händen hinzuzu setzen pflegte: „Tausendfach will ich gut machen, und sollte das Schicksal ein Opfer von mir fordern, eS wird mich bereit finden, — ich will es bringen — ein Opfer, um mir dieses theure, geliebte Herz wieder zu erringen!" Diese Klarheit der Empfindungen verlieh ihr Frieden, und der feste Wille, verbunden mit einer sanften Demuth, einer zuwarteuden Geduld prägte sich in ihrem schönen Antlitz aus, ließ es gleichsam verklärt erscheinen, wie ge adelt durch eine hohe, reine Idee. Auch jetzt trat sie, wenig berührt von dem empfangenen Eindruck, langsam den Heimweg an. Der Park dehnte sich weit, weit aus und sie hatte eine tüchtige Strecke zu- rückzulegen, ehe sie über den Hof in das Herrenhaus ge langte, das nur von einigen herrlichen, alten Linden überschattet wurde und außerdem ringsum von Wirth- schaftsgebäuden umgeben war. Sie hatte aber erst wenige Schritte vorwärts gethan, als Schleinitz ihr grüßend entgegentrat. Sie wußte wohl, daß er Eckhoff'S Freund war, hatte ihn in L. aber nur sehr oberflächlich beachtet und ahnte natürlich nicht, daß er es gewesen war, welcher Bernhard einst so dringlich vor ihren Sirenenkünsten gewarnt hatte. Auch daß Schleinitz Eva ausgezeichnet hatte, wußte sie nicht. Wie wäre sie damals darauf gekommen, sich um Eva s Erfolge zu kümmern? „Mein gnädiges Fräulein", sagte der Edelmann herz lich, „ich freue mich, Sic hier begrüßen zu dürfen! Jeden falls hat Ihnen Eckhoff von meiner Ankunft schon ge sprochen —" Stephanie reichte ihm ihre Hand zum Gruße hin. „Nein, ich wußte nicht, daß Sie sich augemeldet hatten, Herr von Schleinitz", entgegnete sie, stark errvthend. Eine Weile gingen sie schweigend neben einander dahin, Beide mit sehr ernsten Gedanken beschäftigt, dann be merkte Erich, stehen bleibend: „Wie schön cs hier ist, solch' ein Frühling auf -em Lande ist doch etwas Herrliches!" Es war das erste Mal, -aß Jemand hier in diesem warmen, natürlichen Tone zu ihr sprach, und da ihr das Herz zum Zerspringen voll war, so entgegnete sie ohne Besinnen: „Sie können sich kaum eine Vorstellung mache» vou dem, was mich bewegte, als sich mir langsam diese Pracht erschloß! Nie zuvor hatte ich ähnlich empfunden, ich Hütte mit ausgebreiteten Armen dahinstürmen mögen, so, als gelte es, eine Welt zu umarmen! Das Herz wurde mir ja sv weit, so ruhig, in dieser wundersamen, beglücken den Abgeschiedenheit! Anfangs war noch Alles braun nnd leer, die Erde und die Bäume, aber dann begannen alle Lücken sich zusehends auszufüllen, und wenn man beim Regen hinausging, so konnte man das junge Grün buch stäblich wachse» sehen! Ach, wie so unendlich lieb, wie herrlich das Alles — wie eingehend zum Herzen sprechend! Stundenlang habe ich zugeschaut, wie die Schwalben ihre Nester bauten, ab- und zufliegend, eifrig berathend! Und nun ist Alles vollendete Herrlichkeit, und man wünscht nur, Laß es kein Verblühen gäbe, daß man immer so dahin träumen dürfte unter Blüthenbäumen und jungem Laub — das Träumen habe ich hier erst gelernt —", ihre Stimm senkte sich und wurde ein wenig unsicher, aber warmcS, herzerquickendes Innenleben verrieth jedes ihrer Worte, einen Strom, der nur -eS entscheidenden Momentes ge wartet zu haben schien, um überfluthen, der einengenden Bahn entströmen zu dürfen. Erich war tief betroffen. Sie wußte, daß er Eckhoff's Freund war und zeichnete ihn deshalb mit einem Bcr- trauen aus, da» sehr natürlich war, und ihn doch verlegen machte. (Fortsetzung folgt.)
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