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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 02.01.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-01-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192501026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19250102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19250102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1925
- Monat1925-01
- Tag1925-01-02
- Monat1925-01
- Jahr1925
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 02.01.1925
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8lIIk Aütt ist Sie beste kWsehlmg Wir liefern Ihnen dieselbe von der einfachsten bis zur besten Ausführung unter solidester Preisberechnung. Langer H Winterlich Riesaer Tageblatt-Druckerei, Goethestrasze 59. fnnertzakb der nächsten st—io Stunden znr Folge gestavl Hätte. Der Schisfsarzt der „Thuringia" konnte durch sofortigen Eingriff die Gefahr beseitigen. Am nächsten Tag, der sich, nach den Papieren des Erkrankten, als dessen Geburtstag erwies, war daö Befinden des Patienten bereits so gebessert, bah er der Schiffsleitung und dem Arzt seinen Dank zum Ausdruck bringen und sowohl Genesungö- als auch GeburtS- tagSgllickwünsche in Empfang nehmen konnte. Eine köstliche „Perle" endlich „gefaßt". Die vebeutendste Spezialistin auf dem Gebiete des Haushalts- dicbstahlS war unstreitig Frau Luise Neumann geb. Nehren- hetm, die im Lause dieses Jahres unzählige Male genannt wurde. Schon seit Dezember 1022 betrieb Frau Neumann daS recht einträgliche „Gewerbe" des HaushaltSdicbstahlö. Ihre ersten Gastrollen gab sic unter falschem Namen als Äufwärterin. Dann verbesserte sie ihre Technik und beför derte sich zum Hausmädchen, zur Köchin oder zur Wirtschaf terin. Abgesehen von ihrem netten Auftreten wußte sie sich daS Vertrauen der Ticnstgeber durch geradezu erstklassige, natürlich gefälschte, Zeugnisse zu verschaffen. So reiste Frau Neumann längere Zeit aus die Papiere einer längst verstor benen Freundin. In anderen Fällen stellte sie die Zeugnisse unter Benutzung von verschiedenen Stempeln selbst her. Trotz aller Warnungen in den Zeitungen, trotz Verbreitung ihres Bildes in den Bermictungsbureaus, gelang cs ihr immer wieder, neue Opfer zu finden. Ungeheure Werte fielen der Diebin im Laufe der Zeit in die Hände. Jetzt endlich ist es gelungen, die lange gesuchte Diebin in Berlin unschädlich zu machen. Die Beamten kamen schließlich dahinter, daß sie in einer Wohnlaube in der Kolonie Klansthal Unterschlupf gefunden hatte. Beim Eintreten der ihr non früher schon bekannten Beamten ergab sie sich ohne weiteres in ihr Schick sal. Die von ihr gestohlenen Sachen hat sie zum Teil an Bekannte verkauft oder verschenkt, zum Teil auch in Geschäf ten veräußert. Der „Neffe" des belgischen Königs. Ein lustiger Gaunerstreich, der einem Juwelier gespielt wurde, wird in Paris viel belacht. Dem Juwelier wurde ein Herr Homer Schervencl vorgestellt, der ihm erklärte, daß er im Begriffe stehe, die Nichte des Königs von Belgien zu heiraten und sich entschlossen habe, beim Einkauf der Brautgeschenke die ihm emviohlene Firma des Ju weliers zu bevorzugen. Er ließ durchschimmern, daß die Verleihung dcS Titels eines „Königlich belgischen Hos- lieferanten" auch nicht lange auf sich warten lassen werde. Von so viel Glück überwältigt, b eilt sich der Kaufmann, einen herrlichen Tiainantenrin.g, den schönsten, den er besitzt, 23 000 Franken wert, berbeizubringsn. und erhält dafür drei Wechsel. Ter Juwelier ist völlig beruhigt und wird durch einen zwci'en Auftrag beglückt: Homer bestellt noch ein Paar Ohrgehänge, die ihm der Juwelier nach Mons in Belgien bringen soll, da er augenblicklich dorthin zu dem Brautvater, eben dem Neffen des belgischen Königs, reisen müsse. Drei Tage sväter trifft umer braver Mann in Mons ein und begibt sich zu einem Herrn Suoyes, dem angeblich belgischen Prinzen, wo er in Anwesenheit der beiden Agenten von dem. glück lichen Bräutigam Homer empfangen wird und ein Paar Prachtohrgehänge um den Preis von 13 000 Frauken los wird. Da Prinzen gewöhnlich kein bares Geld der sich haben, wird ibm ern ansehnliches Back Wertt attiere en dem entsprechenden Betrage eiugehändtgt. Die Brust von kühnen Hoffnungen und dem Wertpaket geschwellt, kehrt "der künftige belgi'ckie Hoflieferant nach Preis zu rück, nm die Papiere — welcher Kaufmann braue t reute kein bares Geld? — belehnen zu lassen Enttäuschung eines sorgenlosen Gemütes: Tie Laviere haben ledig lich Makulaturwert. Anzeige, Verhasruna der Schuldigen. Aber die Juweien stnd bereits verkiirichr und verjubelt. Homer, der klassische Homer, vermal just noch über — 3 Franken Lö Eennmes! vermischtes. Eine vrofchare »nm Haarmann-Prozeß la-«ahmt. Eine von der kommnnistismen Nie- dersächstschen Arbeiterzeitung deranSgegebene Broschüre zum Haarmann-Prozeß wurde heute in Ihrer gesamten Auflage von der Polizei beschlagnahmt. Raubübersall tn Berlin. Dte Feuerwehr wurde vorgestern nachmittag nach dem Kassenraum de» Bahnhofe« Zoologischer Garten gerufen. ES stellte sich heraus, daß in der Nähe des TresoreS Quittungen und andere Papiere in Brand gesetzt worden waren. Der Eisenbahnbetriebsassistent Münch lag besinnungslos mit einem Knebel rm Munde und gefesselt im Borraum des Kassengcbäudes. AIS er sich wieder erholt hatte, sagte er aus, daß er von einer Firma telephonisch gebeten worden ser, trotz des Feiertages noch 30000 Mark'aus- zuzahlen. DaS Geld werde von zwei Herren abgeholt werden. Al» dtese erschienen, habe er telephonisch beim Rechnungsbüro anfragen wolle«, sei aber durch einen Faustschlag niedergestreckt worden. Der Geldschrank war dann von den Räubern geöffnet und wieder verschlossen worden. ES fehlte aber nur eine geringe Summe. Die 80 000 Mark haben die Täter nicht gefunden. Nach ihrem Raube haben sie Feuer angelegt und sind geflüchtet. — Wie uns soeben durch Funkspruch mitgeteilt wird, hat sich der angebliche Kassenraub auf dem Bahnhof Zoo al« erdichtet erwiesen. Der angeblich überfallene EisenbahnbctriebSassistent Mil nch wurde auf Grund der polizeilichen Ermittelungen verhaftet. Vermutlich hat er, um Nnregelmäßigkeiien in seiner Kasse zu vertuschen, den Raubüberfall ertnchlet. Streik der Hamburger Kraftdroschken besitzer. Gestern morgen sind die Besitzer der Kraft- droschken in den Streik getreten. In ganz Hamburg fährt keine Kraftdroschke. Die Ursache liegt darin, daß die Polizei eine Verordnung herausgegeben hat, wonach am 1. Januar eine Ermäßigung der Droschkensahrpreise durch Wiedereinführung der einfachen Taxe erfolgen soll. Die Kraftdroschkcnbcsit'er erklären, daß sie bei Wieder einführung dieser Taxe unter Selbstkosten fahren müßten. Chinesenmord in Hamburg. In der Sil vester-Nacht wurde in einem Keller in der Schmuckstraße, in der sich eine Chinesenherberge befindet, ein Chinese ..ermordet anfgefunden. Anscheindend ist er von zwei an deren Chinesen, die in den Keller eingedrungen waren, nicdergeschosien worden. Bon den Tätern fehlt jede Spur In der Silvesternacht in Berlin wurden die Stationen der Rettungswache in über 300 Fallen in Anspruch genommen. Es handelte sich zumeist um Ver letzungen infolge leichtsinnigen Umgehens mit Feuer waffen und Feuern erkskörpcrn. Ein modernes Paradies, das allerdings zu nächst noch gar kein Paradies in unseren Sinne ist, wirst von einer amerikanischen Zeitung ausgeschrieben. Einem jungen Ehepaar, das es fertig brächte, eine ge wisse Zeit wie weiland Adam und Eva im Urwalde zu leben, wiro eine ansehnliche Geldsumme und eine voll ständige Einrichtung mit allen modernen Bequemlichkeiten für ein künftiges Leben im Paradiese, so wie wir es auffassen, verheisen. Unter den vielen Dutzend Meldungen wurden Robert Dav, 22 Jahre alt, und Florette Popejov, 19 Jahre alt, ausgesucht. Die Hochzeit wurde noch am 12. November in der Stadt gefeiert und hatte Tausende pon Zuschauern hcrbcigezogen. Dann begab sich das junge Paar auf seinen Posten, wo es nun wie seine biblischen Vorgänger lebte, das heißt, sich von den Früchten per Wildnis nähren muß. Eine Wohnung hat das junge Paar natürlich nicht, geschweige denn ein Bett. Einzig ihre Kleider durften Herr und Frau Dah, abweichend von Adam und Eva, Mitnehmern Ob sie diese in ihrem »VaradkeS* abregen soUen, wtrv nicht gesagt. Gan» Amerika ist gespannt, ob die beiden die Probe bestehen werden. DaS lebensgefährliche Weihnachtsge schenk. Ein bekannter italienischer Rechtsanwalt in Los Angele» (Kalifornien) öffnete am Weihnachtsabend ver- schieden« Pakete, die unter dem Chrtstbaum lagen und Ge schenke für den Rechtsanwalt enthielten. Plötzlich explo dierte ein Haket, da», wie die spätere Untersuchung fest stellte, eine Höllenmaschine enthalten hatte. Der Rechts anwalt wurde durch die Sprengstücke der Bombe so schwer verletzt, daß er bald daraus im Spital starb. Es handelt sich um einen Racheakt. Russische Flieder- und Kirschblüte im Dezember. Die Welt wird verdrehter mit jedem Tag. In Italien, dem Land der Sonne, bitterste Kälte, in Ruß land, dem Lande, daS dem Nordpol am nächsten liegt, herrliches Frühling-Wetter. Wenigstens wird aus Dün- bürg, der aus dem Weltkriege bekannten Festung, die heute Dwinsk beißt, gemeldet, daß dort nach einigen sehr kalten Tagen ein vollständiger Witterungsumschlag einge- treten ist. Der ungewöhnliche Wetterwechsel ist nicht olme Einfluß auf dte Vegetation geblieben: das Gras auf den Fluren grünt bereits und die Fltederbäume haben im Dezember zu blühen begonnen. Auch auf anderen Bäumen sind Knospen zum Vorschein gekommen. Wenn diese außergewöhnliche Temperatur noch eine Woche an dauert, so werden wohl auch die Kirschbäume in voller Blüte stehen. Man hat das Gefühl, als ob man nicht vor Silvester, sondern vor Ostern steht Die Rigaer meteoro logische Station ist der Meinung, daß der plötzliche Wetterumschwung zweifellos Mit dem Golfstrom tn Ver bindung steht, da man sich anders dieses Phänomen nicht erklären kann. Interessant ist, daß dieser eigentümliche Witterungswechsel nicht in ganz Lettland, sondern nur in Dwinsk und Umgebung eingetreten ist Die Bevöl kerung tn Dwinsk hat die Pelze, die man zu dieser Zeit gewöhnlich trägt, beiseite gelegt und geht ohne Manrel wie im Frühling spazieren. Aerztliche Hilfeleistung auf hoher See. Daß ein auf der Fahrt befindliches Schiss sich im Falle einer plötzlichen gefährlichen Erkrankung eines Schifssmannes aus drahtlosem Wege von anderen Schissen ärztlichen Rat holt, ist, bet dem heutigen Umfang des drahtlosen Verkehrs, zwischen den Schissen Les gleichen Fahrgebietcö nichts Neues. Seltener dürste eS sein, daß der Erkrankte auf hoher See an Bord eines anderen Schisses überführt wirb, um hier die notwendige ärztliche Behandlung zu finden. Zu einer solchen ärztlichen Hilfeleistung, durch die erfreulicher weise ein Menschenleben gerettet wurde, hatte der Hapag- bampser „Thuringia" aus seiner letzten Heimreise von Nem- york Gelegenheit. „Thuringia" empfing, drei Tage nach seiner Abfahrt von Ncwyork, die drahtlose Anfrage des Dampfers „American Bankers" der American Merchant Shipping Linie, ob das Schiss gewillt sei, einen plötzlich schwer erkrankten Matrosen, der dringend ärztlicher Be handlung bedürfe, an Bord zu nehmen. Kapitän Mehr, der Führer des Dampfers „Thuringia", ließ sofort sein Ein verständnis zurückmelden. Der amerikanische Dampfer kam nun auf GcgenkurS heran und setzte ein Boot aus, das den Erkrankten längsseits der „Thuringia" brachte. Die Ucbcr- führung mitten aus dem Atlantik, die, in Anbetracht der Jahreszeit, ein nicht ungefährliches Unternehmen war, ge lang, dank der guten Bootsführung der amerikanischen Be satzung, in bester Weise. Ter Erkrankte konnte mit Stcher- heitsleinen an Bord der „Thuringia" geschafft und hier von dem erfahrenen Schisfsarzt in Behandlung genommen wer ben. Er litt an einer schweren Blascnkomplikation, die mit den primitiven Hilfsmitteln, die dem Kapitän des amerika nischen Dampfers zur Verfügung standen, nicht behoben werden konnte und voraussichtlich den Tod des Erkrankten Das Gliicksarmbanv. Roman von Renttoh. 38. Fortsetzung. Nachdruck Verbots». „Kola Herton!" —sagt er mit einem seltsamen Zucken vm den Mund und macht gegen seine Begleiter eine straffe Handbewegung. „Vorwärts I Sie kommen beide zusammen tn da» Eck zimmer im Vorbau!" „Ins Eckzimmer?" fragt eine Stimme. „Das neben dem Mausoleum liegt? Herr Baron, wir haben bessere Räume frei!" „Es bleibt dabei!" sagt Freiherr von Salten ruhig. Gleich darauf werden zwei Bahren durch den Park von Zelsko getragen, unter herrlichen Bäumen hin, an Epringbrunnenbasjins vorüber; dunkel ragt der große Bau des Schloßes empor und, daran last angebaut, ein kleines spitzgiebeliges Gebäuö» mit schlanken Türmchen: da» Mausoleum der Freiherren von Salten. Dicht neben diesem, in einem Vorbau des Schlosses, zu ebener Erde, ist ein großes, luftige» Zimmer sreigemacht, in dem zwei Betten weiß schimmern; durch das eine Fenster blickt man gerade aus das klein« Grabgewölbe. „Hierher legen Sie den Zioitisten l" ordnet der Frei herr an. Während man Norbert in das andere Bett bringt, wird der Fremde sehr sorgsam und vorsichtig entkleidet. Plötzlich sch -gt des-r die großen dunklen Augen auf und sein Blick fällt durch da» Fruster auf da» vom Mondllcht dell be euchtete Lach der kleinen Kirche. Der todwunde Mann lächelt leise und flüstert etwas vor sich hin: einen Namen, em Wort. Der Freiherr nei^t sich nieder und horcht; dann nickt er mit einem Schm-rzeoezug um den blassen Mund. „Liebel" hat » --oe:e gesagt. Ja — sie kennen es alle, das Wort und seine Kraft, haben alle darüber frohlockt und darunter gelitten. — — Als dle Morgendämmerung tn» Zimmer kriecht, schlägt Hans Norbert die Augen auf. Zuerst grübelt er nach, wie er hierherg-kommeu, dann aber, da er drüben in dem andern Bett feinen Führer, den Gefährten furcht barer Stunden, erblickt, weiß er alle». Eine wilde Angst schüttelt ihn. Haben sie nichts er» reicht? War olles, alle« umsonst? Ertast»! nach seinen neben ihm liegenden Meiden» und schavt, jährend er sich anzteyt, nach dem andern. Was iits mit ihm? Ist er tot? Nein! Eben schlägt e, groß und voll die Augen auf. „Die .blaue Schlang,'l" — sagt er sehnsüchtig. — „O Kamerad, d ing' sie mir, damit ich sie halten kann beim Lierben! «amit sie mich zu ihr führt — zu ihr!" Ein Lächeln gleitet über sein« Züge. Im selben Augenblick tritt der Freiherr au» dem Neben- aemach. Frauen und Antworte» lolaen. dan» LutUäruaoeui Ja. Der Voce hatte noch rechtzeitig den rechten Fluge, erreicht, und aller war genau so gewesen, wie derJremö, es angegeben hatte. Aber nein: kein Fremder — Kolo Herton. Der Baron kannte den Mann ja auch so, denselben Mann, den Norbert tn der kleinen, alten Wiener Tasse ge sehen, dessen Schatten über den Hellen Flur in Mimi von Salten» Haus gefallen war, den Mann, dessen Namen Frau Herta trug, den Enkel der Frau Christine Herton. Norberts müder Kopf arbeitete mit tausend sich über stürzenden Gedanken, und Herr von Salten mochte wohl manche» davon erraten. „Sie beide haben zusammen eine groß, Heldentat' vollbracht," sagte er mit einer feinen Gebärde. „Sie wer den eine schone Auszeichnung schalten. Auch er, Kola Herton." „Kola Herton?" „Ja, das heißt — eigentlich Nikolaus Herter. Ein un dicklicher, seit Jahren v.rwirrt" — der Frechcrr tippte sich mir dem Zeigefinger aus die Stirn — „und rinn' — dies wurde sehr leite gesprochen — „tödlich verletzt. Ein trauriges Zerrbild eines Menschen, und doch kein schlechter Mensch, trotz allem; eben einer, den die Liebe zerschlug, aber auch wieder emporhob. Doch — da kommt der Arzt." Der kleine korpulente Regimentsarzt belästigte Kola Herton nicht mehr viel, sondern zuckte nur die Achseln. „Innere Verblutung. Als er Sie, Herr Norbert, schützen wollte, traf ihn das Geschoß mit aller Wucht. Einer mußte dran glauben — also besser er, als Sie. Sein Leben war ja ohnehin schon längst nichts mehr wert: Langsam fortschreitende Gehirnerkrankung. Ich habe ihn ja oft hier gesehen, und zwar immer dort um das Mau soleum herumschleichend, drinnen neben dem Steinsarg der Frau von Salten stehend. Uebrigens eine seltsame Schrulle von Ihnen, Herr Baron, die GrabkapeUe offen zu lassen. „Jetzt werde ich sie schon absperren', sagte Herr von Salten. Sie traten in einen Nebenraum, während am Bette des Schweroerwundeten ein Feldkurat zurückblieb, der ihnen jedoch bald nachfolgte. „Ein armer Irrsinniger" — sagte er mitleidig —, „für den das Sterben eine Erlösung ist. Zur Klarheit ist er wohl kaum mehr zu bringen. Er redet fortwährend nur von seinem Kameraden. Wer weiß, wen er meint?" „Mich" — sagte Norbert fest. — „Mich meint er, und ich will bei ihm bleiben. Wissen Sie nicht, Herr Baron, wo die .blaue Schlange' ist? Er sprach mehrmals von ihr, und setzt ist ja alles gleich. Wenn er nicht kann, so braucht er nichts zu erklären, aber sterben soll er in Frie den. Wenn ich ihm das noch vermitteln kann, so muß es geschehen." Da» schmale, bleiche Gesicht des Freiherrn neigte sich »«: er vermied es, Norbert in die Auaen zu ieheu« „Die .blaue Sm'ange'? Ja! Sie seilen sie selvst holen. Fühlen Sie sich stark genug, mitzukommen?" Norbert bejaht«, und sie begaben sich zum Mausoleum. Am Himmel lag verheißungsvoll eine blaffe Röte, ein Rosenschimmcr strömte durch den dämmerigen Raum der Kapelle, an deren Wänden Särge standen — die Sargs der Ahnen eines stolzen Geschlechts; etwas obstils von den anderen ein neuer, prächtiger Sarkophag, nach einem herrlichen, uralten Vorbild ausgeführt und bedeckt mit einem Gespinst von Ranken in edelster Arbeit. „Das hat er entworfen" — sagte der Freiherr —, „und er half auch teilweise selbst bei der Ausführung. Hier zwischen den gemeißelten Ranken sehen Sie ja auch überall sein Lieblingsmotiv." Wirklich nahm Norbert wahr, daß sich durch das Ge wirr von Arsten und Gezweig überall die Schlange mit dem Lpalkrönlein wand. Der Freiherr deutete auf einen am Kopfende des Sarkophags liegenden riesengroßen Strauß aus bunl- schimmcrnbem Herbstlaub. „Seit die Rosen verblüht sind" — sagte er dabei — „brachte er ihr jeden Tag einen solchen Wattesgruß, lind hier, unter dem Laub" — er griff zwischen die welken, gelben Blätter — „hier haben Sie!" Damit hielt er Norbert den Lpalreif hin; d inkelblau schimmernd lag der geringelte Leib der Schlange auf der weißen Männerhand, und das Krönlcin blitzte, die Rubin- Augen sprühten funkelnden Glanz aus. Obwohl er darauf vorbereitet gewesen, fuhr Norbert doch beinahe entsetzt zurück. „Sie — Sie haben also alles das gewußt? Haben es gutgeheißen, haben die Hand Zu einem Spiel geboten, das mir fast meine Ehre gekostet?" Der Freiherr blieb ruhig. „Nein, ich weiß erst seit Tagen, daß dieses alte Stück hier ist, nachdem ein Zufall es mich entdecken ließ. Aber eines wußte ich: daß Kola Herton sich verbarg, ja, ich half ihm sogar dazu. Hätte Ich ihn anzeigcn sollen? Er bat Mimi so sehr geliebt, auch er, jawohl — auch er. Er war ein Leidensgefährte. Ich kannte ihn früher nicht persönlich — nur aus seinen Briefen, die er mir aber erst schrieb, seit Sie, Doktor Norbert, in das Leben meiner Frau eingetreten waren. Er schrieb mir alle» — bitte, fahren Sie nicht auf! Es ist nicht Ort noch Zeit dazu. Daß Sie Mimi nicht liebten — Gottl — da» weiß ich, und auch er mußte er» aber trotzdem brachte ibn die Eifersucht fast nm. Und dabei halt- er doch eine Frau, eine sehr licbe Frau, scine Kindcr. Gott, war hat man ost nicht alles! Aber was man Hot, das will man nicht, und nach anderem streckt man die Hand aus. So war's bei ihm. Und dapn wurde sein Gehirn krank darüber, immer verwirrter wurden feine Ideen, immer wilder feine Liebe. Mimi hatte ihn »inst aus einer Kunstreif« kennengelernt. —»d lstber baW
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