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Ottendorfer Zeitung : 07.11.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190211071
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19021107
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19021107
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungOttendorfer Zeitung
- Jahr1902
- Monat1902-11
- Tag1902-11-07
- Monat1902-11
- Jahr1902
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 07.11.1902
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Politische Durchschau* Deutschland. *Am Dienstag wohnte der Kaiser in Berlin der Rekrutenvereidiguna bei; für Miiiwoch war für die Rekruten in Potsdam dieser feierliche Akt aogefetzt, nach dessen Be endigung sich der Kaiser abermals nach Kiel begeben wollte, um von dort aus seine Eng land reise anzutreten. *Des Mittellandkanals hat der Kaiser, wie der .Voss. Ztg.' aus Hannover geschrieben wird, gegenüber dem neuen Ober- Präsidenten von Hannover, Wentzel, der am Mittwoch vom Kaiser zur Frühstückstasel ge laden war, gedacht. Der Kaiser soll bemerkt hüben, daß die Erbauung des Mittellandkanals ihm sehr am Herzen liege. Er halte den Rhein-Weser-Elbe-Kanal für ein Bedürfnis für die Provinz und sehe in der Erbauung des Kanals einen großen Nutzen nicht nur für die Provinz Hannover, sondern für gane Norddeutschland. *Die Errichtung eines königlichen Residenzschlosses in Posen soll ge plant sein. Mit den beteiligten Ressorts seien bereits Verhandlungen wegen der Platzsrage im Gange. Daß das ireiwerdende WallgelSnde für den Schloßbau in Aussicht genommen sei, ist freilich noch keineswegs feststehend. Den Plan zur Errichtung des Schlosses habe der Kaiser während der Posener Kaisertage und auch später in ernste Erwägung gezogen. *Zum Reichskommissar für die Weltausstellung in St. Louis 1904 ist — wie im.Reichsanz/ mitgeteilt wird — der Geh. Oberregierungsrat und vortragende Rat ich Reichsamt des Innern Theodor Lewald er nannt worden. (Geheimrat Lewald war schon bei der letzten Pariser Weltausstellung dem da maligen Beichskomn.ssar Richter beigegeben.) *Die Petitions-Kommission des Reichstages verbandelte kürzlich über eine Vetiüon der Frauenvereine beir. Aus- bebung der Gesindeordnungen, Ausdehnung der Zuständigkeit der Gewerbe- g-richte aul die aus dem DienllMrhSlims sich ergebenden Recktsstreittakkiten, Ausdehnung der Versicherunnsgeietze auf Gesinde und Er- ruh-ung obliga u^scher Fortbildungsschulen ^ür Dienstboten. D'e Kommission beantragte durch den Referenten Dr. Becker über diese Eingaben zur Tagesordnung überzugehen. Von anderer Seite wurde dagegen empfohlen, diese Bittgesuche dem Reichskanzler zur Berück- stchugnng zu' überweisen. De: Regierungs- kommiffur trat dem Begehren der Petenten ent gegen und erklärte seine Uebereinstimmung mit dem Standpnnkie des Referenten. *Der Abg. Heinrich Rickert, der Führer der Freisinnigen Vereini gung, ist am Montag früh in Berlin ge storben. Mit ihm ist wieder einer der Senioren des Parlamentarismus aus dem Leben geschieden, dir man seit 3» Jahren im parlamentarischen Kampf in erster Reibe zu er blicken gewohnt war. Rickert hat 32 Jahre hindurch im Preuß. Abgeordnetenbause den Wahlkreis Danzig vertreten und 28 Jahre hin durch mit einer kurzen Unterbrechung, die durch eine Doppelwahl veranlaßt war, auch den Reichstags Wahlkreis der Stadt Danzig. Oesterretch-Nugar». * Die Gräfin Lonyay ist nun gar noch mit der österreichischen Polizei in Konflikt ge raten. Dieser Tage batte die Polizei be anstandet, daß die Gräfin Lonyay sich im F> uMenbuche als Gräfin Bodrog meldete. Die Gräfin wurde mit Rückficht auf die Ab erkennung des belgischen Vrin« zessinnentitels und der Mitgliedschaft des österreichischen Kaiserhauses daraus auf merksam gemacht, daß ihr nickt mehr das Recht zustehe, inkognito zu reisen. (Und das in Oester- reich, dessen Kaiserthron mit ihrem Gatten ein- zunehmen die jetzige Gräfin Lonyay einst be rufen war!) * Das österreichischeAbgeordneten- hau 8 hat seine Sitzungen bis zum 6. November unterbrochen. In der Zwischenzeit wird der größte Teil der Landtagswahlen voll zogen sein. Die Hauvtsorge der Regierung wird es nach der Pause sein, die Wehrvorlage zur ersten Lesung auf die Tagesordnung zu bringen. Nach dem Wunsche derTschechen soll vor erst die Debatte über die Erklärung der Regierung durchgesührt werde«, die nach dem Beschlusse des Hauses am 17. Oktober hätte stattfinden sollen. Frankreich. * Die direkten Verhandlungen zwischen den Grubenbesitzern und Arbeitern haben nun mehr begonnen. In einer Versammlung der Kohlengrubenbefitzer des Pas de Calais und der Abgesandten der Ausständigen, welche acht Stunden dauerte, zeigten die Grubenbesitzer hinsichtlich der meisten Fragen eine entgegen- Prok. Anton o. Werner, Direktor der kgl. Akademie der Künste. kommende Halmng, erklärten jedoch, daß der Verkaufspreis der Kohle eine Erhöhung der Löhne nicht gestalte. Die Arbeiter sprachen die Hoffnung aus, daß einSchieds- gericht die Frage lösen werde. England. *Aus Anlaß des Burenkrieges find noch eine große Reihe von Auszeichnungen und Beförderungen erfolgt. U. a. erhielt Lord Methuen das Großkreuz des Bath ordens, die Generalmajore French und Jan Hamilton wurden zu Generalleutnants befördert. Lord Methuen, der größte Pechvogel unter den englischen Generalen, der zu guterletzt noch von Delarey gefangen wurde, hat den hohen Orden wohl mehr zum Tro st denn als Be lohnung für Tüchtigkeit erhalten. Sein ganzes Wirken in Südafrika war von Anfang an nichts als eine Kette von Mißerfolgen für die englischen Waffen. Aber freilich, Lord Methuen steht bei Hofe gut angeschrieben. *,Daily Expreß' meldet, daß Feldmarschall Roberts einen Reinigungsprozeß der englischen Armee angeordnet hat, da unter dem Druck der Beschaffung des notwendigen Menschenmaterials unzählige Ver brecher, Spitzbuben und Land streicher angeworben wurden. 86 solcher Individuen find allein bei den Husaren fest gestellt. (Der Protest wegen Unzulässigkeit eines Vergleichs der englischen mit der deutschen Armee wird damit von Marschall Roberts ge wissermaßen unterzeichnet.) Gleichzeitig wird von der Polizei sestgestellt, daß während des Burenkrieges die Zahl von Verbrechen in Eng land abgenommen hat! (Natürlich! Die Verbrecher hatten ja in Südafrika alle Hände voll zu thun!) * De Wet ist am 1. d. von London nach Southampton abgereist, um sich nach Süd afrika zurück zu begeben. Italien. * Anläßlich der Besuche des Königs von Italien in Petersburg und Berlin hatte sich auf französischer Seite alsbald unverkennbar der Wunsch kundg-geben, e« möchte auch eine Begegnung Viktor Emanuels mit dem Präsidenten Loubet stattfinden. Nachdem in dieser Beziehung zuerst auf eine Reise des jungen Monarchen nach Paris speku liert worden war, wovon man allerdings sehr bald abkommen mußte, find neuerdings Gerückte über mne Zusammenkunft der beiden Stams, oberhäupter in einem italienischen Haien ver breitet worden. Man zweifelt aber in unter richteten italienischen Kreisen daran, daß auch nur etwas Derartiges zu stände kommen werde. Balkanstaaten. *Die Kämpfe in Macedonien dauern vereinzelt fort. Die Behauptung, daß die türkischen Reserven nur für eventuelle Fälle einberufen seien, erhalten eine eigene Beleuch tung durch die Thaisache, daß jeder Zug von Salonichi Verwundete nach Konstantinopel bringt. Da dies nur die schwereren Fälle find, und die leichteren in den Spitälern von Salonichi, Uesküb und Ndrianovel behandelt werden, müssen die Kämpfe wohl nicht so un bedeutend sein. *Der zum Tode verurteilte Mörder Stambulows, Halju, hat gegen seine Ver urteilung Berufung an das Appellattonsgeucht eingelegt. Halju behauptet, im Besitze ver schiedener eine Großmacht kompromittierender Dokumente zu sein und droht, sie der Oeffent« lichkeit zu übergeben. Afrika. * Zur Bildung eines Freiwilligen korps für Transvaal hat die Regie rung die Ermächtigung erteilt. Ferner wird gemeldet, daß eine Kommission zur Prüfung der für Verluste im südafrikanischen Kriege gegen die Regierung erhobenen Schadenersatz- Ansprüche eingesetzt worden ist. Aste«. * Korea beginnt sich gewaltig zu fühlen. Wie man aus Peking meldet, hat die korea nische Regierung am chinesischen Hofe eine Gesandtschaft errichtet. Der Gesandte wurde am Freitag zum ersten Male vom Kaiser von Cbina empfangen. Die Kaiserin-Witwe war dabei nicht zugegen. Die Koreaner hatten europäische Uniformen anaelegt, um damit darzuthun, daß sie nicht mehr Unterthanen des Kaisers von China seien. Ual» und Fern. Die Grotzherz'ogin Viktoria Melita von Hessen, die nach ihrer Scheidung zu nächst bei ihrer Mutter in Koburg lebte, ist dadurch, daß sie sich unlängst eine eigene Hof- Haltung einrichtete, der Steuerireiheit, welche die Mitglieder des herzoglichen Hauses ge nießen, verlustig gegangen und alsbald von der Steuerbehörde in Koburg zur Veranlagung heranzogen worden. Wie man sagt, ist ihr steuerpflichtiges Einkommen aus 120000 Mk. festgesetzt, und die Großherzogin ist damit eine der Höchstbesteuerten des Herzogtums ge worden. Ei« Daell zwischen zwei Knaben hat kürzlich in Liegnitz staltge'unden. Drei Schüler dortiaer höherer Lehranstalten im Alter von 14 bis 16 Jahren hatten, wie wir dem .Liegn. Anz.' eninehmen, seit zwei bis drei Jabren enge Freundschaft geschloffen und ein ziemlich aben teuerliches Leben aesührt. wozu der eine Schüler stets das nötige Geld lieferte. Dieser batte die Kasse seines Vaters ohne dessen Wissen in Anspruch genommen und im Laufe der Zeit nach und nach über 1000 Mk. daraus ent wendet. Von diesem Gelbe kauften die Schüler außer anderen Gegenständen auch Terzecole und sonstige Schußwaffen und huldigten in der Umgegend eifrig dem Schießsport. Vor einiger Zeit nun gerieten zwei Mitglieder des drei blätterigen Kleeblattes in Streit. Die gegen seitigen Beleidigungen müssen besonders schwere gewesen sein, denn nur durch ein Duell waren sie zu sühnen. Das Duell auf Pistolen wurde auch bald Hinterm Schützenhaus bei den Schieß- wällen der Schützengilde ausgeführt, und dabei erhielt der eine Duellant einen Strenschuß an die rechte Backe. Die Freundschaft war nun bald wiederhergestellt und die erste Ausgabe war, den Eltern gegenüber wegen der Verwun dung eine Ausrede zu finden. Dies hielt auch nickt schwer, und sie erzählten ihren Ettern, sie wären von Elementarschülern ge schossen und einer getroffen worden. Die Folge dieser Erzählung war, daß unt-r den Elemevtar- schül-rn Reckerchen angcstellt wurden, die aber ergebnislos blieben. Erst jetzt st-vte sich der wahre Sachverhalt heraus, gleichzeitig wurde nun ermittelt, daß der eine Schütter seinem Va'er nach und nach den genannten Betrag ent wendet hat. Eine gehörige Tracht Prügel von seinen Angehörigen bat die drei Burschen etwas ernncht-rtt Selbstmord auf den deutsch - französische« Schlachtfeldern. Selbstmord verübte dieser Tage am Denkmal des Gardesüsilier - Regiments bei St. Privat ein gut gekleideter älterer Herr, indem er sich mittels Revolvers eine Kugel mitten in» Herz jagte, so daß der Tod aus der Stelle ein- getreten lein dürste. Die Leiche, bei welcher keiner lei Legitimationspapiere vorgesunden wurden, ist nanmehr rekognosziert. Es handelt sich um de» Musiklehrer Christian M. aus Basel, der sich am 24. v. zum Besuch der Schlachtfelder nach St. Privat begeben hatte. Von dort aus sandte er auch Ab schiedsbriefe an seine Angehörigen. Als letztere nach Empfang der Schreiben sofort an Ort und Stelle «teilt kamen, war die That bereits geschehen. Der Unglückliche machte den Krieg von 1870 bei dem Gardnüsilier-Regiment mit und nahm regen Ar Al an dem Sturm auf St Privat. Mißliche pekuniäre Verhältnisse hatten drn alten Veteranen tn letzter Zeit schwermütig gemacht und in ihm den Entschluß reifen lassen, freiwillig auS dem Leben zu scheiden. Und hierzu wählte er jenes blutgetränkte Feld, auf dem er an dem verlustreichen 18. August 1870 im tollsten Kugelregen gestanden und manchen braven Kameraden hatte fallen sehen. Eisenbahnunfall. In drr Nähr der Station Aprath bei Vohwnkel wurde ein mit zwei Pferden besvannter Wager von einem Personen zuge überfahren. Der Kutscher erlitt so schwere Verletzungen, daß er starb, die P-erde wurden zerrissen und der Wagen zertrümmert. Ein Doktorehepaar. In Plieningen in ' Württemberg sand unlängst eine interessante Trauung statt. Die Tochter des dortigen lang jährigen Distriktsarztes Dr. ScheiMe, die praktische Nerztin Frl. Dr. med. Elis? Scheiffele, verehelichte sich mit dem italienischen Aru Dr. med. Parlato. Das Doktor-Ehepaar Sill sich in Palermo niederlaffen. A«8 Furcht vor Strafe, weil er bei einer Straßen-Anssckreituna einen Unleio-fisier seines Regiments angegriffen halte, hat sich nach dem ,Fränk. Kurier' in Bamberg in der Ulanenkaserne der Ulan Jakob Wild mit , seinem Karabiner erschossen. .7.,,. ^ Zu de« Defraudationen bet der Spa - kaffe tn Arad wird weiter berichtet, daß der ungetreue Direktor Böbm in Halt genommen wurde. In der Wohnung Böhms, der longen- leidend ist, erschienen am Morgen um 2 Uhr der Stadlhauptmann von Arao und der Gerichls- phyfikus. Letzterer untersuchte den Patienten und als er teststellte, daß die Ueberfühcung Wellender GngeL 4) Novelle von Alfred Kahle. iF-.üetzung.) Da ertönte einstimmiges Gelächter, das kein Ende nehmen wollte. „Schütteln wir die nassen Federn," fuhr die Dame fort, „und verlassen wir nun das Labpnnth!" „Im Sonnenschein wird alle? wieder sehr schnell trocken," bemerkte Adele, indem sie vor anging. „Im Sonnenschein Ihrer lieben Augen," entgegnete die Dame mit herzgewinnender Freundlichkeit. „Wie befindet sich Ihre Mutter? Vor drei Jahren habe ich fie zum letzten Male gesehen ; vielleicht hat fie mich nicht vergessen. Wir wollen ihr Gedächtnis prüfen und bei ihr einsprechen." ,;Jch eile voraus, um ihr den Besuch zu werden," sagte Adele und eilte davon. „Ich besitze das Talent, die Namen fremder Leute zu erraten," hob die Dame an, nach dem Adele hinter den Büschen verschwunden war. „Irre ich nicht, so heißen Sie von Raigecour." „Geiroffen!" versetzte dieser verwundert. „In alten Zeiten hatte die Sphinx ein Frauenanttitz zu einem Tierleibe; heutzutage erscheint sie in Engelsgestalt, und irre ich mich nicht, so kommen Ihnen an dem oberen Aermel des Spitzen jäckchens ganz deutlich die weißen Schwung federn der Flügel hervor." „Dieses Kompliment ist so schön, daß ich es eigentlich der Vorausgeeilten muteilen müßte," versetzte die junge Dame mit äußerst schelmi schem Blicke. Inzwischen war das Gartenhaus erreicht, und Adele empfing die Anlangenden an der Thür mit der Meldung, der Besuch werde ihrer Mutter sehr angenehm sein. Als die junge Dame in das Zimmer trat, sprang Frau von Cauzan wie elektrisiert von ihrem Sitze auf. „Madame Elisabeth!" rief fie, indem fie sich tief verneigte, „das unbesonnene Kind . . . aber meine Tochter hat freilich nicht die Ehre." Die schlanke Dame war in der That die bereits erwähnte Schwester Ludwigs XVI., die sogenannte Madame Elisabeth von Frank reich. „Also haben Sie mich nicht vergessen?" fragte die Prinzessin. „Ich habe erfahren, wie es Ihnen hier ergeht. Obwohl ich leider nicht zu helfen vermag, sa kann ich doch Wösten. Ich bin daher, den herrlichen Morgen benutzend, mit Fräulein Guöminö," sie deutete auf ihre Begleiterin, „in einem Mietswagen von Ver sailles herübcrgekommen. Da ich Sie nicht so früh stören wollte, habe ich zuvor eine Pro menade durch den Garten gemacht und mich im Labyrinth verirrt; die schönste Voliöre aber, von der alle Welt spricht, ist gleichwohl nicht von uns entdeckt worden, Herr von Raigecourt könnte Fräulein von Guömins hinsühren, damit fie mir nachher davon erzählen kann. Und nun, liebe Fran von Cauzan, erzählen Sie mir, wie es Ihnen geht!" „Mein Aufenthalt in diesem Gartenhanse," erwiderte Frau von Cauzan, „gibt ausreichende Antwort auf alle Fragen, welche Ew. König liche Hoheit über meine Lage an mich richten könnten." „Was diesen Aufenthalt anbetrifft, so finde ich ihn so übel nicht, bemerkte die Prinzessin, indem sie ihre Blicke in den behaglichen Räumen umherschweisen ließ. „Ich ebenfalls nicht; auch wollte ich dank bar sein, wenn es mir vergönnt wäre, mein Leben hier zu beschließen. Morgen aber geht Montreuil in andere Hände über, und damit findet mein Aufenthalt in diesem Hause sein Ende." Die Prinzessin schwieg einige Sekunden. „Ich bin eigentlich gekommen," fuhr fie dann fort, „um Ihnen einen Vorschlag zu machen. Fräulein Guöminö ist verlobt; sie wird in diesen Tagen heiraten nnd ihrem jungen Manne nach der Provence auf seine Güter folgen. Ich muß daher Bedacht darauf nehmen, ihre Stelle wieder zu besetzen. Meine Er zieherin, die Aebtisfin, hat mir viel Gutes von Ihrer Tochter geschrieben, und die Vorstellung, welche ich mir von ihrer äußeren Erscheinung machte, hat sich soeben bestätigt. Sollte es daher ihren Neigungen entsprechen fortan am Hofe zu leben, so dürste fie nur annehmen, was ich ihr biete: mein Herz und meine Hand." Dabei reichte fie lächelnd Adele ihre Hand. Frau von Cauzan aber senkte traurig den Kopf und antwortete der Prinzessin, welche freundlich meinte, fie solle sich die Sache mit ihrer Tochter überlegen und dann erst ihren Entschluß mit teilen, mit großer Niedergeschlagenheit, daß diese Sache bereits entschieden fei „Ich habe mit einem Eide geloben müssen," sagte sie, „Aoelcn nicht anders zu gestalten, eine Hofstellung anzunehmen, als wenn sie ver heiratet wäre. Da meine Tochter nun ohne Mitgift ist, so möchte sich schwerlich eine Partie für fie finden. Wie dankbar nun auch mein Herz für den ehrenvollen Antrag ist, zu meinem tiefen Bedmiern vermag ich ihn dennoch nicht anzunehmen. „Ihr Kind ist durch die Stiftsstelle ver sorgt," bemerkte die Prinzessin, mit einer leichten Wolke des Unmuts auf der Stirn. „So müssen wir das übrige der Zukunft anheim- stellen." ' In diesem Augenblicke zeigten sich an der Gartenthür Fräulein Guöminö und Raigecour. Die Prinzessin erhob sich. „Wir müssen eilen, nach Versailles zurück zukommen; derKönig will mich um11Uhr sprechen, ehe er nach Paris fährt." - 4. Die beiden Damen schritten durch den Park und bestiegen den Mietswagen, der am Eingang wartete. Auf der ganzen Fahrt nach Versailles, die über eine halbe Stunde dauerte, sprach die Prinzessin kein Wort; fie war ausschließlich mit ihren Gedanken beschäftigt, und es wollte ihrer Begleiterin scheinen, als wären diese eben nicht von der angenehmsten Art. Sie waren es auch nicht. Ludwig XVI., der seine Schwester zärtlich liebte, hatte ihr freigestellt, sich ganz nach ihrem Gefallen eine Nachfolgerin für die abgehende
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