Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 19.09.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-192309194
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19230919
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19230919
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungOttendorfer Zeitung
- Jahr1923
- Monat1923-09
- Tag1923-09-19
- Monat1923-09
- Jahr1923
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 19.09.1923
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
F» / ff» « mit u. ohne Firmendruck KM. Vie liebe derHannah vonlinsingen Roman von Gertrud von Brockdorff. 43) (Nachdruck verboten.) Abends konnte sie lange nicht einschlafen. Sie schalt auf sich selber, zieh sich der Feigheit und Unfähigkeit, die Konsequenzen ihrer Handlungen zu tra gen, fühlte ihre Seele geängstigt und von bösen Ahnungen erfüllt und lauschte erregt in die laue Sommernacht hin aus, die den schwermütigen Gesang der Bauernmädchen von der Chaussee her über die schwarzen Parkwipfel trug. Etwas seltsam Aufreizendes lag in dem monotonen Jneinanderklingen dieser tiefen, ungeschulten Stimmen, die langgezogen und sehnsuchtsvoll wie der Lockruf eines Tieres durch die lautlose Stille klang. Ein Gelächter stob in der Ferne auf, Helles Aufkreischen aus Frauen mund; dann war alles stumm'wie zuvor, und der Gesang begann von neuem. Irgendwo schrie ein Keuzchen, hart und gespenstisch. Die junge Frau in den Spitzenkissen fröstelte. Wie unheimlich diese schwarze, schwüle Sommernacht war! Und wie glücklich die Mädchen waren, die dort draußen auf der Chaussee spazierten, sangen und sich ohne viel Sträuben von kräftigen Armen umfassen ließen. Hannah fuhr sich mit den kühlen, weißen Fingern über die heiße Stirn, als wollte sie die Gedanken fortwischen, die hinter dieser Stirn brannten. Es war ja Unsinn, was sie da dachte. Und Ver brechen dazu! Und trotzdem konnte sie die Gedanken nicht in das Dunkel zurückscheuchen, aus dem sie aufgestiegen waren. Wie eine Vision stand Konrad Lobittens schmales, braunes Gesicht von ihrer Seele. Und seine Lippen lächelten — ein spöttisches, siegesgewisses Lächeln. Hannah hatte die Hände ineinandergekrampst. Er sollte nicht so lächeln, nein, er sollte nicht! Aber sie konnte das Bild nicht loswerden. Und mit der trotzigen Bewegung, die Konrad Lo- bitten so gut kannte, preßte sie den Kopf in die Kissen und weinte wie ein Kind, das sich keinen Rat mehr weih. In der nächsten Zeit ging sie sehr viel im Park spazieren. Es waren kühle, feuchte Tage gekommen, und sie gebrauchte Bilinski gegenüber den Vorwand, datz die Morgenluft ihr gut tue. In ihren seidenen Regenmantel gehüllt, ging sie bis zum Rande des Parks, von wo aus sie das Lobittener Herrenhaus übersehen konnte. Dort stand st« lange und wartete auf irgend etwas. Es war sehr still im Park, eine schwere, atmende Stille, die an das drängende Knospen des Vorfrühlings gemahnte. Eintönig fielen die Regentropfen von den hängenden Zweigen der Birken wie große, Helle Tränen. Ein paar welke Blätter flatterten schon herbstlich über die großen Rasenplätze. Hannah war sehr verschlossen und nachdenklich geworden. Und doch brauste und gärte es in ihr und rang nach Entfaltung. „Ich will mein Leben leben", dachte sie. „Ich habe dasselbe Recht dazu wie die Bauernmädchen auf der Landstraße, die sich von den Burschen umfassen lassen. Ich hasse diesen Menschen, der mich anstarrt wie eine Puppe und mich in ein Museum gesetzt hat, damit ich hinter Glas halbtot friere. Ich will leben, leben, leben —" Und mit Augen, um deren tiefes Blau sich wieder dunkle Ringe gelegt hatten, starrte sie «ach Lobitten hinüber. An einem dunklen, regennassen Nachmittag sah sie den Lobittener Wagen auf der Chaussee vorüberfahren. Konrad blickte zu ihr hin und grüßte, aber er hielt nicht an. „Er fährt weiter", dachte Hannah bitter. „Er fürchtet sich vor Bilinski und vor den Leuten und vor allem mög lichen." Aber der junge Graf war nur eine kurze Strecke wer ter gefahren. Hinter Berkehmen ließ er den Kutscher hatten und ging durch das Dorf zurück. Er wußte, datz die schöne Frau von Bilinski noch immer wartend am Parktore stand. Sie wehrte sich nicht mehr dagegen, datz er sie mit seinem alten, vertraulichen Lächeln begrüßte, und datz sie dann beide den verborgenen Weg am Rande des Parks ent lang gingen, wo man sie vom Schloß aus nicht sehe« konnte. Sie war mürbe und willenlos geworden. „Ich habe mir den Verkehr mit Menschen nachgerade abgewöhnt", sagte Lobitten, indem er die Augen unruhig über ihre Gestalt dahingleiten lietz. „Es war während dieser Wochen sehr einsam auf Lobitten." „Hier auch", meinte Hannah lakonisch. „Ja. Aber Ihre Einsamkeit ist freiwillig gewählt, gnädige Frau." Hannah zuckte müde die Achseln. „So halb und halb — ja." Sie hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. DaS ganze Leben kam ihr plötzlich unendlich öde und gleich gültig vor und lohnte nicht recht der Mühe, die man sich darum gab. Auch Konrad Lobitten erschien ihr öde und gleichgültig, alles, alles. Sie wich seinem lächelnden Blick aus. „Vielleicht. Ich weiß selbst nicht recht. — Das Leben da draußen kommt mir so oft unerträglich vor, und die Einsamkeit ist's im Grunde auch." Ihre Lippen zuckten. „Sie ist ein Kind", dachte Konrad Lobitten wieder. „Ein Kind, das seines Spielzeuges überdrüssig geworden ist. Aber sie hätte einen Reiz weniger, wenn sie anders wäre." Hannah zerrte mißmutig an ein paar Weißen Kletter rosen, die vorwitzig über den Weg hingen. „Wenn ich nur etwas wüßte —" Sie brach plötzlich ab und ihre Augen starrten hilflos in- Leere. . Konrad Lobitten hatte sich erschreckt zu ihr hiugebeugt. „Weinen Sie, gnädige Frau?" ' „Bitte, nein! Es ist nichts — gar nichts." > Sie suchte nach ihrem Taschentuchs. „Doch!" Er hatte den Arm um sie gelegt. Sie dul dete es ohne Sträuben. Seine Stimme klang sehr weich, denn er empfand in diesem Augenblicke aufrichtiges Mit leid mit ihr. (Fortsetzung folgt.) Sonntag, den 23. Sextemö r 1923 im Gasthof z. Kirsch 21. Stiftungsfest Beginn 7 Mr. Alle Mitglieder nebst Angehörigen werden herzlichst eingeladen. Am Wormiltag volktümliches ^ereiusw-ttnrnen a. d. Aereins-Sportplatz. Nachmittags Staffellauf «nd SchlagÜal. Auch zu dieser Veranstaltung sind die Mitglieder und die Freunde des Vereins ergebenst eingeladen. KM f „stWW W' Sonnabend, den 29. September, abends 8 Ahr Hastspiet des Leipziger Wattenberg - Weater - Ensembles Dir. Fritz Richard. per Schlager der Saison!! Mag »ich die M «im! Schauspiel in 3 Akten. Vorverkauf in der Buchhandlung H. Rühle und im Gasthof zum schwarzen Raß. Am große Berliner Heilung kchenlvsor Mailvergütung dao ist ri« Zeitung Allgemeinen wie' Deutsches Heim, Gerichts «WS«. Ferket zn verkaufen. SroßtUttmannrSsrf ö4. 2 starke Ferkel sind zu verkaufe«. stest. 6me üuelle, Lomnitzerstraße. banst- Qim-Mgen sowie einzelne Raser, stechen uns Schwinge» alle Arten storbvaren empfiehlt in großer Auswahl Walter Kretzschmar, Lausa, Königsbrückerstr. 89. Sie sparen viel Selä" wenn Sie sich leere Schuh cremedosen mit „kveuo" kstri - Schuhcreme füllen lassen. WM-^Zu haben in den einschlägigen Geschäften. KeltsM-Kmi-W hält sich bestens empfohlen. Betrieb: Dienstag und Freitag. Bestellungen erbitte Voraus. Erhard Kauffe Königsbrück. Gelb gestreifter Meiner ist entlaufen. Mitteilung erbeten an die Geschäftsstelle dss Blattes. Viv ^VirLnox ävs ges. gesch. Kräuter-Haarwuchs- wassers ist unübertreffl. gegen Haar ausfall u. Ergrau, d. Haare. Zu haben bei: Iriseur Wunsche Htteudors. AnSMNöWMMMM!' 8M UM! Hauptvertrieb: knüärick Vreden Xou markt 4, le!. 22 6 zo. Die liebe derWnnüh vonlinsingen Roman von Gertrud von Vrockdorff. 44) (Nachdruck verboten.) „Du bist unglücklich, Hannah." Sie sah trübe auf den schmalen durchnäßten Weg nieder. „Ja, das bin ich Wohl. Aber warum?" „Weil du Bilinski nicht liebst." „Nein, ich liebe ihn nicht. Aber darum bin ich nicht unglücklich." Sein Gesicht näherte sich dem ihren. I - >. . „Liebst du mich noch immer, Hannah?" 'ss ' ' . „v^a. Sie duldete feinen Kuß, aber sie erwiderte ihn nicht. „Ich möchte ein neues Leben anfangen", sagte sie chließlich, „ein ganz neues Leben." , „Mit mir?" . ? „Ja, mit dir." s „Ist das so unmöglich, Hannah?" „Nein, aber —" „Aber—?" ... „Es gehört Mut dazu." Er hatte ihren Arm fahren lassen. „Ah —! So meinst du." „Ja so, Konrad! Nur so! Diese Heimlichkeit ist schändlich und abscheulich. Ich will endlich einmal offenes Spiel vor der Welt spielen dürfen." „Du vergißt, was die Welt dazu sagen würde. Und dann bist du gebunden." „Gebundenes läßt sich lösen —" „Freilich —" „Willst du? Oder findest du, daß ich m Anbetracht der Vergangenheit zu viel fordere?" „Nein, du forderst nicht zu viel." „Willst du? — Du siehst, ich dränge mich dir genug auf. Aber es ist der einzige Ausweg, den ich weiß." „Ja, Hannah! Und nun —" Er beugte sich von neuem über das schöne, blasse Gesicht und küßte es. — Sehr nachdenklich fuhr er eine Stunde später nach der Kreisstadt zu. Nun war er wieder in Fesseln geschlagen, die er nicht abzuschütteln vermochte. Die schöne Hannah schien sein Schicksal zu sein, dem er nicht entrinnen konnte. Und dann war es ja auch eine Art von Rehabilitation für ihn — der Wett gegenüber. * „ Die letztere Erwägung war es, die ihn hauptsächlich mit seinen neuen Zukunftsplänen aussöhnte. Datz sonst allerlei Hcilles dabei war, lietz sich nicht leugnen. Eine geschiedene Frau, die Auffrischung eines alten Liebesverhältnisses, die Reminiszenzen an den ver rufenen Fretherrn von Linsingcn — er hatte stets einen Horror vor solchen nicht ganz sauberen Geschichtchen ge habt. Erfahrungsgemäß wurde selten etwas Gutes daraus. Wenn man freilich Hannabs Schönheit und Eleganz in die Wagschals warf, dann bekam die Sache ein anderes Gesicht. Aber wegznleugncn war es trotzdem nicht, daß die Affäre mit Bilinski einen unangenehmen Stich ins Sensa tionelle hatte. Und er hatte es am eigenen Leide erfahren, was es bedeutete, der Held einer sensationellen Geschichte zu sein. Daß Hannah auch durchaus geheiratet fein wollte! Sie hatte es als Bilinskis Frau doch wahrhaftig bequem genug. Auf Lobitten ging's nicht so aus dem Vollen wie neuerdings auf Berkehmen, besonders nicht, wenn die neue Herrin nichts, rein gar nichrs in die Ehe mitbrachte. Mit nachdenklich gerunzelter Stirn hing Konrad Lobitten diesen praktischen Erwägungen nach. Nun, da Hannah ihm nicht mehr fern, nicht mehr unerreichbar war, hatte ihr Besitz für ihn an Wert verloren, und er marktet« um deu Preis. Er mußte an seinen Vater denken. „ Was der wohl gesagt hätte bei der Vorstellung, daß Rochus von Liusu.gens Tochter auf Lobitten Einzug halten würde? Verdrießlich warf der junge Graf seine Zigarette durchs offene Wagenfettster m das nasse Gras deS Chausscegrabens. Wozu jetzt an so unerquickliche Dinge d : kcu? Schließlich war Hannah doch immer wieder die s Puste Frau, die er kannte, und im Grunde würden die ä gsieu Schwätzer ihn Wohl am meisten beneiden. Einmal war cr feige gewesen, und der Pole war ge kommen und hatte ihm den schönen Vogel vor der Nase wcggcsangeu. Nun war es au ihm, die Beute festznhalten. l'nd cr dachte an das schöne Gesicht der jungen Frau von Bilinski, an die strahlenden Blauaugen mit den lan gen gebogenen Wimpern, und nun lächelte er vor sich hin, wichwud der Wagen ratternd über das holprige Pflaster der Kreisstadt fuhr. Seit jenem Nachmittag traf er sich häufiger mit Hannah, bisweilen in der Kreisstadt, bisweilen auf der Chaussee, wenn sie fingierter Besorgungen halber ausfuhr. In: Park fürchteten sie eine Entdeckung. Auf der Landstraße aber, wo man sich so ganz von ungefähr begegnete, sich erstaunt begrüßte und dabei ver- stoplcus Händedrücke auStaufchte, mußte ihr Zusammen treffen deu Anschein äußerster Harmlosigkeit erwecken. Lobitten genoß alle Reize dieses heimlichen Verhältnisses, das für Hannah auf die Dauer etwas uncndttch Quälen des hatte. Sie sehnte sich danach, mit ihrem Manne ins klare zu kommen, ihre äußeren Verhältnisse rangiert zu sehen, und die Maske, die sie Bilinski gegenüber anlegen mutzte, dünkte sie von Tag zu Tag unerträglicher. „Ich muß ein Ende machen", sagte sie an einem stillen Epätsommertage zu Lobitten, der, sein Pferd am Zügel führend, neben ihr ging, während der Berkehmener Jagd wagen langsam vor ihnen aus der Chaussee dahinfuhr. „Willst du es deinem Manne sagen", fragte Lobttte«, „Ja." .' I" „Ich beneide dich nicht." ' ch-'d Hannah zog die runden Schultern in die Höhe. > „Bab! Das sind Dinge, die vorübergehe». Ich will heute noch mit ihm sprechen." . . . . „Und — dann?" „Wie meinst du —' ^5-, (Fortsetzung folgt.) Ai'.- Aechmmgen
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Nächste Seite
10 Seiten weiter
Letzte Seite