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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.04.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040407010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904040701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904040701
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
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- Tag1904-04-07
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2860 wärme von Insekten zu bestimmen. Die Beobachtungen waren natürlich recht schwierig und mußten mit großer Sorgfalt und mit äußerst feinen Apparaten vorgcnommen werden. Das Mittel dazu bot der elektrische Strom, der bekanntlich unter gewissen Ver hältnissen auch von der Wärme erregt werden kann (Thermo elektrizität). Es ist dann möglich, die Temperatur an der Stärke der allerdings überhaupt sehr schwachen elektrischen Ströme zu messen. Die Wärme des menschlichen Körpers ist dieselbe, gleich viel ob sich der Mensch unter der glühenden Tropensonnr oder in der eisigen Nacht des Polargebiets befindet. Ein Insekt dagegen besitzt tm wesentlichen die Temperatur der umgebenden Luft. Er wärmt sich dir Luft, so wird auch der Körper des Insekts wärmer, wenn auch diese Erwärmung etwas langsamer vor sich geht al« die der Luft selbst. Ist die Luft sehr feucht, so kann immerhin die Körperwärme des Insekts auch schneller steigen als die Luft temperatur. Außerdem ist erstere noch von der Tätigkeit des Tiers abhängig und steigt beispielsweise, sobald sich da« Insekt zu bewegen beginnt, und zwar fortgesetzt, bi« die Bewegung wieder nachläßt. Doch hat auch die Jnsektenwärme eine Grenze, denn jenseits von 38 Grad tritt eine gewisse Lähmung ein, die aber schnell vorüber geht, sobald die Temperatur von neuem fällt. Diese Grenze nach obenhin muß jedoch für di« einzelnen Insekten wohl recht verschieden sein. Empfindlicher sind diese Tiere selbstverständlich gegen Kälte. Bei einer Temperatur von 0,b Grad sind Insekten durchaus bewegung-fähig, und im Allgemeinen muh die Wärme wenigstens 18 Grad betragen, ehe sie idre Flügelaebrauchen können. Ver tragen können Insekten ziemlich hohe Wärmegrade. Ein Nacht pfauenauge hält z. B. «ine Temperatur bis zu 45 Grad aus. ä Du« schwedische L«-P-larf«tff „Frithiaf" ist in der Nacht vom Sonntag zum Montag, von Buenos Aires ei» Havre kommend, in Geestemünde ein getroffen. Der „Frithjof" ging bekanntlich am 28. August vor. I. in Ser, um die überfällig« Südpolarexpeditiou de« vr. Nordenskjvld aufzusuchen, welche bald nachher von dem argentinischen Kanonenboot „Uruguay" auf den Seymonr-Jnseln anfgesunden und in Buenos Aires gelandet worden war. Der .Hrithjof" wird nun feinen Proviant löschen und dann Ende der Woche nach Gothenburg gehen, wo er seine sonstigen Bestände und Sammlungen abaebrn soll. Von dort wird da« Schiff «ach TromSV gehen, um von seinem Reeder wieder über- nommr» z» werden. Q Hochfchulnachrichten. D« ao. Prof, für technisch« Physik und landwirtschaftlich« Maschtnenkunde, Vr. Han« Lorenz sau« Wiltdruff in Sachsens ist al« etatSmäßiaer Professor für Mechanik an die neu zu eröffnend« Technische Hochschule in Danzig berufe, worden. --- Arun o. Prof der Mineralogie an der Universität für literarische Werke, Zeichnungen und Werke der Tonkunst ei« solcher Gesetz seit 1802 besteht. Der Verlagsgesetzentwurf vr. TchaeferS kann als die erste Grundlage zur Schaffung eines solchen Gesetzes gelten und wird als zeitgemäße Er gänzung auf dem literarisch-künstlerischen Schutzgebiete hoffent lich entsprechende Beachtung in Künstler- und Kunstverlags kreisen finden. * Mailänder La». Die Dombauhütte hatte zur Unter suchung der statischen Verhältnisse drS Turme« der Kathedrale «tue» Ausschuß von Fachleuten eingesetzt. Nach dessen Bericht ist die Besorgnis, ein Teil dr» Domes könne einstürzen, völlig »begründet. E« werden einige kleinere Arbeiten vor- geschlage», die mehr zur gewöhnlichen Instandhaltung deS Baues gchvre», die aber zugleich auch die Sicherheit erhöhen. Sehr wünschenswert wäre die Ersetzung der zur obersten AuSsichtS- galene führenden beschwerlichen Wendeltreppe, deren Stufen ganz ausgetreten sind, durch eine bequemere neue. Dies aber wurde, so wie der Bau angelegt ist, geradezu einen Umbau des Turmes bedinge«, weshalb davon abgesehen werden muß. Es sollen daher einfach die bestehenden Stufen auSgebesfert werden, indem sie in der Mitte, wo sie ausgetreten sind, auSgehauen und mit auf Zement ruhenden Metallplatten ausgelrgt werden sollen. Diese Arbeit wird sofort t« Angriff genommen. Wissenschaft. T. Der Anternattonale Zusammenschluß in der «pi-enrten- f<rsch»g ist in letzter Zett wesentlich gefördert worden durch ein Ereignis, dessen Tragweite tm Londoner „Lancet" ganz besonders anerkannt wird. Die große Epidemiologische Gesellschaft in Eng land hatte nämlich den hamburgischen Arzt und SanitätSbeamten vr. Reincke «inaeladen, eia« Borlesung über die Epide miologie der gastrischen Fieber und der Cholera in Hamburg und Altona z« halten. Der Vortragsabend hat sich zu einer der interessantesten Sitzungen gestaltet, di« jene Gesellschaft bisher zu verzeichnen gehabt hat, und infolgedessen äußern sich die englischen medizinischen Zeitschriften voller Erwartung der weiteren Befruchtung, die sich durch Heranziehung hervorragender aus- ländischer Hygieniker und Epidemiologen für di« Interessen der Wissenschaft und di« Aufklärung der wichtigsten Fragen ergeben m«rd«. Scho« im Mai ist ein »weiter hervorragender Sachver- ständiger, vr. Pi stör-Berlin, aufgefordert worden, an derselben Stelle über die bezüglichen Erfahrungen in brr deutschen Reich«- Hauptstadt zu sprechen. 1. Li« Körperwärme -»fette». Ein russischer Natur, forscher hat eine Reih« von Messungen gemacht, um die Kvrper- die Preise für alles, was sie liefern, unverschämt in die Höhe zu treiben. Die Eisendahnbehörden verboten zwar eine Preiserhöhung von mehr als 15 Prozent, aber dieses Verbot fand keine Beachtung, denn eine Flasche Bier, die bis vor kurzem 1 kostete, kostet jetzt 2 und obgleich in der Mandschurei kein Zoll für Weine oder Spirituosen gezahlt wird, waren die Preise für diese Getränke doch höher als in Rußland selbst. Die ansässige Bevölkerung beklagt sich darüber, daß viele Abenteurer ihren Weg in die Mandschurei fanden, um dort schnell reich zu werden. Die Bestürzung hat sich gelegt, und die allge meine Flucht, die nach der Beschießung von Port Arthur begann, bat aufgehört.» Die ganze Länge der mandschu- rischen Bahn wird jetzt bedeutend sorgfältiger bewacht. Die meisten der Wachmannschaften hatten warme Pelz mäntel und starke Pelzstiefel. Von Mandschuria bis zur Station Buchatu ist auf allen Seiten nichts zu sehen als Schnee, und die Kälte ist sehr groß. Privattele gramme werden von den Eisenbahnstationen nicht mehr zur Beförderung angenommen und das einzige Verbin- dungsmittel mit Rußland ist die Post, die langsamer arbeitet als je " Diese Völkerwanderung nach dem Osten und die Er schließung dieser weltfernen Gegenden für den Verkehr ist vielleicht die einzige erfreuliche Begleiterscheinung des russisch-japanischen Kriege». Japanischs» A»ie-»»at. Au» Tokio wird unter dem 6. April gemeldet: In Gegenwart des Kaisers wurde heute im kaiserlichen Hauptquartier eine Konferenz abgehalten, an welcher die Minister, die Generalsekretäre des Kriegs- nnd Marineministeriums, die höheren Befehlshaber des HeereS und der Flotte und verschiedene alte Staats- männer teilnahmen. Dem Vernehmen nach wurden die bisherigen maritimen Bewegungen besprochen und die einzelnen Berichte des Admirals Togo vor gelesen. Es ist unbekannt, ob eine Entscheidung in Bezug auf die künftigen Maßregeln getroffen worden ist. De» jaPanifche Fel-z«-»plan verraten AuS London wird gemeldet: Der Shanghaier Sonderberichterstatter der „Daily chronicle" will erfahren haben, dah der ganze japanische FeldzugSplan geändert worden sei, weil er von einem japanischen Offizier, der seiner Aburteilung entgegensieht, den Russen enthüllt worden sei. Die Verräterei sei entdeckt worden, indem japanischerseits ermittelt wurde, daß der Ort, wo die erste Truppenlandung erfolgen sollte, gründlich unter miniert sei. Die Entdeckung, verursachte großes Aerger- niS, und die äußersten Anstrengungen wurden gemacht, die Tatsache, daß die nationale Ehre befleckt worden, geheim zu halten. Aas dem russischen Eager. * Petersburg, 6. April. Folgendes Telegramm des Generals Kuropatkin an den Kaiser von gestern wird amtlich veröffentlicht: Generalmajor Kaschtalinski meldet unter dem 4. April: AmJaluistallesruhig. Gegenüber von Turmitschen auf der Insel Matuzeo hatten Freiwillige ein Geplänkel mit dem Vorposten der Japaner bei Widschu. Auf unserer Seite kein Verlust, die Japaner hatten sechs Tote, die Zahl der Verwundeten ist unbekannt. Die Depots in der russi schen Ansiedelung Aönampho sind geplündert und verbrannt worden. In Aönampho stand eine kleine Abteilung 300 Mann japanischer Infanterie gegen- über. Deutsches Keich. * Berlin, 6. April. * „Autorität und Majorität!" Unter dieser Ueberschrift bringt da» führende Organ der Agrarier, die „Dtsch. Tages zeitung", einen Leitartikel, der ebenso sehr seines auffälligen Inhalts, wie des Zeitpunktes seiner Veröffentlichung wegen Beachtung verdient. Der Gedankengang ist etwa folgender: Der konservative Grundsatz „Autorität, nicht Majorität", soll zwar »»bestrittene Geltung behalten, muß aber unter Umständen i» die Form „Autorität und Majorität" verwandelt werden, d. h. di« Majorität muß zur bewußten Anerkennung deS Autoritäts gedanken» erzogen werden. Daraus ergibt sich nach dem Blatte für jeden Konservativen die Verpflichtung zu einer ener gischen, dauernden nutz volkstümlichen Agitation, zumal da das allgemeine Wahlrecht durch keine, noch so scharfe Kritik an» der Welt zu schaffen fei. Sollte die Agitation nachhaltiger» Erfolg haben, so müsse die Partei, die sie betreibe, nicht allein von den vorhandenen Machtmitteln entschiedenen und nötigenfalls auch rücksichtslosen Gebrauch machen, sondern sich vor allem auch al« BolkSpartei geben und fühlen. Die konservative Partei und vor allem die „strammen" Agrarier haben eS aber an Agitation nie fehlen lassen, und deshalb gibt es für den Artikel wohl «ur «in« Erklärung: die Absicht, beim Wiederbeginn der parlamentarische« Be ratungen die Abgeordneten für die wasserwirtschaftlichen Debatten im preußischen Abgeordnetenhause scharf zu machen gegen die Regierung! * Li« «ontrolle de» preußischen 2taotShou«tzalts »nd de» RetchStzavShatt» erfolgt von der zu diesem Zwecke ent sprechend verstärkten preußischen Oberrechnungskammer unter der Benennung Rechnungshof deS Deutschen Reiche«. In Wirklichkeit bestehen die preußische Oberrechnungskammer und der Rechnungshof des deutschen Reiches je als besondere Behörde. Beide haben zwar in dem — als preußischem Beamten — vom Könige von Preußen auf Vorschlag deS preußischen StaatS- ministeriumS unter Gegenzeichnung des Vorsitzenden de« Staatülninifteriums zu ernennenden Chefpräsidenten eine ge meinsame Spitze, sie sieben jedoch in allen wesentlichen Punkte« rechtlich je auf besonderem Boden. Es ist nicht nur der Ge schäftsbetrieb für jede Behörde besonders geregelt, so daß hiernach namentlich die Sitzungen beider Behörden getrennt stattfinden, sondern es haben auch die Beamten de« Rechnung«- bofeS, im Gegensatz zu den als preußische Beamte auf dem preußischen Staatshallshaltsetat stehenden Beamten der Oberrechnungskammer, als kaiserliche, auf dem Reichshaus- haltSetat stehende Beamte die Eigenschaft unmittelbarer Reichs beamten im Sinne des Reichsbeamtengesetzes vom 3l. März 1873. Der Chefpräsident bezieht als preußischer Beamter seine Besoldung und außerdem freie Dienstwohnuna von Preußen; «in Teil de« Betrages der Besoldung wird jährlich auf Grund de» RrichShauShaltSetatS an Preußen vergütet. Beim Fehlen der gemeinsame» ^itze infolge von Beurlau bung oder Erkrankung oder des Todes des Chefprästdenten gehen beide Behörden ohne weiteres in der Weise auseinander, daß alsdann der Chefpräsident bei jeder Behörde je von dem ältesten Direktor derselben vertreten wird. Diesem Dualis mus entsprechend, wird auch nicht, wie z B. bei der Haupt verwaltung der Staatsschulden, welche zugleich die Reichs schulden mit zu verwalten hat, lediglich eine an Preußen zu zahlende Vergütung sirr die Wahrnehmung dieser Geschäfte ,m Reichsetat als Ausgabe, im preußischen Etat als Ein nahme gebucht, sondern es werden getrennte Svezialetats nach demselben Scheina im preußischen und ReichshauShaltS- etat geführt. * Bezüglich des Verhältnisse» der Hohenzntlern zu den Welfen wird folgende Erinnerung von Interesse sein: Durch die Presse gehen Mitteilungen über die Möglichkeit oder anderseits über die Unwahrscheinlichkeit einer Annäherung des Herzogs von Cumberland an die Krone Preußen. Dabei wird insbesondere auch gesagt: der Herzog von Cumberland hätte wohl längst nicht übel Lust gehaot, seinen Frieden mit dem König von Preußen zu machen. WaS im Wege gestanden, sei die Rücksichtnahme auf seine Mutter gewesen, die ehemalige Königin Marie von Han nover. — Dieser gegenüber hat sich Preußen, wie auch bei dieser Gelegenheit hervorgehoben werden muß, so generös gezeigt, wir nur irgend denkbar. Bekanntlich war der verstorbene Abgeordnete Windthorst bei seinen Lebzeiten der Sachwalter der Königin. Im Interesse der letzteren besuchte er im Jahre 1879 den damaligen leiten den Staatsmann. Als er das Palais Radziwill verließ, war er sicher, nicht nur seine Wünsche für die Königin Marie baldiger Erfüllung entgegengeführt zu sehen, sondern auch noch in anderer Beziehung den zeitfalligen Beweis erbracht zu haben, daß er es im gegebenen Falle verstehe, früh genug aufzustehen, um am Abend möglichst viel Erfolg aufweisen zu können. * Die Budgetkommission des Reichstages wird kommenden Mittwoch ihre Tätigkeit mit der Beratung des Etats für Südwestafrika in Verbindung mit dem Er gänzungsetat für 1904 wieder aufnehmen. Zur Frage der Neichsfinansreform war vor den Oster ferien bei Beratung des Gesetzentwurfes, betreffend Aenderungcn im Finanzwesen des Reiches, der Antrag Müller-Fulda angenommen worden, nach welchem die verbündeten Regierungen um Auskunft über verschiedene Gesichtspunkte ersucht werden. Bisher sind die vom Schatzsekretär Freiherrn v. Stengel in Aussicht gestellten Ausweise zur Klarstellung der Frage dem Reichstage nicht zugegangen. Solange dieselben aber fehlen, muß die Weiterberatung dieser Vorlage ausgesetzt bleiben. * Zur Aufhebuug von 8 2 de» JefuttengesetzeS. Die bayerischen Zentrumsblätter lassen sich aus Rom berichten: Der Eindruck, den die Aufhebung des § 2 deS Jesuiten gesetzes im Vatikan gemacht hat, war eine schwere Ent täuschung: „Nach den jüngsten Verhandlungen zwischen Rom und Berlin und insbesondere nach dem Besuch Kaiser Wilhelms in Rom im Mai 1903 glaubte man im Vatikan, daß es der Reichsregierung gelingen würde, den Widerstand im Bundesrat zu brechen und die völlige Aufhebung dieses traurigen Restes der Kulturkampfzeit zu erreichen." Charakteristisch erscheint hier neben der Konstatierung besonderer Verhandlungen zwischen Rom und Berlin, die ja nunmehr zur Tagesordnung gehören, die Folgerung und Er wartung, welche man an den Kaisrrbesuch knüpfte. Dor Tisch laS man anders. Da wurde dem argwöhnischen und besorgten Protestantismus vorgehalten, daß er sich lächerlich mache, wen» er sich über di« Höflichkeitsbezeigung, welche man lediglich in derartigen Akten zu erblicken habe, aufrege und dergleichen. — Daß der Tanz um 8 l arrangiert wird, kann weiter nicht befremden. Es bedarf ja nach den bisherigen Erfahrungen nur einer kräftigen Hervorhebung der „schweren Enttäuschung" des römischen Stuhle«, so wird man nicht verfehlen, an die Aufhebung diese« für Deutschland so betrüb lichen Zustandes die beste Kraft zu setzen. * Der Exjesuit Götz von Berlichinge« oder „der aufgehobene 8 2 des Jesuitengefetzes", wie er sich neulich selber bezeichnete, ist nach Angabe des ultramontanen Herderschen Konversationslexikons (Bd. I, S. 1388) am 30. Mai 1840 in Stuttgart geboren. Nach- dem seine Mutter bereits 1850 zur römischen Kirche über- getreten war (der Vater Friedrich Freiherr von Ber- lichingcn konvertierte erst auf dem Sterbebett im Jahre 1865), folgte er 1858 mit seinen beiden Geschwistern ihrem Beispiel. 1862 trat er in den Jesuitenorden ein, ward 1862 Priester und wirkte in der „Gesellschaft Jesu" als Lehrer, Schriftsteller und Prediger, bis er 1885 aus „Familien- und Gesundheitsrücksichten" austrat. Daß seine Gesundheit sich seitdem wieder gebessert haben muß, zeigen seine Vorträge in Würzburg und anderswo, sowie seine rastlose literarische Tätigkeit. — Ob er nicht aus dem Jesuitenorden nur der Form nach entlassen ist, um, so lange das Jesuitengesetz noch bestand, als „Exjefuit" ungehindert wirken zu können? Jetzt braucht sich „der aufgehobene 8 2 des Jesuitengesetzes" noch weniger Schranken aufzuerlegen. * Kaiserbesuch in Wiesbaden und Mainz. Neber einen beabsichtigten Kaiferbefuch in Wies baden und Mainz aus Anlaß der feierlichen Ein weihung und Eröffnung der neuen Rheinbrücke werden der „Post" von dort folgende Einzelheiten gemeldet: „Der Kaiser trifft am Sonntag, 1. Mai, vormittags gegen 11 Uhr, mittels Sonderßuges, von Wiesbaden kommend, in Mainz ein, fährt bis znm dortfeitigen Kopse der neuen Brücke und wird nach dem Verlassen seines Salonwagens durch den Eisenbahnminister Budde mit einer An sprache begrüßt werden. Hierauf nimmt der Kaiser mit dem Großherzog von Hessen, der inzwischen von Darmstadt gekommen ist, die Brücke in ihrer ganzen Länge in Augenschein. Alsdann begeben sich der Kaiser und der Großherzog, sowie die übrigen Festteilnehmer an Bord des bereitliegenden Regierungsdampfers „Hassia" und fahren bis zur Eisenbahnbrücke und wieder zurück. Im Anschluß an die Rheinfahrt kehrt der Kaiser mittel» Sonderzuges nach Wiesbaden zurück. Dort wird aus Anlaß der Brucken-Einweihung voraussichtlich im könig- lichen Schlosse ein Festmahl nnd im Königlichen Theater eine Galavorstellung stattfinden, nach deren Beendigung die Abreise des Kaisers nach Berlin erfolgt. — Am 2. Mai, als dem Tage der Schlacht von Groß-Görschen, ist, einer alten Tradition gemäß, die Besichtigung der Bataillone des 1. Garde-Regiments zu Fuß durch den Monarchen in Potsdam in Aussicht genommen." Nach diesen Disvositionen zu urteilen, dürfte die Mittel- meerlahrt des Kaisers um einige Tage früher beendigt werden, als dies ursprünglich beabsichtigt schien. * Der Kaiser untz die VenedtktuSwedaille. Kaiser soll bekanntlick bei der Begegnung mit dem Abt Krug von Montecassino die Medaille deS heiligen BenediktuS ge tragen haben. Nach dem Büchlein „Die St. BenediktuS- medaille" von dem Pater Corneliu« Kniel aus der Beu roner Kongregation ist die BenediktuSmedaille wundertätig. Auf S. 24 heißt eS: „Aus der großen Zahl der wunderbaren Wirkungen der heiligen BenediktuSmedaille haben wir am Ende Liefe« Büchlein- eine kleine Au-wahl zur Ehre Gottes und des heiligen Benedikt und zur Stärkung des Vertrauens der Gläubigen zusammengetragen. Die Mehrzahl der unzähligen Gnadenbewetse wird als Geheimnis in den Herzen der Begnadigten beschlossen sein und bleiben. Im Himmel aber wird jede derselben, mag sie bekannt oder geheim sein, für den großen Erzvater St. Benedikt einen Zuwachs an Herrlichkeit und Seligkeit bedeuten." * De» Kaisers Mtttelmeerfahrt. Der Kaiser besichtigte heute vormittag nach längerer Wagenfabrt von Palermo au» in Monreale eingehend den Dom. Alsdann erfolgte ein längerer Spaziergang durch den Park, den Tiergarten und die Anlagen des Grafen TaSca. Daran schloß sich ein Be such der berühmten Onpsllu puIkttiuL in dem normanischen Dulunro reale. DaS Publikum begrüßte den Kaiser allent halben herzlich. * Breslau, 6. April. Zufolge der klerikalen „Volks stimme" soll der Staatsanwalt auf Grund der Berichtigung der oberschlesischen Geistlichen gegen eine Anzahl polnischer Zeugeu im Beuthener Prozeß das Verfahren wegen Meineides einleiten wollen. * Stuttgart, 5. April. Am Ostersonntag wurde hier die 15. Landesversammlung der Sozialdemokraten Württembergs abge halten. Den Hauptgeaenstand der Beratungen bildete die Frage der GemetndeverfassungSreform. Ausland. Oesterreich Ungar«. * GW -eittfchcr Rückschlag. Di« jüngste« Vorgänge t» Böhme», besonders die Prager Ausschreitungen haben bei den Deutschen ganz Oesterreichs einen Eindruck hervor gerufen, der stellenweise in einer entschiedenen Reaktion der Deutschen gegen tschechische Minderheiten zum Ausdruck kommt. To wird au- den Alpeul ändern be richtet, daß dort sich eine tiefgehend« Bewegung durch- zusetzen beginne, wie sie selbst in der erregte« Zeit der Badenischen Regierung und ihrer Nachwirkungen nicht vorhanden gewesen ser. Die Deutsche» der Alpenlänoer fühlen ein zorniges Bedürfnis, ihre Teilnahme an den Bedrängnissen ihrer böhmischen und mährische« Stamm«-- genossen zu betätigen. Da eS nicht deutsche Art ist, so wie die Prager und Brünner Tschechen blutige Aufläufe in den Gassen zu veranstalten, nimmt der Kampf hier wirtschaftliche Formen an. Er trAt so naturgemäß »uerst und am stärksten die wirtschaftlich Schwachen. Man entledigt sich allüberall der tschechischen Dienstboten, teil« free willig, teils gezwungen durch die Umgebung, di« die Mißstim mung gegen die Dienstgeber zum Ausdruck bringt. Auch den tschechischen Arbeitern begegnet man bereits mit Wider willen und man zahlt lieber dem heimischen Arbeiter höhere Ähne, als den Fremden heranzuziehen. Der heimische Arbeiter ist schon darum für diese« Vorgehen eiogenommen, weil er hierdurch seine Lebenslage verbessert. Am »äst«« spürt aber die durch alle BevölkervngSschichten gehende Bewegung der tschechische Handwerker, der Kleingewerbtrekvende. Dieser, an sein Geschäft gebunden, da« er sich mühsam be gründet, wird ein Opfer der tschechischen Politik, die darin besteht, Deutsche in tschechischen Gebieten wie rechtlose Ein dringlinge zu behandeln. WaS Wunder, wen» nun auch Deutsche anfangen, dort, wo sie die Mehrheit bilden, den Tscheche« gegenüber eine gewiß noch sehr milde Art der Vergelt»«« zu üben. Mancher tschechische Handwerksmeister t« den deutsch« Alpengegenden mußte denn auch bereits sein Geschäft auf lassen und zum Wanderstab greifen, um sonst wo sein Brot zu suchen. Schon seit einer ganzen Weile ja war an manchen Orten die Losung ausgegeben worden: „Keine tschechischen Dienstboten, keine tschechischen Arbeiter! Beschäftigt keine tschechischen Geschäftsleute!" Durch daS jüngste Vorgehe» der Tschechen ist diese Strömung unter den Deutschen be deutend verstärkt worden. * HandclSvertra» mit Italien. Ueber die Lage, die durch die Unterredungen de» italienischen Senator- Mira gl ia in Wien und Pest hinsichtlich der Fortführung der österreichisch italienischen Handelsvertrag-Verhandlungen geschaffen wurde, wird aus Wien berichtet: Die italirnischemegierung verlangt, daß Oesterreich-Ungarn für den Wegfall der Weinklausel entsprechen den Ersatz biete, daß der Weinzoll im nmen österreichisch ungarischen Zolltarif um zwei Drittel herabgesetzt werde und daß ein Kontingent von 200 000 Hektolitern Weißen Weine« von San Severo, dem sonst kein Markt offen wäre, zum alten Finanzzoll weiter eingeführt werden dürfe. Der Ersatz für den Wegfall der Weinklausel soll nach dem Wunsche der italienischen Regiernng in einer Herabsetzung der Zölle auf Südfrüchte und in der Zollfreiheit für Mandeln, Feigen und dergleichen bestehen. Gegen diese italienischen Forderungen hat die österreichisch-ungarische Regierung kein grundsätzliche- Be denken erhoben, doch will sie im Hinblick auf die erwähnte Kontingentierung de» Weine» von San Severo die öster reichisch-ungarischen Interessen durch eine technisch-chemische Formel geschützt wissen, die sich auf Weine der andere» Staaten nickt anwenden ließe. Es bleibt der italienischen Regierung überlassen, einen Vorschlag über die Beschaffenheit einer solchen Formel zu machen. Ruhla«-. * Erleichterung -es GrundbcsitzerwerbS -»rch Ans» län-er in Finnland. Aus Petersburg wir- gemeldet: Wie die „Finlanbskaja Gazeta" mitteilt, wurde die Be fugnis deS finnländlschen Senats und seines Präsidenten, des Generalgouverneurs, zur Zulassung Les Erwerbs von Grundbesitz durch Ausländer in Finnland er weitert. Balkanstaaten. * Die Regelung -eS Gendarmeriewesens. Lu- Konstantinopel meldet das „Wiener Korr.-Bureau": In der letzten Besprechung, die der Generaltnfpektvr Hilmi Pascha mit den Civilagenten hatte, teilte dieser mit, daß in Castoria der aus Griechenland gekommene Eomttschef Japontscheff und -essen Be- gleiter Tfchakalaroff verhaftet worden seien. In der heutigen Sitzung der Kommission für die Re organisation der Gendarmerie wurde die Rayonfrage erledigt. Die drei WilajetS, in denen vor läufig die Gendarmeriereform durchgeführt werden soll, werden in fünf Kontrollbezirke «ingetetlt, nämlich die Sandschaks Ueskltb, Saloniki, Monasttr, Serres und Drama. Sie sind in der genannten Reihenfolge den öster reichisch-ungarischen, russischen, italienischen, französischen und englischen MllitäradjotntS zugewiesen worben. Bor Kiel ist der OrdinariaS für Mineralogie in Gieße» vr. Reinhard Braun» ausersehen. — An der Handelshochschule zu Kölna. Rh. ist eine Dozentur für Post und Telegraphie errichtet und dazu der Postrat bei der dortigen kaiserlichen Oberpostdirektton P. Joh. BrunS berufen worden. Bruns wird über Post und Telegraphie lesen, mit besonderer Berücksichtigung der Beziehungen des Kaufmanns zur Post und Telegraphie. — Der Privatdozent für Chemie an der Universität Berlrn, vr. Karl Harries^ ist zum außerordentlichen Professor ernannt worden. — Der frühere Assistent am Goethe-Schiller-Archiv in Weimar vr. pbll. Karl Alt hat sich mit einer Schrift „Schiller und die Brüder Schlegel" in der Allgemeinen Abteilung der Technischen Hochschule?zu Darmstadt als Privatdozrnt habilitiert. — Der ordentliche Professor vr. Friedrich Endemann zu Hall« ist zum ordentlichen Professor für römische» und deutsches bürgerliche» Recht an der Universität Heidelberg ernannt worden. — Wie unS au» Jena geschrieben wird, feierte am 29. März der Geh. Kirchenrat Prof. vr. Seyerlen sein öOjährigeS philosophisches Doktorjubiläum. Die philosophisch« Fakultät der Universität Tübingen erneuerte das Diplom und übersandte durch ihren derzeitigen Dekan Prof. vr. Grundmann ein Glück- wunschschreiben. — Der Direktor der Universität-frauenklinik in Jena, Prof. vr. B. Krönig hat einen Ruf an die Universität Erlangen erhalten, an Stelle von Prof. I. Bett, — In der med. Fakultät der Hochschule zu Freiburg i. B. haben sich al» Privat- dozenten habilitiert: vr. Franz Knoop für physiologische Chemie, vr. Wilhelm Trendelenburg für Physiologie, und in der rechtS- und staatSwissenschaftlichen Fakultät vr. Robert Liefmann für Nationalökonomie und Finanzwissenschast. — Der ordentlich« Pro- feffor der neueren Geschichte an der Universität Freiburg i. Br., Geh. tzofrat vr. pkü. Alfred Dove, feierte am 4. April seinen SO. Geburtstag. Der ausgezeichnete Historiker, ein Sohn de« am 4. April 1879 verstorbenen Berliner Physiker» Heinrich Wilhelm Dove und Bruder deS Göttinger KirchenrechtSlehrer» Richard Dove, eröffnete sein« akademische Laufbahn tm Jahre 1M3 in Leipzig als Privatdozent. — Man schreibt un» au» Bonn: Der Privatdozent der philosophischen Fakultät der hiesigen Universität Professor vr. Max Strack 1t al» außerordentlicher Professor der Geschichte an die Universität Gießen berufen worden. Prof. Strack siedelt berett- tn den nächsten Tagen »ach Gieße» über. — An» Tübingen schreibt man unS: vr. Karl Fickert, fett vielen Jahren «sirr Assistent am Zoologischen Institut der hiesigen Universität, ist im Alter vv« K4 Jahren gestorben. > Deutsche« UaweegMW-Kaleabrr. K«ch de« Dove de« Vro- fessor« und vbervlbttothel«« ve. F. «scherfen, VM deedteMWelle« «chspf«» und Vetter« de« al« .Ltadamtsch» Nana- und OaartterlMe' wohlbekannten Deutschen UntdersitütS-KalenderS, ist die Herausgabe der solgenden Auflage ia die Hände von vr. Scheffer in Leipzig übergegangen. Der Kalender erscheint nach wie dor mit amt licher Unterstützung und auf Grand de« amtlichen Materiale«. Der Ver lag des Kalenders bleibt im Besitz der Firma K. G. Th. Scheffer in Leipzig. Annkkallvndrr für Lvipfi«. Leipziger Stadt-Theater. Heute wird im Neuen Theater Rudolf von Gottschalls Lustspiel „So zahlt man seine Schulden!" wieoerholt. Morgen geht Humper dincks reizende Märchenoper „Hänsel und Gretel" in Scene, vorher der einaktige dramatische Scherz „Unter vier Augen" von Dreifuß, sowie zum ersten Mal das einaktige Lustspiel „Tanzstunde" von Strecker. — Da» Alte Theater bringt heute Zellers beliebte Operette „Der Obersteiger^ und morgen HaupttnannS packender Schau spiel „R os« Be rn d", das noch unmer eine ungeschwächte Zug kraft ausübt. Leipziger Schauspielhaus. Als volkstümliche Vorstellung bei halben Preisen wird am Donnerstag Gorkis „Nacht asyl" gegeben und am Freitag findet armer Abonnement eine Wiederholung von Mqx Halbes Drama „Der Strom" statt. Am Sonnabend beginnt Felix Sckrveiahofer sein Gast spiel. Der berühmte Künstler, der bei dieser Gelegenheit zum letzten Male in Leipzig auftritt, bevor er sich von der Buhn.- zurückzieht, wird in einigen seiner hervorragendsten Rollen auftveten. Und zwar spielt der Gast am Sonnabend den Null- Ahnerl in „'S Nullerl" und am Sonntag den Otto Mer« winger, die Haupttolle in einer Novität „Der Detektiv", sonne in der Woche darauf den Adolf Müller in „Gebil-dete Menschen". Die Gonnabendvorstellung findet im Freitag- Abonnement statt. In Vorbereitung befindet sich zurze't „Herode- und Mariamne" mit Clara Salbach al» Gast in der Rolle der Mariamne. Zenttal-Theater. Der tolle französische Schwank „Die 800 Tage" gelangt auch heut« und oi« folgenden Lage mit Herrn I. Giamp retro m der männlichen Hauptrolle zur Aufführung. Der Anfang der Vorstellungen ist an den Wochen tagen um 8 Uhr.
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