Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.07.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140725023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914072502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914072502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1914
- Monat1914-07
- Tag1914-07-25
- Monat1914-07
- Jahr1914
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Seite 2. Nr. 374. Nvenü-Nvsssde. Leipzig« Tageblatt. Diese Darstellung soll angeblich in Belgrad für richtig gehalten werden. Schon hat man sich allgemein mit der Wahr scheinlichkeit eines militärischen Be.gehen» Oesterreich» gegen Serbien abgefunden und be schäftigt sich nun mit der Frage, ob es gelingen werde, den Krieg zu ,,lokalisieren. Wir lesen darüber in der Wiener „Neuen Freien Presse": „Die Trinksprüche des Zaren und des Präsidenten der französischen Republik in Kronstadt waren auf Frieden gestellt. kein Wortreich,daßder Streitzwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien zur Veränderung dieser Friedenspolitik dräng». Jetzt beginnt die diplomatische Arbeit der österreichisch-ungarischen Regierung, um die Lokalisierung des Krieges, wenn er tatsächlich aus brechen sollte, zu sichern. Wie verlautet, wird der russische Geschäftsträger Prinz Kudaschew heute eine Unterredung mit dem Grafen Berchtold baden. Deutschland, das sich in diesem Streite mit voller Entschiedenheit an unsere Seite gestellt hat, will ebensalls die Mächte sür eine Lokalisierung gewinnen und die Ausbreitung der Krise verhüten. Wenn eine dritte Macht sich in den Streit hineinmischen sollte, könnten sich unabsehbare Verwicklungen oaraus ergeben. Das steht jetzt schon fest, und das ist die grosze Frage, mit der sich alle Mächte zu beschäftigen haben. Da die Monarchie sich nur Ruhe verschaffen und keine Eroberungen machen will, und da über die Politik des Deutschen Reiches und Uber die Haltung von Italien kein Zweifel bestehen kann, so wird in diplomatischen Kreisen die Hoffnung ausgesprochen- dasz es, wie im Balkankriege, gelingen werde, den Streit zu lokalisieren." O Ein kan-gebung in -er bayrischen Abgeordnetenkammer. (Eigene Drahtmeldung.) München, 25. Juli. In der Sitzung der Abge ordnetenkammer besprach in seiner Rede zum Eisenbahnetat der Verkehrsminister v. Seid lein die ungünstige wirtschaftliche Wirkung der Wirren im Osten und schloß dann folgende Er klärung an: „Meine Herren, Oesterreich steht vor einer schweren Stunde der Entscheidung. Wir alle wünschen dem engbcfreundeten Nachbarreiche aus vollem Herze», daß cs den, wenn es zum Kriege kommen sollte, durch ungeheuerliche Vorkommnisse ausgezwungenen Kampf glücklich und siegreich be stehen möge." Diese Worte wurden mit lautem Bravo ausgenommen. Angebliche Aeußerungen -es Kaisers Zranz Joseph. Wien, 25. Juli. Aus Bad Ischl wird gemeldet, daß Kaiser Franz Joseph an der Hoffnung festhaltc, daß die serbische Regierung nachgeben werde. Wie eine Persönlichkeit aus der Umgebung des Monarchen mitteiltc, sagte der Kaiser: Es muß keinen Krieg geben, wenn Serbien nicht will. — Alle mili tärischen Vorbereitungen sind bereits getroffen. Heute abend wird an 0 Korps die Mobilmachungs order abgehcn. Wie verlautet, werden 350VOO Mann gegen Serbien geschickt werden. vor -er Entschei-ung. Wien, 24. Juli. Falls bis 6 Uhr abends die ser bische Regierung die österreichischen Forderungen nicht vorbehaltlos annimmt, werden dem hiesigen serbischen Gesandt en die Pässe sofort zuge stellt, und zu gleicher Zeit verläßt der öster reichisch-ungarische Gesandte in Bel grad Serbien mit dem ganzen Personal. In diesem Falle übernimmt der deutsche Gesandte in Belgrad, Baron Griesinger, den Schutz der österreichisch ungarischen Staatsangehörigen in Serbien. Sitzung -es serbischen Ministerium». Wien, 25. Juli. Aus Belgrad meldet die „Reich»poft": Der Kronprinz al» Stellvertreter de» König» berief sofort nach Eingang der österreichi schen Note das S «samtministerinm, den Ehef des Generalstab» und dif nach Belgrad befohlenen serbischen Armeekommandanten. Um 2 Uhr nacht« wurde die entscheidende Staatositzung aus Sonnabend mittag vertagt. König Peter un- Pasttjch. Wien, 25. Juli. Der Cpczialkvrrespondent der „R. Fr. Presse" meldet aus Belgrad: Nach Be endigung des Ministerrats ist Ministerpräsident Pasitsch zum König Peter nach Wrcmiska Banja abgercist. Die serbischen Politiker hoffen, Oesterreich-Ungarn werde nicht so genau auf die Ein haltung des festgesetzten Termins bestehen, sondern bei einer Halbwegs günstigen Antwort sich in Ver handlungen einlassen. (?) Ein österreichischer Diplomat über -ie Lage. Prag, 24. Juli. Der Wiener Korrespondent der „Bohemia" erhält von einem in hoher Stellung be findlichen Diplomaten in Wien Mitteilungen über die serbische Krise, in denen es heißt: Diese Souveränität, hinter der sich der Anspruch auf Las Recht des Wortbruches verborgen hat, kann nicht un berührt bleiben, wenn sich Oesterreich-Ungarn dauernde Garantien für die Zukunft verschaffen will. Es war wohl auch die Hoffnung der stillen und offe nen Teilhaber de: serbischen Firma, daß an den Schranken der serbischen Souveränität jede ernste, Sicherheit bietende Forderung Oesterreichs scheitern werde. Die Dreibundmächte aber waren entschlossen, nicht über die Zwirnsfäden der Legalität zu stolpern. Es handelt sich nicht bloß um eine Klärung der Be ziehungen zwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien, sondern zwischen Dreibund und Zwei bund. Das österreichisch-ungarische Ultimatum ist nicht nur an Serbien, sondern auch an seinen hohen Protektor gestellt. Es ist die Frage an Rußland ge richtet, ob ihm der serbische Vorposten an der Süd grenze Oesterreich-Ungarns soviel wert ist, einen Kampf nicht bloß gegen Oesterreich-Ungarn, sondern gegen den ganzen Dreibund zu wagen. Das entschei dende Moment ist das volltönende Echo, das der Schritt der Monarchie im ganzen Deutschen Reiche findet. Eine Säuberung der Südostgrenze Oesterreich- Ungarns würde den Balkan als Wetterwinkel aus schalten. Was immer kommen wird, das Gewitter dieser Hundstagszeit wird die Luft reinigen und uns entweder den dauernden Frieden des Erdteils oder aber eine Katastrophe herbeiführen, die auszudenken sich vorderhand die gesunde Vernunft weigern muß. Deutsthfein-ttche Aeußerungen aus Paris. Paris, 25. Juli. Das nationalistische „Echo de Pari s", das ganz besonders deutschfeindliche Eefühlezur Schau trägt, benutzt den gestrigen Be such des deutschen Botschafters Frciherrn v. Schön auf dem hiesigen Auswärtigen Amte, um heute früh in einem Leitartikel einen heftigen Ausfall gegen den Dreibund im allgemeinen und gegen die deutsche Politik im besonderen zu machen. Das Blatt behaup tet, aus bester Quelle erfahren zu haben, daß Frei herr v. Schön dem Stellvertreter des Ministers des Acußern, Bien venu Martin, eine Note ver lesen habe, in der die deutsche Regierung erkläre, erstens, daß sie sowohl die Form als auch den Inhalt der österreichischen Note vollkommen billige, zweitens, daß die Vorgänge zwischen Wien und Belgrad lokali siert bleiben würden, und drittens, wenn eine dritte Macht intervenieren würde, eine schwere Spannung zwischen den europäischen Staaten daraus entstehen könnte. Das „Echo de Paris" meint dazu, dieser Schritt des deutschen Botschafters heißt mit anderen Worten: Wenn wir Oesterreich nicht Serbien zer- schmettern lassen, so werden wir es mit Deutschland zu tun bekommen. Es besteht also die Drohung einer allgemeinen Erniedrigung sür den Dreiverband oder die Aussicht auf einen Weltkrieg. Diese Wieder holung von Agadir sei eine Herausforderung von sei- ten Deutschlands. Die italienische Diplomatie scheine allerdings nicht von allen Einzelheiten der Verhand lungen zwischen Wien und Berlin unterrichtet wor den zu sein Aber es stehe fest, daß der italienische Generalstab vor kurzem 100000 Reservisten einberufen habe. Die österreichische Regierung habe nichts Posi tives seit dem 28. Juni bis zum 23. Juli veröffent licht, weder über den Gang der gerichtlichen Unter suchung noch über ihre diplomatischen Absichten; habe vielmehr die Note in dem Augenblick hrrausgegeben, wo in London die Ulsterkrijis aus dem Höhe punkt angelangt und in Petersburg die Arbeiter frage zum Aeußersten gekommen sei. Der „Petit Parisien" erklärt in einem Leitartikel, daß es als vollkommen ausgeschlossen angesehen wer den müsse, daß Serbien di« Artikel 5 und ti der öster reichischen Note annehme. (In diese,: Artikeln wird die serbische Regierung bekanntlich aufgesordert, die österreichische Mitarbeit zur Unterdrückung der Oester reich feindlichen Tendenzen in Serbien anzuerkennen und eine gerichtliche Untersuchugn über die verant wortlichen Personen des Anschlages vom 28. Juni an zustellen.) Das Blatt erklärt, daß Serbien in diese Dinge niemals einwilligen könne, da es andernfalls bis zu einem Vasallcnstaatc Oesterreichs erniedrigt würde. Aus der Fülle der Kommentare hebt sich eine Privatmeldung des „Malin" hervor, die einen gegensätzlichen Standpunkt vertritt. In einer Petersburger Depesche erklärt das Blatt, daß inan bei den letzten Unterweisungen zwischen der französischen und russischen Diplomatie den Fall eines serbisch-österreichischen Konfliktes vor gesehen und bereits alle Konsequenzen erwogen habe. Die Diplomatie des Dreiverbandes war somit nicht vollkommen überrascht worden. In feinem Leitartikel erklärt das Blatt, bei der Lektüre der deutschen Presse gewinne man den Eindruck, daß Deutschland seinen Bundesgenossen dazu treibe, die günstige Zeit zu benutzen, bevor Europa sich fassen könne und bevor Rußland Zeit zu einer Intervention habe. Das Spiel des Drei bundes sei äußerst gefährlich, doch gebe es noch eine Lösung der Krise, nämlich durch eine rus sische Intervention dahingehend, die österreichische Regierung aufzufordern,' den Mächten die Bei legung des Konfliktes zu überlassen. Oesterreich könne nur seinen guten Glauben beweisen, wenn es diesen Vorschlag anneüme. Englische Meinungsäußerungen. London. 25. Juli. Alle Blätter beschäftigen sich mit der Wiener Note. — Die „Time s" schreibt: Alle, denen der allgemeine Friede am Herzen liegt, müssen ernstlich hoffen, daß Oesterreich-Ungarn in der Note an Serbien nicht da» letzte Wort gesprochen hat. Wenn dies doch der Fall ist, dann stehen wir am Rande des Krieges, und zwar eines Krieges, der für alle Großmächte unberechenbare Gefahren im Gefolge haben kann. Das Blatt gibt die Tatsachen und Ziele der groß-serbischen Agitation zu, sowie, daß sie die serbische Regierung nicht unterdrückt hätte, und daß der Nachbarstaat berechtigt sei, hieraus mit einer Kriegsdrohung oder einem Kriege zu ant worten. „Aber eine Macht, die von diesem Rechte Gebrauch machen wird, kann nicht erwarten, daß die Gerechtigkeit ihrer Aktion von anderen anerkan.nt werde, bis sie durch etwas Näheres ihre Be hauptungen erhärtet." Außerdem nehme die kurze Frist des Ultimatums Serbien jede Gelegenheit, sich zu verteidigen. Oesterreich-Ungarn überlasse damit einem kleinen und erregbaren Balkanftaate binnen wenigen Stunden die Entscheidung, ob ein dritter Balkankrieg stattfinden solle, und zwar ein Balkan krieg, in den diesmal von Anbeginn an eine Groß- Sonnabenü, 2S. Jutt 1914. macht verwickelt sein würde. Einig« der österreichischen Forderungen seien im höchsten Maße hartundde. mütigend. Alle Mächte müßten in Erwägung ziehen, was ihre Ablehnung bedeuten könnte, und sie müßten alle Anstrengungen machen, einen Kamps zu vermeiden, dessen Ende niemand voraussehcn könnte. Einstellung -es Zernjprechverketzrs in Su-apest. Budapest, 25. Juli. Der Fcrnjprcch- und Tele» grammoerkchr nach Belgrad ist seit gestern abend eingestellt. Preßtclephonatc werden auch in Scmlin nicht mehr zugelasien. In Semtin eingetrofjenc serbische Berichte aus Belgrad besagen, daß auf Veranlassung des serbischen Ministeriums die öster reichisch-ungarische Gesandtschaft in Belgrad durch ein starkes Aufgebot von 00 Polizisten besetzt war- den sei, um Angriffe der aufgeregten Bevölkerung auf die Gesandtschaft zu verhindern. Ist Serbien ein militärisch beachtenswerter Segner für Oesterreich! Der drohende Ausbruch des österreichisch serbischen Krieges läßt viele Leute die Frage aufwerfcn, ob denn sür das mächtig« Oesterreich das kleine Serbien ein ernsthafter Oxgner sei. Immer noch spukt in zahlreiche!» Möpsen die durchaus irr tümliche Anschauung, als je» der bewaffnete Konflikt für die Oestcrrcicher e»n „militärischer Spaziergang" nach Belgrad, obwohl doch di« letzten Baltankricgr diese Leute längst eines Besseren Hütten belehren können. Ganz gewiß ist Oesterreichs Wehrmacht der serbischen weit überlegen, und nicht nur an Zahl, aber eine Unterschätzung des serbischen Gegners würde man gerade in Wien am wenigsten gerechtfertigt fin den. Man darf nicht vergessen, daß der Gebiets zuwachs aus dem siegreichen Valkanfeld-ug dem ser bischen Heer zahlreiche neue Kräfte zugefübrt hat und daß inzwischen auch die Reorganisation des Heeres allem Anschein nach erfolgreich zur Durchführung ge bracht worden ist. Es gebt also nicht an, wie der Korrespondenz „Heer und Politik" aus militärischen Kreisen geschrieben wird, die Serben als minder wertige Gegner cinzuschätzen, deren Uederwindung nicht allzu viele Schwierigkeiten bereiten sollte. Dies um so mehr nicht, als der Serbe voir Natur ein vor züglicher Soldat ist und Las Heer auf einen ziemlich Hohen Stand technischer Vervollkommnung gebracht wurde. Ebensowenig darf man das moralische Mo ment der Kriegsbegeisterung außer acht lassen, da ein Krieg gegen Oesterreich in Serbien ungeheuer populär sein und das gesamte Volk zu einer begeister ten Einheit zusammenscyließen würde. Nimmt inan noch hinzu, daß der größte Teil der Offizier« und Mannschaften noch voir den letzten Feldzügen her kriegsgewohnt sind, so erscheint die Vorstellung eines Spazierganges einigermaßen lächerlich. Das serbische Feldheer zählt mit den For- mationen zweiter Linie rund 500 000 Mann und gliedert sich in zehn Divisionen. In Fricdenszeitcn umfaßt jede Division normalerweise je 4 Infan terieregimente!, 1 Feldartillerieregiment zu 9 Bat terien nebst den erforderlichen technischen- und Train truppen. Der Division gehört keine Kavallerie an, wenigstens nicht in Frtedenszeiten. Man hat eine eigene Kavallertediohion zu vier Regimentern, vier Maschinengewehrabteilungen und zwei reitenden Batterien aufgestellt. Allerdings erhält im Mobil machungsfalle jede Division sofort ein neu ausge stelltes Kavallerieregiment zu 4 Eskadrons zuge wiesen. Der Gefechtsstand einer mobilen serbischen Division beläuft sich auf 17 000 Gewehre, 530 Retter, 36 Geschütze und 16 Maschinengewehre. Legen wir diesen Stand für die Berechnung des ersten Aufgebots zugrunde, so ergibt sich: 170 000 Gewehre, 5300 Reiter, 360 Geschütze und 160 Maschinengewehre. Die mobile Kavalleriediviston verstärkt das erste Aufgebot noch um 3200 Reiter, 12 Geschütze und 16 Maschinengewehre. Was das zweite Aufgebot anbelangt, so wird man hier mit 5 Divisionen, d. h. einem Stand von zusammen 60 000 Gewehren, 1000 Reitern, 180 Geschützen und 60 Maschinen gewehren zu rechnen haben. Die Bewaffnung des serbischen Heeres kann eine vorzügliche genannt wer den. Die Infanterie ist mit dem 7-Millimcter- Mauser-Repetiergcwchr Al. 99 ausgerüstet, die Ka- Sedroidmasobwon ,°L' Inrddüoäer a. Xoklvpnplore, Lrlmmaisoko 8tr. 24. Lei Vir Liebe üer drei Kirchlein. 61) Roman von E. Stieler-Marshall. ININ Uv UiotU ein L c:».. l,. ,n I>. I!. Alix und Frauchen gingen manchmal am Frühnachmittage ein Stündchen durch das ver schneite Tal. Sic hatten kein Auto mehr zur Verfügung und weder Wagen noch Pferde. Bon Möwe war Alix der Abschied am schwersten geworden, sic liebte das schöne Tier. Aber sic trug all das Schwere, was über sie kam, in Demut. „Ich war ein so kaltherziges, hoffärtiges Geschöpf, daß ich Strafe verdiente sagte sie sich. Bon traurigen Dingen sprachen sic nicht aus ihren Spaziergängen. Sie hatten viel Besseres zu reden. Von Werner vor allen Din gen, der so zufriedene Briefe schrieb. Er schil derte in warmen Worten den Haushalt, dem er nun eingefügt war, malte in heiteren Farben das kleine, stille Häuschen im großen, ver schneiten Garten, die behagliche, liebevolle Mut ter Irmeling, die jungen Mädchen mit den blon den Zöpfen lind blauen Träumeraugen, dem Bruder ähnlich — — — Frauchen konnte nicht genug davon lesen und plaudern. Wenn Alix von diesen Gängen nach Hause kam, brachte sie etwas vom frisckzen Winter da draußen in die stille Krankenstube mit l-eim. Ihr schönes, edles Gesicht war dann rosig über haucht, ihre Augen glänzten und sic erzählte ihrem Gatten, was ihn srcute. Bon seinem Liebling, dem Frauchen mit dem warmen Herzen. Dann lächelte der müde Mann. „Röslein von Saron. Segen, Segen über das liebe Kind." Er siechte langsam hin, der arme Mann, dem alles zerstört war, lvas er sich durch ein langes, hartes Leben der Arbeit und Entbeh rung mühselig Stein bei Stein aufgebaut hatte. Aber «inmal erlebte er noch eine große Freude. Die Universität kaufte das Gelände, das er rhr als botanischen Garten zu schenken gehofst hatte. Als der Kauf abgeschlossen war, erschien ein feierlicher Besuch in seinem düsteren Zim mer. Der Rektor, seine Magnifizenz in höchst eigener Person. Geheimrat Giselius und Kirch lein. Sie kamen, ihm zu sagen, daß, wenn auch ein Schurkenstreich seine gute Absicht vereitelt hätte, die Universität ihm doch zum größten Danke verpflichtet wäre. „Wir betrachten unseren botanischen Gar ten dennoch als Ihre großherzige Scl-enkung —" sagte der Rektor. Der alte Giselius blickte mild und liebe voll durch seine goldgefaßte Brille. Seine Stimme schwankte ein wenig, als er sagte: „In Ihrem Sinn soll Kollege Kirchlein den Garten zu Ende bauen, wie er ihn so präch- li»g begonnen hat. Dann will die Universität ihrem botanischen Garten den Rainen „Viktor- Merkel-Garten" geben." Die gelehrten Herren drückten des kranken Mannes Hand, ehe sie schieden, und bezeigten ihm auf jede Art, wie hoch sic ihn achteten. Sprechen konnte er nicht, die innere Er regung hinderte die unbeholfene Zunge. Seine Augen redeten. Mit einem Blick auch bat er Kirchlein, noch bei ihm zu bleiben. Es dauerte eine lange Weile, el)c er wieder Worte fand. Dann sprach er hastig und auf geregt : „Das danke ich Ihnen, Professor. Viktor- Merkel-Garten! Ich werde nicht vergessen sem. Segen aus Ihre Arbeit, mein Freund! — Wissen Sie, daß die Villa nun aucki einen Käufer gefunden hat? Zum April will er cinziehen. Und mein Geschäft liquidiert in Ehren, niemand wird durch mich um sein Geld kommen. Run bin ich wieder ein ehrlicher Mann, Professor!" Kirchlein drückte die magere, fieberhaft heiße Hand. „Ich fühle wohl, was das für Die be- deutet —" sagte er. „Sic, armer Mann, sind nun der einzige, den jene Bnbenhand getroffen hat. Aber noch gebe ich die Hoffnung nicht verloren, daß die Polizei den Schuft finden ivlrd, bevor das ganze Geld zum Teufel ist." „Wenn nicht die Polizei," sprach Merkel sinnend — „der Gärtner Grote findet ihn ge wiß. Das fühle ich, das träume ich manchmal. Nur — erleben werde ich es nicht." „Lieber Merkel — —" „Nu wofür soll ich noch leben? Es ist gut, daß meine Tage gezählt sind. Wofür ich ge schafft habe, als ich war noch jung und stark, das ist alles dahin. Was sollte ich noch leben? Ich kann nicht mehr arbeiten. Ist der Herr mir gnädig, so läßt er mich noch unter diesem Dache einschlafen. Es wäre mir lieber, Professor." Kirchlein schwieg erschüttert. „Aber — wegen Alix —" sprach der Kranke aufgeregt weiter — „darüber muß ich Ihnen was sagen. Zuerst, lieber Freund, geben Sie Antwort, Mann zu Mann, Alix und Sie cs ist eine Sehnsucht von ihr zu Ihnen, von Ihnen zu ihr?" Fest drückte Kirchlein des Kranken Hand, sah ihm voll in die Augen. Sein Herz wallte über. „Sie ist meines Lebens Königin —" ant wortete er. „Es ist gut so, Professor -" sagte Mertel mit einem müden Läckieln. „Es macht nur das Sterben leichter, zu wissen, was aus ihr wird. Die stolze, schöne, junge Alix. Ich liebe sie sehr — — und liebe die Kirchleins, Vater pnd Kinder. Zu denen gehört sie." Merkel brauchte cS nicht zu erleben, daß er das fchöne Schloß verlassen mußte. S'e trugen ihn als toten Mann hinaus, ehe der Winter schied. Und es wurden ihm viel Ehren erwiesen, da sic ihn zu Grabe brachten. Auch die gelehrten Herren folgten semcm Sarg, die ihn zuletzt noch besucht hatten. Er hatte sic verehrt, solange er lebte, und sic bewundert. Sie hatten das nie beachtet. Nun gaben auch sie ihm Ehre. 21. Heisa! Der Fink sitzt im Lindcnbanm vor dem Hause und verkündet cs jauchzend: Der Lenz will kommen! Unter den Hecken im Sell- tal öffnen Leberblümchen schüchtern blaue Aeug- lcm, und Schnceglöckcl-en dringen neugierig durch das welke Laub, das den Watdboden deckt und läuten fein und leise: Kling, klang, Gloria, der Frühling, der Frühling ist wieder nah! Knospenkinder sprießen aus hartem, kahlen Buchenholz — — — alles, alles was heiter, bunt und warm ist, kommt langsam und vor sichtig aus seinem Winterversteck hervorgekrochcn. Und der Sell ist wild, wie er nur in diesen LenzeStagcn sein kann, wenn oben im Wald gebirge der Schnee schmilzt. Uebcrmütig stürzen seine Wellen über die Steine, Haschen nach Son nenstrahlen, singen ein jauchzendes Frühlings lied. Er freut sich, der Sell und lacht und jubelt, er findet im jungen Lenz, daß die alte Welt so schön und lustrg ist wie sie nur je war Burschen und Mädel lieben sich noch, er hat es gehört! Er hat gelauscht Wie rvar es doch? In den Promenaden, die um die kleine Stadt einen lieblichen Gürtel legen, ging ein rantcS, schlankes Kind und freute sich an jedem drängenden Knösplcin, schaute mit goldenen Augen in die springenden Wasser des Sell, lachte ihm zu, dem Kindhcitsgcspiel, dem guten, alten Freund. Es war ein lauer Vorfrühlingsabcnd, die Amsel im kahlen Geäst sang sich schier das kleine Herz aus der Brust, fang vom kommenden Sommerglück, von Jugend und heißer Liebe. Und dort begegnete das frauliche Kind sei nem Glück. Das ivar blond, bärtig und l>elden- groß, und seine blauen Augen glänzten vor Freude. Sie blieben beide beieinander stehen. „Grüß Gott, Fräulc' Frauche'", sagte das Glück, „ich Hab s gewuscht und gefühlt, ich muß Ihne' heut noch begegne'!" „Ich denke. Sie sind schon in die Ferien gereist — " „Ja, ja, der Berger isch fort, ich eigentlich nach. Ich hab als nit gekonn, cs hat nnch was feschtgehaltc' — — — (Schluß folgt in der Sonntags-Ausgabe.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder