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Naunhofer Nachrichten : 14.10.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-190410140
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19041014
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19041014
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungNaunhofer Nachrichten
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-14
- Monat1904-10
- Jahr1904
- Titel
- Naunhofer Nachrichten : 14.10.1904
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dieses je nach der weiteren Entnsscklung drs Thronfolgestreites vor. gez. Georg, Graf und Edler Herr zur Lippe-Biesterfeld-Weißenfeld." — Graf Georg ist nicht zu verwechseln mit seinem Vetter, dem Grafen Erich, der eben falls Ansprüche auf die Regentschaft und Thron folge in Lippe erhebt und bereits einen BundeS- bevollmächtigten ernannt hatte. Auf direkte Anordnung des Reichskanzlers finden unter den beteiligten Reichsressorts Be sprechungen statt, die zum Zweck haben, alle Gesichtspunkte zu prüfen und die nötigen Materalien zu sammeln, damit der Bundesrat so schnell als möglich in die Beratung der lippischen Angelegenheit eintreten kann. Diese äußerste Beschleunigung der Angelegenheit ent spricht dem ausdrücklichen Wunsche des Reichs kanzlers. Das Berfügungsrecht der Gemeinden in Preußen über ihre Schulräume, das jetzt zum Streit zwischen der Stadt Berlin und der Regierung geführt hat, ist der „Tägl. Rundschau" zu folge vor einigen Jahren bereits ^om Ober verwaltungsgericht in Berlin dahin festgestellt worden: „Die Gemeinde hat, abgesehen von berechtigten Eingriffen der Schulbehörden bei unzulässiger Benutzung, an den städtischen Turnhallen die vollen Rechte des Privateigen- tümers; sie kann diese vermieten oder unent geltlich vergeben, oder auch unbenutzt stehen lassen, ohne daß die außerhalb der Schul zwecke mögliche wirtschaftliche Verwendung der Kritik der einzelnen Gemeindeglieder unter liegt. Damals hatte der Arbeiter-Turnverein in Köpenick einen Prozeß gegen die dortige Stadlgemeinde wegen Ueberlassung einer städtischen Turnhalle geführt. Zu dem Streitfall schreibt die freikonservative „Post" u. a.: Die polnischen Sokolvereine (es handelt sich, um die Ueberlassung von Turnhalle und Aula an polnische, tschechische, freireligiöse und andere Vereine) sind Mittelpunkt planmäßiger polnischer Pro paganda und Hetze; die Jugendabteilung des Turnvereins „Fichte" haben Sozialdemokraten gegründet, um der Jugend sozialdemokratisches Fühlen durch gleichgesinnten Verkehr recht nachhaltig einzuflößen. Zur Förderung solcher Bestrebungen sind die Schulen, in denen die Kinder zur Religiosität, Vaterlandsliebe und Königstreue erzogen werden sollen, doch eben so wenig da, wie zur Förderung polnischer und tschechischer Propaganda. Auch ist es wohl selbstverständlich, daß Anstalten, über welche eine christliche Regierung die Oberauf sicht führt, nicht Versammlungsstätten frei religiöser und irreligiöser Vereine sein dürfen. Mit Mäßigung und Geduld hat das Provinzial schulkollegium drei Jahre hindurch dem Berliner Magistrat das beizubringen versucht. Der Magistrat hat sich geweigert, den gesetzlichen Bestimmungen nachzukommen, und so ist nun die Regierung genötigt, dem geltenden Recht und Gesetz Achtung zu verschaffen. Der Aufstand der Witbois. Aus der jetzt in Deutschland eingetroffenen Nummer der Deutsch-Südwestafrikanischen Zeitung vom 7. September geht hervor, daß man damals in Swakopmund wegen der Witbois noch keine ernsthaften Befürchtungen hegte. Die seinerseits gemeldete und jetzt als ein Argument für die allgemeine Unzuver lässigkeit der Witbois angezogene Entfernung von 19 Witbois vom Kriegsschauplätze nach dem Gefecht bei Waterberg wird mit einer ge wissen Kriegsmüdigkeit der Witbois, denen so lang dauernde Feldzüge etwas vollkommen Ungewohntes seien, erklärt. In der „Nat.- Ztg." äußert sich ein soeben aus dem Süden unseres Schutzgebietes zurückgekehrter und mit den dortigen Verhältnissen vertrauter Herr ausführlich über die Gründe für den Abfall der Witbois in Gibeon und über den Charakter der Kapitäne des Südens. Den Grund für den Witboiaufstand sucht der Gewährsmann des genannten Blattes in dem Eindruck, den die Witbois von dem bisherigen Verlauf des Hererofeldzuges gewonnen hätten. Dieser er scheine ihnen, ohne daß er deshalb objektiv ein Mißerfolg zu sein brauche, subjektiv als ein solcher, was natürlich den Einfluß einer bereits bestehenden Kriegspartei verstärkt habe. Hendrik Witbois Einfluß auf seine Leute wird dabei als ein nicht mehr so weitreichender, als man gewöhnlich annehme, hingestellt, und sein eigener Sohn und Nachfolger Isaak sogar beschuldigt, daß er an der Spitze der Kriegspartei stehe. Als unbedingt zuverlässig wird dagegen von den südlichen Häuptlingen nur Christian Goliath, der Kapitän des Bersabastammes, bezeichnet. Daß die Ver hältnisse in dein in Frage stehenden Gebiet durchaus keine erfreulichen mehr sind, beweist auch das Auftauchen bewaffneter Räuberbanden die ein Herero Morenga in den Karrasbergen aus Hottentoten, Buschleuten und Bergdamara gebildet hat. Morenga, auf dessen Kopf, wie jetzt durch die Deutsch-Südwestafrikanische bekannt wird, bereits am 27. Juli der stell vertretende Bezirksamtmann von Keetmanns- hoop einen Preis von 1000 Mark gesetzt hatte, hat schon eine ganze Reihe von Farmen in der Nähe der Karrasberge ausgeplündert. Eine gegen ihn von Keetmannshoop unter dem Major v. Lengerke ausgesandte Expedition scheint bisher keinen Erfolg gehabt zu haben, eine Abteilung dieser Expedition ist vielmehr am 80. August von den Räubern zurückge schlagen worden, wobei nach einer der „Köln. Ztg." aus Swakopmund gemachten Meldung Leutnant v. Stempel, Sergeant Stolle und Reiter Arndt gefallen, mehrere andere ver wundet und drei Leute vermißt werden. Jetzt wird als erstesOpfer nach einem Telegramm Leutweins, der Zivilpolizist Fieke aus"Wils druff, Königreich Sachsen, früher im Infanterie regiment 88 genannt. Er wurde am 7. Oktober in Station Kuis mit einem Schuß durch die Brust tot aufgefunden. Die An greifer sind verschwunden. Daß es Witbois waren, unterliegt keinem Zweifel. Berlin. Die Kabelverbindung nach Swakopmund, nördlich und südlich von Swakopmund, ist unterbrochen. Nachrichten aus dem Schutzgebiet sind daher vor der Hand nicht zu erwarten. Swakopmund ist demnach vom tele graphischen Verkehr abgeschnitten, da die Kabel Kapstadt—Swakopmund und Swakop mund—Mossamedes unterbrochen find. Deshalb liegen also bisher keine neuen Nachrichten über die aufständische Bewegung im Süden vor. Es wird jetzt übrigens von verschiedenen Seiten bezweifelt, daß diese einen größeren Umfang annohmen werde, weil die Bastards Feinde von Hottentotten seien und die Witbois selbst nur über eine geringe Zahl waffenfähiger Männer verfügten. Vom KkSe-Sschauplatz in Ostaften. Auf dem Kriegstheater ist eine große Wendung zu verzeichnen: Kuropatkins Armee hat sich in Bewegung gesetzt, die Russen sind auf dem Vormarsche. In einem Atem damit wird gemeldet, daß die Japaner fihre Stellungen südlich von Mukden geräumt haben und bereits hinter Liaujang stehen. Das Wort „Rückzug" verschwindet also, soweit die russische Sache in Betracht kommt. Kuro palkin hat in einem Armeeerlaß die Taktik des Angriffs verkündet, und drei Tage später sind seine Scharen auf dem Wege. Die Pariser amtlichen Kreise sind fest überzeugt, daß die Japaner in den nächsten Wochen vernichtenden Niederlagen in der Mandschurei entgegengehen. Man glaubt nicht, daß sich England zur Rettung des befreundeten Japan anders als diplomatisch verwenden kann, weil sonst inter nationale Verwicklungen unvermeidlich sind. Die Petersburger Blätter begrüßen in enthusiastischer Weise den Tagesbefehl Kuro patkins. Die „Nowoje Wremja" vergleicht ihn mit einem Sonnenstrahl, der Wolken verjage und alle freier aufatmen ließ. Die Schwierigkeit der Offensive bei der kalten Witterung und den ungünstigen Terrainver hältnissen anerkennend, bemerkt das Blatt, der Erfolg hinge weniger von materiellen als von moralischen Bedingungen ab. Die Stimmung des Angreifers sei immer gehoben. Die Russen, die im Winter den Balkan überstiegen, brauchten die materiellen Schwierigkeiten nicht zu fürchten. Der „Ruß" sieht voraus, daß die kommenden Siege der russischen Armee viel Blnt kosten würden, glaubt aber, daß ein großer Umschwung auf dem Kriegsschauplätze eingetreten sei. Die „Nowosti" konstatieren freudig, daß es einen Rückzug nicht mehr geben werde. Die „Birschewija" schildern den frohen Tag des Entsatzes von Port Arthur. Die russische Regierung hat für die Dauer des Krieges die Ausfuhr von Pferden aus Finnland, mit Ausnahme von Zuchtpferden, verboten. Das „Reutersche Bureau" meldet aus Tokio vom 10. d. M., die Russen hätten bei ihrer Offensivbewegung den Hunho überschritten, Kuroki angegriffen und eine Position genommen, die dann von den Japanern, nachdem sie Verstärkungen erhalten, wieder genommen worden sei. Die Russen hätten bei ihrem Vormarsch Mißerfolg gehabt; die Verluste seien auf beiden Seiten groß. Eine amtliche Bestätigung der Nachricht liege nicht vor. Prinz Karl An ton von Hohenzollern ging von Tokio zur Front ab. Hervorragende Japaner und Fremde hatten sich zur Verab schiedung am Bahnhofe eingefunden. Das baltische Geschwader ist am Dienstag von Reval abgegangen und hat seinen Kurs nach Libau genommen. Es be steht aus sieben Linienschiffen, acht Kreuzern, neun Torpedojägern von je 850 Tonnen und zehn großen Transportschiffen. Die Flotte wird sich an der spanischen Küste trennen und zwar wird der eine Teil durch den Suez kanal fahren, während der andere das Kap der guten Hoffnung umfährt. Beide Teile des Geschwaders werden sich an einer bestimmten Stelle wieder treffen. Die Kohlenversorguug des Teiles der Flotte, welche das Kap der guten Hoffnung umfährt, wird durch bereits vorausgegaugene Schnelldampfer erfolgen. Rundschau — Der Bundesrat hat in feiner letzten Sitzung eine Vorlage über Neuprägung von Fünfzigpfennigstücken angenommen. Die Vorlage bedarf der Zustimmung des Reichs tages nicht, da an dem Mischungsverhältnisse nichts geändert wird. Die neuen Fünfzig pfennigstücke tragen die Bezeichnung „Vz Mk."; sie haben einen sehr stark geriffelten Rand mit erhöhter Prägung, sodaß eine Verwechsel ung mit den Zehnpfennigstücken fast ausge schlossen erscheint. — In einer vorigen Dienstag abgehaltenen Sitzung hat der Zentralausschuß der Reichs bank beschlossen, den Wechsel-Diskont um 1 Prozent auf 5 Prozent und den Lombard zinsfuß auf 6 Prozent zu erhöhen. — Infolge dieser Diskonterhöhung hat der Kurs der Reichsschatzanweisungen sich an der Berliner Börse auf 99,75 Prozent ermäßigt. Es ist begreiflich, daß die Banken welt Verstimmung darüber empfindet, daß so kurz nach der an sie erfolgten Begebung der Reichsschatzscheine der Diskont der Reichsbank in die Höhe gesetzt wird. Im Februar er folgte die Begebung von 70 Mill. Mark Preußischen Konsols, zwei Tage vor dem Aus bruch des russisch-japanischen Krieges. Essind also keine besonders angenehmen Ueberraschungen schreibt der „B. B.-C.", die unsere bauts bauHus in diesem Jahre bei ihren Geschäften mit der Finanzverwaltung des Reiches und Preußens erlebt. — An mittlere und kleinere Garnisonen soll in diesen Tagen eine geheime Verfügung ergangen sein, die besagt, daß wegen den Vor kommnissen in Forbach, künftig in den kleinen Garnisonen die Besatzung mindestens alle fünf Jahre wechseln müsse, damit keine zu große Vertrautheit mit der Zivilbevölkerung entstünde. An erster Stelle sollen für diesen Wechsel die Garnisonen Mutzig, Zabern, Pfalzburg und Schlettstadt in Aussicht genommen sein. — In der Nähe von Köln wurde auf der Bahnstrecke zwischen Brühl und Kalscheuern auf mehrere Schnellzüge geschossen und mit faustdicken Steinen geworfen. In einem Falle sauste die Kugel dicht an den Köpfen eines auf der Hochzeitsreise befindlichen jungen Ehe paares vorbei. Weiter wurde eine Dame durch einen SteiAwurf schwer verletzt. Ein im Zug befindlicher Arzt leistete die erste Hilfe und entfernte Glassplitter aus Wunden. Auch der Zugführer eines die genannten Stationen berührenden Schnellzuges wurde durch einen Steinwurf verletzt. Er handelt sich um einen systematischen Anschlag auf alle in den Abendstunden vom Oberrhein kommenden Züge. Behördlicherseits ist eine umfassende Untersuchung und Beaufsichtigung der Strecke angeordnet morden. — Mannheim. Auf den Höhen des Schwarzwaldes ist Schnee gefallen. — Göttingen. Durch eine Dynamit explosion auf dem Kaliwerke Vogelbeck wurde ein Bergmann getötet. Seit der im Sept, erfolgten Eröffnung des Werkes ist das der dritte schwere Uuglücksfall, der auf demselben sich ereignet hat. — Konstantinopel. Der Pforte wurde bekannt gegeben, daß die neuen für die make donische Gendarmerie bestimmten österreichisch ungarischen und russischen Offiziere vor Ende des Monats an Ort und Stelle eintreffen werden. Karte Köpfe. Roman von B. Corony. 49 „Ich frage nicht, wie er über die Angelegenheit denkt, son dern wie Du denkst. Daß dieses Ehepaar getrennte Wege geht, ist ja bekannt. Also Deine Meinung will ich erfahren." „So soll sie Dir offen und ehrlich gesagt sein. Ich hatte Her tha für eine oft unüberlegt handelnde Frau, die sich an der Seite des halb blasierten, halb genußsüchtigen Mannes nicht glücklich fühlt und eine Leere in ihrem Innern ausfüllen möchte. Sie mag deshalb vielleicht Arno mehr Interesse entgegenbringen, als für ihren Frieden gut ist. Sie giebt sich jetzt möglicherweise rück haltlos, wie von Zauberfäden umsponnen, einem Traum hin, aber das erste unzarte Wort würde sie wecken. Wie ich Hertha von Kindheit an kenne, hat sie viele Fehler, aber der Kern ihres Wesens ist "gut und rein. Sie kann vielleicht an einem großen Gefühl zu Grunde gehen, niemals aber die Pflicht vergessen." „Zugegeben, daß es so ist, so sprichst Du doch nur von Frau von Noirod. Mir steht der Sohn natürlich näher und ich beküm mere mich in erster Linie um ihn und sage, er soll sich nichts in den Kopf setzen, was ihm unerreichbar ist und unerreichbar blei ben muß, wenn er sich nicht zum Schurken degradieren will. Von allem, was Du jetzt daher geredet hast, verstehe ich wenig. DaS ist ja auch ganz natürlich. Ich bin ein einfacher Landwirt, ein halber Bauer geblieben und meine Kinder sind mir in der Stadt drinnen über den Kopf gewachsen. Ich weiß, das ist erlaubt, und das sündhaft und verboten. Ihr aber habt gelernt, hun derterlei Unterschiede zu machen, die doch nichts weiter als Spitz findigkeit und Rechtsverdrehereien bedeuten. Was frage ich da nach, ob's so oder so gekommen ist, wenn mein Sohn, statt mit allen Kräften vorwärts zu streben, seinen Beruf vernachlässigt, Irrlichtern nachjagt, in den Sumpf gerät und endlich die zayl- reichen, verbummelten Existenzen vermehrt? Ob das geschieht, weil ihn eine Pflichtvergessene in den Schlamm gezogen, oder weil ihm eine Pflichtgetreue, wie Du's nennst, erst angelockt und dann zurückgestoßen hat, das scheint mir ziemlich gleichgiltig. Ich sehe nur, daß er auf schlechtem, gefährlichen Wege ist und um kehren muß, je eher, je lieber. Deshalb habe ich Dich gerufen. Wie's jetzt ist, so darf eS nicht fortgehen. Der Junge soll weg von Berlin, soll nach Hause." „Wenn ich Dir raten darf, Vater, so verlange das nicht von ihm. Er ist jetzt ein anderes Leben gewöhnt und wird schwer lich auf unseren einsamen Brunnenhof kommen. ES . fordern, hieße einen schweren Konflikt zwischen kindlichem Gehorsam und unbesiegbarem Freiheitsdrang herbeiführen. Du kannst Arno ebenso wenig in die früheren Verhältnisse zurückzwingen, wie einen Zugvogel in den Käfig sperren. Er braucht den weiten Horizont und die ganze Welt muß ihm offen stehen." Der alte Mehring preßte die geballte Hand an die Stirne. „Aber fort muß er, fort muß er! Die Luft dort taugt nicht mehr für Deinen Bruder. Deshalb soll er heraus, in eine reinere, ge sündere Atmosphäre. Für ihn ist unter allen Umständen der Zeit- punkt da, sich loszureißen. Gern wär' ich nach Berlin gefahren, um ihm das alles selbst zu sagen, aber meine Heftigkeit, die mich nun einmal bei gewissen Gelegenheiten so mächtig packt, daß ich mich ihrer nicht erwehren kann, hält mich davon ab. Ich ver trage keinen Widerspruch und Arno ist ein Querkopf. Da fallen leicht Worte, die man hernach nie mehr vergißt. Sein Wunsch ist's gewesen, längeren Aufenthalt in Italien zu nehmen. Ich habe die Bitte damals abgeschlagen, nun will ich sie erfüllen." „Wenn es jetzt nur nicht zu spät ist, Vater." „Wieso?" „Der Bruder ist unbeständig in seinen Wünschen. Ich fand oft Gelegenheit, das zu beobachten." „Und meinst wohl, daß er vielleicht gar nicht mehr fort will? So denkst Du selbst und willst mir dennoch einreden, ich hätte keinen Grund, mich zu beunruhigen? Donnerwetter, wo bleibt die Offenheit und Ehrlichkeit, die ich an Dir immer so hoch ge schätzt habe? Bin ich denn mit meinem Vertrauen an die un richtige Stelle gekommen?" „Nein, sicher nicht. Eben meine Aufrichtigkeit verbietet mir, mehr zu versprechen, als ich unter Umständen halten kann. Man vermag doch immer nur für sich, niemals für einen arideren ein- zustehen. Mein Einfluß auf Arno ist, wie ich leider aus Er- fahrung weiß, sehr gering. Dessenungeachtet werde ich nichts unversucht lassen, ihn Deinen Vorschlägen geneigt zu machen, schon deshalb, weil ich eS im Interesse Herthas für geboten halte." „Es fällt mir auf, daß Du Dich mehr um Deine Cousine als um Deinen Bruder zu bekümmern scheinst." „Verstehe mich nicht falsch. Ich meine eS gut mit ihr und mit Arno. Aber könnte die eigene Mutter in diesem Falle nicht vielleicht das Beste thun?" „Frau von Walden? Nein! Sie war immer ein schwaches, thörichtes Weib und ist jetzt überhaupt nichts mehr als etn in sich selbst zusammengefallenes Häuflein Unglück. Wenn ich ih, begegne, das geschieht bisweilen, dann grüßen wir un» nicht. Sie sieht nach rechts und ich nach links. Mir war sie stets zu wider, wegen .. na, Du weißt ja, wegen der Geschichte mit Pros nitz. Aber nun gesellt sich der Geringschätzung doch etwa» wie Mitleid bei. Die Frau steht schon mit einem Fuß im Grabe und ist beklagenswert in ihrer Energielosigkeit und Schwäche. Zu einer That aufraffen kann die sich nimmermehr, woyl aber wird sie der erste Schicksalsstreich vollständig nieder und in die Grube werfen. Margarete ist eine Sterbende, doch eine von denen, die würdelos von dannen gehen, wie sie würdelos und ohne die Stütze fester Grundsätze gelebt haben." „Ein hartes Urteil." „Ein gerechtes." „Laß uns nicht darüber streiten. Ich gehe morgen zu Arno und biete alles auf, ihn zur Abreise zu bewegen. Sollte eS den noch vergebens sein, so muß Deine väterliche Autorität eingrei fen. Du wirst dann ein Telegramm erhalten." „Gut! Das ist abgemacht. Jetzt nichts mehr davon. Da kommt die Mutter." „Die Suppe ist aufgetragen," sagte Katharina. „Kommt Ihr zu Tisch?" „Ja, Alte, wir kommen," erwiderte Paul Mehring, sie aus die Schulter klopfend. „Siehst ja so rot und aufgeregt aus!" „DaS macht's Herdfeuer. Also? Wie wird's denn? Hast Dich ausgesprochen mit'n Bruno?" „Ja, Kätchen, ja. Schöpf nur Deine Klöße 'raus und mach Dir keine Sorgen. Was sein muß, wird sein! Und nun reden wir von Dir, Bruno. Du bist auf dem besten Wege, ein tüchti ger Landwirt zu werden." „So hoffe ich." „Vorläufig magst Du noch in Deiner jetzigen Stellung blei ben. Dann will ich Dich aber hier haben." „ES bedarf wohl keiner Versicherung, daß ich gern komme, Vater. Der Brunnenhof ist mir nicht minder lieb und wert wie Dir." 110,20
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