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Ottendorfer Zeitung : 22.12.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190512221
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19051222
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19051222
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungOttendorfer Zeitung
- Jahr1905
- Monat1905-12
- Tag1905-12-22
- Monat1905-12
- Jahr1905
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 22.12.1905
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poUnscke Kunclsckau. Tie Wirre« i« Ruhland. * Der russische Rock platzt in allen Nütten. Das bedenklichste ist die sich steigernde Un- zuverlässigkeit der Armee, wobei teilweise Offiziere das schlimme Beispiel geben. Offizier» und Soldatenversammlungen, die auf reizende Resolutionen annebmen, find etwas Alltägliches. Ehe die Soldaten Befehle aus- sühren, stellen sie Bedingungen. Den Leutnant Schmidt, den Anführer der Meuterer in Sewastopol, hat man aus dem Gefängnis ent kommen lassen. "In den deutschen Ostseepro vinzen Kat die Negierungsgewalt völlig auf gehört. Da die deutschen Grundbesitzer ihres Lebens nicht sicher find, hat der Reichskanzler Fürst Bülow den Oberpräfidenien von Ost- Preußen angewiesen. Transportschiffe zu chartern, die nach Liban, R ga und Reval gehen sollen, um dort den bedrängten Deutschen als Zufluchts stätten zu dienen. In den baltischen Städten werde zwischen den wenigen Truppen und den Aufständischen regelrechte Schlachten geliefert, bei denen die Truppen bisher immer schwerere Verluste hatten, als ihre Angreifer. Ein Zug mit Konaken wurde in die Luti ge sprengt, wobei 200 Kokken ihr Leben einbüßten. Wie verzweifelt die Lape in Riga fich ge staltet hat, geht am besten aus der Tatsache hervor, daß die Vertretung der Stadt mit den Revolutionären unterbandeln must. Diele ver langen die verausgabe von 17 Geiseln (darunter 4 Reichsdeutsche), Anerkennung der lettischen Republik, Lossagung von Rußland. Alle Pachten und Loskauszahlungen sollen erlassen, der Kriegs- und Belagerungs zustand soll aufgehoben werden. "Zur Unterdrückung des lettischen Aufstandes sollen alle Truppenteile des Petersburger Militärbezirk? ausgeboten werden. "Die esthnische Bevölkerung hat be schlossen, den Komps gegen die Regierung mit allen revolutionären Mitteln auszunehmsn. — Die meuternden Truppen in Moskau haben fich freiwillig ergeben. * Einer Bauerndeputation gegenüber, die ihn zur Zurücknahme seiner Zugeständnisse veran lassen wollte, hat der Zar den ernsten Willen betont, noch Moskau zu gehen und die Verfassung zu beschwören, sowie die ange- kündioten Reiormen dmchzuiühren. "Der neue russische Reichskontrolleur, Filossosow, hat in den wenigen Tagen seiner Amtstätigkeit, bewiesen, daß es ihm ernstlich darum zu tun ist, das Raubwesen der russischen Beamten, so hohe Stellungen sie auch einnehmen mögen, an den Pranger zu stellen. So hat setzt Filosto^ow nach der Piü- svnq einiger Unterlagen den Beschluß gefaßt, gegen den ehemaligen russischen Gesandten in Korea, Herrn v. Pawlow der das russische Reich in der letzten Zeit in China vertrat und in Gemeinschaft mit dem dort beglaubigten russischen Militärattache Dessino in der unver schämtesten Weise mit dem rnsfi'chen Beide ge wirtschaftet hat, ein Gerichtsverfahren zu er öffnen. * * * Deutschland. * Der Besuch des Kaiser 8 in Braun - schweig wird mit einem Gerücht in Ver bindung gebracht, Prinz Eitel-Friedrich sei zum zukönstigen RegentenvonBraun- schweig bestimmt. "Der Befehlshaber des „Panther" bat! , einen Bericht über die Affäre eingesandt, deret- ! wegen sich Bras'lien völkerrechtlich verletzt fühlt. Nach den Angaben des „Panther"-Kom- mandanten liegt die an und für sich einfache Sache so, daß Brasilien kaum Anlaß hat, fich beschwert zu fühlen. "Der frühere Staatssekretär des Innern V. Bötticher wurde, nachdem er sein Amt an den Grafen Pofadowsly übergeben haste, Obe ».Präsident von Sachsen. Jetzt drückt ihn des Alters Büsde — er ist 72Jahre alt —, und er hat daher sein Entlassungs- gesuch eingereicht. Unter Böttichers Mmstter- schaft kamen bekanntlich diegroßenSozial- gesetze zustande. Politisch trat er in den letzten Jahren nur noch ganz selten (als Mit glied des Herrenhauses) hervor. * Von den Wahlen zum Berggewerbe gericht liegt nach einer Meldung aus Bochum jetzt das amtliche Ergebnis der Wahlen vor. 66 Mandate fielen dem alten Bergarbeiter verband, 15 dem christlichen Gewerkverein, 2 den Polen und 2 der ZentrumLpartei zu. "Die Schwurgerichte werden nun doch bleiben. Wenigstens erklärte der bayrische Justizminister v. Miltner in der Münchener Abgeordnetenkammer: „Nach dem Ergebnis der Konferenz, welche vor einigen Togen abge schlossen worden ist, ist eine Änderung der Gouverneur v. Puttkam er. Gew ss " Vorgänge in Kamerun haben die Rück kehr der birherigen Kouverncurs dieser Ko'onie nach Berlin notwendig gemacht. Herr von Putt- kamer befindet fich bereits auf der Rückreise, um fich bei seiner vorgesetzten Behörde zu melden und über die Geschehnisse in Kamerun Bericht zu er statten. Herr von Putt'amer ist einer unsrer ältesten Kolonialbeamtcn, der seit tarnen Jabren in Kamerun weilte. Er bat fich durch besondere Um sicht sehr verdient gemacht — sein Prinzip war stets, die äußere Gewalt den Eingeborenen gegen über nickt rllzaskhr hervortreten zu lasten. Je?ko Von Puttkamec ist ein Sobn des früheren Ministers von Putikamer, der unter dem eisernen Kanzler eine so orok- Rolle svie'te. geietzl chen Vorschrift über die Schwurgerichte nicht zu besorgen. Ich kann Ihnen auch weiter Mitteilen, daß Aussicht daraus besteht, daß auch die Wiedereinführung derBerufung in dem komm<nden Entwurf einer neuen Stra^ozeß- ordnuvg enthalten sein wirb." "In Deutsch-Südwestafrika geht der Ausstand allmählich zu Ende; wieder bat sich ein Wnbm-Großmann, Sebulon mit 105 Männern, 102 Weibern und 70 Kindern in Gibeon gestellt. Es wurden dabei 49 Ge wehre, 21 Reittiere und eine Anzahl K einvieh ostgeliefert. Tie Seele deS noch vorhandenen Wderstandes bildet Morenga mit seinen Leuten. — Auch in Deutsch. Ostafrika find die Neger in mehreren Gefechten geschlagen worden. - .. OKerr tch-U«gar«. "Die ungarische Krise ist ihrer Lösung noch nicht näher gekommen, es ist aber wieder eine Friedensaktron im Gange, in der der frühere Minister Lacacs eine hervorragende Rolle spielt. Die Stimmung in Ungarn ist augenblicklch offenbar einer Verständigung günstig, 'o daß man in parlamentarischen Kreisen Österreichs bereits mit ihr zu rechnen beginnt. Im Abpeordnetenhause in Wien krackten sowohl Graf Stürtzka wie Schönerer die nach einer Beilegung der ungarischen Krise bevorstehende Ausqleichsaklion in Zusammen hang m-t der W a h l r e ch ts ' r a g e, und Schönerer erklärte geradezu, die Negierung habe diese nur aufgerollt, um die Aufmerksam keit von dem Verhältnis Österreichs zu Ungarn abzulenken. Ars«kreich. "Rouvier hat in der Depuiiertenkammsr nochmals um'assend die Marokkofrage besprochen und dargelegt, daß Frankreich als Nachbar Marokkos im Norden Afrikas ein be sonderes und bevorzugtes Interesse an der Aufrechterhaltung der inneren Ordnung des Scherisats habe. D e Rede machte einen guten Eindruck und die Kammer vertagte fich sofort, um die Wirkung der Rede nicht durch sofort daraugeknüpfte Debatten zu schwächen. E««ira«b. "Die Ernennung Sir Edward Greys zum Staatssekretär der auswärtigen An gelegenheiten wird in Diplomatenkreisen mit besonderer Befriedigung darum begrüßt, weil seine ganze politische Vergangenheit, seine öffentlichen Reden und sein Auftreten im all gemeinen immer den Stempel weiserMäßi- gung getragen haben. Er hat während seiner Laufbahn als Parlamentarier u»d Staatsmann nie eine Äußerung getan, die von einem fremden Lande als unfreundlich angesehen werden könnte. Mit Lord Rosebery hat er eine besondere Wertschätzung für Deutschland gemein. Der Vertreter einer fremden Macht hat fick am Tage der Ernennung von Sir Edward Grey dahin ausgesprochen, daß „England von nun an wohl mit allen Staaten freundliche Beziehungen unterhalten würde, da der neue Minister die englischen Be strebungen zur Beendigung der politischen Spannung zwischen England und Deutschland baldigst in die Tat umsetzen würde." Italien. "Zwischen Italien und Dänemark ist am 17. d. in Rom ein Schiedsgerichts- vertrag abgeschlossen worden. Balkaustaaten. "Eine Rede, die der rumänische Minister des Auswärtigen jüngst über die Beziehungen zu Griechenland im rumäni schen Senat hielt, hat in Athen einen peinlichen Eindruck hervorgerusen wegen des scharfen Tones des Redners und der Hartnäckigkeit, mit der Lahovary an dem Zusammenhang der Vorkommnisse in Mazedonien und der Vor gänge, die zu der Abreise des griechischen Ge sandten in Bukarest geführt haben, sestbält. Es wird als unrichtig bezeichnet, daß die Vertreter der Mächte bei der Regierung in Athen Vor stellungen zugunsten der Rumänen in Maze- donien gemacht hätten. Man erklärt die ange führten Vorkommnisse, die dmch Griechen ver anlaßt sein sollen, für lächerliche Er findungen, besonders die Gewalttätigkeiten, die der Geistlichkeit zugeschrieben werden. Man würde fich nickt einschüchtern lassen und sort- tahren, seine Fürsorge denen zuzuwenden, die dmaus Anspruch hätten; ebenso würde man auch weiterhin »u dem Reform- und Beruki» gunqswerk der Mächte beitragen, indem man trotz der rumänischen Maßregeln eine ruhige Haltung bewahre. Line internationale Gesellschaft für Arbeiterversicherung. Kin Vorschlag, den der bekannte Sozial- isl'tiker Stadtrat v Frankenberg in Braun- chweig in dem .Reformblatt für Arbeiter- Versicherung' macht, erregt in der Presse weiteres Aufsehen. E« bandelt fich um die in Aussicht genommene G ündung einer internationalen Gesellschaft für Arbeiterverficherung. Eine ähn- 'iche Gesellschaft ist bisher nicht vorhanden, renn die „Gesellschaft für soziale Reform" und der „Verein tür Sozialpolitik" verfolgen be- annilich andre Ziele. Frankenberg will an die Stelle der gegenwärtig herrschenden Vielgestal- tigkeit der Versuche, die Arbeiterverficherung auszubauen und ihr Geltungsgebiet zu er weitern, eine ständige Errichtung setzen, die den Interessenten den jetzt fehlenden neutralen Boden liefern soll, auf dem sie trotz der Gegen- ätzlichkeit ihrer politischen, wirtschaftlichen und ozialon Auflistung sich begegnen können. Die Gesellschaft fall nach Bundesstaaten, P.o- vinzeu usw. in Unterverbäude zerfallen, denen die einzelnen Ortsgruppen anaehören. Was das Deutsche Reich anlangt, so hält Frankenberg es für zweckmäßig, diejenigen Orte, an denen Schiedsgerichte für Arbeiterversicherung ihren Sitz haben, in erster L nie als Mittelpunkte der örtlichen Organisation ins Auge zu fassen. Denn an diesen Stellen würde durch die Vorstände der Kranken kassen, die Kaffen- und Vertrauensärzte, die Schiedsgerichtsvorfitzsnden und Beisitzer, die mit der Durchführung der Arbeiterverficherung betrauten Staats- und städtischen Beamten, die Mitglieder des Gewerbe- und Kaufmanns- gerichts und andre im sozialpolitischen Leben stehende Personen fich leicht ein Kreis von Interessenten finden, zu dem fich aus den kleinern Ortschaften des Schiedsgrrichtsbezirks noch mancher Freund des Fortschritts auf ver- ficherungSrechtstchem Gebiete gesellen würde. Auch im benachbarten Osterreich-Ungarn würde fich ein ähnlicher Unterbau leicht schaffen lasten. Als Aufgaben der örtlichen Verbände führt Frankenberg z. B. an die Gründung eines Genesungsheims, die Veranstaltung von Vor trägen über gewerbliche Gesundheitspflege, Volkshyglene und über die gegenseitigen Be ziehungen der verschiedenen Arten der Arbeiter verficherung, die Schaffung einer Auskunfts stelle in Versicherungsangelegenheiten «sw. Kommt die Gesellschaft für Arbeiterverficherung zustande und findet fich in den örtlichen Organi sationen eins genügende Anzahl von Personen, so kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Gesellschaft segensreich wirken kann Der Gedanke, der dieser beabsichtigten Grün dung Beachtung in weiten Kreisen sichert, ist, wenn auch nicht neu, so doch in der ibm von Frankenberg gegebenen Fassung, ohne Zweifel dazu geeignet, in allen Parteilagern sich Freunde zu erwerben. Alle die FünorgeeinrMungen, die in dieser Richtung fast alljährlich ins Leben geruien werden, find mit beklagenswerter Regel mäßigkeit bisher immer gescheitert. Zu einer Zeit, als die Heilsarmee von England aus ihre überaus segensreiche soziale HiltSarbeit begann, versuchte man dieselbe Arbeit zu leisten — ohne durch irgendwelche Religionsvorstellungen oder Religionsübungen auf die Menge wirken zu wollen. So entstand die „internationale Ver einigung für Arbeiterschutz", di« „allgemeine europäische Arbeiterschutz- und Versicherungs gesellschaft" und eine Anzahl andrer Gesell schaften, die auf verschiedenen Wegen, mit ver schiedenen Mitteln, denselben Zweck erreichen wollten. Wenn eine solche Gesellschaft wirklich segensreich wirken soll, so muß in allererster Linie der Staat mst seinen M-tteln hinter ihr und mit s-iner Aufsicht über ihr stehen. Nur in diesem Falls würden sich die zusammenhang losen Zweigvereine und Unterverbände vereinigen lassen. An der Ausgestaltung einer solchen Staatseinrichtung, die sich über ganz Europa erstrecken soll, ist seit langer Zeit eine Kom mission von Abgeordneten fast oller europäischen Slaaten in der Schweiz beschäftigt. Leider chreiten auch diese Arbeiten nur langsam, allzu anoiam fort. Von unci fern Die Kaiferi« a!S Fürsprecherin. Die Kaiserin hatte gelegentlich ihrer letzten Anwesen heit in Kabinen u. a. auch dem mitten aus der Frischen Nehrung gelegenen Fischerdörfchen Narmeln einen Besuch abgcstattet, wobei die wrt'ge Bevölkerung Gelegenheit n"hm, die Kaiserin zu bitten, ihr bei d«r Erlangung eines Anlegeplatzes oder eines Hafens, weswegen chon mehrere Eingaben abschlägig beschieden wutden, behilflich zu sein. Diese Bitte hat Eriolg gehabt; denn im Auftrage der Kaiserin tastete eine Negierungskommission dem Dörf chen einen Besuch in der Angelegenheit ab. Das Ergebnis war, daß jetzt das Bedürfnis ür die Schaffung eines Anlegeplatzes oder Hafens anerkannt wurde! Typhus i« eiaem Seminar. Im L hrer- eminar Schlüchtern bei Frankfurt a. M. ist der Typhus ausgebrochen. Die Anstalt ist geschlossen und die Zöglinge find in die Heimat entlassen worden. A Vie vLuern-Kruvkiläe. 14j Erzählung aus d. bayrischen Berxen b M. Neal. (Forvetzungy „I könnt's enk scho vazähl'n, wia d' Bärenwirtin und der Friedl a Paar wor'n san," sagte Sepp jetzt, seinen verschossenen, zerrissenen Hut aus der Stirne schiebend. Alles horchte. „^reili wann i möcht l" .Na so mag halt!" rief emer der Burschen. „Cenzi, iür'n Sepv a frische Maß!" Dieser Beweisführung über die Notwendig keit, das zum besten zu geben, was er wußte, konnte er nicht widerstehen. So erzählte er denn den ganzen Hergang, bei dem er ja bis zu einem gewissen Giade mit beteiligt war, unter, entsprechender Ausschmückung und dem nötigen Jndenvoidergrundstellen seiner Person Gottfried saß bei einigen älteren Bauern am Nebentisch Er hörte jedes Wort, das Sepp sprach. Eure unbeschreibliche Wut haste ihn er faßt über den Lvwpen, der ihn und Vioni zum Gespött der Burschen machte. Aber er hielt fich zurück „No, dös war da weiter koa Gaudi, als d' Bärenwirlin und der Friedl so g'schmach wia die Turteltauben beinsnder g'sessen san und g'schnäbelt Ham, daß nur so g'schnalzt hat und der alr' Gumherer kiwmt aus oamal 'reiplatzt wie a ang'schossener Eber, schier z'riss'n Haffs 'n vor Ei'eriuckt l" Die Umfitzenden brüllten vor Lachen. Gottfried war aufgesprungen. „Sepp, halt dei Maul, i raff dir's!" schrie er zum andern Tisch hinüber. Er mußte fich alle Mühe geben, seine Fassung nicht zu ver lieren. „Wia soll i denn 's Maul halten, wenn 's „'schmiert is," erwiderte Sepp, auf den Maß krug weisend, und seiner Antwort folgte ein stürmisches Gelächter. Gottfried bebte am ganzen Körper. So etwas mußte er fich bieten, lassen, er. der Student, der so oft auf der Mensur gestanden. „Wennst nicht sofort still bist, fliegst hinaus, Lumo elendiger l" Der Lenzer war ausgesprungen, aber die Burschen hatten ihn rasch auf die Bank nieder gedrückt. „Laß di net irff machen, vazähl weiter!" riefen sie im Chor. Sepp hatte fich wieder gesetzt. „Recht habl's, warum soll i mi ärgern -'wegen so an windigen Courschneider, der a andern z'erscht 's Heiraten vaspricht und sie 'na fitzen laßt. An BSrenwtrt spiele«, Dös iS sreilt fein, Doch an andern ins Gäu gehen, Dös soll halt net sei«! A Bärin iS a Viech Und a Viech dös iS schlau, D'rum luackt sie st' an Esel, Der nimm.'S dann zur Frau!" Die Burschen gröhlten bei jedem Vers, den Sepp sang, vor Vergnügen. Gottfried war kreideweiß im Gesicht geworden, es flimmerte ihm vor den Augen. „Zwoa Liable auf oamah DSS iS a bißl z'vtel, De ane zum Heirat'«, De andre fürs G'fühl!" Ehe es die andern verhindern konnten, hatte fich Gottfried auf Sepp gestürzt. Mit der ge ballten Faust schlug er dem Spötter in Geficht, daß sofort ein starker Blutstrom aus der Nase stoß und der Geschlagene wie betäubt auf der Bank nach rückwärts fiel. „Das für deinen Hohn, du nichtsnutziger Tropf," keuchte Gottfried. „Und jetzt 'raus! Nock einmal, wenn du dich blicken laßt, na' mache dich auf etwas andres gefaßt. „Raus, sag' ich!" Sepp, der fich von dem Schlag etwas er- holt halte, wollte Goitsried an der Kehle taffen, wurde aber daran von der eben herbei- geeilten Bärenwiltin verhindert. Die Burschen ergriffen jetzt Partei für den Sepv und eine allgemeine Schlägerei schien unvermeidlich. Doch die Bärenwirtin kannte ihre Pappen heimer. „Wer fi' muckst, dem geht's wia dem da!" ries sie, den Tumult überschreiend. „Schoml's enk sttzt gar net, mit dem Loda da enk in oa Reih' z'ftellen. I hätff do glaubt, ös halt's enk für was Besser's, als daß ös mit dem Zuchthäusler gemeinsame Sach' mähen möchtet's. Statt daß eahm seine Schandverj'ln verboten havl'S, habt's eahm no a Bier aa dafür zahlt. Is dös a Art für an rechischaffana Burschen? Der Mensch da is koa Umgang süc enk uvd wer saubere Händ' b'^alteu will, der halt fi' den Kerl vom Leib! So und jatzt wenn's uo a Lust habffs, enk sür'n Sepp inS Zeug z'leg'n, na' könm's ös probieren!" Die Worte der Bäcenwirtin, der die ält-re« Männer zustimmten, verfehlten nicht ihre Wir kung, aber doch nicht in der Weste, alS Vroni erwartet hatte. Der arstgeftachelte Zorn der Burschen wendete fich jetzt mit einemmal gegen Sepp, der unter Verabreichung einer ordent lichen Tracht Prügel und unter einem wahren Trivmphgeheul zur Gaststube hinausgeworfeu wurde, sodaß er mit aller Wucht an die gegen überliegende Wand des HauSflurS flog und dort zusammenbrach. Uber und über mit Blut befleckt schlich Sepp aus dem „Grauen Bären". Jetzt halte er, der AuSgestoßene, nicht mehr mit einzelnen Per sonen, sondem mit dem ganzen Ort abzu rechnen. Und an diese Abrechnung sollten all« denken. Gottfried mußte in die frische Luft hinaus. Es litt ihn nicht länger im Zimmer. Was er die letzten Tage durchgemacht hatte, war zu viel. Er wollte schon alles im Stiche lasten und in die Stadt zurücktehren. Aber diesen Glan gab er wieder auf beim Gedanken an Vroni, die jetzt allein lasten eine Feigheit wäre. Der junge Mann schritt langsam den mit Haselnußstauoen bewachsenen Feldweg Himer dem „Grauen Bären" entlang, der fich zwü -m den Ackern deS Guntherer und der Bärenwmin hindurchwindet. Es dämmerte bereits. Am wolkenlosen Himmel glitzerten einzelne Sterne aus und
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