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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 12.08.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189308127
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18930812
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18930812
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungAmts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
- Jahr1893
- Monat1893-08
- Tag1893-08-12
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Beilage zu Rr. 94 des „Amts- und Ameigeblattes." Eibenstock, den 12. August 1893. Der Gerichtsthurm. Kriminal-Erzählung von L. Groth«. (9. Fortsetzung.) Nnd die Zeilen von Johannas Hand enthielten die Worte: „. . . Möge anch Dir, unglückliche Freundin, in Deinen unverdienten Leiden die lebendige Zuversicht auf die immerdar gerecht waltende, wenn auch für uns Kurzsichtige oft unbegreifliche Wege wandelnde Vorsehung zum Tröste und zur Stärkung gereichen! Hoffe fest ans den Tag der Erlösung; er bleibt nicht aus . . ." „Sehr schön gesagt!" dachte ich. „ES ist dabei nur zu bedauern, daß die leitende Freundin ohne Zweifel eine Giftmörderin ist, ihr also der Hinblick auf die immerdar gerecht waltende Vorsehung nicht zu sonderlicher Tröstung und Stärkung gereichen kann und. der Tag der Erlösung für sic wahrscheinlich auch der letzte ihres irdischen Lebens sein wird. Sonst wirklich sehr schön gesagt, zumal von Je-- mand, der Leider jedoch ist jede geheime Korre ¬ spondenz, welchen Inhalts sie anch sei, mit in Unter suchungshaft sich befindenden Personen gesetzlich verboten; und da ich nicht wissen kann, ob diese Worte nicht etwa einen geheimen, nur der Freundin verständlichen Sinn enthalten, so ist es meine Pflicht, diese zierliche Schrift der Vernichtung zu weihen." Wenige Gummistriche ließen die Handschrift Jo hannas verschwinden. Es war jetzt nahe an Mitternacht und Zeit, mich auf meinen Lauerposten zu begeben; denn ich ver- muthete, daß das Pärchen sich diesmal früher ein stellen werde, als voriges Mal, wo sie sicherlich den Eintritt besseren Wetters abgewartet hatten. Vorsichtig öffnete ich einen Fensterflügel, lüftete ein wenig den Vorhang und erforschte, mit dem Fern glas bewaffnet, das Terrain. Dieses bot denselben Anblick, wie in der gestrigen Nacht dar; nur die Mondscheibe, in der Abnahme begriffen, hatte den Platz den sie während meiner Beobachtung in der letzten Nacht am Hinimcl eingenommen, noch bei weitem nicht erreicht, daher denn auch die Schatten anders fielen und länger waren. Dafür war aber auch die meinem Standpunkte zugekehrte Seite der Kapelle mit dem Eingänge vom Fußboden bis zum zerbröckelten Dachgesims voll und hell beleuchtet. Ich konnte nicht immer in die mondhelle Nacht hinausstarren. Darum ließ ich mich am Fenster auf einen Stuhl nieder und begnügte mich, dann und wann einen Blick durch die schmale Oeffnung zwischen der Fenstereinfassung und dem Vorhänge auf die Kapelle und deren nähere Umgebung zu werfen. Das Ding ward aber auf die Dauer äußerst langweilig, und — zu meiner Schande muß ich es sage» — ich ließ mich gar bald vom Schlafe über raschen und nickte auf dem Stuhle gemächlich ein. Zwar dauerte die Ruhe nicht lange, denn die kühle Zugluft am offenen Fenster machte mich frösteln; aber ich fühlte, daß, wenn die neue Zusammenkunft etwa wieder auf zwei Uhr Morgens anberaumt war, ich diesen Zeitpunkt ohne Anwendung starker Reiz mittel wachend nicht erleben werde, und zu letzerem fehlte mir die Lust. „Zum Henker, sie werden doch nicht alle Nächte in der Kapelle zusammenkommen!" brummte ich, „Friedrich hat mir ohnehin gesagt, daß die heimlichen Ausgänge des Fräuleins nur von Zeit zu Zeit statt gefunden. Schiebe ich also meine Wachsamkeit bis zur nächsten Nacht auf." So begab ich mich dem, zur Ruhe und bereute dies Thun keineswegs, als ich am folgenden Morgen wenigstens leiblich frisch und gestärkt erwachte. Der wackere Gärtner, da sein Bursche erst im Laufe des Vormittags zurückerwartet wurde, erschien auch heute wieder. „In dieser Nacht ist unser liebes Fräulein daheim geblieben," thcite er mir mit. „Gestern noch am späten Abend, als die Herrschaften aus dem Eoncert zurückgekehrt, holte ich ihre AuSgehestiefelchen unter dem Vorwande des Reinigens in meine Behausung und trug sie erst in der Frühe wieder hinüber." — Und mit schlauer Miene setzte der ehrliche Mensch hinzu: „So werde ich es immer machen. Wenigstens wird sie dadurch, so lange kein Frost eintritt, vom Passiren des schon am Tage vereinsamten Fahrweges hinter den Gärten abgehalten; denn mit ihrem leich ten seidenen Schuhwerk kann sie diesen Weg nicht machen, und Galoschen oder Gummischuhe besitzt sie glücklicherweise nicht, da die Frau Rathsherrin der richtigen Meinung ist, daß junge Damen sich mit solchem Anhängsel einen schweren Schritt angewöhnten. Da kein Tag vergeht, ohne daß unser Fräulein einen AuSgang macht, so werde ich an jedem Abend Veran lassung haben ihre AuSgehestiefelchen für die Nacht in Verwahrung zu nehmen. Nun, lieber Meister, wenn meine Kousine ihre nächtlichen AuSgänge fortsetzen will, so wird Ihre kleine Kriegslist keinen Erfolg haben," erwidert^ ich. „Indessen mögen Sie dieselbe immerhin auch ferner ausüben; wir werden ja sehen. — Haben Sie denn gestern Ihre Brücke wieder abgetragen?" > „Gewiß, und zwar sogleich als Sie zum Kaffee gegangen." Ich hörte die abermalige Versicherung des Wackeren, daß man keinen bösen Argwohn auf sein Fräulein werfen dürfe, mit beifälliger Miene an ; nicht aber erheuchelt war meine Zustimmung, als er ferner sagte, daß deren geheimes Thun mit großen Gefahren ver bunden, und es unsere Pflicht sei, in dieser Beziehung über sie zu wachen. Mit dem erneuerten Gelöbniß, diese Pflicht zu erfüllen, trennten wir uns. Mein getreuer Burgwart hatte mir heute keine ähnlichen Mitthcilungen wie am gestrigen Morgen zu machen, und ich ließ die konsiszirte Lektüre wieder an Elisabeth zurückgehen. Da heute „Gerichtstag" war und ich mich bis weit über den Mittag hinaus mit den Parteien im Amtslokale zu plagen, Protokolle zu diktiren hatte re., so konnte ich wenigstens während dieser Zeit vergessen, welcher Schmerz von meinem Herzen Besitz genommen. Der Abend fand mich wieder im Hause meiner Verwandten, wo es mich jetzt, trotz Allem und Allem, mächtiger fast denn je hinzog. Johanna setzte an diesem wie auch an den folgenden Abenden ihr mit dem Sonntag begonnenes Benehmen gegen mich fort, und ich fühlte mich glücklich, wenn ich mich, freilich immer nur auf kurze Zeit, in dem Wahn zu wiegen ver mochte, daß keine Verstellung bei ihr vorhanden sei. Der Onkel und die Tante und selbst die alte Christine hatten ihre sichtliche Freude, an unserem wiederher gestellten herzlichen Einvernehmen; denn auch ich ließ es nicht an der gehörigen Verstellung fehlen und war selbst erstaunt darüber, daß mir dieselbe so un gemein leicht wurde, besonders dann, wenn ich mit Johanna allein war. In den nächsten Nächten hielt ich treu auf meinem Beobachtungsposten am Fenster meines Arbeitszim mers aus, indem ich mich vorher durch zwei Stunden Schlafes dazu befähigte. Doch weder Johanna noch ihr begünstigter Liebhaber erschien. Da alsbald trübe Wittterung eintrat, und undurchdringliches Dunkel den alten Begräbnißpatz zu nächtlicher Weile einhüllte, so mußte ich meine Beobachtungen einstellen. Es blieb mir nur übrig, in der Kapelle oder deren Nähe mich auf die Lauer zu legen, und dazn gebrach es mir doch an Lust; ich hätte mindestens mit einiger Wahrscheinlichkeit müssen darauf rechnen dürfen, daß ich nicht vergeblich stundenlang dort frieren oder naß werde. Ich hoffte auf irgend einen glücklichen Zufall, der mich von einer bevorstehenden heimlichen Zusammen kunft des Pärchens in Kenntniß setzte; weshalb ich denn auch jetzt zur großen Zufriedenheit des Onkels und der Tante, an keinem Abende ihrem Hause fern blieb. Die Schlösser der beiden eisernen Gitterthüren, welche den Korridor von den oberen Gefängnißzellen absperrtcn, waren mit Vorrichtungen versehen worden, die ein abernialiges Hineinstecken irgend welcher Gegenstände mindestens sehr erschwerten, indem das selbe nicht ohne starkes, im ganzen Thurm hörbares Geräusch von statten gehen konnte. Die von mir angeordnete außergewöhnliche Ueber- wachung der Zelle Elisabeths wurde streng durchge- fllhrt, und von der gewissenhaften Befolgung meiner weiteren Anordnung Hinsichtsicht der von außen für jene kommenden oder nach außen zurückgehcnden Sendungen jeder Art seitens des Melzerschen Ehe paares durfte ich überzeugt sein. So hatte ich wohl Grund zu der Hoffnung, in dieser Beziehung nun mehr Ruhe zu haben. Dem war indeß nicht so. Eine» frühen Morgens — eS war in der zweiten Woche nach jener verhängnißvollen Nacht — erschien der wackere Melzer mit verstörter Miene in meinem Schlafzimmer, das ich noch nicht verlassen hatte in seiner zitternden Rechten erblickte ich einen kleinen Meißel. „Herr Justitiar verzeihen," begann er sogleich in erregtem Tone; „ich komme sofort um meine Pensio- nirung ein, und wollte den Herrn Justitiar ergebens! bitten, dieselbe gütigst befürworten zu wollen. Ich bin untauglich zum Amte; aber ohne Pension müßte ich mit meinem Weibe zum Bettelstäbe greifen, und das wird man einem Mann wohl nicht zumuthen, der im Befreiungskriege sich da« eiserne Kreuz erworben und nach ehrenvollem Abschiede vierundzwanzig Jahre und acht Monate in einem und demselben Amte treu gedient hat. Wir haben zwar Kinder, einen Sohn und eine Tochter, die rechtschaffene Leute sind; der Eine ist königlich preußischer Unteroffizier und die Andere ist an einen Gesängnißaufseher in L. verhei- rathet und hat selbst Kinder. Beide können uns also nicht» geben, und unsere geringen Erharnisse würden nicht lange reichen. Wollen also der Justitiar mein Gesuch gütigst unterstützen? Ich hoffe, daß Dero Herr Amtsvorgänger auch ein gutes Wort für mich ein legen werden. Der vierte Theil meines jetzigen Ge haltes würde genügen, uns wenigstens vor dem Ver hungern zu bewahren." Ich traute kaum meinen Ohren. „Aber Melzer, was fällt Ihnen denn ein?!" rief ich. „Sie sind ja noch rüstig genug, um Ihrem allerdings nicht leichten Amte in jeder Beziehung vorstehen zu können. Warum wollen Sie sich denn jetzt schon pensioniren lassen?" „Warum Herr Justitiar? Weil ich und mein Weib mit offenen Angen blind sind; und blinde Leute sind zu solchem Amte nicht tauglich!" „Blind — Sie?" „Zu Befehl Herr Justitiar! Man muß doch ganz gewiß blind sein, wenn man glaubt, daß keine Steck nadel in die Zelle Nummer fünf hineingekommcn, ohne sie gesehen zu haben, und dann findet, daß man ein so gefährliches Ding, wie dieses hier, über welches man fallen könnte, hat passiren lassen." Melzer erhob mit dem Ausdruck wirklicher Ver zweiflung die Hand mit dem erwähnten Werkzeuge. „Diesen Meißel fanden Sie heute in der Zelle des Fräulein Werner?" „Zu Befehl, Herr Justitiar! Und wieder ist eine Bohle in der Fensterblendung gelockert, daß man auf der einen Seite fast den Arm durch die Fuge stecken kann! O, diese Arrestantin stürzt uns beide alten Leute ins Unglück!" „Beruhigen Sie sich, lieber Melzer. Ich bin überzeugt, daß Sie kein Vorwurf in dieser Sache trifft. Die Untersuchung wird Herausstellen, daß dieses Werkzeug einen Weg genommen hat, auf deni Sie es nicht anhalten konnten. ES ist schon ein großer Gewinn, daß Sie eS diesmal überhaupt auf gefunden haben. Lieferte es die Gefangene freiwillig aus?" „Der Meißel steckte zwischen der Blendung und dem Fenster, wo ich ihn sogleich entdeckte. Die Arrestantin verweigerte wieder die Auskunft." „Bringen Sie dieselbe sofort, unter Zurücklassung aller ihrer Effekten, in die mit dem Schließzeuge ver sehene Zelle Nummer acht, ohne jedoch von dem letzteren Gebrauch zu machen. Sobald der Aktuar gekommen, werden wir diese Sache vornehmen. — Beruhigen Sie sich jetzt nur, Mann, und denken Sie nicht mehr an Ihren Abschied vom Amte, der Ihnen aus solchen Gründen ohnehin nicht ertheilt werden würde." Melzer verließ mich dann auch in ruhigerer Ver fassung, als er gekommen; und als seine Frau mein Frühstück brachte, gelang es mir, auch sie zu beruhigen. Jetzt war es mein fester Entschluß, keine fernere Schonung gegen Elisabeth Werner zu beobachte». Durch die Unterhaltung heimlicher Verbindungen mit der Außenwelt und durch die wiederholten Versuche, die Fensterblendung zu lockern, gab sie nur zu- deut lich ihr Schuldbewußtsein hinsichtlich des ihr zur Last gelegten schweren Verbrechens kund, dessen Begehung sie nichtsdestoweniger hartnäckig leugnete. Ich selbst machte mich einer groben Pflichtverletzung schuldig, wenn ich bei dieser Sachlage noch länger mit der Anwendung der mir gebotenen SicherungS- und Zwangsmittel säumte. Sie verdiente weder Rücksicht nahme noch Mitleid. Mit dem Aktuar und Melzer begab ich mich in die Zelle Nummer fünf und ließ über die Beschaffen heit der hier vorhandenen Fcnsterblendung und da« Auffinden des Meißels ein Protokoll aufnehmen. Darauf ließ ich mir die Gefangene ini Verhörzimmer vorführen. Sie war bleich und zitterte, wie an dem vorletzten Sonntagmorgen. Ich hielt mich weder mit Höflichkeitsreden noch mit Vorwürfen auf, sondern legte ihr einfach die entsprechenden Fragen vor. Sie räumte ein, daß der ihr vorgelegte Meißel ihr von außen zugckommen, und daß derselbe zur Lostrennung einer Bohle in der Fensterblendung benutzt worden. Auf die Fragen, zu welchem Zweck die Beschädigung geschehen, und auf welche Weise und dnrch wen ihr das Werkzeug zugckommen, erklärte sie wie in den beiden früheren Fällen keine Antwort geben zu können. Wieder flössen ihre Thränen. „Ich befehle Ihnen, die vorliegenden Fragen zu beantworten!" herrschte ich sie an. Sie schwieg. „Nun wohl, so mögen Sie an einem Orte, wo Sie durch nichts gestört werden, über die Pflicht des GehorsamS gegen die Justizbehörde Nachdenken. — Gerichtsdiener führen Sie die Jnkulpatin in Vie Be denk-Zelle." „Zu Befehl, Herr Justitiar!" „Folgen Sie mir, Fräulein!" Melzer verließ mit Elisabeth da- Verhörzimmer, (Fortsetzung folgt.)
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