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Naunhofer Nachrichten : 03.02.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-190902032
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19090203
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19090203
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungNaunhofer Nachrichten
- Jahr1909
- Monat1909-02
- Tag1909-02-03
- Monat1909-02
- Jahr1909
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- Naunhofer Nachrichten : 03.02.1909
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AuS Stadl und Land. Naunhof, 2. Februar 1909. — Zur Wetterlage. Im Osten und Norden hält der Winter noch an. Hapa- randa meldet 23, Kuopio 16, Helsingfor- 12, Petersburg 12, Riga 11, Pinsk 11 und Hermannstadt 15 Grad Kälte. Bei der Luft- druckoerteilung bleiben leichte Schneefalle auch weiterhin wahrscheinlich. Die Temperatur wird sich wenig ändern, da eine Einwirkung des Hochs im Westen auf unsere Welterge- staltung gegenwärtig noch nicht zu erwarten ist. P Elly Schellenberg oder richtiger Frau Woldemar Sacke, ein gebornesNaun hofer Kind erobert sich an der Seite ihres Gatten einen Künstlerruf ersten Ranges. Wiederholt wurde in letzter Zeit in der Groß stadtpresse auf das Künstlerpaar hingewiesen. Die JllustrierteZeitschrift „Der Leip jiger" schreibt in seiner Sonntagsausgabe: Ein in teressa nteS Künstlerpaar. In unserem Blatte war wiederholt von Woldemar Sacks die Rede, einem der eigen artigsten Künstler und Menschen Leipzigs, ja, vielleicht unserer Zeit überhaupt. Für nächsten Dienstag hat ihn die philosophische Abteilung der Studentenschaft Halle zu einem Vortrag eingeladen, wo er, der selbst von Hause aus Kandidat der Philosophie ist, über das Thema reden wird: „Welche Weltanschauung macht uns glücklich?" Im schroffen Gegensatz hier zu veranstaltete er vor kurzem zwei „Heitere Klavierabende", die beide ausverkaust waren und ihn als einen der feinsten Humoristen und Satiriker am Klavier zeigten. Nächsten Freitag nun (Kaufhaussaal, 5. Februar) tritt er im Liederabend seiner Gattin Elly Schellen berg-Sacks, unsrer seit Jahren hochgeschätzten einheimischen Sängerin, als Pianist, Komponist und Begleiter auf, um sich wieder von seiner ernsten Seite zu zeigen. Wir wünschen dem sympathischen Künstlerpaar, das sich in den ersten Kreisen unsrer Stadt bereits ein Stammpublikum erworben hat, etwas, was zwar sehr materiell klingt, aber bisher noch keinem noch so ideal angelegten Künstler ge schadet hat, nämlich — ein ausverkauftes Hau». — Naunhof. War bas ein Rummel gestern zum Maskenball. So eine Menschen menge hat der Ratskellersaal wohl noch nie gesehen. Und ein lebhaftes Völkchen wars, das sich dort zu fröhlichem Tun versammelt hatte. Leben, überschäumende Lebenslust wurde ein mal gründlich ausgetollt. Alles wogte bunt durcheinander, «er das Glück hatte, einen Stuhl zu erwischen, konnte froh sein, oft saßen zwei auf einem. Denn so ungefähr 400 Personen, darunter etwa 150 Masken, mochten es ge wesen sein. Auf so viel hatte der Wirt gar nicht gerechnet. Man aß und trank was Küche und Keller boten, und sie boten Vor zügliches. Die Masken waren durchgängig schön, und es muß ein Kunststück genannt wer den, daß die Herren Preisrichter von allen den schönen Gestalten wieder das Beste, Originellste herausfanden. Der Ratskellerwirt, Herr Weiße hatte prächtige Preise gestiftet, dieselbe» wurden wie folgt verteilt: Damen. 1. Preis franz. Karte goldn. Uhr 2. di« Mode Tafelaufsatz 3. weiße Maus 1 Fl. Sekt 4. Weintraube 1 „ 5. Vergißmeinnicht 1 » Herren. 1. Preis Locus Barometer 2. „ Zeppelin-Luftschiff u. Bemannung 3Fl. Rotw. 3. „ aest. Kater l Schreibzeug 4. ,, Hahn 1 Fl. Rotw. Nach der Demaskierung kam das Tanzbein zu seinem Recht, und es ward dieses Recht äußerst stark in Anspruch genommen. Dis lange nach Mitternacht, bis Morgengrauen dauerte die Lust, bis man endlich müde das Lager auf- suchte. Und der Wirt — — schmunzelte. — Naunhof. Bei der hiesigen städtischen Sparkaffe wurden im Monat Januar 1308 Ein zahlungen im Betrags von 181182 Mark 76 Pfg. geleistet, dagegen erfolgten 874 Rück zahlungen (an Einlagen und Zinsen) im Be trage von 119 484 Mark 68 Pfg. Der Kaffen- Umsatz betrug 670 722 Mark 80 Pfg. Ein lagen werden mit 3*/z "/g verzinst. Geschäfts zeit: Vormittags 8 bis 12, nachmittags 2 bis 4 Uhr, Sonnabends durchgehend von 8 bis 1 Uhr. ch Das Wetter im Februar dürfte sich, wenn wir dem Hundertjährigen Kalender Glauben schenken «ollen, in den ersten drei Tagen kalt, vom 4. bis 13. aber unbeständig erweisen. Der 14. soll Schnee bringen, für den 15. u. 16. steht rauhe Witterung zu erwarten, vom 17. bis zum 19. sind Regen fälle wahrscheinlich, vom 20. an soll jedoch gute Witterung ein treten, die bis zum Schluß des Monats anhält. ch Die Lehrer und die Landtags wahlen. Auf die Anfrage einer politischen Partei, in welcher Weise der Sächsische Lehrer verein mit ihr in Verbindung treten könne, ist vom Vorstande erwidert worden, daß sich der Sächsische Lehrerverein als unpolitischer Verein auch tatsächlich nicht mit Politik be- fasse, daß die sächsische Lehrerschaft aber zweifellos ein Programm aufstellen werde, das den Kandidaten aller Parteien vorgelegt werde. ch Ueber 300 Kandidaten zur näch sten Landtagswahl. Nach den bis jetzt ge troffenen Vorbereitungen der Parteien dürften zur kommenden Landtagswahl mehr als 300 Kandidaten auf dem Plan erscheinen. Auf die Liberale Vereinigung entfallen dabei 7 Kandidaten, auf die Freisinnige Vslkspartei deren 26. Wie man ferner berichtet, werden die Konservativen sowohl, als auch die Nalio- nalliberalen in sämtlichen 91 Wahlkreisen eigene Kandidaturen haben. Als fast sicher ist weiter anzunehmen, daß die Sozialdemo kraten zu einem allgemeinen Vorstoß aus holen und keinen Wahlkreis unbesetzt lassen werden. Zu diesen Parteien werden dann noch die Reformer, wenn auch nur voraus sichtlich mit einem halben Dutzend Kandidaten, stoßen. Ob die Mittelstandsvereinigung eigene Kandidaten aufstellt, ist noch nicht bekannt. ft Die seit dem 1. Oktober v. I. zulässige Protestierung von Wechseln durch die Post bürgert sich immer mehr ein. Das Verfahren hat zunächst den Vorzug der Billigkeit. Außer dem Porto für die Hin- und Rücksendung des Wechsels (als Einschreibebriefswerden bei Wechseln bis 500 Mk. nur 1 Mk., bei solchen von 500 bis 800 Mk. (höhere Wechsel protestiert die Post nicht) 1 Mk. 50 Pfg. Protestgebühr er hoben. Dazu kommt u. U. der Betrag des Urkundenstempel». Zahlt der Bezogene vor der Erhebung der Pritestes, so wird überhaupt nur die tarifmäßige Postanweisungsgebühr für die Nebermittlung des eing^zogenen Betrags fällig. Wer einen Postprotestauftrag erteilen will, muß sich des dafür bestimmten Formulars (auf hellblauem Papier) bedienen, das bei allen Postanstalten zum Preise von 5 Pfg. 10 Stück erhältlich ist. Wird dagegen das grüne For mular für Postaufträge zur Geldeinziehung benutzt, so findet ein etwaiger Vermerk auf der Rückseite „Sofort zum Postprotest" keine Beachtung; derartige Aufträge werden vielmehr e. F. an den zuständigen Gerichts vollzieher, Notar usw. zur Protesterhebung weitergegeben, wodurch höhere Kosten entstehen. Für die ordnungsmäßige Erhebung des Post protestes haftet die Postverwaltung bis zum Betrage des wechselmäßigen Regreßanspruchs, während sie für gewöhnliche Postaufträge eine gleiche Haftung nicht übernimmt. Bei Auf trägen nach Berlin (gewöhnlichen und Protest aufträgen) ist zur Vermeidung von Verzöger ungen auf dem Umschlag unbedingt die Be stellungspostanstalt anzugeben. — Leipzig. Das Landgericht verurteilte den 39 Jahre alten Kassierer Bernhard Bor mann, der bei dem Bankgeschäft von Frege L Co. 134 000 Mk. unterschlagen hatte, zu 4'/z Jahren Gesängnis und 5 Jahren Ehrverlust. — Leipzig. Am 15. November v. I. verschwand die Frau des Arbeiters Rauschen bach in Dölitz plötzlich spurlos. Nach einigen Tagen wurde sie tot aus der Pleiße gezogen. Bald darauf erfolgte die Verhaftung Rauschen bachs unter dem dringenden Verdacht, seine Frau beseitigt zu haben. In der Vorunter suchung hatte Rauschenbach dann den Mord eingestanden. Wie er nun in der Schwur gerichtsverhandlung darzulegen suchte, war er am Pleißenwehr bei Dölitz mit seiner als sehr fleißig und gewissenhaft bekannten Frau in Streit geraten und habe sie in der Erregung ins Wasser gestoßen, sie aber wieder heraus ziehen wollen. Der Mörder wurde zu zwölf Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrverlust verurteilt. — Als zukünftiger Polizeidirekior von Leipzig wurde an Stelle des am I Mai in den Ruhestand tretenden Herrn Polizei direktors Bretschneider in der gestrige» Sitzung der städtischen Kollegien Herr Stadtrat Dr. Wagler mit großer Mehrheit gewählt. — Taucha. Das diesjährige Schützenfest in Taucha findet entgegen dem bisherigen Brauche in dec Zeit vom 13.—20. Juni, also 8 Tage früher als bisher, statt. Es wird demnach das Schützenfest diesmal 14 Tage nach Pfingsten beginnen. — Da die Verhandlungen der Stadtge meinde Mutzschen mit dem Fiskus wegen Nebernahme der beiden fiskalischen Wasser leitungen abgeschloffen morde» sind, so werden die Wasserleitungen nun von der Stadtge- meinde in eigene Verwaltung übernommen. — Glauchau. Der seltene Fall, daß man mit einem einzigen Wochenbeitrag dar Anrecht auf eine Rente erwirbt, ist hier eingetreten. Vor kurzem ist hier ein Altersrentenempfänger im Alter von 94 Jahren gestorben, der im Januar 1891 nur eine einzige Wochenbeitrags marke zur Invalidenversicherung geleistet hat, auf Grund dieses einen Beitrages zu« Bezüge der Altersrente berechtigt war und vom I.Jan. bis zu seinem Todestage ein« Altersrente von insgesamt 2430 Mk. ausgezahlt erhalten hat. — Riesa. In hiesiger Stadt wird in nächster Zeit der 8 Uhr-Ladenschluß für sämt liche Geschäftszweige mit Ausnahme der Fleischer- und Friseur-Geschäfte eingeführt wer den. Wenn die vor zwei Jahren seitens des deutsch-nationalenHandlungSgehilfen-Verbandes hieraus bezüglichen Bestrebungen ohne Erfolg geblieben waren, so haben die hiesigen Ge schäftsleute die Sache nunmehr selbst in die Hand genommen und den zeitigen Ladenschluß mit 195 gegen 70 Stimmen beschlossen. — In der am 29. Januar 1909 in Gegenwart des Königlichen Staatskommiffars abgehaltenen Sitzung des Aufsichtsrats der Sächsischen Bodenkreditanstalt in Dresden wurde beschlossen, der am 27. Februar 1909 stattsindenden Generalversammlung die Ver teilung einer Dividende von wiederum 7°/^ vorzuschlagen. Der Reingewinn für das Jahr 1908 beziffert sich auf Mk. 986.731.82. — Das am 23. v. M. von der 3. und 4. Abteilung des Johannes-Vereins auf dem Carolasee in Dresden veranstaltete Eisfest hat einen Reinertrag von rund 7700 Mk. ergeben. Dank der günstigen Witterung und der regen Beteiligung der Einwohnerschaft von Dresden und Umgebung ist das Fest von 5 600 Er wachsenen und Kindern besucht morden. — Chemnitz. (Im Krematorium) sind im Januar 68 Einäscherungen erfolgt, und zwar von 46 männlichen und 22 weiblichen Personen. Aus Chemnitz stammen 30, von auswärts 38 Personen. Seit der Inbetrieb nahme (16. Dezember 1906) fanden 1091 Einäscherungen statt. — Ein junger Mann «uS Plauen, der bei der deutschen Handelsmarine dient, war in Marseille in die Hände von Werbern der französischen Fremdenlegion gefallen. Nach einem Briefe an seine Eltern hatte man ihn betrunken gemacht und ihn in diesem Zustand zur Leistung seiner Unterschrift veranlaßt. Er bat die Eltern um schnelle Hilfe, damit er noch vor dem traurigen L«s eines Fremden legionärs bewahrt bleibe. Die Eltern wandten sich nun telegraphisch an den deutschen Konsul Hellwig in Marseille mit der Bitte, sich des jungen Mannes anzunehmen. Der Konsul scheint sofort energisch eingegriffen zu haben, denn bereits abends ging bei den besorgten Eltern des jungen Mannes ein Telegramm von letzterem ein: „Bin frei, habt tausend Dank!" )( Halle a. S. Da infolge schlechter finanzieller Lage ein Eingehen des Zoologischen Gartens zu Halle zu befürchten war, hat sich jetzt der städtische Etatausschuß für den Ankauf des Etablissements durch die Stadt zum Preise von 1200000 Mk. entschieden. Für diese Summe gehl der Grundbesitz mit Baulichkeiten einschließlich des Bades Wittekino in den Besitz der Stadt über. Der Tierbestand verbleibt .dagegen der Aktirn-Gesellschaft Zoologischer Garten^ die Pächterin des Unternehmens, und zwar zunächst auf eine Pachtdauer von 18 Jahren, wird. Die Pachtsumme soll 3 Proz. des von der Stadt investierten Kapitals auS- machen; für den Fall, daß die finanzielle Lag« des Unternehmens sich bessert, soll sich die Pachtsumme bis auf 4 Prozent erhöhen. Für die ersten drei Jahre wird der Gesellschaft ein Pachterlaß von 7000 Mk. pro Jahr gewährt werden. Ein Wink für Rechner. Wie oft kommt es nicht vor, daß man bei größeren Multiplikationen stets denselben Fehler macht, ohne ihm auf die Spur zu Mrschollen. Roman von William Briineck. 3 Kurt konnte von all' diesen gepriesenen Vorzügen nichts in dem Bilde entdecken. Es war eine Kopie der Madonna della Seggiola von Raphael, ohne Geschmack und Talent stümperhaft auf die Leinwand geworfen. Wäre das Bild nur eben erträg lich gewesen, würde der junge Mann, der trotz seiner unschein baren Kleidung und dem schlichten Handwerke, welches er trieb, Dank der Erziehungsmethode seines Vaters, in allen Zweigen der Kunst und Wissenschaft etwas bewandert war und einen feinfühlenden Sinn für das Schöne und Edle besaß, dem Ma ler zu Liebegern einige Worte der Anerkennung gesprochen ha ben; so aber konnte er sich nicht überwinden, gegen seine bessere Ueberzeugung ein stümperhaftes Machwerk zu loben. Er nahm keinen Anstand, dem Maler, der ihn wiederholt bat, seine An sicht auszusprechen, in aller Höflichkeit seine Herzensmeinung offen mitzuteilen. Noch während der junge Mann sprach, hatte der Maler sich erhoben, das Oelbild unter den Arm geschoben und sein Ba rett aufgesetzt. „Ha!" rief er, die Augen, welche in unheim lichem Feuer glühten, durchbohrend auf den Betroffenen rich tend, „seid Ihr auch einer jener Kritikaster, deren geistiges Auge mit Blindheit geschlagen ist? Was kennt Ihr von der Maler kunst und ihren Schöpfungen ? Ihr seht nicht den poetischen Hauch, der dieses Meisterwerk umweht, noch den Genius, der aus jedem Pinselstrich hervorleuchtet! Geht, kauft einen Bil derbogen und laßt ihn in Glas und Rahmen fassen, Euren Augen ist er ergötzlicher, als die Madonna Raphaels. Alk Sohn Eures Vaters seid Ihr mir lieb und wert; mit Eurem Urteile als Gemäldekenner aber bitte ich Euch, meine Ohren zu ver schonen. Und damit Gott befohlen. Ich mag nicht mit einem Manne beim Becher sitzen, der so profan, wie Ihr, über die Kunst denkt und spricht." Ehe Kurt eine Antwort geben konnte, hatte der Maler daS Zimmer schon verlassen. Das verschmitzte Lächeln, welches über das gerötete Ant litz des Schenkwirtes glitt, der, durch den Wortwechsel ange- lockt. eintrat, nährte den Zorn, der durch die herben, verletzen den Worte des Malers im Herzen des jungen Mannes erweckt worden war. Aber schon die ersten Worte des freundlichen Wir tes besänftigten ihn. Er hörte, daß der Maler sich für ein ver kanntes, durch die elenden Machinationen einiger ihm feindlich gesinnter Menschen unterdrücktes Genie hielt, in Wirklichkeit aber ein im Fache der Kunst durchaus unwissender und zu ge wissen Zeiten unzurechnungsfähiger Mensch war, der allein von der Mildherzigkeft anderer lebte und ein vagabundierendes Le ben führte. Er mußtejetzt selbst bei der Erinnerung an den Zornausbruch jenes Mannes lächeln und war froh, der Ge sellschaft desselben sobald enthoben worden zu sein. * * Es läutete Mittag, als Kurt den Rückweg zum Filzengra ben anirat. Schon von weitem sah er die behäbige, korpulente Gestalt des Küper- und Kirchenmeisters Wilhelm Bender war tend in der Haustür stehen. Mit freundlichem Gruß und kräf tigem Handdruck ward er von diesem und der, trotz ihrer fünf zig Jahre und der Korpulenz, in der sie ihrem Gatten nichts nachgab, noch rüstigen Hausfrau empfangen, und als der Mit- tagtisch abgetragen, der schweigsame Geselle mit der sauertöpfi schen Miene hinausgeaangen war und die Meisterin sich mit dem Strickstrumpf an das Fenster gesetzt hatte, ging der Alte hinunter in den Keller, um den Ehrentrunk für seinen neuen Hausgenossen zu holen. „Einfeines Weinchen, he?" hob er an, als er einigeMinuten später in dem kühlen Zimmer dem jungen Manne gegenüber saß, während er die leicht gerötete Nase prüfend über sein ge fülltes Glas hielt, mit Kennermiene das feine Bukett des Wei nes einsog und dann das Glas andächtig den Lippen näherte. „Ratet einmal, wo der gewachsen ist?" „Nun, wo anders, als auf meines Vaters Weinberg ?" ent gegnete Kurt lächelnd, als er sein Glas geleert und einen Au genblick in die kleinen, freundlich blinzenden Augen seines Mei sters geschaut hatte. „Ich kenne die Sorte, sie hat mir Anno 23 als Federweiß schon zu schaffen gemacht." Bender nickte mit dem Kopfe, füllte die Gläser wieder und zündete eine tönerne Pfeife an. „Ihr habt recht," erwiderte er, „der Wein ist aus Eures Vaters Keller. Aber Ihr habt mir noch nicht gesagt, wie der alte Bürgermeister sich befindet." „Daß ich das auch vergessen konnte," fiel Kurt ihm ins Wort, indem er einen Brief aus der Brusttasche seines Rockes zog. „Da, leset, außerdem soll ich Euch und die Frau Meiste rin recht schön von ihm grüßen." Während die Meisterin sich bedankte, setzte der Alte eine massive, silberne Brille auf die Nase, erbrach das Siegel und las langsam und bedächtig die mit fester, markiger Hand ge schriebenen Zeilen. „Hm, hm," hob er an, als er dieses Ge schäft beendet hatte, „ein ehrliches, gutes, aber leichtfertiges Bürschchen seid Ihr? Und ich soll Euch so streng wie möglich im Zaume halten? Mir bangt, Euer Vater hat sich an den Unrechten gewandt. Wir Kölner sind alle ein wenig leichtfer tig, ich selöst lasse mich trotz meiner grauen Haare noch manch mal verleiten, ein wenig über die Schnur zu hauen. Eigentlich sollte ich Euch meinem Freunde mit Protest wieder zurück schik- ken! Das wäre wenigstens ehrlich gehandelt, indes, versuchen wollen wir es doch mit einander; ich denke, mir werden schon fertig werden." „Ich denke es auch, Meister," erwiderte Kurt treuherzig, dem Alten die Hand reichend, die dieser kräftig schüttelte. „Wißt, die Leichtfertigkeit, von der meinVater schreibt, ist kein Leicht sinn; ich lassemich häufig von meinem Herzen zu allerlei Tor heiten Hinreißen, und das nennt mein guter, alter Vater, bei dem die Vernunft stets die Oberhand behält, Leichtfertigkeit." „Wenn es weiter nichts ist," versetzte Bender, während er die Brille sauber abwischte, „das schleift sich mit den Jahren ab. Doch, wie kommt Ihr, der Sohn eines wohlhabenden Bür germeisters, dazu, das ehrbare Küperhandwerk zu erlernen?" „Ich weiß es selbst nicht," erwiderte Kurt, „eine Neigung trieb mich dazu. Als ich noch ein kleiner Junge war, schlich ich mich häufig in meines Vaters Weinkeller, und saß dort stun denlang vor den großen, schwarzen Fässern, in welche die wür zige, berauschende Flut gebannt war." „Da geschah es denn oft, daß ich in dem kühlen Raume ein schlief und dann träumte mir von Feen und Elfen, von Ko bolden und häßlichen Mesen, die aus den Fässern stiegen, und in bunten Reihen an mir vorüber wandelten. Bald jagte mich eine jener Spukgestalten in voller Angst aus einem Winkel in den anderen, bald nahm eine schöne Fee mich auf ihren Schoß und erzählte mir wunderbare Geschichten. Ich weiß nicht, wie es kam, aber meine Liebe zu den Fässern wuchs von Jahr zu Jahr, und als ich meinen Beruf wählen sollte, erklärte ich frisch und frei, daß ich ein tüchtiger Küper werden wollte." 152,21
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