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Ottendorfer Zeitung : 20.01.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190401204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040120
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040120
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungOttendorfer Zeitung
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-20
- Monat1904-01
- Jahr1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 20.01.1904
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politische AunÄlckau. Der russisch-japanische Konflikt. *Die Nachlichten aus Ostasien folgen sich schnell, aber sie gleichen sich nicht; sie wechseln stets zwischen Sturm und Sonnen schein. Der „fast schon begonnene Krieg" weicht „neuen Unterhandlungen", denen sich die „freund schaftliche Vermittelung Englands und Frank reichs" beigesellen; dann aber erscheint die letzte Antwort Japans als schwerwiegend, wenn sie auch „kein Ultimatum" enthalte. Als neuerliche Forderung Japans tritt die Aufrechterhaltung der chinesischen Souveränität in der Man dschurei auf und außerdem soll ein Drittel von Korea „als neutrale Zone zwischen Rußland und Japan" erklärt werden. * Die russische Presse zeigt in den letzten Tagen eine veränderte, erregte Sr immung wegen des Verhältnisses zu Japan. Indessen entspricht diese Stimmung nicht der Ausfassung, die immer noch von den amtlichen Stellen vertreten wird. Maßgebende Marinekreise geben der Überzeugung Ausdruck, daß die Gefahr eines Krieges für die nächste Zukunft beseitigt sei; des gleichen hält das Auswärtige Amt an der Hoffnung fest, mit Japan zu einer friedlichen Verständigung zu gelangen. Entsprechend dem Willen des Monarchen, werde Rußland in seiner friedlichen Politik fortfahren. » * Deutschland. *Der Kaiser hat am Freitag mit den anwesenden kapitelfähigen Ritterndes Schwarzen Adler-Ordens im Königlichen Schlosse zu Berlin die feierliche Investitur des Prinzen der Niederlande und des Erbprinzen von Hohenzollern, sowie des Wirkl. Geh. Rats v. Köller vorgenommen und ein Kapitel abgehalten. * Die Eröffnung des preußischen Landtages erfolgte am 16. d. durch den Kaiser in Person. * Der BesuchdesGroßherzogs von Baden in Berlin zum Geburtstag des Kaisers erfolgt der,Südd. Reichskorresp.' zufolge auf Grund einer „sehr herzlich gehaltenen" tele graphischen Einladung des Kaisers. Allgemein wird angenommen, daß der Reichskanzler die Interpellation über die Ar beit s k a m m e r n und die Rechtsfähig keit der Berufsvereine nur aus dem Grunde ans einige Wochen verschoben hat, weil er erwartet, daß bis dahin über einige wichtige Fragen unserer Sozialpolitik ein Beschluß des Bundesrats erfolgen wird, und zwar nach Lage der Sache ein positiver Beschluß. Vielleicht wird Graf Bülow in der Lage sein, einen Ge setzentwurf über die Rechtsfähigkeit der Berufs- Vereine anzukündigen. * Handelsminister Möller wird zu Ostern eine erneute Konferenz der Knappschaftsärzte wegen Bekämpfung der Wurmkrank heit einberufen. * Der frühere Reichsgerichts- präsident v. Oehlschläger ist am Donnerstag abend in Charlottenburg im Alter von 72 Jahren gestorben. Der Name Oehl schlägers ist mit der Geschichte der dentschen Reichs-Justizgesetzgebung eng verflochten. Er wurde 1885 zum Präsidenten des Kammergerichts ernannt, übernahm 1889 als Staatssekretär das Reich^justizamt und wurde 189 t als Nachfolger von Simson zum Präsidenten des Reichsgerichts beritten. * Die Sachverständigen-Kommission zur Vor beratung über die Reform der Straf- Prozeßordnung wird zunächst am 19. d. wieder zusammentreten. Je weiter die Beratungen der Kommission fortschreiten, um so mehr erweist sich die Beschreitung des Weges, der mit der Berufung von solchen Sachverständigen gewählt wurde, die namentlich über praktische Erfahrungen ' verfügen, als recht zweckmäßig. Uber die Fragen der Einführung der Berufung und Verwendung! des Latenelements wird voraussichtlich erst im! April oder Mai von der Kommission diskutiert werden können. *An Reichs münzen wurden ausge prägt im Monat Dezember für 10123 670 Mark Doppelkronen, 4 493 450 M. Zweimark stücke, 445 967 M. Einmarkstücke, 127 866 M. Zehnpfennigstücke, 12 615,85 Mk. Fünfpfennig stücke, 48 274,89 Mk. Einpfennigstücke. * Der Psarrverein für das Herzogtum Koburg hat sich, wie das Koburger Tage blatt' meldet, für die Feuerbestattung ausgesprochen. Es wird in dem Beschluß er klärt, daß der Feuerbestattung Bedenken in keiner Weise entgegenständen, und daß sie für die Zukunft unabweisbar sei. Nur halte man es zurzeit für unzweckmäßig, daß die Geist lichen agitatorisch sich für die Feuerbestattung betätigen. *Uber den Aufstand der Hereros in Deutsch-Südwestafrika wird der ,Köln. Ztg.' in einem offiziösen Telegramm aus Berlin gemeldet: Es liegt auf der Hand, daß die ausgedienten Mannschaften jetzt nicht ent lassen werden können und daß der neu hinzu kommende Ersatz eine sehr erwünschte- Ver stärkung der Trup p e nm a ch t in unserem Gebiete bedeute:. Sollten mehr Verstärkungen von den dorügen Behörden verlangt werden, so wird man sich der Erfüllung dieser Forderung nicht entziehen können und die Verstärkung von vornherein so bemessen müssen, daß man mit ihnen den Aufstand rasch und aufs gründlichste niederwersen kann. Was den Grund des Auf standes anlangt, bleibe immer das wahrschein lichste, daß der neue Aufstand mit den Bondelzwarts zusammenhängt, worüber unter den Hereros falsche Nachrichten verbreitet sein dürften. Frankreich. * Ein katholisches Blatt veröffentlicht eine Note, worin versichert wird, General Andrä sei von der Unschuld Dreyfu 8' überzeugt durch neue Beweise. Er könne die Affäre nicht mehr zurückhalten, da dieselbe dem Kassations hofe bereits unterbreitet sei. Ruhland. * Der Zar hat den Großfürsten Michael Nikolajewitsch als Präsidenten des Reichsrats für 1904 bestätigt. Dem Ober prokurator des heiligen Synods Pobe- donoszew find durch kaiserliches Hand schreiben die Brillantinfignien des Andreas ordens verliehen worden; dem Juftizminister Murawiew wurde für seine Verdienste die außerordentliche Erkenntlichkeit des Kaisers aus gesprochen. Valkanstaaten. * Mit Rücksicht auf Bulgariens Kriegs- rüft ungen setzt die Türkei die ihrigen eifrig fort. Im Wilajet Adrianopel sind zwei tausend Wagen auf dem Reqnisitionswege an gekauft worden. Amerika. *Wie aus Washington gemeldet wird, ist im Parlament ein Gesetzentwurf eingebracht worden, der bezweckt, den Auslieferungs- ver trag zwischen Amerika und England dahin abzuändern, daß künftig auch eine Aus lieferung für politische Bestechungen erfolgen kann. *Die revolutionäre Bewegung in Buenos Aires ist im Wachsen be griffen; die Regieningstruppen mußten den Rückzug antreten. 'Asien. * Die ,Times' melden aus Peking: Seit dem Aufbruch der Tibetexpedition erhob China keinerlei Einspruch oder Beschwerde, gab im Gegenteil Beweise, daß es die englische Expedition billige, da sie möglicher weise der russischen Intrige beim Dalai Lama entgegenwirke, welche China auch nichts Gutes verheiße. Arm cLem Aeicbslage. Der Reichstag nahm am Donnerstag in dritter Lesung das Gesetz betr. die Kontrolle des Staats- haueyaltsetats an. Darauf begründete Aog. Becker inat.-lio.) die Interpellation seiner Partei betr. Ein führung der obligatorischen Alters- und Jnvaiidi- tälsversicherung der Handwerker. Der Redner suchte diese Forderung als für die Erhaltung des Mittel standes notwendig nachzuweisen. Staatssekretär Graf Posadowsky erhob jedoch starke Bedenken gegelt die Forderung, indem er ausführte, die Übertreibung des Versicherungsprinzips müsse schließlich zum großen Schaden der Nation dahin führen, daß jeder Glauben, selbst für sich zu sorgen, schwinde. Das Alters- und Jnvaliditätsverficherungsgesetz ebenso wie die andern sozialpolitischen Versicherungsgesetze seien nach dem Grundgedanken der Allerhöchsten Botschaft nur für unselbständige Arbeiter berechnet. Die Durchführung der Forderung der Interpellanten würde zu ganz unabsehbaren finanziellen Lasten führen. Auf Antrag des Abg. Sattler trat dann das Haus in eine Besprechung dieser Antwort ein. Das Zentrum verhielt sich gegen den Vorschlag der Nationalliberalen ablehnend, da die Handwerker selbst in der Angelegenheit nicht einig seien und für das Handwerk einstweilen andere Dinge wichtiger wären. Die Sozialdemokraten beschuldigten die Nationalliberalen des Diebstahls an ihrem, der Sozialdemokratie, geistigen Eigentum, und die ganze Debatte löste sich in eine parteipolitische Rederei aus. Am 15. d. steht auf der Tagesordnung die Interpellation Jänecke-Böttger jnat.-lib.) und Genossen betr. Abschaffung des Zeugnis zwanges gegen die bei Herstellung einer perio dischen Druckschrift beteiligten Personen. Staatssekretär N i e b e r d i n g erklärt sich bereit, die Interpellation sofort zu beantworten. Abg. Jänecke jnat.-lib.) zur Begründung: Manche Leute denken von der Presse wie der Mann im Heineschen Liede: „Blamier' mich nicht, mein schönes Kind, und grüß' mich nicht Unter den Linden!" In Wirklichkeit wissen sie die Presse sehr gut zu finden und zu gebrauchen, wie zum Beispiel Bismarck, von dem das Wort stammt von „Leuten, die ihren Beruf verfehlt haben". Es gebe auch ein Wort von den „kommandierenden Gene ralen", doch nur für Amerika! Solche Vorfälle wie in Deutschland seien anderswo unmöglich. Die Presse sei unter ein Ausnahmegesetz gestellt. Der Reichstag habe seinerzeit den Redakteuren die Sicherung des Berufs-Geheimnisses verleihen wollen, die Regierung habe es jedoch verhin dert. Redner geht dann auf die einzelnen Fälle von Zeugniszwang ein und führt namentlich das Vorgehen gegen die .Leipziger Volkszeitung' an, wo man sogar Setzer und Laufburschen zur Ermittelung des Verfassers eines Artikels vor Gericht geladen habe. Kein Redaktenr werde das Berufsgeheimnis preisgeben, er würde sonst von keinem Verleger be schäftigt werden. Die heutige Rechtsprechung gehe weiter als die zehn Gebote, denn sie drohten nur mit Strafe bis in das dritte und vierte Glied, die Gerichte gingen aber hinab bis zu den Zeitungs frauen. Gerichte und Polizei sollten der Presse eigentlich dankbar sein für ihre Beihilfe bei der Auf deckung von Verbrechen. Man habe garnichts da gegen, wenn die Strafbestimmungen über Beleidi gung und Verleumdung verschärft würden, denn die persönliche Ehre eines andern müsse heilig sein. Die Regierung sollte endlich klare Wege zeigen und den Spuren Friedrichs des Großen folgen, der ge sagt habe: „Gazetten dürfen nicht genieret werben". Staatssekretär Nieberding legt die Schwie rigkeiten dar, die einer völligen Aufhebung des Zeugniszwanges entgegenständen. Er könne zum Beispiel nicht für diejenigen Mitteilungen fortfallen, die einen strafrechtlichen Inhalt hätten oder staat liche Geheimnisse verletzten. Bezüglich der Alff- Hebung des sonstigen Zeugnis zwangeS müsse er auf die beabsichtigte Reform des Strafgerichtes ver weisen, mit der eine besondere Kommission beschäf tigt sei. Ganz aus dem Rahmen der Strafprozeß ordnung könne man das Zeugniszwangsvcrfahren gegen die Presse nicht reißen. Es müßten sowohl die Interessen der Presse wie des Staates gewahrt werden. Die Regierung worbe ihr möglichstes tun, um endlich diesen alten Streit mit dem Reichstag zu beseitigen, da sie vielfach Grund habe, der deut schen Presse dankbar zu sein. Die Regierung werde diese Frage wohlwollend zu lösen versuchen. Aus Antrag des Abg. Sattler jnat.-lib.) be schließt das Haus die Besprechung der Inter pellation. Sächsischer Bundesratsbevollmächtigter Dr. Bör ner geht auf den Fall der .Leipziger Volkszeitung' ein und weist unter dem Widerspruch der Sozial demokraten nach, dax hier kein ZeuguiLzwcmg an- gewendct worden sei. Abg. Rören (Ztr.) betont, seine politischen Freunde seien ebenfalls für eine Einschränkung des Zeugniszwanges. Er freue sich, daß der Staats sekretär diese Frage so wohlwollend behandelt habe. Abg. Heine jsoz.): Der Staatssekretär meint zwar, die Frage wäre nicht jo wichtig, denn es kämen hier nur sehr wenig Fälle vor. Die Zahl der Zeugniszwangsverfahrensfälle würde viel größer sein, wenn nicht in vielen Fällen die unglücklichen Redakteure usw. sich gebeugt hätten oder wenn in anderen Fällen das Verfahren nicht eingestellt worden wäre, weit die Betreffenden nichts wissen konnten. Am eklatantesten ist der Fall gegen den Mitarbeiter des .Vorwärts' Rehbein hinsichtlich der Mißstände mi Heere, mitgeteilt durch ein Schreiben. Sonst hat man immer den Vorwurf gegen uns er hoben, daß wir keine Beweise für unsere Beschwerden Vorbringen. Hier haben wir Gelegenheit gegeben, daß Ermittelungen angestellt werden konnten. Und nun das Verfahren? Das ganze Vorgehen hatte nur den Zweck, dem Schreiber des Briefes an den Kragen zu gehen, nicht Klarheit zu schaffen. Ein Redakteur, der einen, der ihm eine Militärbeschwcrde mitteilt, der Militärbehörde anzeigen würde, wäre ein elender Bube. Das wäre vom menschlichen Standpunkte dasselbe, als wenn mau jemand den wilden Tieren vorwerfen würde. Meine Partei ist der Meinung, daß der Kampf gegen den Zeugnis zwang aussichtslos ist, so lange nicht der Kampf siegreich geführt ist gegen seinen inneren Grund, die Völksfeindlichkeit der Bureaukratie als Ganzes. Hier fällt der Mantel nur mit dem Herzog! Abg. Himburg jkons.): Wir teilen nicht den Stundpunkt der Interpellanten. Wir sind der Meinung, daß jedes strafbare Vergehen auch seine Sühne finden muß. Wenn ein Redakteur ein Ge heimnis der breitesten Öffentlichkeit preisgibt, so ist es nicht zulässig, daß er die Quelle geheim hält. Abg. Kulerski (Pole) bezeichnet die preußischen Gerichte als politisch verseucht. Vizepräsident Paasche: Ich kann diese Be merkung nicht zulassen und rufe Sie zur Ordnung. Abg. Ku! erski: Ich werde den Beweis dafür erbringen. Vizepräsident Paasche: Wenn ich die Be merkung für unzulässig erklärt habe, so haben Sie auch nicht das Recht, den Beweis dafür zu erbringen. Redner führt einen Fall an, der beweisen soll, daß die Richter, die gegen die Polen Vorgehen, Karriere machen. Gegen eine Verschärfung des Be leidigungsparagraphen müsse sich seine Partei ver wahren. Dieser Paragraph werde schon scharf genug gehandhabt. Abg. Ablaß jfrs. Vp.): Wie will man es rechtfertigen, daß nicht nur der verantwortliche Re dakteur, sondern auch das übrige Personal verant wortlich gemacht wird ? Der Staatssekretär ver langte von den Nationalliberalen die Angabe des Weges, wie hier Abhilfe zu schaffen sei. Dieser Weg ist nicht schwer zu finden. Ich stelle mich auf den Standpunkt des Juristcntagcs, daß, wenn in einer periodischen Druckschrift ein Delikt begangen ist, der verantwortliche Redakteur haftbar ist und jeder Zeugniszwang fortfällt. Der verantwortliche Redakteur haftet ganz allein für den Inhalt seines Blattes. Die Presse hat dasselbe Vertrauensver hältnis zum Publikum zu beanspruchen, wie es den Ärzten usw. zugebilligt wird; das muß auch gesetz lich zum Ausdruck kommen. Übrigens ist der Zeugniszwang in den meisten Fällen ein Schlag ins Wasser. Der Zweck wird nicht erreicht. Gegen eine Verschärfung der Bestrafung wegen Beleidigung durch die Presse protestieren wir gleichfalls, Hoffen wir, daß im Jahre 1906 bei der 100jährigen Wiederkehr des Todestages des Buchhändlers Palm, eines Mannes, der aus gleichem Anlaß für seine Ebre gestorben ist, der Zeugniszwang be seitigt ist. Abg. v. Gerlach jHosp. der frs. Vgg.): Der Grundsatz von Treu und Glauben mutz auch für die Presse als Richtschnur anerkannt werden, anstatt zu versuchen, ihn durch den Zeugniszwang auszu rotten. Würde ein Minister nicht, ebenso handeln, wenn er Redakteur wäre? Ich halte es für un denkbar, daß die Regierung ernsthaft glaubt, daß Redakteure das Berufsgeheimnis preisgeben könnten. Wer dafür eintritt, den bestehenden Zustand absolut unverändert zu erhalten, den würde ich der Absicht zeihen müssen, eine unmoralische Staatserhaltung anzustreben. Abg. Arendt jfreikons.): Die Aufhebung des Zeugniszwanges muß verbunden sein mit einer ver schärften Achtung des Redakteurs und Verlegers auf den Inhalt der Zeitung. Auf Antrag der Abgg. Sattler und Fritzen wird hieraus die Debatte vertagt. Am 16. d. fand keine Sitzung statt. 'Von rmcl Prinzessin Marie von Reust-Greiz, die mii dem österreichischen Leutnant Varon Guagnoni verlobt ist, verzichtete nach dem ,W. N. Tagvl.' gegen den Willen der fürst lichen Verwandten ans die evangelische Trauung. Prinzessin Hermine und Ida find darauf auf Befehl des Vormundes, des ' Fürsten von Schaumburg, nach Bückeburg abgereist. Die bürgerliche Trauung wird in Greiz, die katholische in Österreich stattfinden. Groste Stiftung. Der dieser Tage ver storbene Frh. v. Plessen hat testamentarisch zwei Stiftungen von je 100 000 Mk. erreicht, deren Zinsen für würdige und hilfsbedürftige Per sonen aus Stadt und Land des Kreises Schles wig bestimmt sind. K k)erta falk. 18 j Roman von Theodor Alm ar. Die Familie Millner aber vermag sich das jetzige Gebaren der Frau Doktor nicht zu er klären. Während die Schwestern höchst betrübt darüber find, mit einem Male so viel Tadelns wertes an der Frau zu entdecken, deren Tugenden sie stets als nachahmenswert hinge stellt, ist der lebhafte Baurat ganz uneinig mit sich und der Welt geworden. Ja, er würde den Deutsch-Amerikaner, der sich seine Gunst in so hohem Grade zu erringen gesucht hatte, heute sicherlich nicht mehr vor den Angriffen Oswalds in Schutz nehmen, wie er es früher tat, da ihm weder Herta Falk noch Werden ge fallen; wenn Rosen nur reden wollte. Aber er vermeidet sichtlich jede Gelegenheit, über diesen Punkt mit dem Freunde sich auszu sprechen; er scheint ganz andere Dinge im Kopfe zu haben. Das ist indessen nur scheinbar so; denn der Assessor sieht und beobachtet alles und ignoriert Werdens Triumph völlig, wenn der Zufall ihn mit diesem einmal zusammen führt. Mit Frau Falk hat er seit jenem bedeutungsvollen Begegnen in ihrem Garten nie wieder allein sprechen können; aber der Blick, mit dem sie ihn ein einziges Mal an gesehen gelegentlich eines Besuches bei Millners, der hatte ihm beinahe ihr Geheimnis enthüllt und den Schlüssel zu ihrem fremdartigen Be nehmen gegeben. Jedoch Tag um Tag geht so dahin, und selbst Rosen empfindet endlich einige Unruhe. Nicht nur darüber, daß der Major von Klewitz auf eine Depesche hin schleunigst nach Berlin zurückgereist ist und Werden trotzdem täglich Frau Falk besucht, was bösen Zungen Ver anlassung gab, den Ruf der Frau zu ver dunkeln, deren strenge Tugend man bisher ge rühmt hatte; nein, seine Besorgnisse beruhten auf tieferen Gründen. Der Gefangene war jetzt zwar nicht mehr bettlägerig und hatte auch schon um die Er laubnis gebeten, wieder arbeiten zu dürfen; aber er war nichtsdestoweniger hinfällig und sein mattes, bleifarbenes Aussehen beängstigte Rosen aufs tiefste. Wenn die sonst starke Natur dieses Mannes der dumpfen, ungesunden Kerkerluft doch zum Opfer fiel, dann würde ja diese nervöse Frau, die einen so steilen Weg zu feiner endlichen Befreiung wählte, der ihr so unberechenbare Opfer auferlegte, dem Irrsinn zur Bente werden. Starb Falk, so blieb sein Name, blieb seine Familie mit Schande bedeckt. Bisher war es seine Aufgabe gewesen, zu verhüten, daß sie Kenntnis vom Kranksein ihres Mannes erhielte; als er Falk aber immer leidender werden sah und der Dulder nur noch ein schwermütiges Lächeln als Antwort auf den Lippen hatte, wenn er ihm von der Hoffnung auf baldige Befreiung sprach, da glaubte Rosen es nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren zu können, wenn er noch länger schwiege. Daher faßte er folgenden an Herta Falk ge richteten Brief ab: „Gnädige Frau! Da es mir endlich zur unabwendbaren Pflicht wird, Sie zu bitten, mich meines gegebenen Wortes zu entbinden, verhehle ich Ihnen nicht, daß ein längeres Zögern und Ver schweigen in unserer Sache Verlust und Gefahr im Gefolge haben würde. Schon zu lange habe ich es Ihnen zu ver bergen gesucht, daß Ihr Herr Gemahl krank ist, in der Hoffnung, der starke Geist des Be wunderungswürdigen werde seine körperlichen Leiden besiegen; allein meine Besorgnis mehrt sich und ich fürchte für sein Leben. Dies in aller Kürze, gnädige Frau, und in der Erwar tung, daß Sie Ihrem treuesten Freunde darum nicht zürnen werden." Den Schluß des Briefes bildeten nur noch einige wenige Zeilen und im ganzen hatte Rosen sich viel kürzer ausgedrückt, als dies an fänglich seine Absicht gewesen. Er fühlte, daß dieses Wenige genügen würde für die Frau, deren Seelenleben ihm nicht mehr fremd war. Das Billet sandte er sogleich an sie ab und in gespannter Erwartung harrte er auf ihre Antwort. * * * Herta Falk promenierte mit ihrem nunmehr schon steten Begleiter Werden in den grünen, fchattigen Gängen ihres Gartens, als Rosens Brief an sie unterwegs war. Sie waren ein auffallend schönes Paar, diese beiden hochgewachsenen Gestalten, und wer hätte wohl die in ihrer Brust brennenden Gefühle und Leidenschaften erraten können, die in ihren Zügen keinen Spiegel fanden? Werden, dessen Auge nicht müde wurde, sich am Anblick des heißgeliebten, an seiner Seite lustwandelnden Weibes zu weiden, schreckte die in sich Versunkene immer wieder auf, so oft er leicht ihre Hand berührte. „Herta, woran denken Sie jetzt — darf ich es wissen?" „Gewiß, mein Freund." „Mein Freund! wie kalt, wie fremd das noch immer klingt. Wann wird denn endlich diese Schranke zwischen uns fallen? Ich dächte, Ihre Kälte hätte mich nun lange genug gequält. Gehen wir hier nicht in klösterlicher Einfalt nebeneinander her, während die Welt aus unserem Zusammensein bereits ganz andere Schlüsse ziehen mag?" „Andere Schlüsse? Davon ist mir noch nichts zu Ohren gekommen," sagte die für Werden etwas ganz unüberwindbar Fesselndes in ihrem Wesen habende Frau zu ihm auf schauend, und in ihren magischen Augen lag so viel unschuldsvoll Vertrauendes. „Geliebtes, teures Weib, glaubst du wirklich, daß die Leute noch nichts von dem vermuten, was wir anstreben und erreichen werden?" Herta Falk fühlte einen Stich im Herzen, sie bemeisterte fich indessen schnell und ent gegnete leichthin: „Nein, wirklich, nicht daS geringste habe ich darüber gehört, und was könnte man an meiner Handlungsweise wohl tadeln?" „DaS wir uns lieben, Teuerste?" „Still!" und sie blickte, abgewendet, zur Seite. „Still? nein, Herta, jetzt nicht mehr. Ich habe um dich zu lange ringen müssen, um nicht endlich den Preis verlangen zu dürfen. Herta,
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