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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 02.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189905028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18990502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18990502
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungAmts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
- Jahr1899
- Monat1899-05
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- Monat1899-05
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seien. Oti« lehnte da« Gesuch ab, versprach aber volle Amnestie, wenn die Filipino» sich ergeben würden. Lokale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. Ueber die »kleinste Dame der Welt", welche seit Sonnabend bi« zum 5. Mai im Restaurant »Bürger garten" (Theodor Fiedler) hicrselbst zu sehen ist, schreibt man au« Geyer, Sä. April: Allgemeine Bewunderung erregt die seit einigen Tagen in Otmar Spillner» Restaurant hier weilende Zwergin gen. Prinzesse Piccolomini mit ihrem 6jährigen Töchter chen Angelika. Im Jahre 1892 verheirathete sich die geistreiche, interessante Dame mit ihrem Impresario F. Dörfler und gebar diesem in der Frauenklinik zu Zürich ein Mädchen, da« bei der Geburt nur zwei Pfund wog, jetzt im Alter von 6 Jahren steht und voraussichtlich in der Zwergengröße stehen bleiben wird. Frau Dörfler (Prinzesse Piccolomini) ist 3l Jahre alt und mißt nur 80 cm Höhe, sie wurde i868 in Pommern geboren al« die Tochter de« Zwerge« Admiral Piccolomini. Die Mutter war eine große Frau, au« deren Ehe sieben Kinder entsprossen, davon fünf normal und zwei al« Zwerge geboren wurden. Die hier weilenden Zwerge, Mutter und Kind, erfreuen die Besucher de» Restaurant» durch Gesangsvorträge und Deklamationen äußerst angenehm. Frau Dörfler versteht in der That eine treffliche Unterhaltung zu führen und zeigt ihren Humor von einer nor malen Geisterfrische, sie giebt anderen Damen in gleichem Alter, wenn e« sich um häusliche und gesellschaftliche Unterhaltungen handelt, nicht nach, wobei die Tochter mit Fragen und humorist ischen Antworten aufzuwarlcn versteht. — Dresden, 28. April. Heute Nachmittag 4 Uhr 30 Min. reiste Sc. Majestät der König nach Sibyllenort in Schlesien ab. Der Aufenthalt in Sibyllenort ist bi« Mitte Juni in Aus sicht genommen. Ihre Majestät die Königin gedenkt nach Be endigung der Kur in Karlsbad dahin nachzufolgen. — Leipzig, 27. April. Eine unliebsame Verwechselung ereignete sich kürzlich in einem der Westvororte. In dortigen Gartenabtheilungen wurden zur Nachtzeit öfters Diebereien au»- geführt, weshalb eine Anzahl Gartenbesitzer beschloß, den Spitz buben auszulauern. ES war Nacht. Da bemerkten die Wachen den plötzlich Licht in einer Laube. Die« war im höchsten Grade verdächtig, zumal da da« Licht bald wieder erlosch. Nachdem man sich eine Weile auf die Lauer gelegt und nicht« hörte und sah, drangen acht handfeste Männer in die betreffende Gartcnabthci- lung ein. Mehrere Gestalten sprangen au« der Laube heraus und im Nu entspann sich ein hitziger Kampf, wobei u. A. auch ein Drechsler eine schwere Verletzung am Kopse erlitt. Schließ lich stellte e« sich heraus, daß die vermeintlichen Spitzbuben gleich falls Garteninhabcr waren, die gewacht und auf Spitzbuben ge lauert hatten. — Döbeln, 28. April. Große« Aufsehen erregt unter der hiesigen Einwohnerschaft da« Verschwinden de« Polizeiinspektor» Streubel, der als sehr tüchtiger Beamter allgemein bekannt und geschätzt wurde. Unglückliche Familenverhältnisse scheinen den sonst sehr gewissenhaften Mann zu dem verhängnißvollen Schritte veranlaßt zu haben. Streubel trat am 2ä. April, an geblich wegen Familienverhältnisse, einen zweitägigen Urlaub an, von dem er nicht zurückkehrte. Seitdem fehlt jede Spur von ihm. Gleichzeitig mit Streubel verschwand die 26 Jahre alte ConditorS- chcfrau W. von hier unter Mitnahme eine« Geldbeträge« von 21,000 M. in Wcrthpapicren und Banknoten. E« wird ver- muthet, daß Beide gemeinschaftlich eine Reise in« Ausland ange- lretcn haben. — Bon anderer Seite wird über dieselbe Afsairc noch geschrieben: Polizeiinspektor Streubel amtirt hier seit drei Jahren. Er hat als ausgezeichneter Kriminalist (früher Krimi- nalwachtmeistcr in Leipzig) die hiesige städtische Polizei in muster hafter Weise organisirt. Streubel hatte für Dienstag und Mitt woch Urlaub erhalten und war am Dienstag früh mit der Bahn hier abgereist. Am Donnerstag benachrichtigte er die städtische Behörde durch einen an einen Polizeibeamten adressirten Brief, daß ihn eheliche Zerwürfnisse veranlaßt haben, seinen Dienst, in dem er sich nichts hat zu Schulden kommen lassen, eigenmächtig aufzugeben. Da am gleichen Tage die aus Würzburg gebürtige junge Ehefrau des hiesigen CafctierS W. mit einem erheblichen Theil ihres Vermögens (21,000 M.) heimlich ihren Gatten ver lassen hat, so wurden beide Vorfälle in Verbindung gebracht und lebhaft besprochen. — Borna. Ein Reiter der 4. Eskadron des hier garni- sonirenden Karabinierregiment« stürzte am Freitag Vormittag aus dem hiesigen Exerzierplätze beim Nehmen eine« Hindernisses und war sofort todt. — Aue, 27. April. Gestern Nachts wurde hier von einem Schutzmann ein ungefähr 10 Jahre alter, fremder und gänzlich mittelloser Schulknabe angehalten und nach der Wache sistirt, weil er über den Zweck seine« nächtlichen Umhertreibens und überhaupt seines Hierseins keine bestimmten und glaubhaften Angaben machen konnte. Der Knabe nannte sich Günther au» Königswalde bei Werdau. Aus eine an da» dortige Gemeinde amt gerichtete Anfrage wurde mitgetheilt, daß der Knabe dort unbekannt sei. Nachdem ihm diese Mittheilung vorgchalten wor den war, gab er an, aus Crimmitschau zu sein. Diese Angaben schienen aber nach einer Mittheilung vom dortigen Polizciamt wieder sehr zweifelhaft, da zwar ein Knabe Urlaß, aber nicht Günther dort vermißt werde. Der Vater de« vermißten Knaben Ur- laß hatte sich aber trotzdem nach hier begeben und erkannte in dem angeblichen Günter seinen Sohn. Noch in Gegenwart seine» Vater« behauptete dieser, Günther zu heißen, bis ihm von seinem Vater der richtige Name handgreiflich beigebracht und der Junge selbst mit nach Hause genommen wurde. Au« Furcht vor einer zu erwartenden Schulstrafe, die er sich ebenfalls schon durch heimliche» Entfernen und Wegbleiben von der Schule verwirkt hatte, will der Knabe da» Weite gesucht haben. — Schneeberg, 28. April. In der verflossenen Nacht stürzte unter donnerndem Krachen die eine Hälfte de« für den Neuanbau am König!. Seminar bestimmten ca. 30 Meter hohen Gerüste« zusammen. Der Schaden ist bedeutend, doch ist c« ein große» Glück, daß der Zusammenbruch nicht tagsüber erfolgte, da am Bau ca. 40 Arbeiter beschäftigt sind. — Hartenstein, 28. April. Von den schon längst ver folgten fremden Bahnbauarbeitern, welche schon seit einiger Zeit die Arbeit eingestellt haben und die Gegend von der Prinzcnhöhle bi» nach Niedcrschlema unsicher machten, wurde einer kürzlich er- tappt. Derselbe beschäftigte sich gegen '/,! Uhr Nacht« an einer nicht mehr im Gebrauche befindlichen Lamine, wobei er von einem Bahnwärter beobachtet wurde. Der Bahnwärter hat sich den in der Nähe wohnenden Forstaufseher Meyer zur Hilfe geholt welcher nun den Einbrecher festnehmcn wollte, wobei derselbe je doch eine Schußwaffe benutzte, aber zum Glück Niemand traf. Darauf gab der Forstaufseher einen Schrctschuß ab, wobei der Einbrecher in den Kopf getroffen wurde und seine Festnahme nun erfolgen konnte. Derselbe wurde dann mittel» Wagen« in Be gleitung de» Harlcnstciner Gendarm», welcher während dieser Zeit auch gekommen war, nach dem Alfred-Hospital in Hartenstein gebracht und nachher dem Amtsgericht überliefert. — Stolpen, 27. April. Einem 82 jährigen Einwohner im nahen Fischbach ist von der Versicherungsanstalt für da« Königreich Sachsen die Altersrente vom Jahre 1891 ab noch nachträglich bewilligt und ihm vorläufig ein Rentcnbetrag in der ansehnlichen Höhe von 1104 M. 92 Pf. nachgezahlt worden. — In Ellefeld ist die Einführung einer Gehaltsstaffel für die sechs Lehrer beschlossen worden. Nach bestandener zweiter Prüfung werden 1400 Mk., beim 25. Jahr 1500 Mk. gewährt, steigend in Zulagen von 100 und 150 Mk. bi» zu 2800 Mk. Der erste Lehrer erhält außerdem 300 Mk. für die Leitung der Schule. — Zeitgemäß dürfte jetzt ein Hinweis auf folgende gesetz liche Bestimmung, da« Ausnehmen der Vogelnester betr., sein: Da» Nehme» von Eiern und Jungen au» Nestern von Singvögeln und Eulen, sowie da« Tödten und Fangen dieser Vögel ist bei Strafe bi» 150 Mark oder Haft verboten. Gleicher Strafe unterliegt, wer unterläßt, Kinder oder sonstige in seiner Gewalt stehende Personen von Uebertretung dieser Vorschrift ab zuhalten. Amtlich« Alittheilungen aus dm Sitzungen des Stadtrathes zu KikmstoL. Sitzung vom II. April 1899. Anwesend: 4 Rathsmitglieder. Vorsitzender: Serr Bürgermeister Hesse. 1) Einer Eingabe deS Kirchenvorstandes, die Pfarr-Renovationskosten be treffend, wird beigetreten. 2) Dem Dresdner Bezirksverein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke wird zur Errichtung einer sächsischen Heilstätte für Trunksüchtige zunächst ein einmaliger Beitrag gewährt. 3) Ein Gesuch um Erlaubniß zum Anbau an ein Wohnhaus wird unter den vom Bauausschuß festgesetzten Bedingungen genehmigt. Man nimmt Kenntniß 4) von dem Schreiben des Handwerkervereins, wonach derselbe seiner Unter stützungskasse 20 Mark überwiesen hat, um insbesondere Mittel für das Herbergswesen anzusammeln, 5) von der Anregung des vorgenannten Vereins, für Handwerkerlehrlinge den Zeichenunterricht einzuführen, sowie von der erfolgten Ablieferung von 50 Mark an die Stadtkasse zur Anschaffung von Vorlagen, Mo» dellen u. s. w. hierzu, sowie 6) von der Verpflichtung des Herrn cuml. t-sieol. Schumann als Vikar an der hiesigen Bürgerschule. 7) Die Geburtstagsfeier Sr. Majestät des Königs soll in diesem Jahre wie üblich veranstaltet werden. Da von der Königl. Superintendentur die Einweisung unseres neuen Herrn Pfarrers Gebauer auf den 23. April angesetzt worden ist, sieht man sich in der Nothlage, die Feierlichkeiten zu Ehren desselben gleich zeitig mit der Geburtstagsfeier Sr. Majestät zu veranstalten. 8) In Folge des Schildbach'schen Milzbrandfalles hier hatten sich in unserer Stadt Gerüchte erhoben, deren Spitze gegen unseren städtischen Thierarzt gerichtet war. ES wurden vom Stadtrath im Interesse des städtischen Thierarztes Erörterungen angestellt und der Königliche Bezirksthierarzt, welcher eine compromittirende Aeußerung gethan haben sollte, amtlich be fragt. Die Erörterungen ergaben auch nicht den geringsten Anhalt zu einem Tadel gegen den städtischen Thierarzt, vielmehr mußten sowohl der Königliche Bezirksthierarzt als der Stadtrath seiner Gewissenhaftig» keil und Umsicht im speciellen Falle wie überhaupt alles Lob spenden. Es wird deshalb beschlossen, gegen nunmehr erneut erfolgende Angriffe wider seine Amtsehre mit Strafantrag vorzugehen. -- Außerdem ist der städtische Thierarzt angewiesen worden, den Fleischern gegenüber auf strengere Einhaltung der Fristen zur Anmeldung von Schlachtungen zu dringen. 9) Einem hiesigen Einwohner überläßt man Röhrwasser, welches der Stadt gegenwärtig nicht mehr nutzbar ist, gegen Erlaß des bisher gezahlten Canons und unter der Bedingung des jederzeitigen Widerrufs, sowie Aufrechterhaltung der bis jetzt bestandenen Rechte. Ferner wird Kenntniß genommen 10) von den Verordnungen über u. die russischen Paßvorschriften, b. die Aufbringung der durch Errichtung von Zwangsinnungen ent stehenden Kosten, o. die Beglaubigung von Ursprungszeugnissen, sowie 11) von den Uebersichten der Stadt- und Sparkasse auf den Monat März, 12) von dem Prüfungsergebnisse der Schulgelderrechnung auf das Jahr 1897/98. 13) von der Gewährung einer Gratifikation auS Bezirksmitteln an den Wege» Wärter Hahn und 14) von der Einladung zur Einweisungsfeierlichkeit des Herrn Pfarrer Ge bauer am 23. April dieses Jahres. Außerdem kommen noch verschiedene Sachen zur Erledigung, die des allgemeinen Interesses entbehren, bez. zur Veröffentlichung nicht geeignet sind. Sitzung vom 13. April 1899. Anwesend: ö Rathsmitglieder. Vorsitzender: Herr Bürgermeister Hesse. Man nimmt Kenntniß 1) von der Zuschrift des deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, die Verabreichung geistiger Getränke an Kindern betreffend, 2) von den Stadtverordneten Beschlüssen über n. Benutzung des Schulbrausebades, I». Gewährung einer persönlichen Zulage an die ständigen Lehrer. Die letztere Sache überweist man dem Schulausschusse zur nochmaligen Rerathung. Ferner nimmt man Kenntniß 3) von dem Schreiben des Ausschusses zur Errichtung eines Bismarck-Archivs in Stendal und 4) von der Einladung zur sächsischen Landessamariter-Versammlung in Annaberg. 5) Mit der Einrichtung einer Prüfungsstation für Wassermesser ist man einverstanden. 6) Die Anlagenreklamationsliste soll bei den Herren Stadträthen in Umlauf gesetzt werden. Außerdem kommen noch verschiedene Sachen zur Erledigung, die des allgemeinen Interesses entbehren, bez. zur Veröffentlichung nicht geeignet sind. In eigener Schlinge gefangen. Roman von Ernst v. Waldoio. In der Vorstadt Sankt Pauli in Hamburg, in einer engen, schmutzigen Gaffe, war der Laden von Peter Heddemann gelegen. Da gab e» allerlei alte und neue Kleider, HauSrath und Küchen geschirr ; auch Wäsche aus grobem Leinen und Anzüge au» Segel tuch. Die meisten Kunden de» »langen Peter", wie Heddemann vertraulichcrweise genannt wurde, bildeten Auswanderer. Die meist unpraktischen Leute brachten au« ihrer Heimath so viel unnützen Kram mit, wobei e« ihnen am Nöthigsten gebrach, daß ein verständiger Rathgcber für sie Golder werth war. Peter Heddemann war ein solcher; er tauschte und kaufte ein, zwar nie gegen baar, aber er gab seine Maaren dafür, und wenn er auch selbstredend bei diesem Tauschgeschäft keinen Schaden hatte, war doch auch den Leuten gedien', da Peter gewissenhaft genug war — andere nannten e« Schlauheit — daß Jedermann sein Geschäft befriedigt verließ. Die böse Welt wollte freilich wissen, daß Peter auch Wuchergeschäfte mache , zu beweisen vermochte ihm die» indeß Niemand. Wenn der »lange Peter" dem Geschäft seine Zeit und Intelligenz widmete, so hatte auch seine bessere Hälfte, Frau Klementine, nächst der Besorgung de« Häuslichen, einen Wirk ungskreis, der ihr eine gute Einnahmequelle sicherte. Sie ver- micthete nämlich »möblirt", wie sie sich auSvrückte, und ihr Ideal war, ein Hotel garni zu gründen und sich völlig vom Geschäft zurückzuziehen. Gerade jetzt hatte sie seine Leute al« Miether oben, einen deutschen Baron mit Gemahlin. Der Aristokrat war »drüben" wohl zu einer Frau gekommen, aber wie e« schien, nicht zu Gelde, denn Baron Ellernhoff hatte vor einiger Zeit in Peter Hedde mann« Laden seine goldene Uhr und Kette versetzt, um im »Hotel Peter»burg" die Rechnung zahlen zu können. Da hatte der »lange Peter" e« wieder einmal für seine Pflicht gehalten, mit gutem Rathe auszuhelfen und dem Ameri kaner — so nannte Peter alle au« Amerika Angekommenen — den Vorschlag gemacht, da» »Hotel Petersburg" zu »erlassen und bei Frau Klementine Heddemann .möblirt" zu wohnen. Und noch an demselben Tage hatte da» Ehepaar Zimmer und Kabinet im ersten Stock bezogen, betrug doch der Miethzin» bei Frau Klementine für die ganze Woche kaum so viel, wie für einen Tag in dem Hotel ersten Range«, in welchem sic bi» jetzt gewohnt. Der Amerikaner sitzt in seinem Zimmer auf dem Sofa; aus dem Tisch vor ihm steht eine leere Kaffeetaffe, daneben liegt ein offener Brief. Der zerrissene Umschlag zeigt, daß derselbe in großer Hast geöffnet worden ist. In dem geräumigen, gut eingerichteten Gemache herrscht eine durchaus nicht malerische Unordnung. Wäsche und Kleidungs stücke, Schuhe, lange Damenhandschuhe und allerhand Band- und Flitterkram liegen auf Tischen und Stühlen, der Kommode und dem Sofa verstreut herum. Der Freiherr war einfach, aber mit gutem Geschmack ge kleidet; sein Aeußere« trug den Stempel de» Vornehmen; er mochte fünf- oder sechsunddreißig Jahre zählen und war, trotz der Anzeichen von Verlebtheit, noch ein auffallend schöner Mann. Sein Gesicht war blaß, der Teint von einer fast durchsichtigen Elsenbcinfarbe, die Stirn breit und hoch, von dnnklem Gelock beschattet; ein voller Bart ließ nur wenig von den rothen Lippen de» üppigen Mundes sehen. Die Brauen waren fein gezeichnet, und große schwarze Augen blickten gewöhnlich müde unter dem Schleier der langen Wimpern auf; einen seelischen Ausdruck würde man in diesen Zügen vergeben« gesucht haben. Er hatte den Kopf in die Hand gestützt und schien eifrig nachzudcnken. Die Thür de» Nebenzimmers wurde aufgestoßen, und auf der Schwelle erschien eine zierliche Frauengestalt, deren Schönheit selbst die Unordnung, in welcher sich ihr Anzug befand, keinen Eintrag zu thun vermochte. Blonde«, goldig schimmernde« Haar ergoß sich in üppiger Fülle über einen Morgenrock von zweifel hafter Weiße, den zerdrückte blaue Scidenschleifen zierten. Da« feine regelmäßige Gesichtchen war durch große braune Augen belebt, deren Ausdruck jedoch für den scharfen Beobachter etwa« Abstoßendes hatte. „Der Kaffee wird kalt geworden sein; warum hast Du mir meine Tasse nicht an» Bett gebracht?" schalt die kleine Frau und fügte gähnend hinzu: „Er ist ohnedem in diesem Hause schlecht genug!" Sie ließ sich auf dem Sofa nieder, nachdem sie ein schwarzes Filzhütchen und eine dunkelrothe Sammtjacke auf einen neben stehenden Stuhl geworfen, und goß aus der weißen Porzellankanne eine Tasse mit schwarzem Kaffee voll, den sie in langen Zügen schlürfte. „Wie schal da» schmeckt! — Brr!" machte sie dann, die nur halb geleerte Tasse mit einer Bewegung des Ekel« von sich schiebend. „Ich hatte Wichtigere« zu thun, liebe Hortense, al» an Dein Frühstück zu denken," entgegnete der Amerikaner, den Kopf nach ihr wendend. „Was giebt e« denn Neue», Ferdinand?" fragte sie; den Brief erblickend, rief sie lebhaft: „Die erwartete Antwort von Deinem Onkel ist wohl da? — Nun, wie ist sie ausgefallen, laß mich hören!" „Besser, als ich nach dem ersten Schreiben zu hoffen gewagt — aber —" „'Nun, vollende!" „Hm — e« ist eben ein sehr bedeutende« „Aber" dabei." „Gieb mir den Bries!" rief Hortense. „Ja, ja, lie« selbst; ich will keine Geheimnisse vor meinem kleinen Weibchen haben!" Sic riß da« Blatt an sich und überflog e« hastig; ihre Augen hatten einen gierigen Ausdruck, al« sie, den Anfang de« Briefes lesend, vor sich hin murmelte: „Sieh da — einen Schlaganfall hat er gehabt! — Nun, da ist ja Aussicht vorhanden, daß wir bald etwa« Ordentliches erben!" Plötzlich stieß sie einen Ausdruck der Ucberraschung aus und ließ den Brief sinken; starr blickte sie vor sich hin. Ferdinand lachte gezwungen. „Nun? - Wa« meinst Du dazu? — Der Vorschlag des Herrn Onkels kommt ein wenig spät!" »Und da» bedauerst Du natürlich!" „Närrchen! Habe ich Dich nicht au« Liebe gewählt?" Hortense lachte und entgegnete: „Davon bin ich überzeugt, denn Geld und GeldeSwerth habe ich Dir nicht zugebracht, nicht einmal eine vornehme Verwandt schaft. Mein Papa, der Zirkusreiter — Gott hab' ihn selig — behauptet zwar, von einem französischen Marquis zu stammen, der sich aber in der Revolutionszeit nach Amerika geflüchtet — aber bewiesen hat er e« Niemand. Mir ist e» gut genug, als Amerikanerin zu gelten, die ich ja auch durch meine Geburt bin." Ferdinand zuckte die Achseln. „Lasten wir da»," sprach er verdrießlich; „es handelt sich hier um wichtige Dinge. Die Tage de» Oheims sind, wie der Arzt berichtet, gezählt; ich muß schnell handeln!" „Aber was willst Du denn thun?" „Sofort aufbrechen und mich nach Ellernhoff begeben!" „Um Dein reizende« Väschen zu heirathen!?" „Dummes Zeug! Du weißt, daß die« unmöglich ist! Aber der Onkel braucht ja nicht zu wissen, daß ich überhaupt ver- heirathet bin — wer sollte ihm dies auch verrathen?" „Ah — jetzt verstehe ich Dich!" fiel die kleine Frau mit verschmitztem Lächeln ein, „Du willst dem Onkel die Hoffnung lassen, seinen Wunsch zu erfüllen — Dich in seine Gunst setzen, damit er Dich in seinem Testamente bedenkt. Da» wäre minde sten» etwas!" „Höre, welchen Plan ich entworfen: Vorläufig muß ich aller dings allein reisen, eine Trennung ist nothwendig, aber e« gilt da« Glück unserer Zukunft; wir haben gar keine andere Aussicht, au» dieser Lage herauszukommen! Ich rechne auf Deine Klug heit und Deinen Opfermuth." „Du sollst Dich in mir nicht getäuscht haben," erwiderte die junge Frau mit fester Stimme. „Bravo! In diesen Worten erkenne ich mein kleine«, mu- thige« Weibchen. Der Onkel Han« Kaspar hält mich noch für ledig, und Du mußt e« mir schon gestatten, daß ich mich zum Scheine um die Hand meiner Base bewerbe." Hortense zuckte zusammen; sic legte ihre kleine Hand aus den Arm ihre« Manne« und stieß, fast heiser vor Erregung, hervor: „Vergiß nicht, daß ich unseren Trauschein, der im Bureau zu New-Dork eingetragen ist, in sicherer Verwahrung habe — fall« Du die Komödie weiter zu spielen gedächtest. — Ich würde Deinen Treubruch rächen — Dich und sie verderben — merke Dir da», mein lieber Ferdinand!" Ein wilde« Feuer leuchtete in diesem Moment au» ihren Augen ; um den kleinen Mund zuckte e«, ihr Antlitz war der Spiegel böser Leidenschaften. Ferdinand lachte. „Ich fürchte mich nicht, meine kleine
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