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Ottendorfer Zeitung : 23.02.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190602232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060223
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060223
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungOttendorfer Zeitung
- Jahr1906
- Monat1906-02
- Tag1906-02-23
- Monat1906-02
- Jahr1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 23.02.1906
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d'snsttuends Major die Gefangenen aufsorbsrte, sich in ihre Zellen zurückzubegeben, sangen sie die Internationale und brachten Hochrufe au die Revolution aus. Der Major ließ bie Feuer spritzen aussahren, und die Soldaten zogen sich, nachdem sie gründlich durchnäßt worden waren, zurück. Sie wurden dann nach andern Kase matten verbracht. Dänemark. * Die feierliche Beisetzung des Königs Christian hat am Sonntag in Roskilde in der programmäßigen Weise stattgesunden. An wesend waren unter anderm Kaiser Wilhelm, König Haakon, König Georg von Griechenland und andre verwandte Fürstlichkeiten. Nur der Schwiegersohn König Eduard fehlte. Spanien. *Der Ministerpräsident Moret Hai sich über den Stand der Marokko-Konferenz folgendermaßen geäußert: Er glaube nicht, daß die Konferenz durch die Forderung Frankreichs an dem Generalmandat für die Polizei in Marokko scheitern werde. Er sei gewiß, daß Frankreich und Deutschland die größten An strengungen zur Erreichung einer Verständigung machen werden. Ec halte es mit Rücksicht auf die Bedeutung der Konserenzmächte, die Stellung ihrer Delegierten und den Eindruck, den es in der zivilisierten Welt machen werde, wenn in folge Mangels an Einigkeit unter den Groß mächten der anarchische und ordnungswidrige Zustand in Marokko fortdausre, für ausge schlossen, daß die Konferenz ohne ein den Frie den sicherndes und für die Entwickelung Marokkos nützliches Abkommen auseinandcrgehe. *Der deutsche Vertreter in Algeciras, Herr v. Radowitz, soll an Röwil erklärt haben, Deutschland könne, da cs von dem Grundsatz der Souveränität des Sultans ausgehe, nur diesem das Recht der Organisation der Polizei in Marokko vorzustehen, zubilligen und würde keineswegs ein Übergewicht Frankreichs dulden. Herr Rösoil hat geantwortet, er wolle „darüber Nachdenken" und an feine Regierung depe schieren. Ruhland. *In verschiedenen Teilen Rußlands treiben fortgesetzt Räuberbanden ihr Unwesen. In Riga wurden der Arbsitleiter und ein Kossen bote der Elektrizitäts-Gesellschaft unweit der Fabrik von sieben Mann überfallen und ihnen 11000 Rubel geraubt. — In Usman (Gouvernement Tambow) verschafften sich, wie berichtet wird, Räuber Eingang in das Staats- kasftngebäude, töteten drei Beamte und raubten 2Z0 000 Rubel. — In Kiew drangen acht bewaffnete Männer in die Wohnung einer Rentnerin ein, erbrachen ihren Gelvschrank und raubten 800 Rubel und Schmucksachen. — Eine Bande, die Geldbeträge für revolutionäre Zwecke erpreßte, wurde festgenommen. — In Warschau wurden dem Kassierer einer Branntwein»Niederlage 4000 Rube! durch Räuber abgenommen. * Das Kommando der russischen Truppen m Ostasien ist von dem General Lsnewitsch an den General Grodekow übergeben worden. Amerika. * Wie die halbamtliche Washingtoner Presse mitteilt, ist die Gefahr eines Zollkrieges mit Deutschland überwunden. Tat- Schlich deutet alles darauf hin, daß das Deutsche Reich Amerika die bisherigen Vorteile gewählt und dafür eine Erleichterung der schikanösen Maßregeln empfängt, die auch den andern Nationen zugute kommen wird. * Am 17. d. hat die Vermählung von Riß Alice Roosevelt und Mr. Nicholas Longworth in Washington stattgesunden. "In Venezuela sind die kriege rischen Vorbereitungen in den Häfen u Ende gediehen. Eine große Menge Mum- ion ist dort elngeüoffen, und den Konsuln und andern fremdländischen Beamten ist es verboten worden, ohne Einholung einer be- sördlichen Erlaubnis an Bord von Dampfern m venezolanischen Häfen zu gehen. Asien. "Dem Bruder des Kaisers von» China, Prinzen Chun, dem nächsten Ver- ' wandten der zur Erbfolge heranstehenden Gene ration, wurde ein Sohn geboren, der die meiste Nussicht hat, Thronfolger zu werden. Durch kaiserliche Verordnung ist ihm der Nam; Pu (allumfassend) verliehen worden. * Wegen der jüngsten Nachrichten über die fremdenfeindliche Bewegung in China hat nach einer Meldung aus London die dortige Church Missionary Society bei ihrem Vertreter in Futschau telegraphisch an gefragt und den Bescheid erhalten, daß zur Be sorgnis kein Grund vorliege. Auch der Vertreter der Gesellschaft in Schanghai hat telegraphiert, daß dort alles ruhig sei. Aus äem Aeiekstage. Der Reichstag erledigte am 17. d. den Gesetz entwurf betr. Ausgabe von Banknoten im Betrage von 50 und 20 Mk. debattelos in dritter Lesung. In Fortsetzung der Beratung des Etats des RsichS- amts des Innern entstand noch eine längere Debatte zum Kapitel „Neichsgesundheitsamt". Staats sekretär Graf Posabowsky mußte in seiner Eigen schaft als Reichsmedizinalminister aus eine Menge von Fragen Rede stehen, unter anderm in bezug auf Genickstarre und Wurmkrankheit, Margarine, Impfzwang und bleihaltige Deckel von Bierkrügen. Die Angriffe eines sozialdemokratischen Redners auf die Praxis der Berufsgenosssnschaften erklärte er mit Hinweis auf die vielfach ungerechten Rentenansprüche als unbegründet. Schließlich wurden zum Kapitel „ReichSgcsundheitsaml" die „Weinresolutionen" Bauvann und Stauffer angenommen und noch mit der Debatte über das „Reichsversicherungsamt" be gonnen. Auch hier gab cs wieder die übliche sozial politische Diskussion. Am 10. d. wird die Spezialberatung über den Etat desNeichsamts des Innern beim Kapitel „NeichSversicherungSamt" fortgesetzt Aog. v. Ntchihofen (kons.) erklärt, daß nur ein Teil seiner Fraktion für die Streichung der 20 Prozent Renten sei. Abg. v. Gerlach (fcs. Vgg.) wünscht Gehalts- verbesserung für dis Bureaubeamten des ReichS- verficherungSamts. Abg. Körsten (soz.) hält seine Angaben über die Haltung einiger Zentrumsabgeordneten des preußischen Landtages zu der Frage der Beseitigung der kleinen Renten auf.echt und kritisiert die Renten- Praxis einiger Berufsgenossenschaften. Abg. Fröhlich (Antls.) verlangt bessere Unfall- bsrhütungsoorschriftcn zum Schutze der landwirt- chaftiichen Arbeiter. Abg. Stadthagen (soz.) fordert ein schleuniges No-gesetz, um der Rechtsprechung des Reichsgerichts ein Ende zu bereiten, das den Arbeitern den Privat rechstichen Schadenersatzanspruch gegen Unternehmer abspricht, die das Markenk.eben unterlassen haben, und fordert mit seinem Freunde Körsten die Be- eitigung der Mißstände in betreff der Renten- eßsetzuug. Staatssekretär Graf Posabowsky: Es ist nicht zu vermeiden, daß die Rentenfestsetzung ganz individuell behandelt werden muß. Es ist ein großer Unterschied, ob z. B. ein Feinmechaniker oder ein gewöhnlicher Handarbeiter ein Stück von einem Finger verliert. DaS Festsiellungsverfahren muß allerdings verbessert und namentlich beschleunigt werden. Wo die Verhandlung sich in die Länge zieht, wird der Verlctzie einen Vorschuß erhalten müßen, der freilich nor bei schweren Verletzungen gewährt werden kann. Das tatsächlich häufige Vor kommen von Simulationen kann durch keine Rede umgestoßen werden. Abg. Gtesberts (Zsntr.) polemisiert gegen die sozialdemokratischen Redner und wirft ihnen vor, daß sie den Arbeitern die V rsicherungSgesetze verekeln. Die Herren von der Rechten mögen doch einmal prüfen, ob die Landflucht nicht in einem gewissen Zusammenhänge mit dem Fehlen einer Kcanken- versicherung auf dem Lande steht. Abg. Mugdan (fcs. Vp.) (ordert Trennung der Schiedsgerichte von den Landesverflcherungs- anstaltcn. Bei den Schiedsgerichten dürsten nur Arzte fungieren, die völlig unabhängig von den Berufsgenossenschaften sind. Daß die Vollrente nur K62/z Prozent beträgt, bedauere auch ich; aber der große Fortschritt der Unfallversicherung über das Haftpflichtgesetz besteht darin, daß prinzipiell nicht nach «schuld oder Unschuld gefragt wird. Das nicht anzuerkennen, ist eine große Ungerechtigkeit der Sozialdemokratie. Staatssekretär Graf Posabowsky bezeichnet die Zonale Tätigkeit als den Edelstein in der Krone der Verwaltungsiätigkeit. Daß eins Resorm der Krankenversicherung nötig ist, steht fest; aber über den Jnöali vieftr Reform gehen die Meinungen weit auseinander. Es ist noch nicht entschieden, ob wir ein Notgesetz zur Krankenversicherung Vorschlägen oder bis zur Vereinheitlichung der ganzen Versiche- rungsgesetzgsbung warten wollen. Viele Gründe sprechen aber für den Erlaß eines Notgesstzes. Abg. Molkenbuhr (soz.) bedauert, daß der Grundsatz der alten Hastpflichtgesetzes: Bollent- schädigung für den Unfall, cs sei denn, daß der Arbeiter ihn nachweislich absichtlich herbeigeführt hat — nicht in die Versicherungsgesetzgebung aus genommen worden ist, während er im Bürgerlichen Gesetzbuch, z. B. bei der Emschädigungspflicht der Viehhalter Aufnahme gefunden bat. Die gesamten Erfahrungen gestatten, an eine Reform der ganzen VerficherungSgesetzgebung zu geben. Diese darf aber nur in der Richtung einer Mehrung, nicht einer Beschneidung der Arbeiterrechte erfolgen! Nachdem noch die Abg. Mugdan, Erz berger und Stadthagen gesprochen, wird die Debatte geschlossen. Das Gehalt des Präsidenten des Reichsver sicherungsamtes wird bewilligt, ebenso nach un wesentlicher Debatte der Rest des Kapitels. Beim Kepitel „Kanalamt" erklärt Staatssekretär Graf Posabowsky in Be antwortung von Anregungen der Aogg. Hoeck (fr. Vgg.) und Arendt (freik.), daß gegen die Ein richtung einer Schwcbefähre über den Kaiser Wilhem- Kanal bet Brunsbüttel miliiärische Bedenken erhoben worden sind. Der Bau einer Brücks ist mit Rück sicht auf den Verkehr ausgeschlossen. Wir werden indes in Erwägungen darüber treten, in welcher Welse wir die Verkehrs-Verhältnisse verbessern können. Abg. Leonhart (srs. Vp) tritt sür den Bau einer Drehbrücke bei Brunsbüttel ein. Es folgt eine längere Auseinandersetzung zwischen den Abgg. Arendt und v. Kardorff (freikons.) und dem Staatssekretär Grafen Posabowsky über die Ausübung der Jagd auf den längs deS Kanals entlang laufenden Schutzstreifer!. DaS Kapitel wird darauf bewilligt. Beim Kapitel „Aufsichtsamt sür Privatversiche rung" geht Abg. Dahlem (Ztr.) auf die Geschäftsführung der New Dork - Lebensverstcherungsgcsellschaft ein. Die Gelder der Versicherten sind zu Spekulationen, besonders beim Morgantrust, verwandt worden, um die Ausgaben für die kolossalen Gehälter sür die Direktoren, die Bestschungsgelder usw. wieder ein zubringen. Abg. Bassermann (nat.-lib.) weist darauf hin, daß die Mißstände bei den amerikanischen Ver sicherungsgesellschaften im Geschäftsbericht deS Auf sichtsamts für Pridatversicherung ausführlich behan delt worden sind. Man solle sich nicht zu Maß regeln Hinreißen lassen, die die Amerikaner als Vexationen auffassen müssten. Es genüge die Stellung einer Kaution seitens der Gesellschaften. Redner bittet um eine beruhigende Erklärung mrüber, wie cs mit der Sicherstellung der Ver- icherungssummen füs deutsche Versicherungsnehmer eitens englischer Gesellschaften im Falle eines Krieges tehe. Staatssekretär Graf v. Posabowsky: Die „Mutual Life Insurance Company" hat sich bereit erklärt, die nötigen Prämienreserven in Deutschland M hinterlegen. Mit der Equitablc-Gesellschaft chweben noch Verhandlungen. Die „New Zjork" ist hren ges-tzlichen Verpflichtungen bisher in vollem Umsange gerecht geworden. Die Frage des Vor redners bezüglich der englischen Gesellschaften ist äußerst schwierig. Die Frage ist ja aber eine rein akademische. Die betr. Gesellschaften haben daraus bezügliche beruhigende Erklärungen abgegeben. Damit schließt die Debatte. DaS Kapitel und damit der Rest des Ordinariums wird bewilligt. Das Haus vertagt sich darauf. Von unci fern. Anschlag aus einen Msenbahnzug. Bei Oberhausen wurde der Versuch gemacht, einen Personenzug durch eine über die Schienen ge egte Eisenschwelle zur Entgleisung zu bringen. Die Maschine trieb jedoch die Schwelle zwanzig Meter weit und kam dann zum Stehen; der Täter konnte bisher nicht ermittelt werden. Explosion Sei Krupp. Am 17. d, kxplo- dierte in der Kruppschen Fabrik in Essen ein Schmiedefeuer-Ventilator. Dem Vorarbeiter wurden beide Beine gebrochen. Vier Arbeiter wurden furchtbar verbrannt. Unglück im Bergwerk. Auf Schacht „Katharina" der Zeche „Herkules" fuhren ver botswidrig vier Bergleute im Bremsberg auf einem Förderwagen. Der Wagen kürzte ab. Zwei Arbeiter waren sofort tot, einer starb nach kurzer Zeit, der andre ist hoffnungslos verletzt. Sie find sämtlich verheiratet und Familien väter. politilcke Kuncifebau. Deutschland. "Der Kaiser ist von den Bsisetzungs- feierlichkeiten für König Christian aus Kopen hagen zurückgekehrt. "Kaiser Wilhelm ernannte König Frederik von Dänemark zum Ehrenadmiral der deutschen Flotte. König Frederik verlieh Kaiser Wilhelm das Ehrenzeichen des Danebrog- Ordevs. "Die bevorstehenden Festlich keiten zur silbernen Hochzeit des Kaiftrpaares und Hochzeit des Prinzen Eitel Friedrich werden sich wie folgt abspielen: Am 24 Februar findet Galaoper statt; am 25. Februar Empfang der Deputationen und Übergabe der Ehrengaben an das Kaiserpaar. A 7, 26 Februar Einzug des Brautpaares; am 27. Februar Hochzeit, wobei Oberhofprediger Dyrnder predigt; den Text hat der Kaiser bestimmt. Nach der Hochzeit Galatafel; als dann Tefiüeicour vor dem Silberpaar und dem jnnocn Ehepaar und zum Schluß Fackcltanz. "Zum Erat für die Nsichsjustizverwaltung haben im Reichstage die freisinnige und die süddeutsche Volkspariei beantragt, den Reichs kanzler zu ersuchen, dafür zu sorgen, daß be der bevorstehenden Reform der Reichsstraf prozeßordnung die Zuständigkeit der Schwur gerichte in Preßsachen auf das ganze Reich ausgedehnt werde. "Der Güterverkehr im Bereiche des p euß-schen Slaatsbahn Wagenverbandes hat sich auch im Januar d. auf einer außer gewöhnlichen Höhe gehalten und an den Güterwagenpark sehr bedeutende Anforderungen gestellt. Die Leistungen der Staaiseisenbahn- vcrwaltung hinsichtlich der Wagsngestellung haben Ziffern ergeben, die bisher noch in feinem Monat erreicht worden find. In den Kohlenbczirken find die Geftellungsziffern der vergangenen Herbstmonate im Januar d. nicht unerheblich überholt worden. "Vom 1. April ab erhält das Schutzgebiet der M arsch allinseln eine gemeinsame Verwaltung mit den Karolinen und Marianen. Ösierreich-Ukgar«. " In die Hofburg in Budapest ist der General major Alexander Nyfty eingezogen und die Burgwache ist aus eine Stärke gebracht worden, als wenn der Monarch selber dort wohnt. Nyny war ehemals Honvedmin-ster. Trotzdem wird regierungsseitig bestritten, daß nach Auf lösung des Parlaments ein System des Absolutismus eingeführt werden wird. Man wird sich bemühen, durch die Einleitung neuer Verhandlungen dahin zu wirken, daß die Neuwahlen innerhalb der gesetzlichen Frist voll zogen werden. Vorderhand werden freiwillig gezahlte Steuern durch Kommissare, die die Selbständigkeit der Verwaltung aufheben werden, eingelriebcn und Stellungspflichtige zum frei willigen Antritt des Heeresdienstes aufgefordert werden. Kra»kretch. "Die vom Papst erwählten neuen französischen Bischöfe find durch den Kaidinalstaatsjekretär Merry del Val von dem Beschlusse des Papstes bereits verständigt worden. Alle hätten erwidert, daß sie die Wahl annehmen. Die meisten von ihnen haben sich unverzüglich nach Rom begeben. "Eine Enzyklika des Papstes an die französischen Katholiken spricht sich gegen das Trennungsgesetz aus, das sich erstens gegen die göttliche Verfassung der Kirche, -weitens gegen die Freiheit der Kirche, und drinens gegen das Eigentumsrecht der Kirche rich>e und das er deshalb feierlich mißbillige und verurteilen müsse. Wahrscheinlich find die Bischöfe Frankreichs schon insgeheim unterrichtet, wie sie sich nun weiter zu verhalten haben, denn die Enzyklika spricht sich darüber nichi aus. Die vor kurzem in Toulon wegen Meuterei verhafteten Kolonial soldaten bereiteten einen gemeinschaftlichen Fluchtversuch vor, indem ste nachts einen Teil des Gefängnisdaches ab- deckren. Als die Wache Alarm schlug und oer - O Ver fall ^laäelung. 1Ss Kriminalroman von Artur Roehl. (Fortsetzung.) „Und Sie haben ihm nichts von uuS ge fixt ? Er erwartet uns nicht?" „Die Damen haben es ja nicht gewollt, daß ich ihm etwas sagte, gehen Sie nur!" Sie stiegen die Wendeltreppe hinauf. An der ihnen bezeichneten Tür klopften sie an. Ein heiseres „Herein" war die Antwort. Sie tappten einen Augenblick nach der Kkinke. Endlich fanden fie sie und öffneten die Tür. Cäcilie trat voran, Frau Madelung hinter ihr ein. Es war ei« geräumiges, niedriges Zimmer mit zwei Fenstern, durch die der am Horizont ausgehende Mond sein Licht auf eine rittlings auf einen Stuhl zusammengekauerte Gestalt warf. Kugler blickte, als die Frauen eintrateu, nicht auf. Er dachte, eS wäre Frau Zabel, di« ihm, ehe er fortging, noch etwas zu sage» habe. Aber bei dem Klang der fremde« Stimm«, die ihn ansprach, stutzte er doch. „Vetter Richard," hatte Cäcilie auf der Schwalle zu ihm gesagt. „Wer ist da?" war er da plötzlich herum geflogen. Cäcilie zog Frau Madelung durch das Zimmer hiudurch zu ihm vor. „Vetter Richa-d," sagte fie. „Ich bin eS, Cäcilie. Und ich habe Frau Madelung bei mir." Er fuhr, die Lehne seines Stuhles in der Hand, einen Schritt zurück. „Du mutzt meine Briefe erhalten haben, Vetter Richard. Wir haben mit Schmerzen auf deine Antwort gelauert. Aber du antwortetest nicht. Ein Tag ging nach dem andern hin. Und du schriebst nicht. Du kennst daS furchtbare Geschick, daS dem Sohne Frau Madelungs bevor steht. Er ist zum Tode verurteilt —" Er stierte fie an. Ein teuflisches Grinsen verzerrte seine bleichen Züge. Indes es konnte auch das fahle Mondlicht sein, das ihn so un heimlich aussehen lietz. Er fuhr fich mit der Hand über daS Ge sicht und über den Scheitel hinweg, als fühlte er den Angstschweiß auf seiner Stirn aus brechen und wollte er daS fich ihm auf dem Haupt sträubende Haar niederdrücken. Er hatte allen Ernstes an eine Erscheinung geglaubt, als er Nettas ältere Schwester, die die Mutter des zum Tode verurteilten Mörders mit fich brachte, plötzlich vor sich in seiner Stube erblickte. Er krampfte die Hände zusammen. Er hatte fich, während der ganzen langen Standen des Rausches, den er fich ausgeschlafen, mit Gespenstern gequält. Ler Schnaps, den er getrunken, hatte ihm, wie er auf seinem Bette gelegen, schon gerade zur Genüge allerhand nv- beimliche Visionen vorgegaulelt. Formlose, tückische Dinge krochen aus der Erde auf den Dielen, auf den Tischen und Stühlen, ja sogar auf seiner Bettdecke herum. Schwarze Schatten türmten fich vor ihm auf, als juckten ste ihn zu erdrücken, und zerteilten fich dann wieder, großen, glotzenden, feurigen Augen Platz machend, die ihn von allen Seiten zu verzehren drohten, ihm keine Aussicht auf Entrinnen lassend. Der unselige SchnapS! Die Schreckbilder, die auf sein vom Alkohol umnebeltes Gehirn eindrangen, trieben ihn fast in die Nacht deS Wahnsinns hinein. Indes, meide einer dies sinnverwirrende Gift, den selbst im nüchternsten Zustande Gespenster ohne Ende umdräuen, rack gierige Tatzen nach ihm ausstreckend' und wo er geht und steht, ihn verfolgend und darauf sinnend, ihn zu Falle zu bringen. Kugler hatte, als er Cäcilie Rau mit der Mutter deS zum Tode verurteilten Mörder? plötzlich vor fich erblickte, nicht einmal mehr die Kraft besessen, die er benötigte, einen Gellschrei auSzustoßeu. Er war gelähmt. Alles, was er fühlte, war nur ein furchtbarer Schwindel, in dem seine ganze Umgebung fich mit ihm wirbelnd drehte. Die beiden Frauen sahen, die Macht deS FuselS, unter dem er gestanden, war »och nicht gebrochen. Er lallte. „WaS — waS habe ich damit zu tun, daß daS Gericht den — den — diesen Menschen, den Mörder, zum Tode verurteilt hat!" Er schwang fich zu einem heiseren Lachen auf. „Ihr möchtet am Ende, ich soll selber hingehen und Meister Reindel bitten, mich statt seiner i» Be handlung zu nehmen." Er lachte, aber sein Lachen klang hohl w»d dumpf, und als er schlotz, noch widerwilliger als anfangs. ES war, als ob der Gedanke, dem er Ausdruck gegeben, ihn plötzlich selber erschreckte. Erhebend war er gewiß nicht. Cäcilie trat in daS Mondlicht am Fenster vor. „Das ist Narretei," sagte fie. „DaS ver langen Menschen auf Erden nicht voneinander. Aber du weißt es selbst, WaS mich und die arme Frau, die unglückliche Mutter, die vor dir steht, zu dir hertreibt. Du hast damals cm dem Schwurgerichstage in dem Zeugenzimmer zu mir gesagt — du mußt dich daran noch erinnern — du könntest, wenn du wolltest, in der Sache auch eiy Wort reden. Was ist daS, was du reden kannst, sag' es. Laß uns nicht im Ungewissen darüber, der leiseste Fingerzeig kann mit der Hilfe des Höchsten der Anrang zu dem vollständigen Umschwünge sein. Also sprich, ich bitte dich, sprich, wenn du etwaS weißt, Vetter, rede." Er trat, die Stirn gefurcht, dis Braue« zusammengezogen, einen Schritt zurück. „Die alte lästige Leier," brummte er. „Aber ich weiß nichts. Woher soll ich auch etwa§ wissen? Ich bin ein armer Lokomotivführer aus der Provinz und ihr — da! — in Berlnr — ihr habt euch in höhere Regionen aufzu- schwingen versucht —" Sie unterbrach ihn. „Warum sagtest du dem« au dem Tage aber, daß du etwas wüßtest —" Er lachre wieder. „WaS sagt man nicht alles! Haha! WaS man nicht alles sagt! Und WaS man denkt! Und was einem ft» Kopf herumgeht! Ich wünschte, Base Cäcilie, du wärest mal so einen Tag an meiner Stelle, du würdest etwas erleben, daS ewige Fieber im Blot, die Glut in dem Kopfe, der Brand in der Brust. Am Ende redest du dann auch Dinge zusammen — närrisches Zeug — Phantaste reien —"
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