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Ottendorfer Zeitung : 09.01.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190701095
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19070109
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19070109
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungOttendorfer Zeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-09
- Monat1907-01
- Jahr1907
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 09.01.1907
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Pol'tifcke kunÄlckau ^ur Wahlbewegung. Wie verlautet, wird es in der ganzen Provinz Posen zu einer Einigung der deutschen Parteien kommen. In Gießen treten die Freisinnigen für den Nationalliberalen Heyligen- stadt ein, da es bei einer freisinnigen Sonder kandidatur wahrscheinlich zur Stichwahl zwischen Sozialdemokraten und Antisemiten kommen würde. — In der von katholischer Seite ausgestellten Kandidatur des Kommerzienrats v. Boch- Mettlach für Merzig-Saarlouis ist an geblich eine Kundgebung gegen Rörens Politik zu erblicken. Boch versichert, in religiösen Fragen auf dem Zentrumsboden zu stehen. Die andern bürgerlichen Parteien unterstützen Bochs Kandidatur. — Im Wahlkreise Memel- Heydekrug haben die Konservativen nun mehr ihren bisherigen Vertreter, Gutsbesitzer Krause-Dawillen, wieder aufgestellt. Damit muß das mit den Liberalen getroffene Ab kommen, wonach die Konservativen Memel- Heydekrug den Nationalliberalen überlassen und diese dafür in Schlochau-Flatow sofort für den Konservativen gegen den Antisemiten eintreten sollten, als gescheitert betrachtet werden. — Im zweiten anhaltischen Wahlkreise kam die Einigung der bürgerlichen Parteien jetzt doch zu stande. Die Freisinnigen zogen ihre Kandi daturen zurück. Gemeinsamer Kandidat ist Kom missionsrat Trautmann. * * * Deutschland. *Der König von Siam wird im Früh jahr dem Kaiser einen Besuch abstatten. (Deutschland ist dem asiatischen Herrscher nicht fremd, da er schon vor mehreren Jahren ein mal den Fürsten Bismarck in Friedrichsruh besuchte.) * Die Aussichten auf Abschluß eines deutsch-amerikanischen Handels vertrages erscheinen durch eine neuerdings gefaßte Entschließung des Präsidenten Roosevelt in unbestimmte Ferne gerückt. Die zwischen Berlin und Washington vereinbarte Abmachung läuft am 1. Juli 1907 ab, und wenn es durch ein endgültiges Abkommen ersetzt werden soll, müßte vorher das amerikanische Parlament mit der Angelegenheit befaßt werden. Nun aber hat Präsident Roosevelt einem hervorragenden Parteiführer versprochen, er werde vorläufig dem Kongreß keinerlei Tariffragen vorlegen; damit ist der Abschluß eines Handelsvertrages auf unbestimmte Zeit verschoben. * Der Bundesrat hat die Vorlagen betr. Abänderung der Ausführungsbestimmungen zur Bekämpfung der Cholera und die Entwürfe von Desinfektionsanweisung für gemeingefährliche Krankheiten den Ausschüssen überwiesen. * Der frühere Reichstagsabgeordnete Erz berger hat eine Broschüre erscheinen lassen, die wiederum schwere Anklagen gegen die Kolonialverwaltung enthält. Wie verlautet, hat der frühere Gouverneur von Neu-Guinea, von Bennigsen, wegen der in der Kolonial broschüre Erzbergers enthaltenen, mit seinem Namen in Verbindung' gebrachten Ausführungen gegen Erzberger das Verfahren wegen ver leumderischer Beleidigung einleiten lassen. * In Stettin starb an den Folgen einer Blutvergiftung der frühere Reichstags-Abgeord nete Dr. Delbrück (Vertreter von Usedom- Wollin), dessen Kandidatur wiederum in Aussicht genommen war. * Die zuständigen preußischen Minister haben in einem Erlasse von neuem zur Bekämpfung der Tätigkeit der Serien- und Prämienlos geschäfte aufgefordert. * Der bayrische Verkehrsminister hat für die pfälzischen Eisenbahnen die Einführung der vierten Wagenklasse genehmigt. *Zum Kommandeur der Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika wird nach der Rückkehr des Obersten v. Deimling, der nur vorübergehend in jenem Schutzgebiete weilt, Oberstleutnant v. Estorfs ernannt werden. Die Stärke der Schutztruppe soll nach Zurück ziehung aller entbehrlich erscheinenden Mann schaften auf etwa 2500 Mann festgesetzt werden. A Getreu bis in äen Hoä. 2j Erzählung von Martha Neumeister. (Fortsetzung.; An einem Sonntag vormittag, der Elisabeth allzeit unvergeßlich geblieben, war sie auf das schmale Brett am offenen Fenster ihres Spiel zimmers geklettert, um den Brüdern, die im Nachbarhofe Kisten für ihres Vaters Geschäft zunagelten, besser zusehen zu können. Voll neckendem Übermut wollte sie ihnen den Ball, mit dem sie soeben gespielt, unbemerkt hinüber werfen und um sicher zu treffen, bog sie sich weit hinaus. Da plötzlich war sie ausgeglitten, und indem sie mit beiden Händen das Fenster kreuz umklammerte, hing sie dort in recht be trächtlicher Höhe für ihre kleine Gestalt über dem tiefen, mit Regenwasser gefüllten Fasse, das unter der Goffe des Hauses stand. Auf ihre lauten Hilferufe stürzte Frau von Rexhausen in das Zimmer, lehnte sich weit aus dem Fenster und suchte vergebens mit Aufbietung aller Kräfte, ihr Kind zurückzuziehen, aber schon war Georg, der ältere der Brüder, mit einem Satz über die Gartenhecke gesprungen und unter das Fenster geeilt. „Laß los, laß los, Elisabeth," rief er, indem er sich auf den Rand des Fasses schwang so daß er ihre Füße ergreifen konnte, „ich halte dich fest und fange dich auf." Sie hätte sich auch nicht länger zu halten vermocht, ihre Kraft war erschöpft, sie glitt herab, und seine Arme umfingen sie fest und sicher. Er sprang mit ihr nieder und barg ihr Tränen überströmtes Gesichtchen an Osterreich-Ungarn. *Die Negierung in Wien hat von der Protestnote des Papstes in Sachen des französischen Kirchenstreites Kenntnis genommen und durch ihren Gesandten am päpstlichen Stuhle erklären lassen, daß sie sich nicht in die inneren Angelegenheiten einer fremden Macht mischen könne. * In der österreichischen Delegation kam es bei derBeratung desHeeresordinariums wieder einmal zu ziemlich heftigen Auseinander setzungen, als ein polnischer Abgeordneter den polnischen Schulstreit in die Debatte ziehen wollte. Frankreich. * Kriegsminister Picquart ist auf seiner Studienreise nach Tunis in Biserta einge troffen. Der Petersburger Stadthauptmann General major v. d. Lannitz ch, der am 3. d. meuchlings erschossen wurde. Schweiz. * Der spanische Geschäftsträger in Bern über gab dem schweizerischen Bundespräsidenten eine Note seiner Regierung über die Beschlüsse der Marokkokonferenz, soweit sie besonders die Schweiz betreffen. Der Bundesrat der Schweiz wird sich demnächst mit der Frage be fassen und sie gründlich prüfen. Belgien. * Für die Nachfolge des aus Frankreich ausgewiesenen päpstlichen Nuntius Montag nini als Verweser der römischen Kirche in Frankreich soll der Bischof von Namur oder ein Prälat des Erzbistums Mecheln in Aussicht genommen sein. Jedenfalls wird der Nachfolger außerhalb Frankreichs seinen Sitz haben. Spanien. *Der König Alfons hat das Gesetz betr. die vorläufige Einführung eines Zolles auf ausländisches Getreide sowie das Amnestie gesetz unterzeichnet. Rustland. * In einer besonderen Sitzung in Zarskoje- Selo wurde beschlossen, die Verwaltung des Marine-Ministeriums genau nach deutschem Mu st er zu reorganisieren. * Während des Gottesdienstes im neuen Institut für Medizin wurde auf den Peters burger Stadthauptmannv. d. Launitz, der sich aus Einladung des Prinzen von Olden burg zur Einweihung des neuen Gebäudes dorthin begeben hatte, ein Anschlag verübt. Ein neben dem Stadthauptmann stehender unbe kannter Mann feuerte einen Revolverschuß auf ihn ab, der die Schlagader traf; bald daraus verschied der Stadthauptmann. Der Attentäter tötete sich durch einen Schuß in den Mund. * Von 232 Untermilitärs des Samurschen Regiknents, die der Meuterei und des! Mordes an dem Kommandeur, dem Geist- ! seinem Herzen. Dunkles Blut strömte über seine Hand; die Zinkeinfassung des Mauervor sprungs, an der er sich festgehalten, hatte ihm ttefzwischen Daumen und Zeigefinger eingeschnitten, doch mit liebevollen Worten suchte er sie zu beruhigen und trug sie ins Haus zurück, wo er sie der Mutter, die ihnen angstvoll entgegen eilte, sanft und behutsam in die Arme legte. Er litt es kaum, daß sie ihm die klaffende Wunde verband, die der schnell herbei gerufene Arzt durch die Unreinlichkeit des Zinkes und den starken Blutverlust für nicht unbedenklich erklärte und sie reinigte und verband, ohne daß ein Schmerzenslaut über seine Lrppen kam. Aber Tränen schimmerten in seinen Augen, als Elisabeth seine verwundete Hand zärtlich streichelte und ihre Eltern ihn voll überströmender Dank barkeit in die Arme schlossen. Er hatte sich eine Blutvergiftung zugezogen, die zwar, ohne weitere nachteilige Folgen zu hinterlassen, gut verlief, doch mußte er die Hand lange Zeit in der Binde tragen, denn die zackige Wunde heilte langsam und schwer und ließ ihm zeitlebens eine tiefe Narbe zurück. Fast täglich war Elisabeth durch die frohen, ungetrübten Jahre ihrer Kindheit in freund schaftlichem Verkehr mit den Brüdern vereint. Als sie dann größer geworden und die lustigen ^Spiele im Garten und Haus allmählich ihr Ende erreichten, kam sie mit dem wilden, über mütigen Hans, der sich zum Kummer und Arger seiner Eltern in seinen Freistunden meist mit seinen Kameraden umhertrieb und manch tollen Streich verübte, nur noch seltener zusammen. Der ruhige, verständige Georg aber, das fühlte lichen und einem Offizier des Regiments ange klagt waren, hat das Militärgericht sieben Mann zu Zwangsarbeit von vier bis zwölf Jahren und die übrigen, mit Ausnahme von 83, die freigesprochen wurden, zu leichteren Strafen verurteilt. Balkanstaaten. * Wie verlautet, ist zwischen der Türkei und Serbien ein Bündnis behufs Auf rechterhaltung der augenblicklichen Verhältnisse Ms dem Balkan abgeschlossen worden. * Obwohl die serbische Regierung wiederholt gegen die hier und da verbreiteten Gerüchte, als bestehe in Serbien eine Verschwörung zur Beseitigung der Dynastie Karageorgie- witsch, mit aller Entschiedenheit Front ge macht hat, beschäftigt man sich in Frankreich weiter mit diesem Gerücht und mit der Frage, wer künftig den Königsthron in Belgrad be steigen werde. England wie Deutschland, so behauptet man, hätten schon ihre Kandidaten für den Thronwechsel bereit. *Der allgemeine Ausstand der bulga rischen Eisenbahnangestellten hat begonnen. Seine Ursachen liegen in der Nicht bewilligung der von den Angestellten geforderten Lohnerhöhung und in der Haltung der Sobranje, die ein Gesetz angenommen hat, das für den Fall eines Ausstandes Entlassung und Verlust der Pensionen androht. Die Regierung hat Maßregeln zur Heranziehung von Militär für den Bahndienst getroffen. Trotzdem ist angeb lich die Lage sehr ernst. Afrika. * Die Lage in dem nordwestlichen Teile von Marokko, wo der Kriegsminister Gebbas und Raisuli noch immer um den vorherrschenden Einfluß ringen, drängt jetzt einer baldigen Ent scheidung zu. Nach einer Meldung aus Tanger hatRaisuli die Gefangenen, die er bisher in Zinat untergebracht hatte, nach Arzila gesandt und den Befehl erteilt, die Tore der Stadt für die Regierungstruppen zu schließen. Darauf beschloß der Kriegsminister, die Stadt durch 600 Mann besetzen zu lassen. Tur I^age in KuManä schreibt die Moss. Ztg/: Nach fünfmonatigem Zögern hat sich das Kabinett Stolypin endlich entschlossen, die Wahlen auszuschreiben. Diesem Zögern lag sowohl die Hoffnung zugrunde, daß es der Regierung gelingen werde, mit der Zeit einen Umschwung in der Volksstimmung herbeizuführen und im bevorstehenden zweiten Wahlfeldzug ein für sie günstigeres Ergebnis zu erzielen. Daß aber Herr Stolypin selbst die Lage trotzdem nichts weniger als optimistisch beurteilt, beweist am besten die Tatsache, daß er die rücksichtsloseste Unterdrückung jeder Oppo sition nicht entbehren zu können glaubt. Die bekannten Senatserläuterungen zum Wahl gesetze und die kürzlich erlassene Wahlinstruktion lassen keinen Zweifel darüber. Der Wahlfeld zug fängt unter den ungewöhnlichsten Umständen an. Das Gerücht, daß die Regierung politische Versammlungen freigeben werde, hat sich bis jetzt nicht bestätigt. Das Versammlungsgesetz bleibt nach wie vor von den Polizeiorganen in der Praxis aufgehoben, auch sonst empfinden ebensowenig die Zentralbehörden, wie die fast schrankenlos über Leben und Tod waltenden Generalgouverneure und die bescheidensten aus- führenden Regicrungsorgane ein Bedürfnis, sich nach den geltenden Gesetzen zu richten, viel mehr suchen sie „schöpferische Tätigkeit" zu ent falten, ohne sich durch „kleinliche formelle Ge danken" stören zu lassen. Infolgedessen kann man sich von Petersburg aus eigentlich keine genaue Übersicht über die Zustände in den zahl reichen Provinzen verschaffen. Wenn ein Provinzler nach Petersburg kommt, sagt er immer: „Bei uns find ja die Zustände so ganz anders als in der Residenz", und bestätigt diese Behauptung durch so drastische Bei spiele, daß jeder Zweifel aufhört. Wie die „schöpferische Tätigkeit" der Träger der Staats gewalt in ihrer unendlichen individuellen Mannigfaltigkeit und in Verbindung mit Stand recht , Belagerungszustand, außerordentlichem und verstärktem Schutz den Wahlfeldzug beein- ! fluffen wird — wer kann es wissen? Wenn aber nicht alles trügt, stellt sich das Bild der kommenden Wahlen in großen Zügen folgender maßen dar. Die Bauern, unter denen die Hungersnot und das Gesetz über die Aus scheidung aus der Landgemeinschaft große Un ruhe und Gärung hervorgerufen haben (aus vielen Orten wird gemeldet, daß die Bauern gemeinden ihre wohlhabenderen Mitglieder feierlich haben schwören lassen, daß sie von dem Gesetze keinen Gebrauch machen werden), die Bauern also werden sich vermutlich im großen ganzen den linken Parteien anschließen. Die Grundbesitzer hingegen werden sich allem Anschein nach merklich nach rechts wenden. Entscheidende Bedeutung für den Ausgang der Wahlen werden voraussichtlich die städtischen Wähler haben. Stimmen sie oppositionell, so werden sie wohl im stände sein, in den Gouvernements, wo die Bauern nicht unbedingt vorherrschen, über die Grundbesitzer die Oberhand zu ge winnen. Siegen aber in Städten die Regierungs parteien, so ist es möglich, daß die Regierung in der zweiten Duma eine Mehrheit haben wird. Ist nun aber der Sieg der Regierung in den Städten wahrscheinlich? Ist in der großen Masse der städtischen Bevölkerung ein Stimmungswechsel eingetreten? Man würde wohl vergeblich nach Anzeichen eines solchen Umschwunges suchen, wenn auch anderseits eine gewisse Ermüdung, eine starke Abnahme des Interesses an der Politik nicht bestritten werden kann. l^ab und fern. X Weiteres vom Ottersberger Eisen bahnunglück. Aus Anlaß der Eisenbahn katastrophe auf Station Ottersberg hat der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke durch ein an die Oberpostdirektton in Hamburg ge richtetes Beileidstelegramm seiner tiefen Trauer über den beklagenswerten Tod der beiden Post beamten in warmen Worten Ausdruck gegeben und den Hinterbliebenen seine und der Verwal tung innige Teilnahme aussprechen lassen. Auch der frühere Hamburger Bezirkschef, Geh. Oberposttat Vorbeck in Berlin, hat der Ober postdirektion in Hamburg telegraphisch den Aus druck seiner herzlichsten Teilnahme und der jenigen der gesamten Beamtenschaft des Ober postdirektionsbezirks Berlin übermittelt. — In zwischen hat der Unfall noch ein Opfer ge fordert, der Lokomotivführer der ersten Lokomo tive des verunglückten Schnellzuges, Münter, ist seinen schweren Verletzungen im Krankenhause erlegen. Weitere Leichen sind unter den Trümmern der verunglückten Züge nicht ge funden worden, die Katastrophe hat somit ins gesamt sieben Opfer gefordert. Die vier nach dem St. Georger Krankenhause gebrachten, bei dem Unglück schwer verletzten Beamten befinden sichnach den an ihnen vorgenommenenOperationen den Umständen nach befriedigend. Wenn nicht Schwierigkeiten eintreten, werden sie in nicht allzuferner Zeit wieder hergestellt sein. Dem gegenüber wird von andrer Seite gemeldet, daß einige dieser vier Beamten wohl schwerlich wieder dienstfähig werden dürsten. — Der angerichtete Bahnmaterialschaden ist von amtlicher Seite auf über 800 000 Mk. sestgestellt worden. Die Roburitkatastrophe in Annen wird für die Besitzer der zerstörten Fabrik, die Stadt Witten und eine Anzahl Feuerversicherungs- Gesellschaften unabsehbare Folgen haben. Ein Rattenkönig von Prozessen steht bevor. Bit her haben 22 Fabrikbesitzer vereinbart, die ent standenen Schäden einzuklagen. In einem Falle beträgt die Forderung V« Mill. Mk. Die Klage wird sich zunächst gegen die Roburitgesellschaft sowie die Stadt Witten richten, dann gegen die Feuerversicherungsgesellschaften, da zuerst Feuer ausbrach und danach erst die Explosionen er folgten. Bezüglich der an der Unfallstelle aus gefundenen Dynamitpatronen ist nunmehr fest- gestellt, daß die Pattonen von der Zeche „Ham burg" stammen, und zwar wurden sie im Jahre 1897 angeserngt. Die Patronen sind demnach lange in unerlaubtem Besitze gewesen. In den letzten Tagen sind als weitere Opfer der Kata strophe zwei Personen gestorben. das Heranwachsende Mädchen mir gewissem Stolz, s war ihr mit unveränderter Freundschaft und Bewunderung ergeben. Wie er der treue Gefährte all ihrer kind lichen Freuden und Leiden gewesen, der die zer brochenen Spielsachen wieder geheilt und ihr bei den ersten Schularbeiten geholfen hatte, so ging er, seit sie nun der Obhut ihrer bisherigen Wärterin entwachsen, ost und gern mit ihr spazieren und holte sie mit gewissenhafter Pünkt lichkeit von ihrem Tanzkränzchen ab. Sie litt es gern, daß ihre Freundinnen sie mit dem statt lichen Primaner neckten, dessen ernstes, gesetztes Wesen ihnen allen einen gewissen Respekt ein- flößte, und dem ihre zierliche Gestalt kaum bis zur Schulter reichte. Herr und Frau von Rexhausen, deren edle, vornehme Denkungsart gesellschaftlichen Vorur- s teilen fern war, duldeten gern den freundschaft lichen Verkehr ihrer jungen Tochter mit dem Nachbarssohn und Jugendgesährten. Weit über sein Alter überlegt und verständig, stets dienst eifrig und gefällig, dabei bescheiden und zurück haltend in seiner jugendlichen Verehrung für Elisabeth, hatten auch ihre Eltern Georg auf richtig lieb gewonnen und bettachteten in fast wie einen eigenen Sohn. Sein Bruder Hans hatte die Schule stüh- zeitig verlassen, um in ein Getreide-Geschäft in Hamburg einzutreten. „Der Junge muß unter strengere Aufsicht kommen, wie sie hier.zu Haus leiper nicht möglich ist," hatte Herr Seeström zu Frau von Rexhausen gemeint, die bei gelegent licher Begegnung vor seinem Laden stets einige freundliche Worte mit ihm wechselte. Sein ernstes Gesicht klärte sich am, als er Elisabeih, die sich neckend hinter der Mutter verborgen, bemerkte und ihr sreundlich zunickie. „Ja, ja, gnädige Frau," fuhr er mit be dächtigem Kopfschütteln fort, „es ist halt merk würdig, wie die beiden Jungen sich w verschieden entwickeln. Ter Hans muß jetzt unter fremde Leute kommen, die ihn derb anfasien, damit er sich fügen und arbeiten lernt, dagegen unser Mester, — ich will ihn nicht eitel machen, — sagte er lachend, als Georg, der soeben von der Schule kam, mit freundlicher Begrüßung hinzutrat, „aber er ist brav und verständig; in der Mathe matik, wie sie die höhere Rechenkunst heißen, hat er letzthin wieder eme Prämie bekommen und es ist eine Freude, wie hübsch und geschickt der Junge zu zeichnen versteht." Frau von Rexhausen und Elisabeth beglück wünschten ihn mit freundlicher Teilnahme, und freudestrahlend erzählte ihnen Georg, d.aß seine Eltern ihm gestattet, das Reifezeugnis des Gym nasiums zu erreichen, um seinen glühenden Wunsch, Architekt zu iverden, verwirklichen zu können. Mit peinlicher Gewissenhaftigkeit, ohne je zu straucheln, hatte er die Klaffen der Schule durch gemacht und nun das Abiturientenexamen glänzend bestanden. Den Tag desselben hatte er vorher nur Elisabeth, nicht seinen Ettern an vertraut, um ihnen Angst und Aufregung zu ersparen. Sowie er ihnen die überraschende, srohe Nachricht gebracht, sprang er wie in seinen Knabenjahren mit einem kühnen Satze über die Gartenhecke zu Elisabeth hin, die-ihn dort schon voll Unruhe erwarte: hatte. „Elisabeth," nies
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