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Ottendorfer Zeitung : 31.10.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-10-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190610319
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19061031
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19061031
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungOttendorfer Zeitung
- Jahr1906
- Monat1906-10
- Tag1906-10-31
- Monat1906-10
- Jahr1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 31.10.1906
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PoliMcke ^unclfcbau. Deutschland. * Der Kaiser hat den Kolmarer Bezirks- Präsidenten Prinzen Mexander zu Hohenlohe einstweilig in den Ruhestand versetzt. * Reichskanzler Fürst Bülow wird in den nächsten Tagen mit einigen parlamenta rischen Führern die allgemeine politische Lage und die bevorstehenden Aufgaben des Reichs tags beraten. * Die Arbeiten der in Berlin tagenden inter nationalen Konferenz zur Regelung der Funkentelegraphie sind noch nicht so weit gediehen, daß ein Abschluß der Verhand lungen schon für einen bestimmten Termin in Aussicht zu stellen wäre. Es scheinen sogar neuerdings neben den Schwierigkeiten in der Hauptfrage noch weitere Differenzpunkte auf- getaucht zu sein, deren Ausgleichung nicht geringe Mühe erfordern wird. Es ist noch immer nicht gelungen, für die deutschen und englischen Forderungen eine gemeinsame Grund lage zu finden. *Die Bezirkssynode von Osna brück hat mit allen gegen eine Stimme einen Antrag zugunsten amtlicher Mitwirkung der Geistlichen bei Feuerbestattungen an genommen. Osterreich-Ungarn. * Kais er Franz Joseph vereidigte den neu ernannten Minister des Auswärtigen Baron Ährenthal und den neuen Reichs kriegsminister Feldzeugmeister Schönaich. Frankreich. *Das neue Ministerium wird nach Meldungen aus Paris in bezug auf das Flotten-Programm die gleichen Vor schläge machen wie daS letzte Kabinett. Marine minister Thomson sprach sich bei der Beratung wiederholt für den Bau von sechs Kreuzern aus und schien die Mehrheit des Ministerrates für seine Ansicht zu gewinnen. Die endgültige Entscheidung wird erst nach der Konferenz des Finanzministers und des Marineministers ge troffen werden. * Die Kammern haben sich bis zum 5. November vertagt. England. * Sämtliche im Gefängnis befindlichen elf Frauenrechtlerinnen, die wegen der Anstiftung des jüngsten Tumultes im Parlament eingesperrt wurden, erklären ihre feste Absicht, ihre Strafe abzusitzen und von niemand die nötigen Geldmittel zu ihrer Freilassung anzu nehmen. Sie sind in gesonderten Zellen unter gebracht, ihre Mahlzeiten werden ihnen aber aus einem Restaurant geliefert. Es wurden bereits 600 Pfund (12 000 Mk.) für sie ge sammelt. Italien. *Der deutsche Staatssekretär des Außem v. Tschirschky wurde vom preußischen Ge sandten Frhrn. v. Rotenhan im Vatikan dem Kardinal-Staatssekretär Merry del Val vorgestellt. Uber den Gegenstand der sehr eingehenden Unterhaltung zwischen den beiden Würdenträgern verlautet nichts. Rustland. * Am 30. d. ist's ein Jahr, daß der Zar sein denkwürdiges Verfassungsmanife st erließ. Was versprach es alles, was hoffte man von dem papierenen Versprechen und was ist in Wirklichkeit geworden? Anläßlich der ersten Wiederkehr des für Rußland „denk würdigen" 30. Oktober ist u. a. festgestellt worden, daß in diesem Zeiträume etwa 36 500 Personen auf administrativem Wege nach Sibirien verbannt und 307 Zeitungen und Zeit schriften unterdrückt worden, darunter 91 in Petersburg und Moskau. Rechnet man dazu die Zahl der Eingekerkerten, der kriegsrechtlich Gehängten und Erschossenen, der von den Terroristen Umgebrachten und die Opfer der Pogroms, so ergibt sich ein Bild, so schaurig und düster, daß selbst der hoffnungsfroheste Mensch nur bangend in die Zukunft zu sehen vermag. * Ministerpräsident Stolypin befahl den Ortsbehörden, die rückständigen Zahlungen von Steuern auf Güter, die Persönlichkeiten in hohen Verwaltungsstellen gehören, mit allen Zwangsmaßregeln beizutreiben. Balkanstaaten. * Die bisher mit der Reorganisation der mazedonischen Gendarmerie be trauten vier belgischen Offiziere werden zur Um gestaltung der Polizei nach Brussa, Beirut und Smyrna versetzt. Amerika. * Präsident Roosevelt hat einen Kom missar ernannt, der die vom Ausland vielfach erhobenen Beschuldigungen untersuchen soll, daß Arbeiter, meistens Neueingewanderte, durch glänzende Anerbietungen gewissenloser Agenten nach den Südstaaten gelockt würden, wo sie ein Dr. v. Weizsäcker, der neue württembergische Ministerpräsident. Sklavenleben führten. (Seit August sind bei dem österreichisch-ungarischen Konsulat Klagen aus den Holzfällerlagern in Alabama einge laufen, daß die dorthin gelockten Arbeiter Fron dienste tun müßten, während Negeraufseher die Arbeiter, selbst fieberkranke, mit der Peitsche zur Arbeit antrieben.) Oer Köpenicker Kassenräuber ergriffen. Der verwegene Gauner, der am 16. Oktober d. in der Verkleidung eines Offiziers vom 1. Garde- Regiments den Bürgermeister und den Ren danten von Köpenick mit einem Militär-Auf gebot verhaften ließ und dann mit dem In halt der Stadthauptkasse verschwand, ist zehn Tage nach Begehung der Tat von seinem Schicksal ereilt worden. In der Person des 57 jährigen Schuhmachers Wilhelm Voigt, eines alten gefährlichen Zuchthäuslers, der schon 27 Jahre seines Lebens hinter Kerkermauern verbracht hat, und im übrigen nie Soldat ge wesen ist, wurde der falsche Hauptmann von Kriminalbeamten am Freitag vormittag 8 Uhr verhaftet. Voigt war ohne weiteres geständig. Er ist erst am 1. Februar d. aus dem Zucht hause zu Rawitsch entlassen worden und seit Juni hielt er sich in Nixdorf bezw. Berlin auf. Auf der Suche nach dem Räuberhauptmann studierte die hiesige Kriminalpolizei auch alle Akten der schweren Verbrecher. Hierbei stieß man auf mehrere Personen, denen die Tat wohl zuzutrauen war. Zu diesen gehörte auch Voigt. Weil man von ihm kein Bild besaß, so bemühte man sich, seinen Aufenthalt zu ermitteln, um auf andre Weise Material zu bekommen. Unter dessen kam unter den Tausenden von Anzeigen auch eine Mitteilung eines früheren Sträflings aus Rawitsch, die auf die richtige Spur führte. Als man nun wußte, wer der „Hauptmann" war, handelte es sich darum, wie man ihn fassen könne. Nach längerer Beratung beschlossen die Kriminalbeamten, den „Hauptmann" Freitag früh zu fassen. Nun wurde die Kopfstraße in Nix dorf von ausgesuchten Beamten unauffällig A Auf scbiefer Oakn. 37) Roman Won Reinhold Ortmann. (ForUetzungU „Herta!" stammelte Sieveking wie in freudigem Schrecken, und ganz leise und zaghaft wiederholte er: „Meine liebe Herta!" Ihre Tränen stoffen noch heißer; aber sie umschlang mit beiden Armen seinen Hals und legte ihren Kopf an seine Schulter wie ein Kind. „Geh nicht fort, Richard!" schluchzte sie. „Oder laß mich mit dir zugleich sterben! Ich könnte ja nicht leben ohne dich." „Aber ist dies denn Wahrheit, Herta? Hast du mich noch lieb?" „Mehr als ich's sagen kann. Aber ich weiß es ja selber erst, seitdem du mich verschmäht hast. Ich war ja so verblendet, so töricht — und so schlecht!" „Mein Weib!" jubelte er. „Mein teures, geliebtes Weib!" Und leidenschaftlich heiß, mit einer Glut, die er bisher niemals gezeigt hatte, preßte er die weiche, biegsame Gestalt an sich, die sich so hingebend in seine Arme schmiegte. Da wurde bescheiden an die Tür geklopft, und er schob die Weinende rasch mit sanfter Gewalt von sich hinweg. „Man erinnert mich au meine Pflicht, Herta! Mach' es mir nicht zu schwer. Es muß ja sein, laß mich gehen!" Der Maler Feldheim war es, der zögernd auf die Schwelle trat; aber er hatte mit seiner lächelnden Mene gar nicht das Aussehen eines Mannes, der sich anschickte, seinen Freund zum Todesgange zu drängen. „Auf ein Wort, lieber Sieveking," sagte er. „Aber ich begehe vielleicht auch keine sträfliche Indiskretion, wenn ich Ihnen die große Neuig keit in Gegenwart Ihrer Frau Gemahlin mit teile. Mem Kollege Hertel, der Ihrem Gegner als Sekundanten dienen wollte, kommt soÄen in Heller Entrüstung mit dem überraschenden Bericht, daß er die Wohnung des Herrn Bruno Meinardi leer gefunden habe. Der vortreffliche junge Mann hat es vorgezogen, gestern mit dem Nachtzuge nach München zu dampfen, wo er — wenn ein zurückgelaffener Brief die Wahr heit spricht — seinen dauernden Wohnsitz zu nehmen gedenkt. Der Austrag Ihres Ehren handels ist unter diesen veränderten Umständen unmöglich geworden. Wer wir wollen im Ver ein mit dem gegnerischen Zeugen sogleich ein entsprechendes Protokoll aufsetzen, und ich muß darum bitten, mich jetzt zu beurlauben. Guten Morgen!" Er war draußen, noch ehe ihm Sieveking antworten konnte, und der Überraschte vermochte ihm auch nicht zu folgen, denn sein jubelndes, unter Tränen lachendes junges Weib ruhte schon wieder an seinem Herzen, und nur mit Gewalt hätte er sich aus den Fesseln ihrer Arme befreien können. Ihre Lippen suchten die seinen, und zum ersten Male geschah es, daß sie ihn küßte, statt seinen Kuß zu dulden, Das jauchzende Glück, das in diesem Augenblick seine Seele erfüllte, stand ihm leserlich genug auf dem Gesicht geschrieben; aber mitten in seinem seligen Rausche gewann er es doch über sich, mit bebender Stimme zu sagen: „Darf ich denn aber auch annehmen, Herta, beobachtet, besonders das Haus Nr. 27 und das Nachbarhaus Nr. 26, in dem, wie die neusten Ermittelungen ergaben, eine Geliebte Voigts, eine Arbeiterin Riemer wohnte. Es gelang, die Beobachtungen durchzuführen, ohne daß jemand das geringste merkte. Freitag früh brachen die Kriminalkommissare Wehn, Nasse, Schön und Müller mit ihrem Stabe von Beamten schon um 4 Uhr auf und besetzten die Häuser Kopfstr. 27 und 26. Sobald die Zeit kam, in der das Ge setz ihnen das Betreten erlaubte, fielen sie über raschend ein, fanden aber daS Netz leer. Voigt war seit 14 Tagen nicht mehr in Nixdorf, sondern nach Berlin gezogen. Dort wohnte er in der Langestraße im 4. Stock als Schlafbursche. Kurz vor 8 Uhr hatte man Voigt in dem Hause Nr. 22 gefunden. Hier wohnen im vierten Stock rechts die Eheleute Karpeles, die sich von Zeitungaustragen ernähren. Die Kriminalbeamten besetzten sofort jeden Ausgang und auch das Dach des Hauses, so daß es kein Entrinnen gab. Dann verlangten und erhielten die vier Kommissare bei Karpeles Einlaß. Hier saß Voigt beim Morgenkaffee, überrascht sah er die Kriminalbeamten an. Er wußte gleich, um was es sich handelte, und bat, nur noch seinen Kaffee austrinken zu dürfen. Das er laubte man ihm gern. Voigt ftühstückte nun in aller Ruhe. Gesättigt legte er bald ein Ge ständnis ab, und die Durchsuchung seines Schlafraumes förderte dann Dinge zutage, die allein schon genügt hätten, ihn zu überführen. Bei seiner Vernehmung blieb Voigt voll kommen ruhig, zeigte aber auch da eine über legene Frechheit. Als ein hinzukommender älterer Beamter ihm seine Verwunderung darüber aussprach, daß er in seinem Alter und bei seinem altertümlichen Aussehen nur die Hauptmanns abzeichen angelegt und sich nicht mindestens als Major aufgespielt habe, antwortete der Ver brecher mit der Frage: „Haben Sie gedient?" Nachdem diese Frage bejaht war, fuhr er fort: „Das hatte ich auch überlegt! Aber wenn ich als Major nach Köpenick gekommen wäre, so würde man dort doch vielleicht erstaunt gewesen sein, daß ich selbst in dieser Charge die paar Männerchen kommandierte und nicht wenigstens einen Leutnant bei mir hatte!" Einer der Kominissare äußerte dann, daß er es nicht ver stehe, daß man diesem Greise gegenüber nicht sofort nach seiner Legitimation gefragt habe. Voigt fiel alsbald mit der Erwiderung ein: „Mein Herr, ich kenne Sie nicht! Aber wenn Sie auch mit Ihrem Oberregierungsrat und Ihrem Präsidenten gekommen wären — meinen Sie, daß ich mich erst auf eine lange Ausein andersetzung eingelassen hätte? Ich hätte einfach den Soldaten gesagt: „Packen Sie die Kerls am Genick und führen Sie sie ab!" — und Sie hätten mal sehen sollen, wie schnell Sie hinaus geflogen wären! — Bei seiner weiteren Ver nehmung erzählte Vogt über die Vorgänge in Köpenick, daß er beinahe „aus der Fassung geraten" wäre, als der Polizei-Inspektor Jäckel ihn um die Erlaubnis gebeten hätte, abtreten zu dürfen, weil er — weil er ein Bad nehmen wolle. Da sei er ganz verblüfft gewesen und habe dem Beamten erwidert: Was? Baden wollen Sie gehen?" Dann habe er seine Fassung wiedergewonnen und gesagt: „Na, ja! Sie können abtreten!" Der Kaiser hat sich über die Verhaftung des geriebenen Gauners eingehend Bericht er statten lassen. 6iftmoräpro2eK v. Neuster. Vor dem oberbayrischen Schwurgericht in München begann im Wiederaufnahmeverfahren der Ptozeß gegen die frühere Stiftsoberin vom Maxi- milianstift Elise v. Heusler wegen versuchten Gift mordes. Die Angeklagte v. Heusler hat sich zum zweiten mal unter der schweren Anklage zu verantworten, der im Maximilianstift bedienstet gewesenen Minna Wagner Salzsäure in den Kaffee geschüttet und dieser damit ein schweres Siechtum bereitet zu haben. Sic war in der ersten Verhandlung nach dreitägiger Beweisführung von den Ge schworenen schuldig gesprochen und zu sechs Jahr Zuchthaus und Ehrverlust verurteilt worden. Außerdem sollte sie der Minna Wagner nach einem allerdings noch nicht rechtskräfligen llrleil 3000 Marl Schadenersatz zahlen. Tic Ber- was du mir da bietest? Es ist leider traurige Wahrheit, daß ich aufgehört habe, ein reicher Mann zu sein. Gestern abend erst habe ich den Vertrag unterzeichnet, der dieses Haus seinem neuen Besitzer überliefert." Sie ließ ihn nicht weiter reden, sondern legte liebkosend die Hand auf seinen Mund, flüsterte, indem sie sich demütig zärtlich an ihn schmiegte: „Führe mich in die armseligste Hütte, Gesiebter, nur laß mich bei dir bleiben, laß mich die treue Gefährtin deiner Kämpfe und Sorgen sein. Alle Schätze der Welt können mich ja nicht so reich machen, wie deine Liebe." Da freilich hatte er keine Fragen und Be denken mehr. „Mein Weib!" sagte er innig. „Mein liebes Weib!" Und in diesem heftigen Augenblick erst empfing der Bund, den sie am Altar geschloffen, seine rechte, göttliche Weihe. 18. Länger als eine Stunoe währte an diesem Vormittag die sehr ernsthafte und eingehende Unterredung zwischen Löwengaard und Theodor Meinardi. Der junge Bildhauer, der auf Hildes wonneatmendes Einladungsbriefchen mit einem Herzen voll eitel Glück und Sonnenschein hierher geeilt war, hatte bei seinem Eintritt eine nicht geringe Bestürzung überwinden müssen, — so auffällig und erschreckend war die Veränderung, die seit dem Abend des Rosenfestes mit Hildes Vater vorgegangen war. Der stattliche Mann schien ihm um ein Jahrzehnt gealtert; die Linien seines ohnehin scharf markierten Gesichts urteilung war hauptsächlich auf Grund der be lastenden Aussagen der Minna Wagner selbst, die als Hauptbelastungszeugin auftrat, erfolgt. Diese Zeugin ist inzwischen gestorben, und durch ihren Tod ist in der Hauptsache das Wiederaufnahme verfahren ins Rollen gekommen. Die Hauptstütze der Verteidigung, die, wie in der ersten Verhandlung wieder von Rechtsanwalt Dr. v. Pannwitz-Mnchen geführt wird, beruht aus einem Aufsehen er regenden Ergebnis des Sektionsbefundes. Danach erweckt cs nämlich den Anschein, daß bei der Wagner nicht, wie es früher hieß, sogar eine zweite Salzsäurevergiftung stattgefunden hätte, sondern daß überhaupt keine Salzsäurever- giftung vorgelegen habe. Die Verteidigung beab sichtigt auch, einen umfangreichen Beweis dafür an- zutreten, daß die Wagner im Krankenhause ihrer Heimatstadt Feuchtwangen, während sie am Tage Brechanfällc hatte, nachts heimlich die schwersten Nahrungsmittel wie Würste, Selchwaren usw., die sie sich einschmuggeln ließ, verzehrt hat. Diese Erörte rung des Geisteszustandes der verstorbenen Minna Wagner, der auch nachgesagt wird, daß sie in ihren letzten Lebensjahren stark tobsüchtig war, wird zn einem kleinen psychiatrischen Kongreß führen. Es sind 13 medizinische Sachverständige geladen. Der der Anklage zugrunde liegende Sachverhalt ist kurz folgender: Die damals 25jährige, im Stift be dienstete Minna Wagner pflegte aus einer mit einem blauen Bändchen versehenen Taffe ihren Nach mittagskaffee einzunehmen. An einem November sonntag 1902 hatte sie um 1 Uhr die Hälfte des Kaffees ausgetrunken nnd die andre Hälfte, wie sie es immer zu tun pflegte, für später aufbewahrt. Um 6 Uhr abends nahm sie wiederum einen kräftigen Schluck aus der Tassc, empfand aber so fort ein heftiges Brennen im Mund und im Halst, dem starkes Erbrechen folgte. Die Tasse mit dem Kaffee stellte sie sorgfältig beiseite, und alsbald bezichtigte sic die Stiftsoberin, die ausgeganM war, ihr Salzsäure hineingetan zu haben. Frl. v. Heusler soll, als sic von dem Vorfall hörte, ausgerufen haben: „Die wird sich doch nicht etwa Salzsäure hineingctan haben!" Die Minna Wagner kam in das Krankenhaus rechts der Isar, wo sie lange danicderlag. Tatsächlich hatte sie in der Mundhöhle nnd an den Mandeln Spuren einer Verbrennung. Frl. v. Heusler wurde in Haft ge nommen und später verurteilt. Sie hat inzwischen 7 Monat in Untersuchungshaft und 2'/? Jahr im Zuchthaus zugebracht. Seit November v.ist sie aui Anordnung des obersten bayrischen Landgerichts auf freiem Fuße. In der jetzigen Verhandlung lautet die Anklage, die Staatsanwalt Held I ver tritt, gegen sie wiederum auf Mordversuch durch Gift. Die Angeklagte, die im 58. Lebensjahre steht, ist seit der vorigen Verhandlung stark gealtert, die Spuren des 2'/-jährigen Aufenthaltes im Zucht- Hause sind auf ihrem Gesicht unverkennbar. Sie isi sehr schlicht gekleidet und bricht wiederholt in Tränen aus, während sie in der vorigen Verhandlung eine bewundernswerte Ruhe und Energie zeigte. Während der Abwicklung der Formalien sitzt sie zusammen gesunken und völlig apathisch da. Die Vernehmung der Angeklagten ist äußerst eingehend. Unter Tränen versichert sic immer wieder ihre Unschuld. Sie er klärt, alle ihr von der Minna Wagner in den Mund gelegten häßlichen Ausdrücke über die Stifts- damen nicht gebraucht zu haben. Es beginnt daun die Zeugenvernehmung. Im wesentlichen ergibt sieh nichts Neues, außer der Feststellung, daß die ver storbene Minna Wagner eine krankhafte Person war, die häufig Nerven- nnd sogar Tobsuchtsanfällcn unterworfen war. Die weitere Zeugenvernehmung dreht sich aus schließlich um das Verhalten der Angeklagten zu der Minna Wagner. Die Verhandlung muß mehrfach unterbrochen werden, da die Angeklagte einige Male in Ohnmacht zu fallen droht. Als Zeuge wird so« dann Regierungsrat Gastroph - Regensburg ver nommen. Er vertrat im Juli des Jahres 1902 dell Referenten des Ministeriums während dessen Urlaub. Aus den Akten habe er entnommen, daß die eigent liche Verwaltung des Stiftes und des Haushaltes sowie auch die Rechnunglegung der Angeklagten im ganzen durchaus befriedigend waren. Wohl aber kamen Klagen über das Verhalten der Angeklagten gegenüber den übrigen Stiftsgenossinnen, dahin gehend, daß dieselben von der Angeklagten nichi „liebevoll im Sinne christlicher Geduld und Nach sicht", wie es in der Hausordnung des Stiftes heißt behandelt wurden, sondern mehr barsch, unfreundlich und häßlich. ^on l^ab uns fern. Der Kaiser schenkt Störche. Mit dem Schnelldampfer „Amerika" gelangte ein Käsig mit zwei Prachtexemplaren von Störchen nach New Jork, die als Geschenk für den Präsidenten Roosevelt bestimmt waren. Sie stammen auc der Hagenbeckschen Menagerie in Hamburg. hatten sich vertieft, seine Augen waren matter, seine Wangen hagerer geworden, und an die Stelle der ehedem so straffen Haltung war eine müde, fast krankhafte Schlaffheit getreten. Und seltsamer noch als diese Wandlung "l seinem Äußeren war die, welche sich während der kurzen Zeit in seinem Wesen vollzogen hatte Im Verlauf ihres Gesprächs, dessen Inha!! für Julius Löwengaard doch nicht minder be deutsam sein mußte, als für ihn selbst, empfind Meinardi immer mehr den Eindruck, sich einem sonderbar zerstreuten und hochgradig nervölen Manne gegenüber zu befinden, der fortwährend den Faden seiner Rede verlor, bei jedem kleinen Geräusch erschrocken zusammenfuhr und oft, statt einen begonnenen Satz zu beenden, Minute" lang wie geistesabwesend stumm vor sich b"s ins Leere starrte. Für den Bildhauer lag etwas tief Ergreifendes in diesem ungeheuchelten Schmerz des starken Mannes über den Tve seines Neffen, und aus heiliger Achtung vor einer Trauer, die sich so überzeugend offenbarte, wagte er es kaum, seiner dankbaren Glückselig keit in unverhüllten Motten Ausdruck zu gebew Darauf, daß Löwengaard keine einzige erM Einwendung gegen die Verbindung sews' Tochter mit dem armen, gestern noch völlig namenlosen Künstler erheben würde, hatte er w nach Hildes Mitteilungen selbst in seinen kübu" sten Träumen nicht gefaßt sein können, stand vor der überraschenden Tatsache, wie vor einem jener herrlichen Wunder, die sich zuweilen im Leben eines vom Schicksal auserwählwn beneidenswerten Sterblichen ereignen und die w gläubiger Demut hingenommen werden müssen,
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