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Ottendorfer Zeitung : 16.09.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190409169
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040916
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040916
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungOttendorfer Zeitung
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-16
- Monat1904-09
- Jahr1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 16.09.1904
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politische Kunälckau. Der russisch-japanische Krieg. * Die Javaner haben die Verfolgung der geschlagenen Russen gänzlich eingestellt und sich nach Iantai zurückgezogen, das sie stark be festigen. Man meint, daß sie dort Winter quartiere beziehen würden. Von andrer Seite wird behauptet, sie wollten nur ihre Truppen für einige Zeit ausruhen lassen, um dann den Angriff nach Norden hin wieder auf zunehmen. *Für den Verlauf des Krieges ist die letzte große Schlacht insofern von Bedeutung, als der .heldenmütigen Besatzung von Port Arthur nunmehr nahezu jegliche Aussicht genommen ist, daß ihr von außen Hilfe komme; über ihre weitere Tragweite dürften die Worte in den ,Nowosti' das Richtige treffen: „Die Schlacht bei Liaujang wäre allerdings eine den Krieg entscheidende, wenn wir die Japaner aufs Haupt geschlagen hätten. Da dies aber nicht geschehen ist, wird der Krieg fortdauern, auch wenn noch mehrere solche Schlachten geliefert werden sollten." * Der ,Nowoje Wremja' wird Ms Port Arthur über Tschifu gemeldet: Bis zum 1. September war es den Japanern gelungen, einschließlich des Wolfshügels vier äußere Forts in ihren Besitz zu bringen. Die Russen verfügen nunmehr über 28 Forts einschließlich der sechs Küstenforts. Letztere können nur von der Seeseite oder vom innem Hafen aus ge nommen werden. Von den 22 Landforts liegen 13 westlich der Bahnlinie und werden durch die nordwärts reichende Hafenbucht von der östlichen Hafenkette getrennt. Diese dreizehn Forts bilden ein Verteidigungssystem für sich und köimen auch dann noch eine lange Belagerung aushalten, wenn die östliche Forts kette einschließlich der Stadt Port Arthur vom Feinde genommen sein sollte. Aber auch auf der Ostseite haben die Japaner noch neun starke Forts zu nehmen, gegen die sich bisher ihr Hauptangriff richtete. * Wie ungeheuer die beiderseitigen Verluste bei denKämpfen umLiau- jang gewesen sein müssen, geht aus einer amtlichen japanischen Meldung hervor, wonach die Gesamtverluste der japanischen Armee in den Kämpfen bei Liaujang seit dem 26. August auf 17 539 Mann beziffert werden, einschließlich 136 Offiziere tot, 464 verwundet. Auf den rechten Flügel der Armee entfallen davon 4866, auf das Zentrum 4992 und auf den linken Flügel 7681 Mann. *Das baltische Geschwader unter Admiral Roschdjestwensky ist am Sonntag nachmittag nach dem fernen Osten in See gegangen. Die Kohlenversorgung der nach Ost asien abgegangenen Flotte soll gesichert sein. Schon seit längerer Zeit hat Rußland englische und deutsche Dampfer gechartert, die an ver schiedenen Punkten des Ozeans warten. * * Deutschland. * Der Kaiser und der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin kehrten am Montag nachmittag aus dem Manövergelände nach Schwerin zurück, nachdem schon vorher die Kaiserin und die Großherzogin dort wieder ein- getrvffen waren. *Graf Bülow hat seine Sommerferien auf Norderney beendet und ist wieder in Berlin eingetroffen. * über die Erbfolge in Oldenburg ist zwischen dem Großherzog und dem Herzog Friedrich Ferdinand als Chef der Glücksburger Linie des herzoglichen Hauses Schleswig- Holstein-Sonderburg ein vorläufiges Abkommen getroffen worden, wonach, wenn das Recht der Thronfolge nach dem Abgang des Mannes stammes des Herzogs Peter dem Mannesstamm des verstorbenen Herzogs Friedrich zu Schleswig- Holstein-Sonderburg-Glücksburg übertragen wird, die Glücksburger Linie dem oldenburgischen Hause als eventuell erbberechtigte Nebenlinie angegliedert werden soll. K bin familien-Geheimnis. 8) Kriminalroman von Eberhard Woldenberg. lFortl-tzuna.» „Und darauf glaubst du, daß ich dir ant worten werde?" sprach Hilda dunkelrot vor Zorn über diese Indiskretion ihres Cousins. „O, ich kenne den ganzen Plan," erwiderte der Student mit bitterem Lächeln, „ich weiß, daß es der sehnlichste Wunsch deiner Eltern ist, dich mit dem Sohne des berühmten Mannes zu verheiraten," fuhr er mit spöttischer Be tonung fort, „aber ich kann und will nicht glauben, Hilda, daß du, ohne Liebe zu emp finden, deine Hand einem Manne reichen wirst." Und dicht an sie herantretend, setzte er ernst und mahnend hinzu: „Hast du vergessen, was wir uns einst gelobten? Von deinem Bersprechen habe ich gezehrt all' die Jahre hindurch. Emp findest du denn nichts mehr für mich, ist dein Herz tot für mich? O, du weißt ja, wie ich dich liebe, wie ich dich anbete —" Mit einem firenhaften Lächeln hatte ihm die Kokette zugehört. „Höre auf, Bruno," unterbrach sie ihn jetzt spöttisch, „sonst muß ich wahrhaftig glauben, du seiest schon vor lauter Liebe zu mir gemüts krank geworden. Wie kannst du auch von dem Schwure eines Backfisches erwarten, daß ihn die Jungfrau halten soll!" Bruno fühlte sich durch diese Gefühllosigkeit tief verletzt, dennoch vermochte er nicht, die un glückliche Leidenschaft für seine Cousine aus seinem Herzen zu reißen und jede Hoffnung auf ihren Besitz aufzugeben. Mit einer Hartnäckig- *Bei den mehrfachen Meldungen über die angebliche Neubesetzung des Preuß. Mini steriums des Innern hatte ein Berliner Blatt auch zu berichten gewußt, daß dem Kaiser ein noch unerledigtes Abschieds gesuch des Frh. v. Hammerstein vorläge. Diese Angabe ist vollständig aus der Lust ge- gegriffen. Es wird auch sonst von den ver schiedensten Seiten nunmehr erklärt, daß ein Wechsel in der Besetzung des Ministeriums nicht im entferntesten in Aussicht stehe. *Zur Förderung des Baues von Klein wohnungen sind auch in den Reich Setat für 1905 trotz der ungünstigen Lage der Reichs finanzen wiederum 5 Mill. Mk. eingestellt worden, so daß der Titel „Wohnungsfürsorgefonds" all mählich zu einem ständigen im Reichsetat zu werden beginnt. Seit 1901 wurden unter diesem Titel 15 Mill. Mk. bewilligt. Nicht zum wenigsten dem Beispiel des Reiches und der von der Reichs regierung erfolgenden Unterstützung aller Be strebungen zum Bau von Arbeiterwoynungen ist es zu danken, wmn auch andre Institutionen, nament lich Versicherungsanstalten, einen erheblichen Teil ihrer Mittel zum Bau von Arbeiterwohnungen zu billigem Zinsfuß zur Verfügung stellten. Die bis zum Scklusie des Jahres 1903 hergegebene Summe der 31 Versicherungsanstalten des Deutschen Reiches zum Bau von Arbeiterwohnungen belief sich auf rund 110 Mill. Mk. Infolgedessen haben auch die zahlreichen gemeinnützigen Baugenoffenschaften mit Erfolg zu arbeiten vermocht. *Die .Nordd. Allg. Ztg.' glaubt aus den Nachrichten des Generals von Trotha über Deutsch-Südwestafrika schließen zu können, daß die nun von jeder Zufuhr von außen abgeschlossenen Hereros, die in wasser arme Gegenden gedrängt seien, nur noch über wenig Munition verfügen. Major von Estorfs hat die Werft Samuel Mahareros, des Oberführers, genommen. * Einem Aufstand im deutschen Bis marck-Archipel find 10 Europäer zum Opfer gefallen. Am 13. August wurden die Misfionsstationen Sankt Paul, Nacharunep und die Trappistenniederlassung auf der Gazelle- halbinsel durch Eingeborene überfallen, wobei mehrere Väter und Schwestern niedergemetzelt wurden. Die Polizeitruppe nahm sofort die Verfolgung der Mörder im Gebirge auf und erschoß im Kampfe 15 Eingeborene. Die Ver folgung der Aufständischen dauert fort; 21 wurden gefangen genommen. England. *Der Vertragsschluß mit Tibet erregt in politischen Kreisen Englands lebhafte Befriedigung; man erwartet, daß England ein praktisches Protektorat über Tibet ausüben wird. Schweiz. * Die Voruntersuchung gegen Jan Jluicki, der am 10. Juni das Attentat gegen den russi schen Gesandten in Bern Schadowsky verübte, ist nunmehr abgeschlossen. In den nächsten Tagen werden die Akten der Bundes anwaltschaft zngehen. Ruhland. * Der russische Minister des Innern Fürst Mirski äußerte sich in einer Unterredung zu seiner Ernennung wie folgt: „Eine Dezen tralisation ist unumgänglich, die SemstwoS (Selbstverwaltungskörper) sollen einen erweiterten Wirkungskreis in den Fragen des Verkehrs und des Unterrichts erhalten. Eine Vermehrung der Dorfs chulen ist notwendig. > Aber an eine Vereinigung der Semstwo-Delegierten zu einer Körperschaft ist nicht zu denken; der Parlamentarismus paßt nur für Eng land, und der französische Parlamentarismus ist wahrhaftig nicht geeignet, Schule zu machen. Die Iudenfrage soll mit Wohlwollen be handelt werden. Dem gesunden Fortschritt ent gegenzuwirken, fällt mir nicht ein. Die Fort schrittsbewegung ist mächtiger als der stärkste Menschenwille. Der mir im allgemeinen sym pathischen studierenden Jugend soll nur das TörichtegewaltsamerBewegungen vor Augen geführt werden. Schließlich werden aus allen diesen „Revolutionären" brauchbare Beamte." *Der neue Generalgouverneur von Finnland, Fürst Obolensky, erklärte keit, die ihresgleichen suchte, setzte er darum seine inquisitorischen Fragen fort: „Du willst also den Referendar heiraten?" „Mein lieber Bruno, verschone mich mit Fragen, zu denen du gar kein Recht hast. Wenn ich Willi Hartungs Frau werde, kümmert das dich, oder willst du es etwa hindern?" „Ja, ich will es hindern," entgegnete er durch den in ihren Worten liegenden Hohn gereizt. „Oder glaubst du, ich werde ruhig zusehen, wie dich mir ein andrer, und noch dazu dieser Mann entreißt? Ich werde es hindern, sage ich dir, und müßte ich ihm eine Kugel durch den Kopf jagen. Er oder ich, wir wollen sehen, wer Sieger bleibt." Hilda war leichenblaß geworden, weniger aus Furcht vor dieser prahlerischen Drohung, die sie gar nicht ernst nahm, als vor Zorn. Sie hatte schon eine heftige Entgegnung auf der Zunge, als Bruno ihr zuvorkam: „Und übrigens, liebe Hilda, möchte ich dir zu bedenken geben, daß man doch auch den Charakter eines Mannes erst prüfen muß, der Referendar —" „Ist ein Mann, der jedenfalls, was seinen moralischen Wert anbetrifft, hoch über dir steht," fiel Hilda boshaft ein. „Mag sein," gab Bruno achselzuckend in demselben Tone zurück, „aber die Liebe ist ein schlechter Wertmesser. Ich bin wenigstens der Ansicht, daß Hartung, wenn er mit der Absicht umgeht, um dich zu werben, sein Herz nicht auf einem andern Altäre zum Opfer bringen darf." zahlreichen finnländischen Deputationen: Der Zar wünsche nicht, daß die deutsche Sprache unterdrückt werde. Er verlange aber, daß alle Staatsbeamte die russische Sprache beherrschen. Falls die Finnländer die versteckte Opposition ausgeben, würde er beim Zaren die Aufhebung der von dem früheren Generalgouverneur Bobrikow verfügten russischen Maßnahmen er wirken. *Die ,Nowoje Wremja' weist auf die Notlage des russischen Roten Kreuzes hin, die dadurch entstanden sei, daß infolge vorgekommener erheblicher Mißbräuche das Rote Kreuz allgemeinem Miß trauen begegne und daß die russische Gesell schaft für alles spende, nur nicht für das Rote Kreuz. Das Blatt richtet einen Appell an die Öffentlichkeit, das Mißtrauen zu unterdrücken und schließt mit der Erklärung, daß die Mittel des Roten Kreuzes erschöpft seien. Es ver ausgabe seinen letzten Rubel. kriegsgefangen. Einen Besuch bei den kriegsgefangenen russischen Offizieren in Matzujama schildert Luigi Barzini, der Kriegsberichterstatter des .Corriere della Sera' in einem vom 11. Juli datierten Briefe: „Oberst Matzui, der die kriegsgefangenen Russen unter seiner Obhut hat, erzählte dem Journalisten, daß die Offiziere und die Soldaten nette Leute seien. „Wenn sie aber getrunken haben" — so fuhr er fort — „werden sie ein bißchen originell. Wir haben aus den öffentlichen Verkaufsstellen in Matzu jama alles Bier entfernen lassen müssen. Wenn sie, von einem unsrer Offiziere begleitet, aus gingen, um einen Spazierganz zu machen, blieben sie vor jedem Ausschank stehen, um Bier zu trinken. Es ist bei uns nicht Sitte, auf der Straße zn trinken und alle Leute schauten verwundert zu. Da sagte eines Tages der japanische Offizier zu den Gefangenen: „Trinkt doch nicht dieses Bier, das so schlecht ist; kommt, ich führe euch an einen Ort, wo das Bier ausgezeichnet ist." Die Russen waren Überglücklich und folgten ihm. An jeder Straßen ecke fragten sie: „Ist es hier?" Und der Offi zier erwiderte: „Nein, noch weiter." Und so führte er sie nach Hause zurück." Der Oberst erzählte das mit dem größten Ernste, aber seine Augen lächelten über den gelungenen Spaß. Als Barzini in Matzujama ankam, fand für die russischen Offiziere, die im Kokaido, dem Rathause, wohnen, feierlicher Gottesdienst statt. Es war Sonntag, und von Tokio war ein orthodoxer Priester herübergekommen, um den Gottesdienst zu leiten. Im Schlafsaale traf der Italiener einen jungen Russen, der mit einem Buch in der Hand auf einem Feldstuhl saß. Ich will mich diskret zurückziehen," erzählt Barzini, „aber er hat mich schon gesehen und ist überrascht aufgesprungen. Die Anwesenheit eines Europäers setzt ihn in Staunen. Wir be grüßen uns: „Bonjour, monsiour! — Lonjour." Er ist ein schlanker junger Mann mit einem am Kinn geteilten dunklen Bärtchen; er ist elegant in Zivil gekleidet und tritt sehr vor nehm auf. Leutnant Kojima, der mich begleite, stellt uns einander vor. Der Russe heißt von Wahl. „Sie sind nicht zum Gottesdienst ge gangen ?" fragte ich ihn. — „Ich bin Calvinist," erwidert er. Wir gehen auf der Veranda spazieren, von gleichgültigen Dingen sprechend, vom Klima Japans, von den kleinen Fischen im See, von den japanischen Mücken, die sich gerade in den sogenannten Schutznetzen fest setzen und den unglücklichen Opfern ihre Kriegs hymnen ins Ohr fingen. Vom Kriege sprechen wir nicht, wie man bei einem Beileidsbesuch nicht von einem Unglück spricht. Und doch haben wir uns viel zu fragen und zu sagen. Nach einem langem Schweigen beginne ich — Leutnant Kojima hat sich entfernt —: „Sie sind am Jalu ... — gefangen worden?" — „Nein. Es war nach der Jalu-Schlacht bei einem Er kundigungsritt im Norden von Feng-ksang- tscheng. Wie in der Falle gefangen." Der Offizier dachte einen Augenblick nach und sagte dann: „Ja, so liegen die Dinge. Wir begehen einen schweren Fehler, den die Japaner nicht „Du bist ein Verleumder," sagte Hilda stolz, konnte aber doch eine gewisse Unruhe und Be stürzung nicht ganz verbergen. „Willst du Beweise?" fragte Bruno ruhig. Hilda sah ihn finster an und antwortete nicht, dann irrten ihre Augen suchend im Saale umher und, als hätte sie gesunden, was sie entdecken wollte, ries sie plötzlich leise mit der Hand über Brunos Schulter deutend: „Ah, da kommt er ja selbst! Nun werde ich hören, wie es mit deinen Beweisen steht," setzte sie spöttisch hinzu. Bmno drehte sich erschrocken um und ge wahrte Willi Hartung, der sich langsam näherte. „Da werde ich mich lieber empfehlen," sagte er hastig, „ich will mit ihm nicht zusammentreffen, wir kennen uns nicht." Hildalächelte verächtlich. „Feigling!" sagte sie. „Ich werde noch beweisen, daß ich es nicht binn und du dürftest die Veranlassung dazu geben." „Du bist ein Narr!" rief ihm Hilda leise nach und wandte sich dann mit einem be zaubernden Lächeln dem soeben herantretenden Referendar zu. Während diese Plänkelei zwischen Koufin und Koufine stattfand, hatte der Vater der letzteren mit dem Oberst ein sehr ernsthaftes Gespräch. Zum Schluß desselben reichte der Oberst dem Bankier die Hand mit den Worten: „Also abgemacht, Herr Wechsler. Mein Enkel wird sich an einem der nächsten Tage die Ehre geben, bei Ihnen vorzusprechen und in aller Form um die Hand Ihres Fräulein Tochter anzuhalten." begehen: wir verlassen uns zu sehr auf die Kavallerie. Und doch ist in diesem Kriege die Kavallerie ganz wertlos. Das Pferd ist in einem Lande wie die Mandschurei ein wahres Hindernis iür rasche Bewegungen. Es gibt dort keine Straßen; denken Sie sich mU Wald bedeckte Hügel, und zwischen den Hügeln große, steinige Gießbäche. Die Hügel find für die Reiterei nicht zugänglich, daher sind die Fluß betts die einzige« Straßen; und da man dort hindurch muß, ob man will oder nicht, läuft man stets Gefahr, überrascht zu werden. So ging es auch mir. Als ich mit zwölf Kosaken von einem Erkundigungsritt zurückkehrte, wurden wir, während wir im Tale ritten, von einer auf zwei Hügelreihen aufgestellten Kompanie Infanterie in die Mitte genommen. „Ein wahrer Kugelregen ergoß sich über uns. Wir wagten einen Höllenritt — da traf mich eine Kugel und ich wurde mit meinen Leuten gefangen genommen. Die japanische Kavallerie greift nicht an und begibt sich nicht in Gefahr. Wenn Sie eine japanische Kavallerie-Patrouille treffen, können Sie sicher sein, daß die Infanterie höchstens eine Viertelmeile entfernt ist. Die Japaner machen ihren Erkundungsdienst mit mehr Infanterie' als Kavallerie. Und dann kennen sie das Land vortrefflich; es gibt keinen japanischen Offizier, der nicht früher schon dort gewesen ist. Sie haben ausgezeichnete Karten, und die Chinesen leisten ihnen als Spione vor zügliche Dienste. Sie werden es aber bitter bereuen, weil ihnen das Geld, das sie erhalten, keinen Vorteil bringen wird. Als ich gefangen genommen wurde, gab man mir japanisches Papiergeld. Als ich dann aber in Matzujama das Geld ausgeben wollte, nahm es kein Mensch an. Dieses Papier hat hier keinen Wert und ist nicht einmal bekannt; es ist nur für den Kriegsgebrauch in Korea und in der Mandschurei gemacht worden. Wenn es den Japanern also schlecht ergehen sollte, werden alle diese Chinesen mit ihrem Papiergeld, das sie für sreundwillige Dienste erhalten haben, sitzen bleiben." Inzwischen waren die andern Offiziere vom Gottesdienst gekommen; sie tragen keine Uniform mehr, und die Röcke, die ihnen der japanische Schneider gemacht hat, sitzen nicht; der arme Mann hatte bis dahin sicher noch niemals Männer von solchen Dimensionen bekleidet. Die meisten Offiziere grüßten militärisch und stellten sich dem italienischen Journalisten vor. Alle erkundigten sich nach den neuesten Ereignissen auf dem Kriegsschauplatz, von denen sie nur wenig wissen, und was sie wissen, ist natürlich stark japanisch gefärbt." Von uncl fern. Der Oberhofmeister der Kaiserin Freiherr von Mirbach hat sich bis Mitte Oktober zu nächst nach dem Harz auf Urlaub begeben. Prinzessin Luise von Koburg wohnt in Paris im Hotel Westminster. Der Prinz von Koburg will zunächst abwarten, was die Prinzessin unternimmt und welche Vorschläge ihr Sachwalter dem seinigen macht. Gewalt maßregeln werden keinensalls angewendet werden. Daß der Prinzessin die Aufhebung der Ent mündigung gelingen wird, ist unwahrscheinlich, da ste, wie man annimmt, schwerlich Fachleute finden wird, die sie Namen wie von Krafft- Ebing, Jolly, Obersteiger, Wagner u. a. mit Erfolg entgegenstellen kann. Die Herausgabe der Mitgift der Prinzessin, die übrigens nur zweihunderttausend Frank beträgt, dürfte sowohl mit Rücksicht auf ihre Kinder, die Erbansprüche haben, als auch wegen ihrer Verschwendungs sucht kaum erfolgen. Vielleicht bewilligt man ihr die Zinsen und aus Belgien einen Zuschuß von etwa 30 000 Frank jährlich. Das Befinden des Fürsten Herbert Bismarck. Der Fürst ist sehr schwer magen krank und liegt angeblich hoffnungslos danieder. Prof. Schweninger ist fortgesetzt um den Kranken bemüht, der sehr nervös ist und sich nur mit Mühe im Zimmer bewegen kann. Beim Zusammensturz mehrerer Marmor platten in einem Marmorlager in Köln wurden drei Arbeiter, die unter die fallenden Stein massen gerieten, schwer verletzt. > »» Nicht weit von den beiden Männern bildete dasselbe Thema den Gesprächsstoff zwischen Frau Wechsler und dec Mutter Willis, und auch hier schien das Resultat zur beiderseitigen Zufriedenheit auszufallen. Würde der leidende Zustand Hartungs nicht zum früh zeitigen Aufbruch gemahnt haben, so hätten die beiden Mütter wohl noch stundenlang Pläne für die Zukunft ihrer Kinder fortgefponnen; kurz nach Mitternacht aber ging die Gesellschaft auseinander. Willi hatte, der Höflichkeit ge horchend, Hilda Wechsler zu ihrem Wagen ge leitet und war dann mit seinen Ellern nach Hause gefahren. Bruno hatte daheim nichts eiligeres zu tun, als seinen Onkel um die versprochene Summe zu mahnen. „Das ist aber das letztemal gewesen," sagte derselbe, als er seinem leichtsinnigen Neffen das Geld überreichte. Bruno lachte still vor sich hin. Diese Drohung war ja nicht ernst zu nehmen. So oft er derartige außergewöhnliche Zuschüsse ver langte, hatte er dieselbe schon zu hören be kommen, und wenn er morgen das Doppelte erbäte, würde der gute Onkel bereitwillig das Geld hergeben, um die „Ehrenschuld" zu tilgen. Diese Ehrenschulden waren eine sehr eintiägltche Erfindung Brunos und zu einem wahren Er pressungssystem von ihm ausgearbeitet worden, das nie den Erfolg verfehlte. Er sah auch durchaus keinen Grund, zu sparen; sein väter liches Erbteil, das de» Onkel verwaltete, reichte doch aus, so lange er lebte, wenn er auch ab und zu mal ein wenig tiefer in den Schatz griff.
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