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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192205131
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19220513
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19220513
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1922
- Monat1922-05
- Tag1922-05-13
- Monat1922-05
- Jahr1922
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1922
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Ar», nutzt aller Mussen, 8er Ar Vor allem anderen verwehrt war. Hier kanden zwei Naturstimmen gegeneinander, die suh streng die Wage hielten. Auf welche man auch hören mochte, die andere würde immer zu einer unerbittlichen Anklä- igerm werden. Rose hatte Werner nicht wiederqesehen, auch wenig über ihn gehört. Nur einmal hatte der Pastor er wähnt, daß er in dienstlichen Angelegenheiten verreist lei und den Rest seines Urlaubes vermutlich bei Freunden verleben werde. Man war in der Pfarre zudem ganz mit eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Elisabeth Mansfeld hatte sich verlobt, und dieses Ereignis schob alles andere in den Hintergrund. Rose «ahm aufrichtigen Anteil an Elisabeths Glück, aber zugleich empfand sie es mit einer Art Bitterkeit, daß in den großen Freudenzeiten des Lebens eine Familie sich im letzten Grunde selbst genügt. Mochte man sie noch so herzlich begrüße«, sie fühlte es doch Wirch, daß sie eigent lich entbehrlich sei und außerhalb des Kreises stehe Und dabei war ihr Verlangen nach Anschluß und Teilnahme me so sehnlich gewesen wie eben jetzt, wo der große Zwie spalt durch ibr Leben ging- Wie schmiegte sie sich jetzt so bange an ihre« Vater, wie tat es ihr' so wohl, wenn seme breite Hand ihr Haar streichelte, während sie das Gesicht m» ferne Schulter drückte, um die Tränen nicht sehe» zu lassen, die ihr in die Augen stiegen. Und wre eure Kraft des Trostes ging es auch von ihm aus. Es war nicht allein die Stimme des Mutes, es war die Ge wißheit, daß diese schroffe Natur ihr ganz r« eigen sei in erner Liebe, reiuer und treuer vielleicht als jene andere, die sie voi» sich gewiesen; es war die Gewißheit, einein menschlichen Wesen so wert und wichtig zu sein, wie Last und Sonnenschein. Ja, das war viel, aber dennoch — eS konnte nicht für alles entschädigen, ein Mangel blieb. Warholt wullte seine Tochter wohl sieben und bewundern, aber nicht ganz verstehen, und vielleicht empfand Rose das am tiefsten, wenn er am zärtlichsten mit ihr war. — Um das Verlangen nach etwas, das er ihr nicht sein noch geben konnte, zu übertänben, wrrf sie sich von neuem in die Arbeit. Es wurde eine Novelle, skizzenhaft im Entwurf, balbverschleiert ün Ausdruck, ganz durchzittert vom Ge fühl tiefer, schmerzlicher Einsamkeit. Sie wußte selbst «um, daß sie ihre ganze Seele hineinlegte, aber sie wurde ruhiger, indem sie schrieb. Ungewollt ward die Heldin der Erzählung ihr eigenes Abbild, und sie plau derte mit diesem ihrem zweiten Ich wie mit einem ver traute« Freunde, schüttete ihm ihr ganzes Herz aus. Aad indem sie ihr Leid in die Sphäre ihrer Kunst erhob, adelte i»ud verklärte sie es, ja fühlte sich selbst gewiiser- «aßen darüber hinausgehoben, daß es ihr eigenes Tente«, Fühlen, Leide« war; was aus jenen Zellen sprach, war ihr keiu Lertrauensbruch gegen die eigene Sache. Mochten doch die Worte, die sich aus der Tiefe ihres eigenen Her zens emporgerungen hatten, immerhin in die Welt hin- «»Sgehen und ««deren leidende«, kämpfenden Seelen sagen, daß sie »icht allem seien mit ihrem Weh. — Die Erzählung wurde nach wenigen Tagen von einem «roßen süddeutschen Blatt angenommen mit dem Bemerken, daß sie schon in den nächsten Nummern erscheinen werde. Rose wurde ganz eigen zumute bei der Nachricht. So mochte einer Mutter ums Herz sein, die ihr Kind in die »«gewisse Fremde hinausgehen sieht. Welcher Art würden die Menschen seiu, die die Arbeit lasen? Würde sie in irgendeinem Herzen verwandte Saite« zum Tönen brmgen? Sie hatte viel Zeit darüber zu grübeln, denn still, sehr still span« sich da- Leben im Forsthause ab. Nickis unterbrach das alltägliche Einerlei. Regengüsse oder naß kaltes Wetter schnitten die Bewohner von der Außenwelt ab, selbst Mansfelds, die sonst die Unbill der Witterung nicht so leicht gescheut, ließen ,ich, durch eigene Angelegen heiten start m Anspruch genommen, selten sehen, und Rose suchte sie nicht auf. In ihr war ein großer, stiller Ernst, der zu deu Zukunstsrhapsodien einer glückseligen Braut nicht recht stimmte. Marhost fühlte sich jetzt nicht mehr so wetterfest wie früher. Mit dem Beginn der rauhen Jahreszeit mel dete sich fei« Rheumatismus wieder. Schon lange siel er memals mehr zu seinem Vergnügen im Revier herum Er war jetzt herzlich froh, wenn er nach getaner Pflicht in der warme« Sofaecke sitzen, eine Partie Halma mit Roie spielen oder sich von ihr vorlesen lassen konnte. Tas verstand sie so schön, wie Musik klang ihin ihre Stimme in die Ohren. Er schüttelte wohl manchmal verwunden den Kops über manches, was er da hörte, die Welt der Roman figuren schien sich doch in den letzten Jahren ungemein verändert zu haben, aber einerlei, das krauseste Zeug würde ihm gefallen haben, sobald es Rose ihm vorlas. Ueberhaupt Rosel Die ganze Behaglichkeit und Freude des Daseins verkörperte sich ihm in ihr allein. Was sollte nur ans ihm werden, wenn das Kind einmal auf den Ge danken kam, ihn verlassen zu wollen? Er schalt sich selbst töricht wegen einer Angst, von der er jahrelang ganz frei gewesen und für die sich auch jetzt nicht der Schatten eines vernünftigen Grundes erkennen ließ. Aber dennoch packte fie ihn wieder, sobald er der unbestimmteren und unleug baren Veränderung nachdachke, die mit Rose vorgegangest schien. In ihrem Gesicht und Wesen war jetzt etrvas Leid volles und doch Weiches, das ihn fast mit emer Art Scheu erfüllte. Es schien ihm sein Kind auf einmal fern zu rücken, schien von Dingen zu reden, von denen sie ihn absichtlich ausschloß. Aber diesen Anwandlungen von Argwohn und unbestimmter Eifersucht folgten nüchterne Erwägungen. Vielleicht war's doch nur dis Eintönigkeit ihres Lebens, die ihr auf die Nerven siel, tröstete er sich In Wahrheit war die Försterei doch nur ein trübseliger Aufenthalt für solch junges lebensfrisches Geschöpf. Ihr Geist brauchte mehr Anregung, als ern aller Knast wie er ihr geben konnte. Er wollte einmal seiner Selbstsucht einen Stoß geben und sie auf ein paar Wochen in die Well hmans- lassen. Ellen Reineke hatte ja schon so lange um ihren Be such gebeten. Gesagt, getan. Tie Vorbereitungen waren bald ge troffen, und in den ersten Tagen des November traf Rose in Berlin ein. Das Leben und Treiben dort mutete sie wie etwas ganz Fremdes an. Sieben Jahre hatte sie zugebracht, fast ohne etwas von der Welt zu sehen. Nun kam fie sich vor wie ein Goldfischcheu, das aus seinem stillen Bassin in den Strudel eines Gebirgsbaches versetzt ist. Es schien fast unglaublich, daß sie selbst früher auf den Ton dieser Umgebung und Lebensweise gestimmt ge wesen war. Für ihren inneren Menscken waren die lebten sieben Jahre von einschneidender Bedeutung gewesen, das kam ihr auch im Verkehr mit Ellen Reineke so recht zum Bewußtsein. Diese war seit längerer Zeit an einer Schule tätig, strebte aber über diese bescheidene Stellung hinaus. Das begabte und ehrgeizige Mädchen arbeitete aus allen Kräften für das Oberlehrerinnenexamen. In späteren Jahren wollte fie selbst eine Schule gründen. Es sollte ein Musterinstitut werden, nach neusten Grundsätzen geleitet. Ihre Freundinnen verfolgten mehr oder weniger ähn liche Ziele. Einige studierten, andere waren auf künstleri schem oder kunstgewerblichem Gebiet tätig. Reges Arbeiten, eifriges Borwartsstreben überall. Die Vergangenheit ging sie wenig an, die Gegenwart war ihnen nur das Mittel» um sich die Zukunft möglichst frei und nutzbringend zu ge stalten. Zum erstenmal kam es Rose schneidend zum Bewußt sein, daß in ihrem eigenen Leben die Zukunst eigentlich gar keine Rolle spiele. In träumerisch sinnender Beschäftigung mit den Gestatten ihrer Phantasie, draußen im Wald, war ihr das bisher nie so ganz klar geworden. Aber es war schon so und es mußte gut sein. Sie gehörte nicht zu den Freien, die sich ihr Leben nach Wunsch gestalten dursten; sie stand ganz un Dann der Vergangenheit, mußte in ihrem Leben fremde Schuld sühnen, mit eigener Treue fremd« Untreue gutmachen. Eine Lebensaufgabe war das auch, vielleicht sogar eine lohnende, aber sie regte nicht alle Lebens geister zu reger Kraftentfaltung und zum jauchzenden Sichmessen an Hin dernissen an. Man tat sie still und ernst wie Gottes dienst. — Ueber dieses und ähnliches dachte sie nach, als sie an einem klaren Vormittag das Haus verließ. Sie wo'tte Ellen von der Schule abholen und vorher noch einen Spa ziergang durch den Tiergarten machen, unwillkürlich lenkte sie ihre Schritte zum Denkmal der Königin Luise. Es war ihr immer, als ob eine geheime Sympathie sie mit dieser Gestalt verbände, als ob ihr für den eigen artigen Ausdruck ihrer Haltung erst jetzt das Verständnis gekommen sei. Tie Gestatt stolz und aufrecht, ihrer Würde bewußt und doch den Kopf leicht gesenkt wie unter einer Bürde, die nur Gott bekannt ist und dem eigenen Herzen. Jemand trat neben sie. Sie achtete nicht gleich dar auf, aber der menschliche Blick übt oft eine sonderbare Macht. Rose hatte plötzlich das Gefühl, daß sie beobachtet werde, und wandte sich etwas unwillig um. »Herr v. Rössinck." In jähem Schreck und hilfloser Angst entfuhr ihr der Name. Etwas in ihr mahnte sie, daß er nicht so schnell gehen werde, wie er gekommen war, und daß es diesmal kein Entrinnen gebe. Tas dunkle Gesicht sah beinahe fin ster aus in seinem entschlossenen Ernst. „Ich habe Sie schon seit einiger Zeit bemerkt und bin Ihnen hierher gefolgt. Das ist sehr aufdringlich und viel leicht etwas würdelos von meiner Seite, nach der wie Sie mich im Herbst haben ablaufen lassen." »Herr v. Rössinck — ich — können Sie mir das ersparen?" „Ich fürchte, nein. Ich hatte sogar vor. Sie in Form um eine Unterredung zu bitten, wenn ick vor meiner Abreise auf zwei Tage nach Groß Wcrlitz zurückkäme. Daß ich Sie plötzlich hier traf, verrückte mir den ganzen Plan und muß Wohl oder übel meine Formlosigkeit entschuldigen. Ick bin einmal rin Mensch, der immer direkt aus sein Ziel losgeht. Sie werden fragen, warum ich mir nickst an einem Korbe genügen lasse, und wahr ist's —, ick verstehe mich selbst nicht, daß ich noch einmal auf die Sache zurück komme, aber ich kann's nicht lassen." . Sie stand gegen das Gitter gelehnt, blaß und zttterirH. er sah deutlich das Beben der Finger, die einen der Eisen stäbe umfaßt hielten. Quälte er sie? Einen Augenblick fühlte er etwas wie Mitleid, aber das verflog bald. Er dachte an seinen Zorn nnd feine Enttäuschung damals im Walde, an ine darauf folgenden Wochen, in denen es ihm klar geworden, daß sie sich viel zu tief m sein Herz geschmeichelt habe, um sie anders als nach einer ganz direk ten Absage auszugeben. Er konnte fick) sein Leben einfach ohne sie nicht denken, und so hatte er, wenn auch nach har tem Kampf, seinem Stolz diesen Schritt abgcrungen. Es war eine Demütigung, und daß er sie als solche erkannte, gab seinem Wesen eine gewisse Schroffheit, seiner Stimme einen fremden herrischen Ton. „Ick kann nicht nach Afrika zurückkehren, mit dem Ge danken, daß es vielleicht nur ein Mißverständnis war, das uns auseinanderbrachte. Es kann sein, daß ich damals meine Worte ungeschickt wählte. Ich hatte Sie fragen wollen —, ob Sie meine Frau werden wollten, Fräulein Marbott. Hatten Sie mich richtig verstanden?" Sie wurde abwechselnd blaß und rot. So fest umklam merte sie den Gitterstab, daß das dünne Gewebe ihres Handschuhs zerriß. „Ja", sagte sie leise, ohne ihn anzusehen. Er runzelte heftig die Stirn in dem erneuten Gefühl scharfer Demüti gung. „Und es war Ihre deutliche Absicht, mich abzuweisen?" „Ja. Da wandte er sich heftig zum Gehen. Das schlug doch all seiner Würde zu schonungslos ins Gesicht, aber ein letzter Blick auf ihre Züge bannte ihn wieder an seinen Platz. „Nun, Sie machten von einem unbestreitbaren Recht Gebrauch und es tut mir leid, wenn ich Ihnen lästig siel, aber ich konnte eben im Borverlauf unserer Bekanntschaft nicht den Eindruck gewinnen, daß ich Ihnen unangenehm sei." — Sie biß die Zähne zusammen. O Gott, welche Pein, welche Marter. Sah er denn gar nicht wie sie litt? Nie zuvor war es ihr mit so grausamer Deutlichkeit zum Be wußtsein gekommen, daß sie ihn liebte, als eben jetzt, wo jede Minute die letzte sein konnte. Sie gehörte nicht zu vcn Frauen, die in blinder Licbesselrgkeit den Gegenstand ihrer Neigung wie ein Ideal auf ein Piedestal heben, um fick in sklavischer Bewunderung solange davor in den Staub zu werfen, bis — nun, bis eben der Traum sein natürliches Ende erreicht hat. So etwas lag nicht in Roses Art. Für Götzenbilder war sie nicht zu haben, aber Hand in Hand mit einem lieben Kameraden von frischem Wesen und kraftvoller Tüch tigkeit mutig den Lebensweg zu g hen, durch Stürme nicht erschreckt, durch Regenschauer nickt verstimmt, froh der Sonne vertrauend, die ja wieder durch die Wolken brechen mußte — das wäre ihr Ideal gewesen. Und diese Hand — die einzige, die sie hätte ergreifen mögen, bot sich ihr und sie durfte — durfte sie nicht er greifen. Gab es eine grausamere Ironie? Und dazu dreier Blick, der rn ihrem Gesicht forschte, als wollte er in ihrer Seele tiefsten Grund dringen. Sie merkte, wie Selbstbeherrschung und klare Besinnung sic verlieben. Im Bewußtsein ihrer Wehrlosigkeit kam ihr ein jammervolles Verlangen, in Tränen auszubrechen. „Lassen Sie mich, bitte," sagte sie mit bebender Stimme. „Wozu all dies aufrühren ? lFch kann das nicht aushallen." Aber er blieb an ihrer Seite. Er dachte nicht daran, zn gehen, da ihre Verwirrung so deutlich redete. Wie mit einem Scklage kam ihm eine Erleuchtung. „Sobald Sie mir Ihren Grund oder einen Ihrer Gründe nennen, bescheide ich mich und quäle Eie nicht weiter," sagte er fest. Ihm war auf einmal ko merk würdig ruhig und überlegen zu Sinn: er meinte den Sieg schon in der Hand zu haben. „Ich bin so fest davon überzeugt, daß wir beide wie für einander geschaffen sind, daß ich Ihre Weigerung nicht so ohne weiteres hmnehmen kann. Fräulein Marholt, ich habe — verzeihen Sie das Wort — den Eindruck, daß Sie nicht ganz aufrichtig handeln, entweder Hegen mich oder gegen sich selbst." Sie fuhr herum; ihre tzkugen blitzten Rössinck an. „Nein, werden Sie nicht böse. Ich kann nicht glauben, daß Sie so kalt sind, wie Sic sich jetzt stellen. Ich habe Sic kennen gelernt in einer Weise, tue Sie nicht ahnen, in Ihrer Novelle rn der Frcruen-Zcitung —" Er beobachtete sre scharf und sah den fast schuldbe wußten Ausdruck rn Roses Gesicht. Daß ihre Arbeit einmal an ihr selbst zur Verräterin werden tonnte, hatte sie nie gedacht. Es ivar, als zöge man ihr den Boden unter den Füßen weg. ' „Sie hätten Unmöglich ko schreiben können, wenn nicht Persönliches mit hineiirspielte. Ick hatte den unmittel baren Eindruck» daß Sic da ein Stück eigenen Empfindens gäben." hervor. ; „Das finde ich nicht. Eins allerdings wäre möglich — ja. Es könnte sein, daß ein anderer mir zuvorgekomnren> wäre. Wre?" Rose kämpfte mit einer harten Versuchung. Jetzt nur» em bejahendes Kopfnicken, und diese ganz Peinliche Unter-! Haltung war zu Ende; aber ihr Herz sträubte sich gegen : die Lüge. Wenn sie schon ihre Hand nicht qpchdem Glück aus-- strecken durfte, so wollte sie wenigstens Werner gegenüber ein unverletztes Gewissen behalten. Und nun hreß es den schweren Kampf bis aufs letzte ausfechten. „Nein — nein. Aber selbst, wenn Sie reckt hätte« — mit'Ihrer anderen Behauptung meine ich — so ginge es doch mcht," stammelte fie mit fliegendem Atem. Er lächelte. Wie sie reizend war in dieser mädchen haften Verwirrung. Für jedes der unzusammenhängenden Worte hätte er sie kü,sen mögen. Merkte sie denn gar nicht, wie viel sie schon zugestanden hatte? Aber welches konnte das geheimnisvolle HIsderniS sein? Seine Gedanken flogen blitzschnell hin und her. Fürch tete sie für ihren schriftstellerischen Ruhm? So wa» ivar ja heutzutage alles denkbar. Mer der Anblick deS schmerz lich zuckenden Gesichts machte ihm die Vermutung wieder unwahrscheinlich. Wie ein modernes Weib, das irgend einem vermeintlichen oder ausgeklügelten Beruf zuliebe den natürlichen opfert, sah fie nicht aus. Sachte bemächtigte er sich ihrer Hand. „Sw haben mich lieb, Rose", sagte er ruhig, «Ser in einem Ton, der jeden Widerspruch ausschloß. Sie streifte ihn mit hilflosem Blick. LaS Geständnis ihrer rettungslos schwindenden Kraft lag darin. „Warum wollen Sie also nicht ja sagen? Das Leben ist so kurz, um auch nur eine Stunde des Glückes zu opfern, und ich meine, wir würden sehr glücklich zusammen sein, Rose —" - < Nie hätte sie geglaubt, daß die metallische Stimme einen so Weichen, berückenden Klang annehmen könne. Un willkürlich schloß sie die Augen. Süße Mattigkeit kroch ihr durch alle Adern. Mer gleich kam der Rücychlaa. Mit Blitzesschnelle erstand ein Bild vor ihrem Geäst. Sie sah einen Mann, der in der Laube des Förstergartens ähnliche, vacllcicht gar dieselben Worte einer Frau zurauntc, und diese Frau ivar ihre eigene Mutter. — Sie riß ihre Hand los. Nein, tausendmal nein. Mochte ihre Neigung an sich noch so rein und schuldlos sein, die Pflicht wieS sie einen andern Weg. Er sah sie bestürzt an. „Was haben Sie nur gegen mich, Rose? Verwalten Sie mir nicht?" „O doch, doch, aber es steht etwas zwischen uns." „Nicht möglich." Werler Gedanken an Standesvorurteile und Aehn- liches flogen ihm durch den Sinn. „Wen geht es an, wenn wir uns lieb haben? WaS könnte zwischen uns stehen?" Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht. Unge stümer Jammer lag in der Bewegung. „Ich kann's Ihnen nicht sagen." stammelte sie, wäh rend dunkle Röte ihr Stirn und Nacken färbte. „Laste« Sie mich jetzt — ich werde Ihnen schreiben — o bitte" — flehte sie, in dem Verlangen, wenigstens einen Aufschub zn gewinnen. Wer er zog ihre Hand auf seinen Arm und HE sie da fett. „Nichts da. Ich muß es gleich jetzt wisse«. Mit die ser Ungewißheit Plage ich mich nicht eine Stunde länger," sagte er mit angenommener Heiterkeit, indem er langfa» weiterging. Und stockend — während das Herzklopfen ihr fast die Worte zerriß, erzählte sie ihm, was er wissen mußte, dw alte Geschichte von Untreue und Leichtsinn. ES wäre« ««r wenige Sätze und sie wählte ihre Ausdrücke so scho««ad> wie es ihr in der Ausregung möglich war, aber sie fiele* doch wie wuchtige Keulcnkckläge an ihr iungauskeimende* Glück. Und dann war sie endlich vorüber — die Pein deS B kenntnisses, aber noch immer schritten sie mechanisch Arvt in Arm weiter. „Begreifen Sie nun — warum —" Beim Klang der zitternden Stimme wandte er ihi das Gesicht zu. Er war ganz blaß, seine Stirn heftig gerunzM. „Ich sehe das nicht ei»," sagte er zwischen zvfam- mcngebissenen Zähnen, aber er glaubte den eigenen Korte« nicht. Er begriff es nur allzu gut, daß er von ve« alt« Marholt die Hand der Tochter nicht mehr erbitten durfte. Ter tiefe Schmerz in seinem Gesicht half ihr, de« ihren zurückzudrängen. Sie mußte stark bleiben, um seinet willen, das war der tiefeingewurzelte Instinkt des Weibetz zu lindern nnd zu trösten. ^Fortsetzung foGt.)
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