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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020224022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902022402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902022402
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-02
- Tag1902-02-24
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137S Brooke, dann folgten Admiral Barker, Capitän West, welche die Marine vertreten, Botschafter v. Holleben mit den Botschaftsattaches in Uniform, der deutsche Generalconsul Buenr, daun die drei Delegirten Roosevelt'S, nämlich der Unterstaatösekretär Hill, General Corbiu und Contre» admiral Evans. Darauf brückte Dewey'S Adjutant, Capitän Sargent, Dewey'S lebhaftestes Bedauern, am persön lichen Erscheinen verhindert zu sein, aus. Zuletzt erschien BürgermeisterLowmit seinem Sekretär. Nach dem Empfang und der Parade über die Besatzung der „Hohenzollern" folgte ein Gabelfrühstück, bei welchem v. Holleben und Evans neben dem Prinzen Heinrich faßen. Nachmittags drei Uhr besuchte Prinz Heinrich auf einem Schleppdampfer die RegierungS- werft, machte einen Gegenbesuch bei Barker und Brooke auf GovernorS-Island, besichtigte das Schlachtschiff „Illinois" und kehrte dann nach der „Hohenzollern" zurück. Abends war der Prinz Gast des deutschen Vereins, wo das Orchester unter Henry Schmitt, dem Director der Phil harmonischen Gesellschaft, die Hochzeitshymne spielte, welche Prinz Heinrich für die Hochzeit der Prinzessin Sophie Konstantin von Griechenland componirt hat. New York, 23. Februar. (Privattelegramm.) Ein Vertreter der „Associated Preß" hatte sofort nach Ankunft des „Kronprinz Wilhelm" ein langes Interview mit Capitän von Mueller, der in Ostasien der Adjutant des Prinzen Heinrich war. v. Mueller erwähnte: Der Prinz hatte schon bei Ablauf seines Commandos in Ostasien den Wunsch, eine Reise nach der nordamerikanischen Union zu machen, um seine Kenntnisse durch einen Aufenthalt in der neuen Welt zu bereichern, aber damals standen der Ausführung des Planes dienstliche Gründe entgegen. Der Interviewer berührte sodann die Angelegenheit Dewey und erhielt folgende Antwort: Die Sache verhält sich in Wahr heit wie folgt: Prinz Heinrich gab im Hafen von Hongkong den dort gleichzeitig anwesenden fremden Schiffscommandanten ein Mahl und trank während desselben auf die Souveräne und Oberhäupter der vertretenen Flaggen, in der Reihenfolge England, Deutschland, Rußland und Vereinigte Staaten, und England wurde auS dem Grunde vorangestellt, weil Hongkong eine englische Besitzung ist, deren stellvertretender Gouverneur anwesend war. Später hörte der Prinz durch Consul Loeper, daß der anwesend gewesene Admiral Dewey sich beschwert fühlte, weil der Prinz in dem Toast nicht an erster Stelle die Vereinigten Staaten erwähnt habe, obgleich eS internationaler Brauch sei, in solchen Fällen nach dem Alter der Patente zu verfahren. Dewey war »ämlich nach seinem Patent der älteste unter den Gästen. Der Prinz zögerte nicht, diese Etikeltensraze gegenüber dem persönlich hochgeschätzten amerikanischen Kameraden bei einem gelegentlichen Besuche auf dem Flaggschiff „Olympia" zu besprechen und offen zu sagen, daß Dewey mit seiner Auffassung, wie sich der Prinz überzeugte, recht habe. Dewey'S Antwort lautete: „>VeiI, 8ir, I limast vou kor zour apolog)-. I maz- sav, tlmt I listeä zou betöre tkis, but aller vtull zou bave tolä ms sust uo>v. I tbiulc I Itsts )-on better nnä tkiz is saz-iuz a great äeal". (Gut, Sir, Ich danke Ihnen für Ihre Liebenswürdigkeit. Ich muß Ihnen sagen, daß ich für Sie schon vor der jetzigen Unter haltung große Zuneigung empfand, aber jetzt, nachdem Sie so gesprochen haben, ist diese Zuneigung noch größer ge worden, und daS will viel sagen). Dieser AuStrag der Etikettenfrage verstärkte nur das zwischen beiden Betheiligten bestehende freundschaftliche Verhältniß, und der Prinz behielt die Worte des amerikanischen Freundes bis heute in dank barer Erinnerung. Dewey lud später den Prinzen ein, ihn in Manila zu besuchen, die dienstlichen Aufgaben des Prinzen an der chinesischen Küste gestatteten ihm aber nicht, der Ein ladung nachzukommen. Capitän von Mueller äußerte weiter über dieBedeutung deS Prinzen-BesucheS: Als Präsident Roosevelt die An frage des Kaisers, ob Miß Roosevelt die Jacht taufen wolle, verbindlichst bejaht hatte, beschloß der Kaiser, dem Präsidenten eine besondere Aufmerksamkeit dadurch zu erweisen, daß er sich selbst durch einen Prinzen seines Hauses bei den Feierlich keiten vertreten ließ. Er erinnerte sich dabei der Be ziehungen des Prinzen zu Dewey und Contreadmiral Evans, sowie daran, daß der Prinz schon bei seiner Rückkehr auS Ostasien den lebhaften, damals nicht realisirbaren Wunsch hatte, die Vereinigten Staaten kennen zu lernen. Noch mehr erinnerte sich der Kaiser daran, daß der Prinz, wo immer er im Auslande aufgetreten war, stets verstand, die Herzen für sich zu gewinnen und einen aus gegenseitige Werth schätzung gegründeten freundschaftlichen Ton in die inter nationalen Beziehungen hineinzutragen. In diesem Sinne ist jedenfalls die auf den Prinzen gefallene Wahl des Kaisers aufzufassen. politische Tagesschau. * Leipzig, 24. Februar. Wenn morgen öie Tarifcommission des Reichs tags ihre Sitzungen wieder aufnimmt, werden auch diejenigen ihrer Mitglieder, die trotz der Erklärung des Grafe« Posadowsky noch an die Möglichkeit einer kleinen Erhöhung eines oder des anderen Minimalsatzcs für Getreide glaubten, etngeschen Haben, daß sie sich im Irr- thumc befanden. Der „Staats-Anzeiger für Württemberg" würde nicht schreiben, jene Er klärung beseitige auch die letzten Zweifel Derjenigen, die in den bisherigen Regierungserklärungen noch eine für Zollcrhöhungen benutzbare Hinterthür finden zu können glaubten, wenn nicht die verbündeten Regierungen die Mindestsätze der Tarifvorlage für unüberschreitbar er achteten. Daß sie dies thun, wir- uns auch von wohl unterrichteter Seite in Berlin folgendermaßen bestätigt: „Wenn die Centrumsprefse und soeben auch die „Cvn- servat. Corresp." noch herumrathen, ob die Regierung nur diesen Compromißvorschlag abgelehnt hat, ob sie nicht etwa einen anderen, noch näher an die Regierungs vorschläge hcranrückenden Compromißantrag acccptircn will, so sind wir in der Lage, diese Calculationen als völlig müßige zu bezeichnen. Es ist in der That an dem, daß die Regierung neue Mindestsätze ablehnt und eine Erhöhung der vier Getreidesätze zurückweist, und zwar so, daß jeder über die Regierungsvorlage hin ausgehende Schritt, sei er auch noch so geringfügig, das Zustandekommen -er Vorlage selb st unmöglich macht." Wir wollen nicht untersuchen, warum Graf Posadowsky sich nicht ebenso bestimmt ausgedrückt hat,' wichtiger ist die Frage, was uuu zu thun sei. Unser Berliner Gewährsmann glaubt sie folgendermaßen beantworten zu dürfen: „In landwirthschaftlichen Kreisen hat jedenfalls der Compro mißvorschlag große Zustimmung gefunden. Viele Mit- thcilungcn, die aus allen Theilcn -eS Reiches hierher ge langen, haben cs bestätigt, daß man in dem Compromiß- vorschlag sowohl die weise Mäßigung, die er gegenüber den übertriebenen früheren Forderungen übte, als auch den guten Willen, einen Ausgleich mit etwas mehr Rück sicht auf die Landwirthschaft herbcizuführen, gern an- crkanut hat. Es ist also Thatsache, daß die breiten Schichten der ländlichen Interessenten von den unerreich baren früheren Forderungen schon abgcrückt sind, soweit sie überhaupt solchen Forderungen zugestimmt hatten, und sich der Regierungsvorlage bis auf eine Entfernung von 50 Pfg. oder 1 ./t! genähert haben. Es ist andererseits Thatsache, daß die Regierung ihre volle Autorität dafür einsetzt und die ganze Verantwortung dafür tragen will, daß auch noch diese Differenz von 50 Pfg. u. s. w. preis gegeben wird. Und cs ist unverkennbar, daß eine Regie rung hierbei in Betracht kommt, die weiß, was sie will, die den Crcdit einer sehr freundlichen Gesinnung für die Landwirthschaft sich erworben hat und die bereit ist, an allen möglichen anderen Stellen des Entwurfs mit der Mehrheit sich gütlich zu vertragen. Dann gewinnt wohl das Wort des Grafen Limburg-Stirum entscheidende Be deutung, daß es das größere Nebel wäre, wenn man den Entwurf im Ganzen scheitern ließe und einer solchen Re gierung, die durch keine annähernd so agrar-freundliche ersetzt werden würde, das Dasein erschweren wollte. Wir wissen sehr wohl, daß cs ein außerordentliches Opfer und ein großer Entschluß ist, von dem Compromißvor- schlage jetzt abzugehen und bis zur Regierungsvorlage sich hinüber zu bewegen. Aber es muß mit der Thatsache ge rechnet werden, daß etwas Anderes als diese letztere an der einen Stelle der Mindestzölle unter keinen Umständen zu erreichen ist und daß der Tarif und das Tarifgesey noch hundertfache Gelegenheit bietet, Nützliches für die Landwirthschaft fcstzuhalten, was bisher gemangelt hat, vielfach auch Gelegenheit, Nützliches hinzuzufügen, was in der Regierungsvorlage noch mangelt. Dann darf man wohl erwarten, daß die compromißwilligc Mehrheit, zu der sich in diesem Falle die Nationalliberalcn sämmtlich zugesellcn möchten, mit den Mindestsätzen der Regierung ihr Abkommen trifft, nm zunächst einmal den ganzen Entwurf fertig zu stellen. In seinem Gesammtrahmen gewinnt hoffentlich am Schluffe auch der jetzt erreichbare Mindesttarif ein recht acceptables Gepräge." Das t o l e r a n z b e g c t st c r t e Centrum hat am Sonnabend durch seine Parteigenoffen in der Budget- commission des preußischen Abgeordne tenhauses wieder einmal beweisen lassen, daß es Tole ranz nur beansprucht, zu üben aber keineswegs geneigt ist. Es handelte sich in der bezeichneten Commission um die Altkatholikensrage. Bekanntlich war im verflossenen Jahre von den vereinigten Ultramontanen und Conser- vativcn die Forderung der Regierung für die altkatho- lischc Professur in Bonn abgelchnt worden. Mit dieser Forderung wiederzukommcn, wagte die Regierung nicht, machte aber den Versuch, den Altkatholikcn im Rahmen der philosophischen Facultät zu helfen. Der Regicrungs- commissar führte zur Begründung dieses Versuchs in der Comnnssion aus, man sei den Bedenken des Abgeordne tenhauses so weit cntgegengekommen, wie nur irgend möglich. Man habe die Forderung in eine Form ge bracht, die weniger als die frühere den principiellcn Standpunct der einzelnen Parteien berühre: cs lägen auch mehrere neue thatsächlichc Gesichtspuncte vor. Der letzte altkatholischc Theologe sei gestorben, so daß für alt katholische Theologen die Möglichkeit, sich akademisch zu bilden, aufgchört habe. Nun habe der Erzbischof Simar vom Cultusministcr die Zusicherung erhalten, daß kein altkatholischer Theologe mehr iu die katholisch-theo logische Facultät zu Bonn solle ausgenommen werden. DieS sei eine große Concesston, denn sie sei nicht nur vom Minister persönlich ertheilt, sondern als unbedingt weiter in Zukunft verbindlich vom S t a a t s m i u t st e r t u m. Kein altkatholischer Theo loge werde also in Zukunft nach Bonn berufen werden. Die Kehrseite der Medaille sei allerdings, daß nun das Centrum in anderer Weise für die Ausbildung der alt katholischen Theologen zu sorgen habe. Wenn das Cen trum sich darauf berufe, daß zunächst das Altkatholikcn- gcsetz abgeschafst werden müsse, so beweise dies, daß man sachlich gegen die RegierungSforderung nichts cinwcndcn könne. Das Centrum könne unbeschadet seines Stand punktes die Forderung bewilligen. Wenn das Abgeord netenhaus die jetzige Forderung der Regierung bewillige, würden weitere Forderungen in dieser Beziehung nicht gestellt werden: werde sie aber abgelehnt, so werde die Staatsregierung immer wiedcrkommen, weil sie die Alt katholikcn nicht fallen lasten wolle. Aber alles Zureden, alle Berufung auf das dem Erzbischof von Köln gemachte Zugeständniß half nichts: die Centrumsmitglieüer der Commission beharrten auf ihrem „toleranten" Ab- lehnungsstandpuncte und die Conservativeu — bis auf einen — halfen den klerikalen Freunden die Regierungs forderung begraben. Die „Köln. Ztg." hofft nun zwar, weil ein Conservativer für die Forderung stimmte, das Plenum des Abgeordnetenhauses werbe den Commissions beschluß umstoßen, aber jedeufalls ist anzunehmeu, daß die Versuche der Commissionsmehrheit, Anhänger zu gewinnen, erfolgreicher sind, als die der Minderheit. Und wird die Forderung auch im Plenum abgelehnt, so wird die Regierung bei ihrer Neigung zur Toleranz gegen das intolerante Centrum, wenn sie wiederkommt, jedenfalls auch über ein neues Zugeständniß au den Erzbischof von Köln zu berichten wissen, das den Altkatholiken das Athmcn noch schwerer macht. Das italienische Ministerium hat, wie gemeldet, den ersten Tag der neuen Kammersession nicht überlebt. Bei der Präsidentenwahl, dem Prüfstein für die Anhänger schaft der Regierung, hat nahezu djc Hälfte der Abgeord neten gefehlt: von 508 Abgeordneten haben nur 292 ge stimmt. Und der Candidat der Regierung, Villa, erhielt nicht einmal die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, da sich 120 Abgeordnete der Abstimmung enthielten. Erst in der Stichwahl wurde Villa bei 142 Stimmenthaltungen gegen den Socialisten Costa gewählt. Das Ministerium Zanardelli hat sofort die Consegucnz aus dieser, einen voll ständigen Zerfall -er Regierungsmehrheit bedeutenden Abstimmung gezogen und noch am Abend dem König sein Entlasiungsgesuch unterbreitet. Ein Vorspiel für die jetzige Krise bildete der dieser Tage erfolgte Rücktritt des Ministers der öffentlichen Arbeiten, Grafen Giusso. Angesichts des seit einiger Zeit drohenden allgemeinen Ausstandes der Eisenbahnbediensteten bedeutete dieser Schritt eine erhebliche Schwächung des Cabinets, zumal sich keiner der einflußreicheren Volksvertreter bereit finden ließ, das nichts weniger als verlockende Portefeuille zu übernehmen, so daß sich der Ministerpräsident selbst dazu bequemen mußte. Allerdings lag, so schreibt die „Schles. Zeitung", nicht in der drohenden Ausstandsbewegung der Grund für den Rücktritt Giusso's, sondern in dem Beschluß Zanardelli's, die Ehescheidung gesetzlich zuzulasscn, oder, wie cs in der Thronrede mnschrieben war, „das ideale Princip der Unauflösbarkeit der Civilche einzu schränken". Vielleicht hätte Zanardelli eine glücklichere Fassung für seine gesetzgeberische Absicht finden können; in der Sache, der Reformbcdürftigkcit der Ehegesetzgebung, entspricht seine Absicht völlig dem Bcdürfniß. Denn für die Eheschließung bestehen in Italien keinerlei Vorbe dingungen in wirthschaftlicher, religiöser und polizeilicher Hinsicht; insbesondere muß nicht nothwcndig, wie dies ein Gesetzentwurf einführen wollte, die bürgerliche Ehe schließung der kirchlichen Trauung vorhergehen. Die Folge dieser allgemeine» Leichtigkeit der Eheschließung ist die sehr große Zahl der Eheschließungen, die eine durchschnitt liche große Kindcrzahl zur Folge hat. Daneben aber haben sich zahlreiche Uebclstäude herausgcstellt, namentlich durch das Ncbcncinanderbcstehen von Civilche und kirch licher Trauung, da häufig die Civilcheschließung nach der kirchlichen Trauung nicht mehr nachgesucht wird, so daß zahlreiche Ehen nach dem bürgerlichen Gesetze als Con- eubinat gelten und mancher gewissenlose Manu sich ohne Bedenken von der ihm im guten Glauben gefolgten Frau trennt, um dann eine zweite giltigc Ehe durch bloße Civil- trauung einzngehen. — Eine Neuregelung dieser Gesetz gebung ist also Bcdürfniß, und in ihrem Rahmen konnte auch die Auflösbarkeit der Civilche ausgesprochen werden. So, wie Zanardelli das Gesetz ursprünglich geplant hatte, mußte cs aber in den Kreisen der gläubigen Katholiken, denen ja die Ehe als Sacrament gilt, großen Anstoß er regen. Und wenn auch durch das päpstliche non oxpeckit die Betheiligung streng päpstlich gesinnter Katholiken am politischen Leben verhindert ist, so haben doch die Satzungen der Kirche auch für die sich nicht au das Verbot der Curie kehrenden Wähler und Gewählten noch so viel Gewicht, daß sich eine intensive Agitation gegen die „Ehe scheidung", namentlich in Süditalicu, entwickelte. In Neapel ist der Sitz dieser Bewegung; dem Comits zu ihrer Leitung gehören unter Anderem neun Senatoren und 17 Abgeordnete an. Wenn man erwägt, baß gerade die süditalicnischen Abgeordneten jederzeit die ergebenste Ge folgschaft des jeweiligen Ministeriums bilden, so wird uian die Bedeutung dieses Abfalles ermesse» können. Zweifellos sind es auch die Süditaliener gewesen, die durch Sttmmeuthaltung den Mißerfolg des Ministeriums bet der Präsidentenwahl herbeigeführt haben. Vcrmuthlich sollte die Versagung ihrer Unterstützung nur ein Mene Tekcl für Zanardelli sein, um ihn vor der Einbringung des EheschcidnngsgescNes zu warnen; sonst hätten sie wohl eine Gegenkandidat»! aufgestellt. — Ucbcr die Entwicke lung der Krisis wird uns berichtet: * Rom, 23. Februar. Nach Meldungen der Blätter wird der König die Demission des Cabinets nichtan- nehme n. Tas Cabinet soll nach Prüfung der politischen und parlamentarischen Lage beschlossen haben, demnächst nach der Ernennung eines neuen Arbcitsmi Ni sters in der Kammer vollzählig zu erscheinen und eine namentliche Slbstimmung über die Richtung der Re- gierungöpolitik herbcizuführen. Deutsches Reich. * Berlin, 23. Februar. Eine sehr treffende Charakteristik der Reichstagsvcrhand- lungcn findet sich in der „Franks. Ztg.", der über die Freitagssiyung des Reichstages von hier geschrieben wird: „Beim Beginn der Sitzung waren elf Abgeordnete im Saal, und als der Präsident 6 Stunden später» um 7 Uhr, die Sitzung schloß, weil „das Haus" die Vertagung wünschte, da bestand dieses Haus aus scchszchu Herren. Erledigt wurden in diesen 6 Stunden das ganze Ordinarium des Militäretats, das sehr umfangreich ist und einen dicken Band bildet, und der Präsident hatte viel zu thun, die einzelnen Titel und Positionen aufzurufen. Es ist beachtenswerth, daß die Militärverwaltung gar keine Versuche gemacht hat, wie es doch sonst bei Kleinigkeiten sogar geschieht, wichtige Forderungen, die von der Budgetcommisston abgelehnt sind, im Plenum dennoch durchzusctzen. Nun ist es ja allerdings komisch, wenn man dem früheren Sprach gebrauch und den früheren realen Verhältnissen ent sprechend, in diesem Reichstage noch von einem Appell ans Plenum sprechen wollte. Die Dinge haben sich umgekehrt: Die Budgetcommission besteht von Alters her auS 28 Mit gliedern, und die sind auch meistens da, und es wird in der Commission wirklich bcrathcn und sachlich entschieden. Das Plenum, das über der Commission stehen soll, weist sehr oft nicht 2S Mitglieder auf, und es wäre ein ganz vergeblicher Versuch, bei solcher Besetzung eine Abände rung der Commissionsbcschlüsse im Plenum hcrbeiführeu zu wollen. Er würde unter Anderem auch daran scheitern, daß strittige Abstimmungen überhaupt nicht stattfindcn können, weil dann ja sofort die Bcschlußunfähigkeit con- statirt würde. Diese ganze Etatsberathung,' wie sie jetzt wochenlang Tag für Tag geübt wird, i st Alles, nur keine Bcrathung. Im Vesten Falle kann man sic eine Unterhaltung nennen." * Berlin, 23. Februar. (Helfershelfer der Bebel und Genossen.) Die Thatsache, daß die Socialdemokratcn Jahr für Jahr die Verhandlungen des Reichstages über den Hceresetat mißbrauchen, um durch tendenziöse Schilderungen wirklicher, erfundener oder entstellter Vorgänge Stimmung gegen das Heer zu machen, ist bekannt und findet iu weiteren Kreisen kaum mehr Beachtung, da ihr Hatz gegen dieses festeste Boll werk der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung ihr Vorgehen genügend erklärt. Herr Bebel ist überdies in concrctcn Fällen schon so oft der objektiven Unwahr heit seiner Behauptungen überführt worden, daß seine Darlegungen längst auf das grötzte Mißtrauen stoßen. Dieser jedem Beobachter unserer öffentlichen Verhältnisse bekannte Umstand hält den hiesigen Vertreter der „Daily News" nicht ab, die jüngsten Ausführungen der Abgeordneten Bebel und Kunert in breiter Form nach London zu telcgraphircn, indem er seine Unschuld mit dem leichten Vorbehalt, daß die socialdcmokratischcn Behauptungen richtig seien, drapirt, alsdann aber kräftig und rückhaltlos die Schlußfolgerungen jener Feinde unseres Staatswesens unterstreicht und durch Bemer kungen seinerseits den Eindrnck ans das unwissende eng lische Publicum verschärft. Unser Heerwesen bedarf gegen solche Anwürfe keiner Vertheidigung. Wenn wir auf die Unterstützung, die die Socialdemokratcn, in ihrem Be mühen, unser Heerwesen in der Achtung des In- und Auslandes herabzusetzen, durch hiesige Correspondcntcn englischer Blätter erhalten, Hinweisen, so geschieht dies, um an einem solchen Beispiel nachzuweisen, wie das eng lische Publicum iu Bezug auf deutsche Verhältnisse irre geführt wird. Der vorliegende Fall ist um so erstaun licher, als der „Daily News"-Correspondent deutscher Reichsangehörigcr ist. Er mag sich daran erfreuen, daß das Blatt seine Mittheilungcn über angebliche Soldatcn- Mißhandlungen im deutschen Heere mit den schreienden Ucberschriftcn versieht: „Militarismus in Deutschland. Soldatcn-Mißhandlungcn. Ein trauriger Record." Wir und wo ein Graben genommen wurde, was übrigens mit spielender Leichtigkeit geschah, da lohnte cs ein freund licher Zuruf des Reiters, ein leichter Schlag auf die Flanken. Die Entfernung von der „Elinor" wurde immer ge ringer. Es war Eckhoff plötzlich in Erinnerung ge kommen, wie viel seiner Mutter an dem Sicgesprcis ge legen war und daß er ihr gewissermaßen sein Wort ver pfändet hätte. Zudem fühlte er, daß die folternden, alle Möglich keiten erwägenden Gedanken bei diesem tollen Ritt von ihm abließen. So jagte er dahin, als gelte cs, Furien zu entfliehen. Einmal hatte Selma sich umgeschaut und, als sie ihren Vortheil bemerkte, herausfordernd, als sei ihr be reits der Sieg zu Theil geworden, die Mütze geschwenkt. Die Bewegung stachelte Eckhvff's Ehrgeiz auf. Er begann von Neuem, den Renner anzutrcibcn, daß er keuchte. Schaum flog aus den Nüstern, aber gehorsam legte er noch weiter aus. Jetzt hatten sie die „Elinor" erreicht. Wenige Minuten nur jagten die Thiere Seite an Seite, dann schob „Oreste" um Haupteslänge vor, bald um Körper länge und schließlich ließ er die „Elinor" weiter und weiter zurück. Bernhard sah sich nicht ein einziges Mal um, sonst hätte er bemerken müssen, baß Frau von Linden, als sie erkannte, daß der Sieg ihrem Partner gehörte, eine etwas gemäßigtere Gangart cinschlug. Sei cs nun, daß „Oreste" ermüdete, sei cs, daß er das Zurückbleiben der „Elinor" witterte, genug, er ließ gleichfalls in seinem Eifer nach, das erbitterte Eckhoff aber gewaltig, und das gehetzte Thier bekam abermals die Sporen zu fühlen, gerade, als der vorletzte Graben zu nehmen war. Vor Schmerz laut aufwichernd, stellte cs sich auf die Hinterfüße, setzte dann in wildem Bogen über den Graben hinweg, konnte aber doch nicht sogleich festen > Halt gewinnen und legte sich auf die Vorderfüße. Eckhoff brachte cs wieder in die Höhe, aber nun be kam cs Nucken, bäumte, beschrieb, nach rückwärts drängend, einen Halbkreis, schnob mit den Nüstern, zitterte am ganzen Körper und war nicht von der Stelle zu bringen. „Ich werde Dir den Tcnfcl austrciben", zischte Eck hoff, welchen die Eindrücke dieses Morgens vollständig aus dem Cvnccpt gebracht hatten und den die Widcr- spänstigkcit des Hengstes furchtbar reizte. Aber in dem Moment, als er die Candarc kürzer fassen wollte, flog in unmittelbarer Nähe ein Volk von Rebhühnern auf; der schon verängstigte Renner machte einen gewaltigen Seitensprnng und stürmte dann mit geblähten Nüstern, einen schrecklichen Anblick gewährend, vorwärts. Eckhoff waren bei der unvermuthctcn, heftigen Be wegung die Zügel entglitten, und so sehr er sich auch be mühte, konnte er derselben doch nicht habhaft werden. Er mußte darauf bedacht sein, sich fcstzuhalten. Gleich zeitig aber versuchte er cs, die Füße aus den Steig bügeln zu befreien, um abspringen zu können, denn der Hengst hatte soeben den letzten Graben genommen und jagte nun iu blinder Wuth dem Walde zu. Allein cs gelang ihm nur, den einen Fuß zu be freien. „Oreste" schlug wild mit den Hinterbeinen aus, stampfte den Boden, setzte zu neuem Sprunge an, flog vorwärts, um gleich darauf nicderzustürzen. Im selben Moment war er wieder hoch und die wilde Jagd begann von Neuem. Bei dem Fall aber war Bernhard vom Pferde ge glitten. Mit einer verzweifelten Anstrengung versuchte er den gefesselten Fuß aus -em Steigbügel zu befreien. Diese Bewegung aber mochte den Fuchs aufgestachelt haben, sich empor zu rappeln. Die Situation war nun für Eckhoff eine höchst kritische. Er konnte nicht loskommen, das rechte Bein steckte in dem Bügel, au der linken Seite des Pferdes abev hing der unglückliche Mann in der Schwebe, beständig der Gefahr auSgcsctzt, geschleift oder gegen den nächste» Baum geschleudert zu werden. Mit der Verzweiflung und der Ausdauer, die nur höchste Noth verleiht, hielt er sich krampfhaft am Sattel zeug und an der Mähne des Thieres fest. Alle Bemühungen, wieder in den Sattel zu ge langen, waren vergeblich, die Lage war eine zu un günstige. Eckhoff gab sich verloren, denn in wenigen Secunden mußte der Wald erreicht sein. Dicht vor ihm ragten die dunklen Tannen empor. Bernhard hatte die Geistesgegenwart nicht verloren. Kaltblütig erwog er alle Möglichkeiten, die ihn aus der Todesgefahr befreien, ihm ein LoSkommcn von dem un sinnigen Thier verhießen^ Da, als „Oreste" bereits in den Schatten der ersten Bäume gelangt war und Eckhoff sich, die Augen schließend, die Zähne fest aufeinander gepreßt, iu sein Schicksal ergeben hatte, ertönte aus unmittelbarer Nähe ein zwar unterdrückter, aber um so erschütternder wirkender Auf schrei, der Bernhard bereits wie aus einer anderen Welt zu komme» schien. Eine schlanke Mädchengcstalt flog aus dem Baum bestand hervor, direct auf den stürzende» Hengst zu. Bernhard sah i» ein todtblcichcs, entschlossenes Gesicht und jetzt packte ihn wahnsinnige Angst. „Zurück!" schrie er, „um Gottcswillen —" Aber sie schien ihn nicht zu hören. Mit beiden Händen griff sic nach dem Zaumzeug. Glaubte Stephanie wirklich, ihre schwache Kraft könne das Un geheuer bändigen? Ein wildes Schütteln und Stampfen, ein erneuter Anlauf und im Bogen flog das Mädchen gegen de» nächsten Baumstamm. Jetzt schrie Eckhoff auf, in wahnsinnigem Schmerz und von Todesangst getrieben, riß und zerrte er noch einmal mit aller Kraft an dem Bügel. Nicht für sich fürchtete er, aber Stephanie regte sich nicht, und er hatte gesehen, daß rothcs Blut über ihr Gesicht htnabrieseltc. Endlich hatten seine Anstrengungen Erfolg. Der Fuß wurde frei, Eckhoff sprang zurück, fiel unsanft zur Erde, kam aber ohne jeden Schaden davon. Secunden waren erst vergangen, seit das Mädchen so unerwartet aufgctaucht war, ihn -linkten sic Ewigkeiten. Was jetzt in seinem Innern vorging, als er nieder kniete und die leblose, stille Gestalt vor sich hatte, die er auf dem Grund des Sees wähnte, als er sich mit Be schämung eingestehen mußte, daß sie mit dem Muthe einer Heldin sein Leben zu retten suchte, während er klein- müthig hin und her sann, ob er durch eine Frage nach ihrem Befinden sich nicht vergebe, — das wäre schwer zu beschreiben. Aller Haß und Groll schmolzen in Zärtlichkeit dahin. Er hätte sie jetzt mit tausend Kosenamen nennen und mit Liebkosungen überschütten mögen und saß doch ganz still, preßte sein Sacktuch auf die Stelle, von der aus das Blut floß, und starrte wie verzaubert auf den blassen» fest ge schloffenen Mund. Aber das unaufhaltsam unter dem Stirnhaar hervor rieselnde Blut brachte ihn zur Besinnung. Verzweifelt sah er sich nach Wasser um. „Du darfst doch nicht sterben", murmelte er, sich tiefer und tiefer neigend, „sonst würde ja meine arme Mutter ganz vereinsamen, denn wenn Du gehst, Stephanie, so gehe ich auch." Jetzt berührte sein Mund fast ihre Lippen. „Kannst Du. mir denn wohl verzeihen, Stephanie, mir armen Thoren, der mit einer fast wahnsinnigen Liebe im Herzen Dich quälte und fast in den Tod trieb?" Seine Hand wagte cs, zaghaft über ihr dunkles, halb entfesseltes Haar zu streichen, seine Lippen neigten sich durstig, wie vergehend, den ihrigen entgegen. Er küßte sie, erst -en Mund, dann die Augen, die so fest geschlossen waren, die Stirn, die so wachsbleich er schien, so ernst, über die der purpurne Lebcnsstrom unab lässig hinabrieselte. „Wirst Du mir noch grollen? Wirst Du mich strafen für all mein Unrecht? O, sprich nnr ein einziges Wort, Du Süße, Einzige, sich mich a», mit Deinen lieben, schönen Augen! Hörst Du mich, Stephanie, ach, hörst Du mich wohl?" Eine Hand berührte seine Schulter. Er hatte die Welt vergessen gehabt. Wie sollte es auch anders sein? In thörichtcm Wahn hatte er das eigene Herz uckd das der Geliebten geknechtet und verleugnet, nun schrie Alles in ihm nach Verzeihung, nach Glück, nun cs vielleicht zu spät war! Frau von Linden stand neben ihm. Heute sah er zum erste» Male, daß auch sic hübsche Augen hatte, tief und strahlend, voll Hcrzcnsgütc nnd echt weiblicher Thcil- uahmc. Thräncn standen darin, das Naß des Schmerzes — wer weiß, welche Wünsche und Hoffnungen sie begrub iu dieser Stunde, und dennoch lächelte sie. Die flinken kleinen Hände aber fuhren schleunigst vertuschend über die Augen. Um so als Ucbcrsehcnc nebenbei zu stehen, dazu war sie doch zu stolz! „Was sind das für Geschichten, bester Eckhoff!" schalt sic in einem mehr zärtlichen als unglücklichen Ton, „wie konnten Sic dem armen „Oreste" so barbarisch zusctzcn! Wenn das Biest Ihnen für alle Zeit das Hcirathcn verleibet hätte, verdenken könnte man es ihm nicht!" „Selma, ach, liebe, verehrte Freundin, Sie haben Alles gesehen — helfen Sic doch, das Blut stillen — wenn wir doch nur etwas Wasser hätte«!" „Stehen Sic ans, treten Sie einige Schritte zurück und dann rufen Sic laut nach Schleinitz, die Lichtung ist ja. in -er Nähe, er wird schon hören!"
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