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Naunhofer Nachrichten : 03.06.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-190906036
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19090603
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19090603
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Bemerkung
- Druckfehler: Titelseite enth. falsche Ausgabennummer.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungNaunhofer Nachrichten
- Jahr1909
- Monat1909-06
- Tag1909-06-03
- Monat1909-06
- Jahr1909
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- Naunhofer Nachrichten : 03.06.1909
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- - - > -' - - - . . Au- Statt und Land. Naunhof, den 2. Juni 1909. 1- Die Pfingstfeiertage sind wieder einmal vorüber. Prächtiges Pfingstwetter, wie lange Jahre nicht, herrschte an beiden Tagen, sodaß wohl alle Welt in der Hauptsache auf ihre Kosten gekommen sein und einige sorgen lose Tage inmitten des Maienschmuckes und der schönen Natur erlebt haben dürfte. Der Pfinastverkehr war lebhaft, von allen Seiten her, von Nordens und Süden waren Einla dungen an die wanderfrohe Menschheit er gangen und viele waren ihnen gefolgt, da die Reiselust dem Deutschen ja nun einmal im Blute steckt. Die Garten-Lokale waren fast überall vollbesetzt, sodaß beispielsweise in Lind hardt am ersten Feiertag viele wieder fort gehen mußten, ohne einen Platz zu erwischen. Auch das Lbendkonzert in Kuleys Wald garten erfreute sich eines ungemein starken Besuches, überhaupt war der Verkehr zwischen Naunhof und Lindhardt stärker als in der inneren Stadt. Die Eisenbahn brachte un heimlich viele Fremde, es wird behauptet, daß noch kein Pfingstfest so viel Fremdenverkehr aufzuweisen habe als das soeben verflossene. — Naunhos. Eine prächtige Feier war das 10jährige Stiftungsfest des Freiw. Kirchenchors, welches er am 3. Feiertage im Rathaussaale veranstaltete. Am 12. Mai 1899 konstituierte sich der Verein unter der Leitung des Herrn Kantor Spünich und hat unter ihm in den 10 Jahren seines Bestehens Vorzügliches geleistet. Manch erhebenden Gesang hat der Kirchenchor in unserm Gottes hause dargebracht, manches öffentliche Konzert und manches Vergnügen hat er veranstaltet. Der Prolog, von Frl. Weidtmann gesprochen, würdigte die edlen Bestrebungen und Ziele des Chors, während der Vorstand, Herr Wendt, in seiner Ansprache einen interessanten Vereins bericht vortrug. Herrn Kantor Spänich wurde in dankbarer Anerkennung seiner um den Verein erworbener Verdienste eine prächtige Statuette, die Tonkunst darstellend, überreicht. Wohlgelungene Chöre, sowohl Damcnchor, als auch gemischte Chöre, umrahmten den Mittel punkt des Festes. Herr Musikdirektor Blohm bot auch mit seiner Stadtkapelle dar Beste, sodaß allen Darbietungen der reichste Beifall gezollt werden konnte. Bis 2 Uhr mährte daun der Ball. Am Mittwoch vereinigte ein solenner Katerbummel fast alle Festteil nehmer nochmals und zwar im neueröffneten Kurhause zu Lindhardt. — Naunhof. In der Nacht vom zweiten zum dritten Pfingstfeiertag früh ^/,1 Uhr ist die 18jähr. K. zwischen Naunhof und Erdmanns hain auf dem Fußwege in der Nähe der Gasanstalt von einem Unbekannten überfallen, in den Graben geschleppt, gewürgt und zu vergewaltigen versucht worden. Durch Hsnzu- kommen eines Radfahrers hat der Täter die Flucht ergriffen und seinen Hut am Tatorte zurückgelaffen. — Wie wir erfahren, ist gestern der Fabrikarbeiter K. von hier unter dem Verdacht, den Ueberfall ausgeführt zu haben, verhaftet worden. Ob der Ver haftete der Täter ist, wird aber erst die Unter suchung ergeben. — Naunhof. Bei der hiesigen städtischen Sparkasse wurden im Monat Mai 391 Ein zahlungen im Betrage von 61 702 Mk. 60 Pf. geleistet, dagegen erfolgten 329 Rückzah lungen (an Einlagen und Zinsen) im Betrage von 97 344 Mk. 83 Pf. Der Kaffeä-Umsatz betrug 523 191 Mk. 33 Pf. Einlagen werden mit 3 -,°/o verzinst. Geschäftszeit: Vormittags 8—12 Uhr, nachmittags 2 bi» 4 Uhr, Sonnabends durchgehend von 8 bis 1 Uhr. 2. Valä-liovrert. Kelte vollemsg a» Ser »ir«akcttStte v-«t «ach», a Udl a». Aluslkälrvltior 8Iokm. ?rozrLmw. 1. Mt Illsrsek ölrmköudurz 2. Ouvertnre r. Op.: „I^eiekte OLvullsriv" 8apps 3. LsrLpbrLss über da, lüeä „l'Lkr wo kl <1ii üsorvsmorAsa". IVunr 4. ^vlvfunköll Potpourri. . . Lorena 5. Vie beiden sinken, kolk». . Künz 6. L8PLUH». V-ürer iValäteufel. — Klinga. Die Mitglieder des Gesang vereins „Liedertafel" zu Klinga hallen kommenden Sonntag, den 6. Juni mit Er laubnis des Herrn Rittergutsbesitzers C. W. Wießner auf der Klingaer Anhöhe ihr erstes Sommerfest ab. Dasselbe wird in Vogel schießen, Scheibenschießen, Sternschießen und einer Tombola-Verlosung bestehen für 7die Erwachsenen, während für die Kinder ver schiedene Spiele vorgesehen sind. Der Klingaer Gastwirt, Herr Louis Nebe wird auf dem Berge für das leibliche Wohl der Festteil nehmer sorgen. Naturfreunde und Gesangs- frcunde, groß und klein, sind zu diesem Feste hierdurch bestens eingeladen. Von abends 8 Uhr an ist für die Vereinsmitglieder im Klingaer Gasthofe ein Tänzchen geplant. Sehr bemerkenswerte Worte schreibt der „Hammer" (Parteilose Zeitschrift für natio nales Leben) in Nummer 167 vom 1. Juni 1908 wie folgt: „Teuerung in Sicht!" Von landwirtschaftlich erfahrener Seite wird uns geschrieben: Infolge der anhaltenden Trockenheit wächst kein Futter. Die Fleisch preise im nächsten Herbst werden billig werden (d. h. vor allen für die Viehaufkäufer). Die Bauern, die ihr Vieh nicht durch den Winter füttern können, muffen es verkaufen. Dadurch entsteht ein großes Angebot. Im nächsten Frühjahr dagegen werden die Fleischpreise an ziehen und allmählich eine Höhe erreichen, wie wir es noch nicht erlebt haben. Inländisches Vieh wird wenig auf den Markt kommen.und die Freisinnigen werden nach Oeffnung der Grenze schreien, damit der Bauer überhaupt nicht mehr die Mittel findet, seinen Viehstand wieder heranzuziehen. Es wäre gut, wenn eine weitsichtige Staatswirtschaft jetzt schon an den Aufkauf ausländischer Futterbestände dächte. Die rechtzeitige Verhinderung der Aufzehrung unserer Viehbestandes fordert we niger Opfer, als Niedergang der Konjunktur, Arbeitslosigkeit, NotstandSarbeiten, Teuerungs zulagen und dergleichen." ch In der kommenden Nacht, also vom 3. zum 4. Juni findet eine totale Mond finsternis statt, die auch bei uns sichtbar ist. Sie nimmt ihren Anfang um 12 Uhr 43 Min. nach Mitternacht; die totale Ver finsterung hebt an um 1 Uhr 58 Min. und endigt um 2 Uhr 59 Min, während di« Finsternis überhaupt aufhört um 4 Uhr 14 Min. früh. Die Sichtbarkeit der Finsternis erstreckt sich über das südwestliche Asien, den Indischen Ozean, Europa, Afrika, den Atlan tischen Ozean, Südamerika und das südöst liche Nordamerika. I« Deutschland und den übrigen mitteleuropäischen Ländern sinkt der Mond 10 bis 20 Minuten vor dem Ende der Finsternis unter den Horizont; die Tota lität aber ist in ihrem ganzen Verlauf zu beobachten, von besonderem Interesse ist während der vollen Verfinsterung des Mondes dessen meist kupferrote» Aussehen. Anstalt wie man erwarten sollte, völlig im Erdschatten unsichtbar zu werden, leuchtet die Mondscheibe, wenn auch matt, doch immer noch so hell, daß man im Fernrohre ihre Gebirgsforma tionen noch erkennen kann. — Sommerfeld. Zur Deckung der Schleusenbaukosten ist die Aufnahme einer Anleihe in Höhe von 100000 Mk. bei der Sächsisch. Landesversicherungsanstalt in Dresden beschlossen worden. — Thekla. Der vom Rat der Stadt Leipzig zum Pfarrer der hiesigen Parochie berufene Privatdszent Lic. theol. Dr. Herme link aus Leipzig wurde am 2. Pfingstfeiertage im Beisein der Vertreter des Kirchenvorstandes und einer zahlreichen Gemeinde durch Herrn Superintendent D. Hartung unter Assistenz der Herren Pfarrer Holtsch aus Plaußig, Kirchenrat D. Hölscher und Pfarrer Lic. Tr. Jeremias aus Leipzig unter Gebet und Hand- aufiegen ordiniert und nach erbaulicher An sprache feierlich in sein neues Amt eingewiesen. — Muyscheu. Der hiesige Stadtge meinderat lehnte den Antrag der Firma Hopfer und Eisenstuck, das hiesige Elektrizitätswerk entweder zu kaufen oder die Hypothek auf 50 Prozent der Baukosten zu erhöhen, ein stimmig ab. — Ein herbes Pfingstfest wurde der Fa milie Jenschke in Großenhain beschieden. Diese war am Freitag vor Pfingsten auf einer Reise von hier nach Kotschanowitz in Oberschlesien begriffen, um dort wohnende Verwandte zu besuchen. Auf der Reise da hin stürzte der vier Jahre alte Sohn aus dem Zuge und fand dabei den Tod. Der Familie wendet sich allgemeine Teilnahme zu. — Ein langwieriger Jagdstreit ist kürzlich entschieden worden. Schon im Jahre 1857 halte der Besitzer des Rittergutes Krebs, Herr v. Oppell, der übrigens damals Amtöhaupt- mann in Borna war, einige Flurstücke in Krebs und Zuschendorf als altjagdberechtigt in Anspruch genommen. Das Oberverwaltungs gericht hat jedoch nunmehr entschieden, daß sie nicht diese Eigenschaft haben. — Im Chemnitzer Krematorium sind im Monat Mai d. I. 69 Einäscherungen erfolgt. Es waren 41 männliche und 28 weibliche Personen. Aus Chemnitz stammen 37, von auswärts 32. Seit der Inbetriebnahme (16. Dezember 1906) fanden 1349 Einäscherungen statt. — Dresden. Ende voriger Woche wur den in einer Abortgrube eines Grundstücks in der Friedrichstraße Teile einer Kindesleiche entdeckt. Die Erörterungen haben ergeben, daß eine aus Rußland stammende Arbeiterin der Ostragutes ihr heimlich geborenes Kind zerstückelt und die Leichenteile in den Abort geworfen hat. Die Mutter ist dann an den Folgen der Geburt im Krankenhause verstorben. Die Schwester derselben, die ebenfalls auf dein genannten Gute beschäftigt ist, wurde wegen des Verdachts der Beihilfe zu dem Verbrechen verhaftet. — Dresden. Am Freitag Vormittag in der 10. Stunde geriet der 60 Jahre alte Maurer Schulz mit seiner 66 Jahre alt« Ehefrau in heftigen Streit, in dessen Verlass er ihr drei wuchtige Hammerschläge auf den Kopf versetzte, sodaß die Frau bewußtlos zusammenbrach und schwer verletzt inS Krankenhaus geschafft werden mußt«. Schulz wurde verhaftet. — Ein Zeichen der Zeit. Mit Rücksicht auf die gegenwärtigen schlechten ErwerbSver- hältniffe hat die Schützengesellschast in Unter sachsenberg beschlossen, in diesem Jahr kein Schützenfest abzuhalten. — Zwei Tage brauchte ein am 30. Mai früh 6 bis 7 Uhr in Plane« aufgegebener Brief, um Dienstag früh endlich in Großenhain einzulrcffen. Da jetzt die Ankunftszeiten nicht mehr aufgestempelt werden, läßt es sich nicht feststellen, welche Ursache vorgelegen hat, um dem Briefe die zweitägige Laufzeit zu ver schaffen. Klagen über derartige Vorkommnisse, wie das soeben geschilderte, werden jetzt von Tag zu Tag laut, man sollte daher von allen gewerblichen, industriellen und Handelskreisen lauten Protest gegen den Wegfall des An kunftsstempel erheben, denn diese Verordnung ist vom grünen Tische ausgegangen ohne zu berücksichtigen, welche Unkosten und geschäft lichen Nachteile aus dem Nichtnachweise der Brief-Eingangszeit entstehen können. -s- Herr Bürgermeister Igel au- Meu selwitz schreibt un» über die Zeppelinfahrt seine Wahrnehmungen, die für unsere Leser gewiß von Interesse sein werden: — Heute am 1. Pfingstfeiertage sitzen wir zu dritt im Turmzimmer beim Kaffee und beraten über den Spaziergang. Auf einmal tönt von der Straße herauf scharfer Fanfarenruf „Halli, Hallo"! Im Nu wars vorbei, das Automobil mit unserem Herzog, der Frau Herzogin und einem Offizier, bekannt durch da» Fanfaren signal und dar Schild mit der Krone. — Wa» ist los? Umsonst fährt da» Herzogpaar doch nicht am 1. Feiertag durch Meuselwitz! Aber was? Schon kommt ein Schutzmann die Treppe herauf und ruft: „Zeppelin"! Run aber rauf auf den Rathaurturm und wir alle drei sahen über den preußischen Dörfern in der Richtung nach Kayna und Zeitz von der Sonne prächtig beschienen, den Zeppelinballon und unten daran ganz Deut lich zwei Gondeln. In sicherem Fluge ging», wenn auch weit dahinter über die katholische und evangelische Kirche in Zipsendorf, über das Braunkohlenwerk „Fürst Bismarck", über das Meuselwitzer Schloß weg nach dem Glaser kopf, einem kleinen Wäldchen im preußischen, also in der Richtung nach Nord-Nordost, so nach zwischen Leipzig und Halle. Wer vom Turme erreicht werden konnte, wurde herauf gerufen und so haben denn eine ganze Anzahl Einwohner den „Zeppelin" von ihrem Rat- haurturm aus sehen können. Um 4 Uhr war er sichtbar geworden, um 5 Uhr war er auch mit dem Fernglas nicht mehr zu erspähen. Da es von Friedrichshafen bi» Meuselwitz der ganzen Streck« Friedrichshafen-Berlin ist, wird der Ballon wohl nach 8 Uhr in Berlin sein. „Gute Fahrt änd schönen Tank für die Feiertagsfreude! Auf der Rückfahrt etwas näher herankommen, damit man ein Wort mit Zeppelin reden kann!" Der Wajoratseröe. Roman von Annaliese von Steinmühl. 23 Frau Amanda sagte kein Wort, aber sie wußte ganz genau, warum ihr Kind die schlichten Worte des Liedes so innig und herzbewegend vorgetragen hatte und um diesen Eindruck abzu schwächen, forderte sie oie Brüder auf, ein fröhliches Duett zu singen. Erna blieb am Flügel sitzen, um die Sänger zu be gleiten und Olga sah zu ihrem Schrecken, daß Herr von Ha gen sich ihrem Platz näherte. Es war kein Ausweichen mög lich, ohne ungezogen zu werden, und das wagte sie nicht, dem zwingenden Blick dieser dunklen Augen gegenüber. Hagen ließ sich, sie sarkastisch betrachtend, auf den Platz nieder, den Vetter Otmar soeben verlassen hatte und während vom Flügel her die frischen Männerstimmen erschallten, fing Hagen an^ leise mit ihr zu plaudern in kurzen, abgerissenen Sätzen, aber eine tiefe Erregung pulsierte in ihnen. Anfäng lich waren es allgemeine Phrasen, dann näherte er sich immer unverkennbarer dem Brennpunkt der Sachlage. Olga hatte einmal gelesen, daß es in alter Zett Gefängnisse aab, deren Mauern sich täglich ein Stückchen näherten, so die Bewegungsfreiheit des Gefangenen langsam verkürzend, bis er zuletzt zwischen denselben zerdrückt wurde. So lähmend legte es sich jetzt auf sie, bewegungslos mußte sie der Stimme lau schen, ohne derselben entgehen zu können.. und da tönten auch schon die leisen, schrecklichen Worte an ihr Ohr: „Gnädiges Fräulein haben es vorgezogen, aus unserer gemeinschaftlichen Waldpromenade ein Geheimnis zu machen. Wissen Sie auch, daß das sehr beglückend für mich ist?" Die Verzweiflung gab ihr Mut und sie stieß hervor: „Das soll es aber gar nicht. Es war nur eine Laune von mir, nie. .." Olga suchte nach Worten und blickte so hilfeflehend zu Vet ter Otmar hin, daß derselbe sich mit Heiserkeit entschuldigend, den Vortrag eines Liedes jäh unterbrach, um möglichst ohne Aufsehen der stummen Aufforderung des jungen Mädchens nachzukommen und hörte noch bei seiner Annäherung deutlich die leisen Worte Hagens: „Sie können versichert sein, daß auch ich zu schweigen verstehe, es bleibt unser Geheimnis, Fräulein Olga." „Was war das?" fragte sich Otmar wieder, „wie durfte sich Hagen unterstehen, das junge Mädchen mit Vornamen zu nen nen." Seine Gegenwart ließ Hagen sofort auf das Gebiet der allgemeinen Unterhaltung überspringen, und selbst der junge Offizier mußte zugeben, daß es wohl kaum einen geistspru- henderen, amüsanteren Causeur gäbe. Hagen beherrschte bald völlig alle Anwesenden, Frau von Hollweg und Frau Vin zelberg nicht ausgenommen. Der allgemeine Aufbruch machte endlich Olgas Qual ein Ende, und sie fuhr erleichterten Herzens mit den Ihrigen nach Hause. Man hatte das Hintere Verdeck aufgeschlagen, der küh len Nachtluft wegen, und konnte nun unbeschadet des Kutschers sich ungezwungen unterhalten. „Hägen hat uns Herren zu Sonntag Mittag geladen, aber ich werde absagen," sagte Karl Heinrich. „Ich glaube, es ist auch in Deinem Interesse, Kind, wenn wir den Herrn nicht zu oft zu uns bitten. Gr gefällt Dir nicht sonderlich?" „Nein, er hat was in seiner Art, was mich abstößt." „Du hast recht, mein liebes Töchterchen," sagte Frau Vin zelberg, „doch hätte ich Deiner Irgend nicht solchen Scharf sinn zugetraut. Hagen ist unleugbar ein schöner, gewandter j Mann, aber man kann als junge Dame nur sehr vorsichtig ! mit ihm verkehren, da er sich gar zu gern Freiheiten heraus- nimmt, die weiblichen Zartstnn verletzen müssen. Gs tut mir > leid, gerade in ihm Deinen Retter von Altdamm zu sehen, und zeigt Dir wieder, wie töricht Dein damaliger Streich war. Er muß wohl schon gewußt haben daß Du mit seinem Schütz ling identisch warst, denn bei der heutigen Begrüßung zeigte er aar keine Ueberraschung." Keiner sah in der Dunkelheit Olgas tiefes Erröten und ihre Schweigsamkeit wurde von dem Verlobten als Müdigkeit aufgefaßt. Doch die Nacht sah das arme Kind noch lange wach und heiße Tränen netzten ihre Kissen. Eine jähe Angst quätte sie, je mehr sie über den Charakter Hagens erfuhr. Und in solchen Händen befand sich ihr Geheimnis, denn .. sie wußte es seit heute ganz genau . . die Augen eines fremden ManneS hatten sie bei ihrem kindlichen Spiel belauscht. Es war aut, daß Olga zu unschuldig war, um zu ahnen, bis zu welcher Indiskretion eine gewissenlose, brutale Natur sich versteigen kann. Schönbergen erwartete Gäste ? Auf der Terrasse des Schlosses stand der Hausherr, Max von Hagen, mit einem Vetter seines Namens, der ihn Tags zuvor mit seinem Besuch überrascht hatte, sie schauten die lange Allee mächtiger Eichen hinunter, die zu dem Einfahrtstor des Parkes führte. Es ging die merk würdige Sage, daß das alte Grafengeschlecht, welches früher hier geherrscht hatte, bei der Geburt eines jeden männlichen Sprossen eine Eiche pflanzen ließ, und sie meldete weiter, daß gleich wie die jungen Bäume zu stolzer Höhe aufwuchsen, ein alter Stamm jedesmal dem Sterben anheim fiel, wenn der Herr des Gutes seine Lebensbahn vollendet hatte, um ihm zur letzten Lagerstätte zu dienen. Lange schon hatte sich die Gruft der alten Gutskirche nach der stillen Einkehr des letzten seines Geschlechts geschlossen, aber die knorrigen Riesenstämme überdauerten die Menschen um Jahrhunderte und bildeten die größte Zierde des Gutes. Auch j-tzt hing das Auge der Herren voller Entzücken an denselben, während Max von Hagen die alte Mär erzählte. „GS ist merkwürdig, aber ich konnte mich heute morgen eines bangen Vorgefühls nicht erwehren, als mein Diener mir meldete, daß in der Nacht einer der ältesten Bäume umgebro chen sei, ein wahrer Riese an Umfang und Größe. Dem Ge- wittersturm, der heute nacht iiber unsern Park dahin fuhr, fiel er wohl rum Opfer, zudem war er im Innern faul, aber mein Marfin laßt es sich nicht ausreden, daß mir großes Unheil be vorstände, sein Unkengesang hat mich angesteckt. Das Volk ist hier sehr abergläubisch. .. Wenn ich recht sehe, kommen dort schon Vie Gäste, es ist mir lieb, Dich so bald mit den Her ren meines Umgangskreises bekannt machen zu können, sie sind nur hier noch etwas schlicht und brav, etwas zurück in der Kultur, aber trotzdem sehr exklusiv und zum Teil stammen sie aus uraltem Geschlecht." 157,20 Wie sie so beieinander standen, bildeten die beiden Vettern einen großen Gegensatz. Der Hausherr war der Altere, eine düstere Erscheinung mit dunklen Augen und Haaren, sein Aeuße- reß trug ein leidenschaftliches, herrisches Gepräge, während Vetter Alfred der lachende Sonnenschein war. Aus seinen blauen Augen leuchtete Frohsinn und Herzensgüte, die hellblonden leicht gelockten Haare krönten seine hohe, mächtige Stirn, die auf tüchtig« GfiftMgaben schließe« U^, wenn auch sonst der Gesamteindruck auf Humor und frohen Seb«nSg«nuß deutele.
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