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Naunhofer Nachrichten : 15.06.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-190406157
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19040615
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19040615
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungNaunhofer Nachrichten
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-15
- Monat1904-06
- Jahr1904
- Titel
- Naunhofer Nachrichten : 15.06.1904
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können, daß die Nachricht vollkommen an der Luft gegriffen ist. Es besteht weder die Absicht, der Prinzessin Luise für ihr jüngstes Kind eine vom König Georg bestimmte Dame zur Aufsicht zuzuteilen, noch ist neuerdings von der Prinzessin ein Immediatgesuch um Genehmigung, ihre Kinder sehen zu dürfen, an den König gerichtet worden. Deshalb konnte selbstverständlich auch keine Ablehnung erfolgen, noch dazu eine solche, die „weitere derartige Gesuche" al» „nutzlos* bezeichne. Im übrigen ist erfreulicher Weise zu berichten, daß die Beziehungen der Prinzessin Luise zn ihren Eltern, dem GroßherzogSpaar von Toskana, die alte Herzlichkeit erlangt haben. Vom Kriegsschauplatz in Ostafien Petersburg. Hier verlautet gerücht weise, daß vor Port Arthur eine große See schlacht stattgefunden habe. Zwei russische und vier japanische große Schiffe sollen untergegangen sein. Petersburg. Aus Haitscheng wird gemeldet: Eine russische Abteilung griff zwei japanische Bataillone an und umfaßte sie nach längerem, mörderischem Feuer im Rücken. Beide Bataillone wurden nahezu augerieben. General Oku besetzte nach einer Tokioer Privatmeldung die nordwestlichen Außen- fort- von Port Arthur beherrschenden Höhen und nahm nach heftigem Artillerietampfe die wichtigen Wangtaifort» weg. Die japanische Flotte unterstützte seine Operationen. (Die Bestätigung dieser Meldung bleibt noch abzu warten.) In Rom will man aus Tokio erfahren haben, Kuropatkin habe sich unmittelbar an den Zaren mit der Vorstellung gewendet, daß e» nur unnötiges Blutvergießen bedeuten würde, den Entsatz von Port Arthur zu ver suchen. Der Zar habe deshalb die Instruktion zurückgenommen, wonach Kuropatkin die Offen sive ergreifen sollte. — Aus Petersburg in Paris eiutreffende Nachrichten besagen, die Lage KuropatkinS wird für verzweifelt ge halten, weil die von ihm dringlich verlangten Verstärkungen noch nicht eingetroffen sind. Man spricht sogar davon, daß Kuropatkin dazu gezwungen sein würde, sich nordwärts zu konzentrieren, um nicht von den anrückenden japanischen Armeen umgangen zu werden. Der Aufstand der Herero Berlin. Die Nordabteilung Zülow hat am 29. Mat Ottavi erreicht und klärt auf Otjenga auf. Koblenz von Volkmann wegen Wassermangels und Krankheit aufgegeben. Der Omuramba-Ua-Masako durch Spione beobachtet. Häuptling Nechall soll den Posten Namutosu zerstört und den Herero viel Munition verkauft haben. Die 7. Kompagnie, noch unberitten in Okahandja, soll Ver- pflegungSnachschub decken. Eine neue Entsendung von 1000 Mann nach Südwestafrika soll, wie dem „Frankf. Kur.* zufolge in Berlin gerüchtweise verlautet, vorbereitet werden. — Zur Ausrüstung der deutschen Truppen für Südwestafrika wird dem „Hann. Kur." berichtet, daß alle auf fälligen Rangabzeichen der Offiziere und Unteroffiziere zum Abnehmen eingerichtet find und im Felde nicht getragen werden dürfen, um bei den scharfen Augen der Herero jedes Erkennungsmerkmal verschwinden zu lassen. Die Offiziere müssen jetzt auf Befehl Patronengürtel und Seitengewehr der Mann schaften tragen, sodaß jeder Unterschied, der bisher so unverhältnismüßig viel hohe Opfer kostete, derart, daß er die Truppen, wie an dem Unglückstag bei Owikokorero, nahezu führerlos machte, fortan fortfäüt. Bestehen bleiben al» Abzeichen für Offiziere die silbernen Kokarden am Schlapphui und daS Portepee am Patronengürtel. Rundschau — Für die Entsendung einer deutschen Fußballmannschaft zu den olympischen Spielen in St. Louis hat der Reichsausschuß 5000 Mark bewilligt. Da die Kosten sich auf ca. 7700 Mark stellen, so will der Deutsche Fußballbund die noch fehlenden 2700 Mark aufbringen. Die Mannschaft soll aus den besten deutschen Fußballspielern zusammengesetzt werden. — Die durch den südafrikanischen Krieg schwer geschädigten deutschen Ansiedler haben eine Deputation nach Sech Mutterlande gesandt, die ihre Lage an maßgebender Stelle schildern und für eine gerechte Entschädigung eintreten soll. Wir hatten — schreibt man dem „Chemn. Tgbl." — heute mit dem Deputationsmitgliede Herrn Moritz Kirsten, der sich mit seiner Frau in Dresden bezw. Großbothen aufhält, eine längere Unterredung, welche uns den Beweis lieferte, daß Kirsten mit den südwestafrikanischen Verhältnissen sehr wohl vertraut ist. Er zählt auch tatsächlich zu den ältesten deutschen Farmern, sowie zu denjenigen, die sich rühmen können, ihre Zeit nicht unnütz in fremdem Lande verbracht zu haben. Leutwein wird von Kirsten als ein tüchtiger Mann geschildert, der sich aber über arbeitet habe und zu gut und nachsichtig mit den Herero gewesen sei. Diese Gutmütigkeit räche sich bei den Naturvölkern stets, da sie diese Eigenschaften als Schwäche betrachten. Der Anlaß zum allgemeinen Aufstande ist nach Kirstens Ansicht lediglich im Neid zu suchen. Die Eingeborenen hatten anfangs geglaubt, daß die deutschen Ansiedler nicht vorwärts kommen würden, sie hatten sich aber getäuscht, denn unter deutschem Fleiße gelangten die Kolonien zum Aufblühen. — Berlin. Hier wurde bet einem Hause am Schiffsbauerdamm, in der Nähe des Bahnhofes Friedrichstraße, aus der Spree die Leiche eines 10 bis 15 Jahre alten Mädchens, der Kopf, Arme und Beine fehlten, gelandet. Bekleidet war der Rumpf mit einem weißen Hemd, einem weißen und rotgestrickten wollenen Unterrock. Die Leiche wurde als die seit zwei Tagen vermißte 12jährige Lucie Berlin rekognosziert. Die Polizei hat für die Ermittelung des Täters eine Belohnung von 1000 M. ausgesetzt. — Köln. Die „Köln. Zig." veröffent licht eine längere russische Zuschrift, wonach sich die Unzufriedenheit des russischen Volkes nicht nur in oppositionellen, sondern in den allerkonservativsten Kreisen fühlbar mache. Die oppositionelle Strömung mache rasch und entschieden Eroberungen. In zahllosen Auf sätzen russischer Gelehrter werde dargetan, daß der Krieg von einer Reihe einflußreicher Personen heraufbeschworen worden sei, die selbst wichtige Interessen in Ostasien verfolgen. Die Lage ist sehr ernst. Auch in Kreisen der Offiziere mache sich Unzufriedenheit bemerk bar, was aus zahlreichen ostasiatischen Offiziers» briefen hervorgehe. General Dragomirow äußerte: Wie kann «S ander» sein, wenn unsere Weisen gleichzeitig auf sechs Hasen, den polnischen, finländischen, türkischen, per sischen, indischen und nunmehr auch mand schurischen, Jagd machen! — Oppel«. Das Schöffengericht hatte den großpolnischen Agitator Jakob Kania zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er am letzten Geburtstage des Kaisers die Fahne eines Kriegervereins entwendet und sich mit ihr während des Kirchganges des Vereins versteckt hatte. Sowohl der Angeklagte wie der Staatsanwalt hatten gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Die Berufung des An geklagten wurde verworfen, die des Staats anwalts anerkannt und Kania zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. — Worms. Wie die „Worms. Ztg." aus Ottenheim a. Rh. meldet, wollten die Bewohner des Dorfes Unterheim mehrere Zigeunerwagen nicht in den Ort einlasien. Es entspann sich infolgedessen ein Kampf, bei dem die Zigeuner schoflen. Eine Person wurde gelötet, vier schwer verletzt. . — Wien. Ein einer hiesigen aus ländischen Botschaft nahestehender Diplomat erklärte Vertretern einer russischen Zeitung, trotz aller offiziösen Dementis bleibe e» wahr, daß die russische Regierung bei der Pforte Schritte unternommen habe, um die Erlaub nis für die Durchfahrt eine» Teils der Schwarzen Meerflotte durch die Dardanellen zu erlangen. Der Sultan sei nicht abgeneigt, dem Wunsche Rußlands zu entsprechen, mache aber die Zusage von der Zustimmung der übrigen Mächte abhängig. Es werde bekannt, daß England energisch sich gegen die Zusage aufgelehnt habe. Infolgedessen habe in den letzten Tagen ein reger Depeschendienst zwischen den Höfen von Petersburg, London und Berlin stattgefunden. Der Zar habe den Kaiser Wilhelm persönlich gebeten, dahin zu wirken, daß die Zustimmung aller Mächte erfolge, da Rußland der Verstärkung seiner Flotte dringend bedürfe. — Belgrad, 11. Juni. Die Stadt hatte ibr gewöhnliches alltägliches Aussehen. Die Morgenblätter besprechen die historische Bedeutung des 11. Juni. Der gestrige Befehl des KriegSministcrS, durch welchen das Konzert im Offizierkasino verboten wurde hat einen sehr guten Eindruck in der Stadt gemacht. Die Gräber der Brüder Lunjewitsch wurden schon gestern abend von der Familie reich mit Blumen geschmückt. Die kleine Markuskapelle, in der heute das Requiem für das ermordete Konigspaar stattfand, war voll besetzt, zumeist mit Frauen. Von den nächsten Verwandten der Obrenowitsch war niemand erschienen. Von politischen Persön lichkeiten nahmen die ehemaligen Minister L-zarewitsch und TenseS an der Feier teil. Alles verlief ruhig. — Von einem in großem Stil angelegten, im letzten Augenblick vereitelten Attentats versuch auf die Zarenfamilie läßt sich die „Daily Mail" aus Petersburg melden: London. In der Nacht zum 7. Juni wurden im ZarSkoje Sselo-Palast zwei Höllenmaschinen in Tabakkisten versteckt auf gefunden, die eine im Speisesaal, die andre im Audtenzgemach. Bei beiden war der Mechanismus im Gange. Die Sache wird aufs strengste geheim gehalten. Von keiner anderen Seite ist über die Ange» legenheit etwas an die Oeffentlichkeit ge drungen, jedenfalls muß dieser Nachricht ein Fragezeichen vorausgehen. Aus Stadt und Land. Naunhof, den 14. Juni 1904. Naunhof. Seite»» der Staats anwaltschaft fand gestern eine Unter suchung über den kürzlich in der Göthestraße stattgefundenen Villenbrand statt. Selbst verständlich wird darüber das größte Geheimnis bewahrt. Mittwoch, den 15. Juni, von V,5—6 Uhr Kurkonzert a. d. Fürst Bismarckhütte. Konzert-Programm Dir: Julius Hertel, Stadtmusikdirektor. 1. Siegesgruß. Marsch v. Schöppe. 2 Ouvertüre z. Op. „Leichte Kavallerie"». Suppö. 3. Chor und Liev an ven Abendstern a d Op „Tannenhäuser" v. Wagner. 4. Myrthenblätter. Walzer v. Kruse. 5 Amalien-Gavotte v. Hartmann. 6 Musikalisches Frage- u. Antwortsspiel, Potpourri v. Wiggert. 7. Valeska-O uverille v. Lüdecke. 8. Nlanenstreiche. Galopp v. Gottlöber -s Ueber das Befinden Sr. Majestät des Königs wurde gestern vorm ittag folgender Hofbericht ausgegeben: „Se. Majestät der König verbrachte die vergangene Nacht etwas besser, wenn auch Atmungsbeschwerden wieder eintraten, so haben Allerhöchstderselbe, nach ihrer Milderung, doch mehrere Stunden im Lehn stuhle ruhig geschlafen. Die reichlichere Nahrungsaufnahme hat zur Hebung der Kräfte geführt. Se. Majestät werden heute zum ersten Male sich im Freien aufhalten und bei fortdauernder günstiger Witterung dies täglich und länger wiederholen." Auch am gestrigen Tage war das Befinden Sr. Majestät des Königs befriedigend, in der vergangenen Nacht jedoch traten abermals langandauernde Anfälle von Atemnot und Beklemmung ein. f- Se. König!. Hoheit der Kronprinz be suchte am Freitag unsere Nachbarstadt Grimma, übernachtete im dortigen „Schützenhaus" und besichtigte am Sonn abend früh die 2., 3. und 4. Eskadron des 10. Husaren-Regiments. Nachmittags erfolgte die Rückreise nach Dresden. -j- Wie seiner Zeit bei uns in Naunhof so Hst auch der Gewerbeverein zu Laufigk die Beschaffung einer Ltchtzentrale in tue Hand genommen und nach einem Vortrag des Herrn Bürgermeisters Fabian für Errichtung einer Gasanstalt entschieden. Der Stadtgemetnderat wurde beauftragt, in diesem Sinne Beschluß zu fassen. f- Die Anmeldung für den nächsten Auf nahmetermin in die Soldatenknaben- Erziehungsanstalt in Klein st ruppen zu Ostern kann bereits von jetzt ab bis Ende Dezember 1904 bei den Bezirkskommandos erfolgen. Zur Aufnahme berechtigt sind die Söhne gut gedienter Unteroffiziere und Soldaten der sächsischen Armee, welche zu Ostern 1905 konfirmiert werden. Knaben, welche voraussichtlich späterhin zum Militär dienst körperlich ungeeignet find, werden nicht ausgenommen. Die Zöglinge der Anstalt in Kleinstruppen werden in der Regel nach einem Jahre in die Unteroffiziervorschule in Marienberg überführt, aus letzterer nach Per kleine Doktor. Roman von W. Sartory. 37 Als er an der Rampe angelangt war, waren einige Män ner ihm behilflich. Netlow hätte auch allein nicht die Kraft ge habt, sich aus dem Wasser emporzuziehen, der Arm, mit dem er den Jnngen über Wasser gehalten hatte, war ihm ganz steif geworden. Als der kleine Doktor sich etwas verschnanft hatte und seine Umgebung musterte, sah er nicht weit von sich Irma von Hoch- heim, die halb ohnmächtig auf Ida Bonee und Tante Gertrud gestützt, ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Wie ein Blitzstrahl ging es ihm durchs Herz: „Sie bangt um Dich!" Er vergaß alles, was um ihn geschah, seine Müdigkeit, den Jungen, von dem er nicht wußte, ob er noch lebte, und eilte auf Irma zu, faßte ihre schlaff herabhängende Hand und sie an seine Lippen drückend, flüsterte er innig: „Irma, meine Irma! Du hast um mich gebangt?" Erst jetzt fand Irma von Hochheim ihre Kräfte wieder, mit Gewalt raffte sie sich aus dem betäubenden Gefühl auf. Ihre Augen verloren den erschreckten Ausdruck,sie blickten ruhig, ernst. Dr. Retlow sah befremdet diese Veränderung in ihrem We- sen. Hatte er sich doch getäuscht? „Herr Doktor, verzeihen Sie mir, daß ich Sie einen Feig- ling genannt," kam es halblaut von Irmas Lippen. „Sie sind ein Held." Dr. Netlow wollte wieder ihre Hand an seine Lippen füh ren Hastig zog sie dieselbe zurück mit den fast in flehendem Tone hervorgebrachten Worten: „Nicht, HerrDoktor.tunSie dasnicht!" „Aber, Herr Doktor! Wir stehen hier und bedenken gar nicht Ihren Zustand," fiel da Ida Bonee ein, die der Umgebung we- gen es für Zeit fand, die Unterhaltung der beiden ganz abwe- lenden Menschen abzubrechen. „Wo ist der Junge?" fuhr Retlow zerstreut auf. „Auf den Rasen haben sie ihn hingelegt." Retlow eilte die Rampe hinauf und sah oben auf dem Ra senplatz einen ganzen Kreis gaffender Menschen stehen Als man ihn ankommen sah, wurde ihm bereitwilligst Platz gemacht. „Do kemmt de Heer," hörte er eine Frau sagen, die sich um den Jungen bemühte. Ein Mann in Arbeitskleidern stand auf und reichte ihm, eine Träne in den Angen, die schwielige Hand hin. „Ihr seid en brave Mann! Gott wird es Euch lolmen!" „Machen Sie keine Umstände, ich hab'nur meine Pflicht ge tan. Ist ja gar nicht der Rede wert," wehrte Netlow den Dank ab. Tann bengte er sich zu dem Jnngen nieder, der noch immer ohne Bewußtsein dalag. „Off de Kopp stelle, dat et Wasser 'erausläst," meinte einer der Umstehenden. „Dummes Zeug," meinte Dr. Retlow ärgerlich, „daß er sicher stirbt, was?" Er legte den Jungen mit dem Kopf etwas tiefer und begann die Arme auf- und abwärts zu bewegen. Es dauerte nicht lange, da gab der Innge ein Lebenszeichen von sich. Zuerst war es ein schwaches Röcheln, das stärker wurde, dann kam plötzlich das Wasser aus dem Munde. Als der Junge so weit die Besinnung wieder hatte, befahl Retlow, ihn nach Hause zu tragen und gleich ms Bett zu legen. Der Mann in den Arbeitskleidern nahm sein Söhnchen auf den Arin. Noch einmal trat er zu Retlow hin und drückte ihm dankbar die Hand. „Ich weiß net, wie ich Euch danke soll," sagte er gerührt. „Wollt Ihr mir net Euere Name sage?" Dr. Retlow nannte ihm seinen Namen und entfernte sich. „Nun kommen Sie aber, Doktor, schnell insHotel zurück. Sie werden sonst noch krank," sagte Ida Bonee energisch und faßte ihn am Arm. Dr. Retlow sah sich suchend um. „Irma von Hochheim ist weg," fuhr Ida Bonee fort, seine stnmme Frage beantwortend.Lächelnd fügte sie hinzu: „Sie glaubt, Sie seien bei mir in sicherer Hut und will mir nicht hindernd in den Weg treten." „Wohin ist sie?" „Lassen Sie das jetzt, Doktor. Sie haben doch gesehen, daß die Dame Sie liebt, oder Sie müßten ganz mit Blindheit ge schlagen sein. Das Uebrige werde ich besorgen. Ich bin ja so zusagen an diesem Seelenkonflikt schuld." Hastig schritten sie durch die Allee dem Hotel „Spiegel" zu. Die ihnen begegnenden Passanten blieben verwundert stehen, als sie den nassen Tolwr sahen. „Aber Doktor, eine solche Courage hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut," konnte Ida nicht unterlassen, einzugestehcn. „Das ging ja alles wie der Blitz. Und die Angst, die Irma von Hoch' heim ausgestanden! Wenn ich sie nicht gehalten hätte, ich glaube, sie wäre im stände gewesen, Ihnen nachzuspringen!" Dr. Retlow konnte nichts erwidern. Er sah noch immer diese ängstlich aufgerissenen Augen. Sie hatteumihn gezittert, umseio Leben gebangt? Er hätte ausjauchzen mögen vor Lust. * * * Irma von Hochheim war mehr tot als lebendig auf Marien berg angelangt. Tante Gertrud hatte nichts Eiligeres zu tun, als sie ins Bett zu schaffen. Wie ein hitziges Fieber war es über sie gekommen, der Kopf brannte und die aufgeregte Phantasie spiegelte ihr allerhand er schreckende Bilder vor. Tante Gertrud bewachte ihren Liebling, wie eine Mutter ihr krankes Kind, die ganze Nacht saß sie wachend neben dem Bett, nnd erst gegen Morgen, als der Tag schon graute und Irma in einen etwas ruhigen Schlaf gefallen war, nickte sie etwas auf dem Sessel ein. Plötzlich wurde sie durch einen ängstlichen Schrei geweckt. Erschreckt fuhr sie aus ihrem Schlummer auf. Irma saß halb aufgerichtet im Bett. Die schwarzen Locken fielen aufgelöst auf ihre weißen Schultern, die Augen starrten weit aufgerissen umher. „Der Doktor, der Doktor! Ist er tot? Ich hab' ihn im Wasser gesehen!" kam es anfgeregt über ihre Lippen. „Irma, sei still. Du hast geträumt," suchte Tante Gertrud sie zn beruhigen. Irma sah sich wie snchend im Zimmer um, langsam schien ihr die Besinnung wiederzukommcn. „Mir ist so heiß im Kopf," klagte sie. „Lege Dich wieder hin, Irma. Dn nrnßt Nnhe haben." Tante Gertrud bettete sie wieder sorglich zu und nach einer Weile schlummerte Irma wieder ein. Zehn Uhr mochte es sein. Tante Gertrud hatte das Zimmer verlassen, in dem Irma noch immer ruhig schlief, als leise an der Tür geklopft wurde. 112,20
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