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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021125016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902112501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902112501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-11
- Tag1902-11-25
- Monat1902-11
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8L6S Verll«, -4. Nsvemier. (Die Elsässer «ud da« Zentrum.) Dem elsassiscken Pfarrer Kevren ist unterstellt worden, daß er in einem Schreiben an seinen AmtSzenoffen t)r. Gapp sich für den Anschluß an das Zentrum aus gesprochen bade. Diese Behauptung scheint ibm srbr unbequem zu sein, denn er schreibt an den „Elsässischen BollSboren": „Ick) habe folgendes ^geschrieben: Unternebmen wir nicht die Wahlen mit dem Schlagwort „Anschluss a«I Zentrum", denn sonst würden wir viele Stimmen im Unter-Elsas; und noch mehr im Ober-Elsaß verlieren. Wählen wir tüchtige katholische Männer und überlassen wir den gewählten Abge ordneten die Frage deS Anschlusses ans Zentrum. Li par aprtzs ils voul au eentro, tunt wieux." Dieses Schreiben ist in zweierlei Hinsicht sehr interessant. Es legt erstens die Tatsache fest, daß die schon seil Monaten so lebhaft be triebenen Agitationen für den Anschluß der elsässischen Katho liken an die deutsche Zentrumspartei zum guten Teil ledig lich Mache einiger „Offiziere" ist, während die „Mann schaften" nicht mitmachen wollen. Denn wenn gesagt wild, oaß falls „wir", d. h. also die Ossiziere, die Führer der Partei, mit der Losung „Anschluß ans Zentrum" in die Wahlen gehen, viele elsässiich-katholische Stimmen im Unter Elsaß und noch mehr im Ober-Elsaß verloren gehen würden, so besagt dieö doch nichts anderes, als daß ein erheblicher Teil der Wählerschaft von diesem Anschlüsse durchaus nichts wissen will und lieber sich der Stimme zu enthalten oder gar für einen Gegner zu stimmen gewillt ist, als daß er einem GefolgSmanne des Zentrums die Stimme gäbe. Zum zweiten aber enthüllt der Brief mit einer geradezu verblüffenden Harmlosigkeit ein artiges Jesuilenplänchen. Man will die Frage des Zentrumsanschlusses vor den Wählern totschweigen, aber wenn dann die gewählten Ab geordneten dem Zentrum beitreten, ..tunt mieux". Zwar heißt es in dem Briefe, man werde den gewählten Abgeord neten die Frage des Anschlusses „überlassen", aber aus dem ganzen Zusammenhänge ergibt sich, daß man sich wohl vor der Ausstellung der Kandidaten mit ihnen insgeheim über den Anschluß an das Zentrum verständigen wird. Andernfalls wäre ja auch nach cen Wahlen die Sachlage hinsichtlich der Frage des Anschlusses genau dieselbe, die sic heute ist. Man muß die Gutmütigkeit des elsässischen Bällchens schon reckt hoch einsckätzen, wenn man es wagt, seine Absichten in so durch sichtiger Weise darzutun, wie es in dem Briefe des Herrn Pfarrers Kehren an den „Elsässischen Bollsboten" geschieht. D Berlin, 24. November. (Telegramm.) Zur gestrigen Frühstückstafel beim ttaiserpaar war Fürst Philipp Eulen burg geladen. Nachmittags sah das Kaiserpaar in Char- lottenhof dem Schlittschuhlaufen des Prinzen Joachim und der Prinzeisin BictoriaLuise zu unv unternahmsodann einen Spazier gang durch Sanssouci. Zur Abendtafel waren keine Einladungen ergangen. — Heute vormittag hörte der Kaiser den Vortrag des Chefs des CivilkabincttS Ör. von LucanuS und empfing dann den bisherigen österreichisch-ungarischen Militärattache Oberstleutnant»»! Graf Stürgkh unk den neuen Militär attache Hauptmann Ritter Klepsch-Klotte vonRoden, sowie später den Hauptmann a. D. Brandeis, Landeshauptmann der Marschallinsein und den Oberst Leutwein, Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika. — Um 12 Uhr 10 Min. reiste der Kaiser zur Jagd nach Bückeburg ab. (-) Berlin, 24. November. (Telegramm.) Die „Berliner Korrespondenz" schreibt: Auf die vom Reichstage zu dem Gesetzentwurf über die Feststellung des Ncichshaus- haltSetatS von 1902 gefaßte Resolution wegen der gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit zu treffenden Versichernngs- etnrtchtungen beschloß der Bundesrat, den Reichskanzler zu ersuchen, durch das Statistische Amt festslellen zu lassen, welche Einrichtungen bezüglich der Versicherung gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit bisher getroffen unv welche Ergebnisse dadurch erzielt worden seien, hierdurch aber diese Resolution für erledigt zu erklären. Der Stellver treter des Reichskanzlers, Graf PosadowSky, beauftragte infolgedessen daS Statistische Amt, das Erforderliche zu ver- anlaffen. Dabei wurde bemerkt, eS sei davon auszugeben, daß zu den Einrichtungen, die die Voraussetzung einer Beisicheruug gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit bilden, insbesondere auch die gemeinnützigen Arbeitsnachweise öffentlicher und privater Verbände zu rechnen seien. Was die Einrichtungen zur Ver sicherung gegen die Arbeitslosigkeit im engeren Sinne betrifft, so würden auch die im AuSIande getroffenen Maßnahmen insoweit zu berücksichtigen sein, als sie aus der Literatur bekannt seien und für die inländischen Verhältnisse besonderes Äntereffe böten. L. Berlin, 24. November. (Privattelegramm.) Die „Nat.-Ztg." berichtigt sich selbst folgendermaßen: An der zskpoltttfchen Besprechung beim Reichskanzler am Sonn abend haben infolge eines nachträglich gefaßten Fraktions beschlusses der Nationalliberalen auch die Abgg. Basser- maun und vr. Paasche teilgenommen. Ueber daö Er gebnis wird Stillschweigen beobachtet. 6. R. Berlin, 24. November. (Privattelegraunn.) Ueber die Verständigungsaktion verlautet, daß der Reichskanzler einverstanden sei, daß die drei Mark Mindestzoll für Gerste auf 4 für Braugerste erhöht, auf 2 -E für Futtergerste ermäßigt würden, Wobei al« Durchschnitt 3 bleiben würden. — Der „Vorwärts" veröffentlicht einen in seine Hände geratenen Aufruf, in dem zur Bekämpfung der Sozialdemokratie bei den nächsten Wahlen die Ver breitung einer in drei verschiedenen Ausgaben verfaßten Broschüre in Millionen Exemplaren vorgescklagcn und zur Kostendeckung Beiträge gefordert werden. Unterzeichnet sind einige hundert konservative und nationalliberale Herren. Auch bis Broschüre« find im Besitze de« „Vorwärts". Der Aerger des „Vorw." über das Unternehmen kann andere Leute kalt lassen. Brauujchwcia, 23. November. Das neue braun- schiveigischc K a t h o l i k c n g c s c n ist im Landtage des Herzogtums am 20. und 21. d. M. zur Verhandlung gekommen und im wesentlichen nach den Kommissions vorschlägen angenommen worden. Die wesentlicheren Be stimmungen des Gesetzentwurfes besagen, dass die Befugnis znm llcbcrtritt von dem Bekenntnisse, in welchem je mand erzogen ist, zu eitlem anderen mit dem 14. Lebens jahre beginnt. Die katholischen Geistlichen sind erst dann einen zum Wechsel des Bekenntnisses entschlossenen Evan gelischen anszunestmc» oder zu Religionshandlnugen zu- ulanen befugt, wenn die Willensertlärung dessen, der nberzntreten die Absicht bat, einem evangelischen Geist lichen seines Wohnortes abgegeben oder in glaubhafter Weise angezeigt und von ihm eine Bescheinigung darüber beigebracht ist. In gleicher Weise ist auch im umgekehrten Falle, also beim Uebertritte eines Katholiken znr evan gelischen Religion, zu verfahren. Weiterhin trifft das Gesetz noch Bestimmungen über die Taufe und religiöse Erstehung von K Indern aus M ischehen , über die Schnlpslicht nnd die Erfüllung derselben seitens katholischer Kinder durch den Besuch einer staatlich anerkannten Schule iunter Befreiung vom Schulgeld an die Gemeindeschuleh über den Besuch der Kranken nnd Gefangenen durch katholische Geistliche, über die Führung der Kirchenbücher und die Aufsicht über diese, sowie schließlich über die Zu lassung der katholischen Geistlichen zu kirchlichen Amts handlungen. Letztere wird von dem vor der betreffenden Verwaltungsbehörde zn Protokoll gegebenen Gelöbnis ab hängig gemacht, daß der Geistliche dem Katholikengesetzc getreulich nachkommen wolle. * Essen, 24. November. Nack der Kunde vom Tode Krupps war cs selbstverständlich, daß sofort Kom binationen aller Art auftauchten. Jeder wußte, jkrupp ist ein sehr empfindsamer, weicher, fick vor der Oeffentlickkeit geflissentlich zurückstehender Herr. Daß auf einen solchen, jede öffentliche Kritik scheuenden Charakter, der sich verantwortlich neben die Höchsten dieser Erde gestellt sieht, die unerhörte Ver dächtigung auf das entsetzlichste wirken mußte, war für jeder mann selbstverständlich. Der Prozeß konnte sich Monate, Jahre hinzieden. Die Arbeiter gingen mit dem Plane um, Krupp durch einen riesigen Fackclzug eine Genugtuung darzubringen. Auch als der Anschlag in der Kruppschen Fabrik dem Publikum zu Gesicht kam, die Nachricht von dem zweimaligen Schlaganfall, ohne daß dabei die behan delnden Aerzte unterzeichnet hatten, wollten die Ver mutungen nicht verstummen: gerade so nämlich hätten die Veröffentlichungen lauten müssen, falls wirklich Krupp keines natürlichen Tores gestorben wäre. Konnte der empfindsame Mann, so fragt man sich, nicht unter der niederdiückenden Wucht einer so schmählichen öffentlichen Verdächtigung in einem Anfall von tiefer Melancholie und Trübsinn Hand an sich gelegt haben? Und warum ver öffentlichte das Direktorium, um all diese Gerüchte ab zuschneiden, nicht ein mit Namensuntersckrift der Aerzte versehenes Bulletin über Krankheits verlauf und Tod? Die „Mgdb. Ztg." beantwortet diese Frage so: Bei jeder fürstlichen Persönlichkeit ist die Veröffent lichung eines ;olcken Bulletins selbstverständlich. In der öffentlichen Meinung und in seiner tatsächlichen Be deutung übertrifft Krupp so manchen Fürsten Deutschlands, deren jeden er an Einkommen übertrifft. Das alles ist, wie man hier als sicher erzählt, auch dem Direktorium der Firma von den verschiedensten Seiten nahegelegt worben. Ein noch gestern abend erschienenes Bulletin würde alle über Sonntag etwa wuchernden Gerüchte zum mindesten auf ein unschäd liches Maß herabgedrückl haben. Aber das Direktorium der Firma, l3 Herren, teils Kauf- und Finanzleute, teils Techniker oder Juristen, hat von jeher eine für ein solches tausendfach niit der Oeffenllichkeit verbundenes Werk außer gewöhnliche Mißachtung der öffentlichen Meinung an den Tag gelegt, die in dem vorliegenden Falle sich geradezu als eine Ungeickicklichkeit charakterisiert, die der Familie Krupp und dem Werk noch allerlei peinliche Folgen emtragcn kann. DaS Direkiorium hat nämlick, wie man versichert, absicht lich kein Bulletin veröffentlicht, von der Erwägung aus gehend, daß dadurch die bezeichneten Gerüchte e>st hervor gerufen werden würden. — Auch Mitteilungen der „Köln. Ztg." widersprechen der Berechtigung dieser Zweifel an der Ge schicklichkeit deS eingeschlagenen Verfahrens nicht; dem Blatte wird von hier geschrieben: Die allenthalben von Mund zu Mund gehende Frage, ob nicht zwischen dem plötzlichen Tore Friedrich Alfred Krupps und den vor kurzem von sozial demokratischen Blättern gegen ihn erhobenen Beschuldigungen ein ursächlicher Zusammenhang bestehe, ist mir heule von Mitgliedern deS Direktoriums der Firma dahin beantwortet Worten, daß ein solcher Zusammenhang insofern freilich wahrscheinlich sei, als Geheimrat Krupp anss tiefste erregt worden sei, so daß der Schlagansall, der seinen Tod ver anlaßt Hal, als die unmittelbare Folge jener Erregung be trachtet werden müsse. Daß aber ein natürlicher Tod seinem Leben ein Ende gesetzt habe, so wird mir weiter ver sichert, sei nicht zu bezweifeln. Wie mir ein Mitglied deS Direktoriums erklärte, erlitt Excellenz Krupp am Sonnabend-Morgen gegen 0 Nbr einen Gehirnschlaz; gegen Mittag verschlimmerte sich der Zustand, ein erneuter Gebirn- schlaz trat ein, und um 3 Uhr verschied Herr Krupp. Wie von anderer Seite versichert wird, unterhielt sich am Freitag Herr Krupp in bester Laune mit einem ihn besuchenden Be kannten über alle möglichen geschäftlichen Einzelheiten, gab seiner Freude Ausdruck, daß eö seiner (wie es heißt nerven ¬ leidende«) Frau wieder besser gehe und streifte kurz und kühl die gegen ibn gerichteten Angriffe. Vom Staatssekretär v. Tirpitz ist folgendes Beileids telegramm eingegangen: „An daS Direktorium Friedrich Krupp, Essen. Die Nachricht von dem Hinscherden Ihres Cbefs bat mich tief ergriffen. Ich betraure mit der gesamten Marine den so früh Verschiedenen, dcu tätigen Mitarbeiter an der deutschen Wehrkraft zur See und den unermüd lichen Förderer gemeinnütziger Wohlfahrtübestrebnugen." Außerdem sandle der StaatSiekretär v. Tirpitz folgendes Telegramm an Frau Krupp: „Tiefbewegt vou der Nachricht über das Ableben Ihres Gemahls bitte ich, meiner auf richtigen Teilnahme an dem unersetzlichen Verlust, der Sie jo plötzlich betroffen hat, versichert zu sein. In der Marine wird der die Stärkung von Deutschlands Wehrkraft zur See gewidmeten Tätigkeit des Heimgegangenen die dauernde An erkennung nicht versagt bleiben." Der Vorstand des Vereins für bergbauliche In teressen sandte an Frau Krupp folgendes Telegramm: „Der heute versammelte Vorstand des Vereins für bergbau liche Interessen bedauert von ganzem Herzen daS Hinscheiden des Herrn F. A. Krupp, ves ersten Industriellen des Vaterlandes. Sein hochherziges öffentliches Wirken schützte ihn nickt davor, daß sein Privatleben durch nieder- trächtige Angriffe in den Staub gezogen worden ist. Diese Anfeindungen vergällten aufs bitterste die letzten Tage seines Lebens, daS kein anderes Ziel kannte, als der Wohl fahrt der Arbeiter und ihrer Angehörigen aus vollem Herzen und mit offener Hand zu dienen?" (Wdblt.) Altenburg, 23. November. Dr. Weise, Syndikus der Stettiner Kaufmannschaft, der bekanntlich von den liberalen Parteien des Herzogtums im nächsten Jahre als Reichstagskandidat aufgestellt werden sollte, teilt uns mit, daß ihm davon nichts bekannt sei, und daß er nach einem solchen Mandat auch zur Zeit gar nicht strebe. * Rudolstadt, 23. November. Der Landtag hat die Wahlen sämtlicher Abgeordneten für gültig erklärt. Diese leisteten den verfassungsmäßigen Eid. Zum Präsidenten wurde Abg. Lüttich, zum Vizepräsidenten Abg. Winter, ein Sozia Idem okrat, gewählt. Bei der Wahl deS letzteren gaben die Abgeordneten der OrdnunSparteien 8 unbeschriebene Stimm zettel ab; seine Wahl erfolgte durch die 7 sozialdemokratischen Stimmen. Außer dem Etat sind dis jetzt noch 13 Vorlagen eingegangen, darunter solche über die Pensionen der Geist lichen und über die Versorgung ihrer Witwen und Waisen, über die Besoldungen der Staatsbeamten und über die JnvaliditätSversicherung der Kanzlisten nnd Schreib- gebülfen. (Magdeb. Ztg.) (-) Darmstadt, 24. November. (Telegramm.) Beider Konstituierung der Zweiten Kammer wurde daS bisherige Präsidium mit großer Mehrheit wiedergewählt. Morgen mittag findet die feierliche Eröffnung deS Landtags durch den Großherzog statt. Oesterreich - Ungarn. Hermann Wolf. * Wien, 24. November. (Telegramm.) Daö Drama, dessen Hauptperson der Abgeordnete Karl Hermann Wolf ist, scheint seinem Ende entgegen zu gehen. Vor genau Jahresfrist wurde die politische Well durch die Ausschließung Wolfs aus der alldeutschen Partei überraschk. Die Be gleitumstände, unter dtnen die Ausschließung ersolgte, ließen erkennen, daß ein Zweikampf aus Leben und Tob zwischen Schönerer und Wolf entbrannt war. Nur wenige Ab geordnete der alldeutschen Gruppe blieben Wolf treu; die andern entfesselten einen erbitterten Kampf, um Wolf vollends zu vernichten, an ihrer Spitze der „Kronprinz" der Partei, Abg. vr. Sckalk, der übermorgen vor dem Geschworenen gerichte in Brüx seine gegen Wolfs politisches nnd Familien leben erhobenen schweren Beschuldigungen zu erweisen haben wird. Fast wie ein Selbsturteil tomml heute die Nachricht, Wolf sei von der Leitung der von ibm gegründeten „Ost deutschen Rundschau" zurückgctreten, um, wie er selbst nnl- teilr, die gegen seine Person gerichteten Angriffe von dem Blatte, dem er bis gestern vorstand, adzuwenden. Wie immer daS Brüxer Urteil lauten wird, Wolfs politische Laufbahn scheint endgültig abgeschlossen zu sein. (Voss. Ztg.) Italien. Eiu reuiger „Apostat". ZeituugSuachrichlen zufolge hat sich der im Jahre 1881 in Widerspruch mit der römischen Kirche geratene ehemalige Domherr von St. Peter m Rom, Graf von Campello, jetzt in seinen alten Tagen dock wieder bewegen lassen, sich dem Papst zu unterwerfen. Derselbe hatte, statt durch den Ueberirilt zum Protestantismus seiner Absage an den Papst die allein sickere Gewähr zu geben, sich mit der tausendmal als ein Schlag inS Wasser erwiesenen Halbheit begnügt, künftig ein nationaler und Nom gegenüber selbständiger, aber trotzdem römitch-katbolischer Priester sein zu wollen. Damals schrieb der Erzbischof Pietro Nota in der Mailänder Zeitschrift „La scuola cattolica" (Vol. XVIII. 105) überven „Abtrünnigen", daß „der unglückliche Domherr der ersten Kirche der Welt diese, nachdem er sie durch sein anstößiges Leben entehrt balle, verlassen habe, um sich in der Noipfütze der Schamlosigkeit zu wälzen, weshalb die Ketzer, statt sich mit seinem Abfall zu brüsten, sich lieber solchen Zuwachses schämen sollten". Jetzt, bei seiner Rückkehr in den Schoß Roms, wird man freilich von solcher den Gegnern einst empfohlenen „Scham" auf römischer Seite schwerlich viel merken. Im Gegenteil stehe« ia der katholische« Presse Jubelhymnen zu erwarten über da« heimkehrende Schaflein, das vor allem der Hunger wieder in den einst verlassenen Stall getrieben haben dürfte. Spanien. hrtat -er Geistlichkeit. . * Madrid, 21. November. (Telegramm.) Den Zei tungen zufolge ernannte der gestrige Minister rat eine Kommission, welche sich milder Herabsetzung des Etats für die Geist lick teil beschäftigen soll. Die Kommission, in welcher Kardinal SanchaS den Vorsitz führte, ist zusammen gesetzt aus Montero RwS und de Croizard für Spanien, dem apostolischen Nuntius von Madrid und einem andern Würdenträger des Vatikans für den Papst. Rußland. * Petersburg, 24. November. (Telegramm.) Finanz minister Witte ist nach Beendigung seiner ostasiatischen Reise von Livadia kommend hier eingetroffen. — Der deutsche Botschafter Graf v. Alven Sieben ist von seinem Urlaub zmückgekehrt und hat die Leitung der Geschäfte der Botschaft wieder übernommen. — Der „Regierungsbote" meldet: Durch Kaiserlichen Erlaß ist eine besondere Haupt verwaltung für Handelsschiffahrt und -Häfen in Rußland errichtet worden. Zum Chef derselben ist Groß fürst Alexander Mickailo witsch ernannt worden. — Der slawische WohltätigkeitSverein in Petersburg stellte dem russischen Konsul in Sofia 40 000 Rubel für makedonische Flüchtlinge zur Verfügung. LiicherbesprechMgen. Tie „Kunst-Halle" (Verlag von I. Harr Witz Nachfolger, Berlin) bleibt nach wie vor ihrem Standpunkt als wirkliche Fachze,tsct)rist treu und bietet dadurch den Künstlern immer währende Anregung, und weiß durch Briefe aus den verschie denen .Kunststädten, Mitteilungen über Persönliches, Preisaus schreiben, Kunst- und Künstlervereine u. si w. alle Interessenten stets auf dem Laufenden zu erhalten. Sehr eingehend behan delt Georg Galland einen wunden Punkt in unserem heutigen Kunstteben in einem durch drei Nummern der Zeit schrift laufenden Artikel über „Die Reform der Künstler-Jury" und berührt damit eine Angelegenheit, die selbstredend erst durch die Diskussion in den Fachverbänden unserer Künstlerichaften zum Austrag gebracht werden kann. Die offene und objektive Behandlung dieses Themas verdient volle Anerkennung und Beachtung. Aus dem reichen Stoff der ersten Hefte des neuen Jahrganges der „.Kunst-Halle" seien hier u. a. hervorgehoben: „Ein Besuch bei Rodin" von Helen Zimmern, „Ueber' künstlerische Nachahmung" von Robert Wirth, „Michel angelo Redivivusl" von Franz Imhof, „Licht und Farbe als Ausdrucksmittel der Architektur neuer Richtung" von Gustav Ebe, „Eine Darmstädter Erinnerung" von Al- fr e d G o I d. X. * * * DaS Illustrierte Jahrbuch» Kalender für 1903 ist im Ver lag von Rudolf Mosse, Berlin, in seinem 9. Jahrgange er schienen. Der diesjährige Kalender ist besonders tverwoll durck das in demselben enthaltene „Kleine Strafgesetzbuch", welches in gemeinverständlicher Darstellung alles umfaßt, was der deutsche Staatsbürger wissen muß. Eine weitere Bereicherung des Jahrbuchs ist in dem Abschnitte „Der Tierarzt im Hause" geschaffen, und 15 Bilder illustrieren diesen für jeden Pferde- und Viehbesitzer interessanten und höchst lehrreichen Artikel. Ferner liegt jedem Kalender die zweite Serie von 8 Spezial tarten deutscher Staaten bei. Eine reich illustrierte Rückschau führt und die politischen Ereignisse des verflossenen Jahres in volkstümlicher Darstellung nochmals vor Augen, und eine Fülle von gediegenem Lesestoff für Mann und Frau, All und Jung, bieter Anregung und Belehrung, wie auch für Unterhaltung in hinreichenden, Maße gesorgt ist. Die sämtlichen Menen und Märkte, eine illustrierte Totenschau u. s. w. fehlen nicht. Bei der reichen inneren und äußeren Ausstattung ist der Preis von 1 .L ein nur geringer. ** Louguet. von uovertzlei.'büeber Zsrrsteir u»<I b'Ulls ckcs VVcckl- Leruclrs, welcher in sieb cken lieblichen Voiledeodutt mit asm triseben ^roioa des k'stoders vereint. 3. b'. Lckrvarrloss Löhne, Xünixl. Hott., kerliv, Llarkxrateost rosse 29. VorrLtkis in keilen besseren kartilwerio-, Oralen- uoä Ooillöur«escdätten. kbcmWt MMW LkkvLÄML" k-ulversirl- VUoliersokrllnke stets passend, nie -u st ross, nie su klein. «I.060V8«! L k»., LZ»»»« stedrauckt al« lttesie« nur und Vatlvtteialtt«!. „Mltilvi-M" Ri o ne Lkocolacke lSaffeln leit — ein Ruder-Klub, ein Gesangverein, der in einem Kruppschen Saale seine Hebungen abhält, eine geräumige Bücherei, aus der Bücher jederzeit entlehnt werden kön nen — vervollständigt dieses Bild. Dabei werden die Arbeiter überall zur Verwaltung dieser Eiurichtungen mit herangezogen. Ein großer Konsumverein sorgt da für, daß die Arbeiter nicht bloß Lebensmittel, sondern fast alle Gcbrauchsgegenstänüc zu billigen Preisen in guter Qualität erhalten, namentlich wird für die Kinderer nährung vortreffliche Milch, welche allen hygienischen Anforderungen entspricht, geliefert. Gleichzeitig finden stier die Frauen, Witwen und Töchter der Arbeiter in der Schneiderei und Wäscherei Beschäftigung; eine eigene Mühle liefert das Mehl, eine Tampfbäckerei das Gebäck. Ein Sparverein verzinst durch Zuschüsse Krupps die Ein lagen über den laufenden Zinsfuß. Fast 1000 000 Mark jährlich ist den Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeiter ge widmet. Auch wird dafür gesorgt, daß ledige Arbeiter in einem Ledigenheim das Gefühl einer behaglichen Häus lichkeit haben. Der Erfolg dieser Einrichtungen zeigt sich nn dem Aeußcrn der Arbeiter, an der sorgfältigen Pflege ihres Heims und an der Arbeitsfreudigkeit, mit welcher die Arbeiter die schweren Arbeiten verrichten. Außer halb des Dunstkreises der Fabrik, auf einem Hügel am Waldesrand, steht das Wohnhaus Krrrpps, in welchem der deutsche Kaiser oft als Gast geweilt hat, wo aber auch fort während die Vertreter außereuropäischer Mächte aus- und eingehen, welche aus Anlaß der Kanonenbestcllungen in Essen weilen. Ein eigenes Hotel, auch Eigentum Krupps, ist zur Aufnahme der Gäste bestimmt. Mitten im Fabrikshofe steht das alte Kruppsche Fa- milienhaus, ein einfaches Partcrrchanö, daS Ahnenschloß dieser neue» industriellen Feudalität, welches Alfred Krupp pietätvoll im Stande hält. Die Beamten und Arbeiter Krupps haben dem Begründer der Firma ein Denkmal gFrtzt; das Denkmal Alfred Krupps sind die großen NphlfahriSetnrichtungen, welche den Weltruf der Firma DAeüso erhallen, wie die stolzen Kanonen. Aus den Werk zeugen der Zerstörung wurde das Kapital geschaffen, das dieses friedliche Bild einer wahrhaft großartigen sozialen Fürsorge Herstellen konnte. Was die industrielle Anlage des Etablissements an langt, so ist das Hanptstück die Kanonenwerkstätte. Wohl werden auch Schienen stergestcllt, Eisenbahnräder u. s. w., aber auf alt diesen Gebieten ist Krupp technisch den üb rigen deutschen Werken nickt voraus. Auch sind die Bau lichkeiten, die der Kanonensterstellnng dienen, weit groß artiger als die anderen. Das Konstruktions-Bureau ist ein wahrer Palast. Dabei wird das Geheimnis der Fa brikation dort ans das sorgfältigste gehütet. Stur gut ein- gesiihrtc Gäste werden dort unter strenger Bewachung eingelassen. Tie Arbeiter stier sind die Elite der Arbeiter schaft, deren moralische Qualitäten besonders erprobt sind. Bierzehn Direktoren leiten das Etablissement, Reisende sind fortwährend nnterwegs, und zwar zumeist in den fernen Weltteilen, nm die frisch von der Kultur ge wonnenen Völkerschaften davon zu überzeugen, daß das erste Knltnrregnisit Kruppsche Kanonen sind. Ein Freund des Verstorbenen gab in einer Unter redung mit einem Mitarbeiter der „Renen Freien Presse", der wir diese Schilderung entnehmen, folgende Schil derung -er Persönlichkeit K r n p p S: Ich möchte unter dem ersten Eindrücke der Todcsbot- schast zunächst hervorheben, was in der Oessentlichkeit ge wiß wenig bekannt ist nnd vielleicht sogar keinen Glauben finden wird, was ich aber ans persönlichem Verkehre bestimmt weiß, daß Krupp ein sehr tüchtiger, bewährter Fachmann war, dem von der technischen und geschäftlichen Leitung alle größeren Aktionen seines Etablissements zur Prüfung nnd Gutheißung vorgelegt wnrdcn und der sich auch nm die Details in seinen Werken selbst bekümmerte. Auch von seinen Reisen aus, die er als Leidender auf ärztliche Vorschrift unternahm, leitete er das gewaltige Unternehmen. Seine kurzen Briefe gaben in groß zügiger lapidarer Handschrift knappe Weisungen. Erecllcnz Krupp war ein mittelgroßer, ziemlich wohl beleibter Herr, grauhaarig, mit Brille oder Kneifer, von gemütlichem Aussehen, von liebenswürdigem, gewinnen dem, verbindlichem Wesen. Er war persönlich in allem nnd jedem der größten Einfachheit beflissen. Nur wenn er bei Hvffesten erschien, trug er die Fülle der ihm von allen Potentaten der Welt verliehenen hohen Orden nnd war dann wohl der meistdekorierte Mann der ganzen Hofgesellschaft. Bon seiner bekannten Ckrstsrenndschaft in Essen haben die höchsten Herrschaften vieler regierender Häuser gerne Gebrauch gemacht. Er ist wohl der einzige nicht zum Hochadel Gehörige, der den deutschen Kaiser bei sich sah. Kaiser Wilhelm, Kaiserin Auguste Viktoria und die kaiser lichen Prinzen waren wiederholt seine Gäste. Die Für sten aller deutschen Staaten weilten in seinem Schloh „Villa Hügel", nnd vor kurzem hielt sich der Kronprinz von Griechenland zwei Wochen in diesem prachtvollen Besitz aus, den Krupp vom Vater ererbt und mit seiner Vorliebe für schöne Bauten architektonisch und mit herr lichen Parkanlagen prachtvoll ansgestattet hatte. Tie „Villa" steht in dem kleinen Orte Hügel, den man von Essen aus mit der Bahn in zehn Minuten erreicht. Sic ist mit erlesenstem Kimstgeschmack ansgestattet, nnd Krupps Mäcenatcnsinn hat immer einige Räume bereit, die Malern oder Bildhauern als Atelier dienen. In Essen errichtete er überdies ein glänzendes Privat hotel für die Gäste der Firma. Seiner Gemahlin, die schwer ncrvcnlcidend nnd jetzt in einer Anstalt untcrge- bracht ist, kaufte er die schöne Villa in Baden-Baden, Mein eck, nnd die romantische Ruine Saynek am Rhein richtete er als Jagdschloß her. In Kiel schuf er ein groß- arngcs Heim für die Gäste der Werft „Germania". Seine Vauluit zeigte sich in schönster Verbindung mit seiner notorischen Herzensgute in den Anlagen für seine Arbeiter. Auf dem Gebiete der Wohlfahrtsbanten war er geradezu erfinderisch. Aber abgesehen von seinen architektonischen Lieb habereien gab er sich, wie bemerkt, sehr einfach. Vielleicht charakterisiert ihn die Geschichte, wie er die Standeser- höhung zur „Excellenz" aufnahm. Kaiser Wilhelm, der ihn zn besuchen kam, überreichte Krupp, der auch Mitglied des Reichstages und des Staatsrates war, auf dem Bahn hof in Hügel bei Essen persönlich das Geheimrats-Patent. Krupp dankte und erbat sich vom Kaiser die Erlaubnis, daß er im Verkehre mit seinen Beamten nnd Arbeitern der Excellenz-Ansprache entraten dürfte; er wolle für seine Leute wie bisher auch fernerhin nur der „Herr Krupp" sein. Krupp war seit Jahren asthmaleidend. Er kränkelte in der ifttgend, und es wurde istm prophezeit, er würde kein hohes Alter errcickien. Schwcninger sagte ihm, er sei überhaupt nicht krank, er brauche nur eine vernünf tige Lebensweise, vornehmlich Bewegung. Schwcninger teilte seine Haussreundschaft zwischen dem Fürsten Bis marck nnd Krnpp. Offenbar im Zusammenhänge mit den ärztlichen Ratschlägen stehen Krupps Reisen, im Sommer die Nordlandsfahrten, in« Winter der Aufenthalt liss Capri. Hier huldigte er der Passion für Tiefseeforschung. Er setzte sich mit der Neapeler Station ins Einvernehmen, stattete mit seinen großen Mitteln das Inventar an Apparaten nnd Instrumenten aus nnd war selbst fleißig am Werke. Ganze Tage verbrachte er barfuß im Fischer boote, und wenn er heimkam, ging's ans Mikroskopieren. Die Anwürfe, die in letzter Zeit gegen ihn erhoben wurden, haben alle, die ihn näher kannten, entsetzt. Er galt als das Muster eines soliden Gatten und Familien vaters. Dieser arme Millionär war so viel angefeindet und so unglaublich intrigiert, war durch Mißbrauch seiner Herzensgute und Enttäuschung seines Vertrauens so schwer geprüft, daß man sich darüber wundern muß. wenn er nicht znm Einsiedler wurde und wenn er noch mit Menschen verkehrte.
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