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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.02.1916
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1916-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19160202021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1916020202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1916020202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1916
- Monat1916-02
- Tag1916-02-02
- Monat1916-02
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Politische Nachrichten An Dr. Röpcke Landtag-abgeordneter Emil Ni Hs ch Ke-Leutzsch schreibt un-: In der Neichstagstdung vom 12. Januar hat der Neich-tagL- obgeordnetc Dr. Noesicke aus einem von mir versohlen und in der Nummer 6 der Zeitschrift «Universum' am 11. November ISIS erschienenen Aufsatz zwei räumlich getrennte Sätze au- dem Zusammenhang gerissen, sie nebeneinander gestellt und dem Sinn feiner Nede nach behauptet, daß da- in dem Aufsatz enthaltene Mahnwort lediglich einen Borwurf gegen die Landwirt schaft im allgemeinen bedeute. Herr Dr. Noesicke hätte leicht erkennen können, dah cS sich bei dem Borwurf des Wuchers für mich lediglich darum gehandelt hat, gegen den Mucher im all gemeinen Front zu machen. Das geht schon ganz deutlich au- der Einleitung hervor, in der ich mich gegen alle die wende, die aus der Notlage unseres Bolkes einen unberechtigten Nutzen ziehen. Es hat dem Berlag des .Universum' ebenso fern gelegen wie auch mir, einen ganzen Stand, von dem ich jederzeit anerkannt habe, dah er ebenso wie andere Berufsstände unter mannigfachen Schwierigkeiten zum Durchhalten unseres Bolkes mit beigetragen hat, für die Berfehlungen einer Anzahl seiner Berufsgenossen verantwortlich zu machen. Herr Dr. Noesicke hat also, um sich einen Augenblickserfolg zu verschaffen, zum mindesten fahr lässig gehandelt. Sollte er aber den Aussatz in seinem vollen Umfange gekannt haben, so verbieten mir Zeit und Umstände die richtige Bezeichnung für seine Handlungsweise. An der von den Herren des Bundes der Landwirte geliebten Art und Weise, mit politischen Gegnern sich auScinanderzusehen, hat, wie man sieh!, der Weltkrieg nichts geändert. Kriegsnahrungsämter? In einem Berliner Blatte war jüngst angeregt worden, zur Bc- kämpsungdcs Wuchert im NahrungSmittelgcwcrbe und besonders in der Konservenindustrie möchten den einzelnen Prcisprüsungssicllen Rahrungsuntersuchungsämter angegliedert werden. Es wurde dabei auch hingewtesen aus die vielen Betrügereien, die mit den sogenannten Ersatzstoffen getrieben werden. Wie uns von berufener Seite milgeteilt wird, dürfte dieser Anregung schwerlich Folge gegeben werden, wenigstens von seiten der Reichsleitung cus nicht, da eine wettere Vcrmeyrung der Behörden während deS Krieges aus Mangel an den nötigen geschulten Kräften möglichst vermieden werden soll. Dieser Gesichtspunkt dürste wohl auch für die Landesregierungen maß- gebend sein, zu deren Zuständigkeit ja die Errichtung solcher neuer Stellen gehört. UebrigenS sind verschiedenen wirtschaftlichen Körper schaften, beispielsweise den Landwirlschaftskammern, Untersuchungs ämter bereits ungegliedert. Die auf Grund deS NahrungSmittclgesetzcs überall errichteten polizeilichen UntersuchungSstellcn würden ihrer Auf gabe vollständig gewachsen sein, wenn sie nicht über Mangel an Arbeits kräften zu Klagen hätten. Da nun aber Nahrungsmittelfälschungen jetzt häufiger Vorkommen und verhindert werden müssen, so wird es nicht zuletzt auch Sache deS einzelnen sein, sich selbst zu Helsen, indem er die Hilfe von privaten NahrungSmittelchemikcrn in Anspruch nimmt, wie daS ja viele Interessentenkreise regelmätzig seit langer Zeit tun, um einem unred lichen Wettbewerb entgegcnzutreten. Es würde sich auch für den ein- zelnen empfehlen, zuvor selbst gewisse Liebesgaben zu kosten, ehe er sie ins Feld schickt. DaS Rahrungsmittelgcsetz reicht sür alle Fälle voll ständig aus und bedarf keiner Ergänzung. Die Gerichte können scharf zugreifen, aber sic können freilich auch an der Tatsache nicht vorüber gehen, datz Ersatzstoffe, die bei dem vielfältigen Mangel an Urstosfcn herangezogcn werden müssen, die srühcre Vollkommenheit der Mare nie oder nur selten verbürgen können. Waä man aber unter allen Um ständen verlangen muh, ist, dah Ersatzstosse immer eine gewisse Menge von dem enthalten müssen, was sic ankündigen, dah also beispielsweise ln einem Oclcrsatz eine gewisse Menge Fett enthalten ist. Wie wenig di« Häufung von Behörden uns in der RahrungSmittelversorgung wetterzubringcn vermag, daS haben wir ja inzwischen reichlich genug erfahren. Ein Rundschreiben Bon landwirtschaftlicher Seite wird uns aus Borpommern geschrieben: Eine bekannte Getreidefirma aus Greifswald versandte kürzlich das folgende gedruckte Rundschreiben: „Sehr geehrter Herr! Mit meinen ergebenen heutigen Zeilen möchte ich es nicht unterlassen. Sie darauf aufmerksam zu machen, -ah die Preise sür Roggen und Weizen um t4 per Tonne und die Preise sür Hafer und Gerste um 60 per Tonne erhöht worden sind. Diese Preiserhöhung ist in der Absicht gemacht worden, die Herren Landwirte hierdurch zu bewegen, nunmehr daS noch vorhandene Getreide auS- zudreschen und die Restquantitäten eiligst abzuliefern. Im Inter esse deS Vaterlandes und im Auftrage meiner vorgesetzten Be hörde bitte ich Sie hiermit ergebenst, mir ihre Getreideiieferungen Grenzer Noman von Wilhelm Poeck ^-«1 Nachöruck v«rd»I«n.> Der Assessor wollte vor Lachen vom Stuhl fallen, schob das Do kument in die Brustkosche und versprach Prilczki, er würde an ihn denken. Aufseher wurde Prilczki nun allerdings nicht, aber sein Dienst wurde ihm erheblich erleichtert, denn es sprang bei dieser Gelegenheit wenigstens eine neue Amtsdienerstelle beim Haupt zollamt heraus. Und diese erhielt Joseph Piekarz, dessen Namen der Assessor auf Schotts Beranlassung in sein Notizbuch ge schrieben hotte. Joseph Piekarz vertauschte also nach einem Bierteljahr den blauen Nock mit den blanken Knüpfen mit einem grünen Nock mit blanken Knöpfen, und führte nach einem wei teren Bierteljahr seine getreue — im großen und ganzen war sie es jedenfalls wohl gewesen — Nosalka in die amtsdienerliche Dienstwohnung ein. Allerdings wurde ihm die Freude des Hoch zeitstages etwas vergällt durch einen anonymen Brief, der den Poststempel Bernau trug und worin ihm mitgeteilt wurde, datz er und seine Frau mit Petroleum übergossen und angesteckt wer den sollten, sobald man sie fassen könne. Dieser Brief stammte natürlich von einem der .Geschäftsfreunde' seines früheren Herrn, doch beruhigte sich Joseph bald über die Drohung, denn er wußte aus seiner eigenen, allerdings schon jahrelang zurückliegen den Geschäftstätigkeit, datz polnische Schmuggler vor königlich preußischen Uniformen einen gewaltigen Respekt haben. Einen Monat nach der Iosephschen Hochzeit und genau ein Jahr nach dem Einrücken der Familie Westhusen kamen endlich die ersten Bersehnngsverfüaungen. ES waren zwei, eine für den Hauptzollamtskontrolleur Mekuweit und eine zweite für den Obergrenzkontrolleur Schott. Mekuweit wurde in gleicher dienst licher Eigenschaft an ein brandenburgisches Hauptzollamt versetzt, und an dasselbe Hauptzollamt kam Schott — aber als Rendant. Dies« Beförderung, durch die er eine große Anzahl Bordermänner übersprang, war die amtliche Anerkennung für die geklappten Schmuggler, und als Herr Pappschneider sie ihm mittelte, sagte Schott: «Entschuldigen Sie, Herr Oberzollinspektor, ober et jeht nich and«rs, ick muß mir eenen Oogenblick höchst unpassend benehmen,' und lachte lo-, daß die Wände zitterten. Als er aufgehört hatte, fragt« Pappschneider: «Zch gratuliere nochmals herzlich, Herr Kollege, aber ich hätte doch nicht gedacht, daß Sie sich so außerordentlich über die Ber- setzung und Beförderung freuen würden.' «Et tS nich an dem,' erwiderte Schott, «ick stellte mir im sobald als irgend möglich zukommen zu lassen. Säcke stehen zur Ver fügung." Die Firma ist Getretdekommissionärin der Kommunal verbände Greifswald und Grimmen. Sie handelt, wie sie ausdrücklich sagt, im Auftrage ihrer vorgesetzten Behörde, der Landräte und KreiSauSschüsse der Kreise Greifswald und Grimmen. Hoffentlich lassen sich, so bemerkt dazu das „Berl. Tagebl.", die Herren Großlandwirte, denn um diese handelt eS sich, nun endlich erweichen. * * * Fortschritt im Balkanverkehr. Der Korrespondent der .Köln. Ztg." drahtet aus Sofia: Konstantinopeler Meldungen zufolge sind die Bemühungen zur Bereitstellung von genügenden Mengen Eisen bahnwagen für den Balkanverkehr und den inneren Ver kehr der Türkei derart erfolgreich, dah einigermaßen normale Zu stände in den nächsten Tagen eintretcn werden. Höchstpreise sür Baumwolle. Wie die «B. Z. a. Mittag' er fährt, sind die zuständigen Stellen in Erwägungen über die Fest setzung von Höchstpreisen für Baumwolle eingelreten. Der amerikanisch« Botschafter in Konstantinopel Morgen- khau reiste mit dem Balkanzug auf Urlaub nach Amerika über Berlin. Am Bahnhof waren zum Abschied erschienen der deutsche Botschaftsrat Frhr. v. Neurath, der österreichisch-ungarische Bot schafter Markgraf Pallavicini, die Botschafter und Gesandten Bulgariens, Rumäniens, der Niederlande, Schwedens und Per- sicns sowie hohe türkische Beamte. Schwedens Mißtrauen gegen Rußland. In einer Be sprechung der Nede Ssasonows erklärt .Stockholms Tid- ningcn', datz die Rede zwar eine sür Schweden wohlwollende Stimmung ausdrücke, doch werde es keine Berwunderung bei Ssasonow erwecken, wenn man in seinen Morten keine Ga rantie für Schwedens Sicherheit erblicken könne. Die einzige Sicherheit sei eine gute Bcrkcidigung und niemals schlummernde Wachsamkeit. Ausstände in Spanien. Den Pariser Blättern wird aus Barcelona gemeldet: Der Verband der Bauarbeiter hat aus Solidarität mit den Maurern den G e n e r a l st r e i k proklamiert. Die Docker sind ebenfalls in den Ausstand getreten aus Solidarität mit den Eisenbahnern der Anatolischen Bahn und der Bahn von Saragossa, die Lohnerhöhungen fordern. Ilcberfchwemmung in Kalifornien. .Central News' melden draht lich über LoS Angeles: Aus St. Jakob (Südkalifornien) wird gemeldet, datz zwei Städte durch lleberscbwcmmungen ver wüstet sind. Große Gebietsteile stehen seit einigen Tagen unter Wasser. Die Anzahl der umgekommenen Menschen wird auf hundert geschätzt. Der Pariser Zeppelin-Besuch Die Elrafexpcdition unserer Zeppeline nach Paris, die den nichtsnutzigen Angriff gegen die offene Stadt Freiburg gesühnt hat, wird von der «Gazette des Ardennes" folgender maßen besprochen: DaS offizielle französische Eiffelturm-Radiogramm vom 30. Januar, 4 Uhr nachmittags, berichtet: .Ein Zeppelin hat gestern abend Bomben auf Paris geworfen. Ungefähr 40 Personen, Frauen, Greise und Kinder wurden getroffen. (.Männer' scheint eS also in Paris nicht mehr zu geben. D. S. des .L. T.') Auf diesen militärischen Erfolg kann Deutschland stolz sein.' Diese moralische Entrüstung ist durchaus unangebracht. Paris ist eine Festung und als solche den Gefahren des Luftkampfs ausgesetzt. Die französischen Flieger genieren sich nicht im mindesten, offene Städte wie Freiburg, Karlsruhe usw. zu bombardieren. Diese «RaidS', deren militärischer Erfolg gleich Null ist, machen der Pariser Presse eine riesige Freude, sie kümmert sich nicht im mindesten darum, ob auch die Zivilbevölkerung betroffen wird. Um den Zorn der offiziellen Funkenstation zu beschwichtigen, einen Zorn, der natürlich in die gesamte Presse übergeht, wollen wir an einen Artikel erinnern, der anläßlich des Luftangriffs gegen die offene Stadt Stuttgart in der .Action fran^aise" vom 23. Sep tember 1013 erschien. In diesem wilden FreudenauSbruch heitzt es fol gendermaßen: «Famos! Solche Nachrichten machen Freude! Und je häufiger sie sind, mit um so größerer Genugtuung werden sie vom Volk« Galliens empfunden. Und sie werden ihm helfen, die bösen Seiten des Kriegs mit Geduld zu ertragen . . . Wie nach den herrlichen Erfolgen von Karlsruhe, Freiburg, Trier haben wir allen Grund, unsere Hüte vor Freude in die Luft zu werfen, um unsere Flugmaschinen und ihre Bombcnwerfer und ihren sicheren, schnellen Blick zu feiern! Ein solcher Tag der Freude muß die Nation einigen! Der französische Flieger ist heilig, und sein Sieg geht über alles . . .' Ein Zeppelin dagegen, der sich erfrecht, mit Erfolg zu antworten, ist weiter nichts als ein Verbrecher für die Herren Journalisten aus Paris. Aber kein Mensch fällt mehr auf diese merkwürdige Logik hinein. Musterung in der Schweiz Telegraphischer Bericht nW. Bern, 2. Februar. Der Bundesrat hat heute eine Verordnung erlassen, wonach sämtliche Schweizer vom 16. bis zum 60. Lebensjahre, die jemals im Dienst mit Gewehr oder Karabiner ausgebildet wurden oder mit ihrer Handhabung vertraut sind, sich einer Musterung zu unterziehen haben. Die in ihrem Besitz befindlichen Waffen haben sie bei der Musterung vorzuweisen. Die nicht militärpflichtigen Schweizer der Jahrgänge 1883 bis 18V2 haben sich einer Nachmusterung zu unterziehen. >vtb. Pruntruk, 1. Februar. Die Schweizerische Telegraphen- Agentur teilt mit: Nachdem am vergangenen Sonntag bei Beurne- vcsin deutsche Granatsplitter auf Schweizer Ge biet nicdergefallen waren, erschien gestern der Kommandant der deutschen Batterie an der Schweizer Grenze, um sich bei den schweizerischen Militärbehörden wegen des Vorfalles zu entschuldigen. Die Angelegenheit ist damit erledigt. Die Lage in Italien Wir erhalten von einem Schweizer, Generalvertreter einer großen Schokoladenfabrik, nachstehende anschauliche Schilderung der Lage tn 2 talien. Der Verfasser ist soeben erst von einer mehrwöchigen Geschäftsreise auS Italien auch Bern zurückaekehrt und ist auch sonst ein kompetenter Beurteiler der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in Italien, da er schon seit 20 Jahren weitverzweigte Geschäftsverbindungen dortselbst unterhält und das Land ständig bereist hat. Er führt aut: .In Rom sagte mir ein einflutzreicher und gut orientierter Politiker: «Noch drei Monat« Krieg und der wirtschaftliche Zusammenbruch Italiens ist da, oder eS müßte ein Wunder geschehen, — oder die Eng länder müßten ihre Versprechungen einlöscn.' — Der Haß auf Eng land wird immer größer, es bricht sich die Erkenntnis Bahn, daß die schwierige Lage, in der sich Italien augenblicklich befindet, nicht zum wenigsten durch englische Machenschaften verschuldet worden ist. In der Beurteilung Deutschlands ist eine auffallende Milde eingctreten, die deutschfreundlichen Stimmen mehren sich, man kann heute ruhig und objektiv über Deutschland sprechen, ohne Aus brüche von Zorn und Wut befürchten zu müssen, wie dies noch vor einigen Wochen der Fall war. Der Umschwung in der Stimmung des italienischen Volkes ist, wie mir von autoritativer Seite wiederholt ver sichert wurde, durch die Ereignisse aus dem Balkankriegsschau- platz hervorgerufen worden. DaS Schicksal Serbiens hat tiefen Ein druck in Italien gemacht. Die Italiener haben mit Erschrecken gesehen, wie wenig Unterstützung ein Land wie Serbien in Wirklichkeit ge sunden hat, das doch vom Standpunkt des Vierverbandes aus betrachtet, im Kriege die ihm von vornherein zugewiesene Rolle vorzüglich durch geführt hat, und daS doch eigentlich in weitestgehendem Maße auf die Hilfe der Verbündeten rechnen konnte und mutzte. DaS Volk sagt sich ganz richtig, wenn schon die Bundesgenossen ein Land wie Serbien, dessen Niederwerfung als die folgenschwerste Tat in diesem Kriege be zeichnet wird, ohne Skrupel preisgeaebcn haben, wieviel schlimmer wird es erst Italien ergehen, wenn den Zentralmächten etwa ein Durchbruch in die Lombardei gelingen wird! Don allen Fabrikbetrlebcn und industriellen Unter nehmungen in Italien liegt heute wett über dte Hälfte still, weil «S an Kohlen und Arbeitskräften mangelt. Die Kohlennot ist für Italien um so bedeutungsvoller, weil man nich», wie in anderen Ländern, z. V. in Rußland, die fehlende Kohle teilweise durch Holz ersetzen kann. Auch in dem Ersatz der Arbeitskräfte ist Italien ungünstiger daran als die anderen kriegführenden Mächte. Die Einberufung zum Heeres dienst ist in den letzten Wochen derart beschleunigt worden, dah man wohl sagen kann, es sind nur noch die dienstuntauglichen und die wirk lich unabkömmlichen Männer zu Hause. Ein sehr wichtige- Symptom, das für Italiens soziales Leben nach dem Kriege von außerordentlicher Bedeutung werden wird, ist auf dem italienischen Arbettsmarkte in Er- scheinung getreten. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß die Arbeiter, die jahrelang im Ausland gearbeitet haben, und das ist in Italien ein sehr großer Prozentsatz, für italienische Verhältnisse fast unbrauchbar geworden sind. Diese Arbeiter sind im Auslande, namentlich in Deutsch- land, durch die soziale Gesetzgebung, durch die geordneten Arbeitsverhält- nisse und wesentlich höhere Löhnung und auch durch die Arbeiter organisationen außerordentlich verwöhnt worden, so daß sie sich nicht mehr in die sehr viel tiefer stehenden italienischen Arbeitsverhältnisse schicken wollen. Ganz besonders ungünstig ist die Lage der Arbeiter, die im Auslands in Industrien beschäftigt waren, die in Italien so gut wie gar nicht existieren. Diese ganze Frage ist ja für Italien ln der Kriegszeit nicht sehr brennend, da der größte Teil der in Frage kom menden Arbeiter Heeresdienste tut, aber nach dem Kriege wird, wie gesagt, dieses Problem große Bedeutung erlangen, denn cs steht doch zu erwarten, daß dem italienischen Arbeiter der ausländische Arbeits markt, hauptsächlich Deutschlands und Oesterreichs, verschlossen bleiben wird. Die Existenz des Ministeriums Sonnino-Salandra ist schon längere Zeit erschüttert, eS hat sich nur noch kein geeigneter Erbe gesunden. Der Ausgang der Kämpfe in Albanien bedeutet viel für Italien und wird auch viel in Italien entscheiden. Vielleicht kommt Giolitti schneller ans Ruder als man im stillen hofft. Ieisle bloß vor, was der Mekuweit und seine Alte für Iesichter machen, wenn ick auf unserm deinnächstigen Hauptamt Nummer zwee bin und er Nummer drei, und dat ick meinen Namen mitten unter die hauptamtlichen Verfügungen sehen darf, und er ist bloß der Schwanz. ' In der Tat, es wäre der Mühe wert gewesen, die Gesichter des Herrn Hauplamtskontrollcurs Mekuweit und seiner Gattin noch dem Eintreffen dieser Mitteilung zu sehen. Mekuweit ver suchte Zorn, Groll und Neid seiner Seele mit dem altbewährten Danziger Mittel zu bekämpfen; doch diesmal hals eS nichts. Da faßte er den größten Entschluß seines Lebens, setzte sich hin, brach einen Bogen und kam um seine Pensionierung ein. 18. Schotts waren zum ersten Januar versetzt und am zweiten Weihnachtskage war bei ihnen große Abschiedsseier angesctzl. Als Hauptgericht waren natürlich Karpfen vorgesehen, in polnischer Sauce, mit Bier und Honigkuchen, und für die späte Nachtstunde — . denn spät wird cs diesmal, Iuste," sagte Schott — waren soviel Pasteten, kalte Küche, Torten, Kuchen, Puddinge und sonstige Delikatessen beschafft, so vornehm wie sie in Bernau nur aufzu treiben waren, daß der große Tisch, auf dem olles aufgebaut war, fast unter der Last zusammenbrach. Diese Dinge hatte Frau Schott gemeinsam mit Marianka cinqeholk, aber das Arsenal der Flüssig keiten übertraf den Büfcttisch noch bei weitem, denn die hatte Schott besorgt. ..Et Koster ja ville Ield, Iuste," sagte er zu seiner Frau, .aber von Zloczewice biS Brandenburg, dat kilomekert sich so fein. Und die dreihundert Mark Schmugglergratifikation von vorgestern sind auch nich übel. Wenn ick nun noch meinen Jaul eenigermaßen ver kloppe, so können wir mindestens een janzes Jahr lang sorgenfrei leben. Denn diesem knickerigen Fiskus den Kram nachträglich vor die Füße werfen und Weinreisender werden, nachdem er in anderer Weise so relativ anständig gehandelt bat, det jebt doch nun nicht mehr jut. So hungern wii uns so langsam zum Oberinspektor ruff. Ick wollte bloß, der Mekuweit lebte so lange, dat er dat noch erlebt.' «Und seine Frau,' sagte Frau Schott. «Jawoll, die ooch ' sagte Schott, indem er irgendeine seiner Feuchtigkeiten, dle natürlich vorher probiert werden mußten, in einem Glase gegen den Kronleuchter hielt, „warte Inste, ick schenk dir ooch en GlvS ein: Herr und Fran Mekuweit, sie sollen leben! Hoffentlich kommt der Nerdmann zum Karpfen rechtzeitig zurück. Weeß der Deibel, warum der Kerl mitten im Winter nach Berlin auf Urlaub fährt, und noch dazu über Weihnachten. Ick hakte jedocht, dat sollke zu Weihnachten in der anderen Flurregion end lich -le bewußte solide Verlobijung geben, aus die wir nun schon ein halbes Jahr lauern, aber et wird doch wohl nischt werden. Schade, ick hätte sie den beiden ollen Herrschaften von drüben so von janzer Seele gegönnt, besonders der Frau Westhusen, jewisscr- maßen als Pslaster für die durchgebrannte Iret. Aber ick hob cs dir damals ja jesagt, Iuste, es sind beide en paar Dickköppe. Vielleicht haben sie schon wat miteinander jehabt, so 'ne heimliche Liebe, von der niemand nischt weiß, und die hat so heiß gebronncn, daß das rosa Band durchjebrannt ist.' Frau Schott sah ihren Mann wegen seiner Redseligkeit be sorgt an und bat ihn, doch endlich mit dem Probieren aufzuhallen, er müsse ja später noch genug trinken. Schott sagte: «Zu ville trinken? Iuste, schäm dir. Ick bin doch nicht Paul Alexandrowitsch." Und nun begann er seiner Frau einen Vor trag über die Eigentümlichkeit seiner Natur, soweit sie die Aus nahme von Flüssigkeiten anbetraf, zu entwickeln, der darauf hinauslies, daß er im Gegensatz zu anderen Leuten mit jedem Glase nicht wackliger, sondern fester aus den Beinen würde, kam aber nicht damit zu Ende, denn jetzt erschien als erster der Gäste wider Erwarten Nordmann, gleich darauf kamen Oberinspektors und dann die übrigen Herrschaften vom Amt. Und schließlich klingelten auch Kleinschmidts und Dislriktskommissars in Schlitten auf den Hof. so daß für Unterhaltungen interner Natur keine Zeit mehr blieb. Selbstverständlich halte man Lucie Nordmann als Tischherrn gegeben, und beide bildeten in Wirklichkeit so etwas wie den Mittelpunkt der Gesellschaft, wenigstens den des Interesses, denn man wußte es längst, daß beide sich gern hatten, und dte Damen konnten cs, ebensowenig wie Herr Schott, in der Tat nicht be greifen, warum das Verhältnis über einen zarten Flirt nicht hinauskommen wollte. Hier mußten verborgene Haken sein, die man nicht kannte. Aber welche? Nelly, die mit Herrn Hilde brandt dem Paar gegenüber tast, lauschte und beobachtete wie ein Luchs, und Iadwiga mit Herrn Woenig an der nnteren Tafelseite saßen auch mit elektrischen Gefühlen da, eine unausgesprochene Erwartung im Herzen, ob die allgemein vorhandcne verliebte Spannung sich wenigstens bei dem Standordpoar nicht endlich ein mal zu etwas sozusagen Greifbarem ,ösen würde. O wie herrlich wäre eS doch, dachte Nelly, wenn mitten beim Tafeln Papa auf stände, oder nachher belm Punsch Herr Schott die bekannten lang erwarteten Worte spräche und eine höchst fidele Nede daran schlösse. Dann könnte man für sich auch allerlei Nutzanwendung daraus ziehen. Sie warf ihrem Kavalier einen verschmitzten Blick zu, dieser verstand ihn nach einigem Nachdenken und sagte: «Wie sagt der Lateiner! ttic Kbockis, bic „lte. Damals vor den Schmugglern hotte dieser Nordmann unheimlich viel Courage, aber io redus -msoäis scheint er mir ein großer Angsthase zu sein.' (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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