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Naunhofer Nachrichten : 17.03.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-190903175
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19090317
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19090317
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungNaunhofer Nachrichten
- Jahr1909
- Monat1909-03
- Tag1909-03-17
- Monat1909-03
- Jahr1909
- Titel
- Naunhofer Nachrichten : 17.03.1909
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Knuzergeschwader« in Ostafien, Konteradmiral Torpey ist demgemäß beauftragt worden, mit drei Kriegsschiffen sich nach Damoa zu be- Mbea. Der Kreuzer „Leipzig" mit dem Ge- schwaderchef an Bord ist bereits in Agia eingetroffen. Das Kanonenboot „Jaguar" ist von Ponape ebenfalls nach Samoa in See gegangen. Es wird dort am. 20. d. M. er wartet. Der Kreuzer „Arona" und daß Be gleitschiff „Titania" (Kohlendampfer) werden etwa am 23. o. M. in Apia eintreffen Es steht zu erwarten, daß die Anwesenheit dieser Kriegsschiffe genügen wird, um die Bestrafung der Schuldigen und die Wiederberstellung der Ordnung ohne Kämpfe herbeizuführen. Im Luftschiff zum Nordpol. Interessante Mitteilungen über den beab sichtigten Versuch des Ingenieurs Wellman, im Lenkballon den Nordpol zu erreichen, wur den anläßlich der bevorstehenden Eröffnung der aeronautischen Anstalt in London gemacht. London, 13. März. Das lenkbare Luft schiff Wellmans, mit welchem dieser im nächsten Sommer von der dänischen Insel nach dem Nordpol zu fliegen gedenkt, wurde heute in der hiesigen Olympia-Halle, wo die Inter nationale aeronautische Ausstellung stattfinden wird, aufgestellt und mit Luft gefüllt. Der Ingenieur Wellmans erklärte einem Vertreter des Evening Standard: Unter günstigen Um ständen hofft er in drei Tagen nach dein Nord pol und zurück nach der Dänen-Jnsel zu fliegen. Das Luftschiff würde imstande sein, 2000 eng lische Meilen zurückzulegen. Er würde lieber nach der Dänen-Jnsel zurückkehren als nach Sibirien gehen, weil ihm daran gelegen sein würde, so schnell wie möglich zur Zivilisation zurückzukommen. Seine Expedition mürbe für acht Monate Proviant mitnehmen, mit Hilfe der mitzuführenden Hunde und Schlitten würde sie selbst aus den unangenehmsten Lagen zir- rückgelangen können. Das Luftschiff Well mans ist nicht so groß wie das des Grafen Zeppelin, aber doppelt so groß wie die „Ville de Tours" oder der „Nulli Secundus"; es ist 182 Fuß lang, mit einem Durchmesser von 52 Fuß. Gein Inhalt beträgt 7800 Kubik meter, und es führt 40 Tage Gas mit. Rundschau. * Der Nationale Bürgerverein in Ober hausen im Rheinland hatte ein Telegramm an den Reichskanzler gerichtet, in dem die Vor lage der Reichsregierung für eine gute Lösung der Reichsfinanzreform erklärt wurde. Fürst von Bülow antwortete darauf dem Schrift führer des Vereins: „Eure Hochwohlgeboren bitte ich, dem Nationalen Bürgerverein in Oberhausen meinen verbindlichen Dankfür das freundliche Schreiben vom 6. b. M. und die darin zum Ausdruck gebrachte Zustimmung zu den Vorschlägen der Regierung für die Reichsfinanzreform über mitteln zu wollen. Die Vorschläge sind viel leicht verbesferungSfähig. Ich hoffe aber, daß bei der Lösung unserer wichtigsten politischen Aufgabe der Gegenwart sich nicht wie so oft das Bessere als Feind des Guten erweisen, und daß die Erkenntnis der harten Not wendigkeit, schleunigst und vollständig mit der Finanzmisere unseres Reiches ein Ende zu machen, die Vertreter des deutschen Volkes zur Einigkeit und zu Entschlüssen bringen wird". * Ein Notschrei aus Lippe gegen de» Besitzsteuer-Kompromiß der Finanzkommisston der Reichstags zeigt so recht die Sorge der Bundesstaaten darüber, wie sie die ihnen zu- gemuteten finanziellen Lasten noch weiter tragen sollen. Der Staatsminister des Fürsten tum von Gevekot sagte in einer Rede, der Bundesstaat Lippe-Detmold werde „zu Grunde gehen, wenn der Kommissionsantrag Gesetz würde." Das gibt dort zu denken! * Ei» Offiziersduell mit tödlichem Aus gange. In Pola fand ein Zweikampf auf Pistolen zwischen dem Linienschiffsleutnant Heinrich Pergler von Perglas und dem Ar tillerieoberleutnant Wilhelm Ritter von RoSner statt. Pergler verwundete beim ersten Schuß seinen Gegner tödlich, ohne daß dieser zum Schuß kam. Roßner starb kurz darauf. Die Ursache des Duells wird geheimgehalten. * Friedrichshafen. Die Uebungen mit dem Zeppelin-Luftschiff finden ihre Fortsetzung. Wie verlautet, soll demnächst eine Fernfahrt nach München ausgeführt werden. * München. Der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Rollwagen aus Augsburg wurde von mehreren Genossen, die von der Partei ausgeschlossen werden sollten, überfallen und nicht unbedeutend verletzt. Aus Stadt und Land. Naunhof, 16. März 1909. -j- Schneeglöckchen läuten den Frühling ein! Nun hat trotz Schnee und Eis das Blümlein seine Blüten entfaltet, die, selbst weiß wie Schnee, dem Winter zum Begräbnis läuten und doch klingt cs wie ein WillkommenSgruß für den Frühling. Vom Sonntag zu Montag hatte der alte Griesgram noch einmal seine grimmigste Miene aufgesetzt, er bescherte uns wiederum 8 Grad Kälte, aber gestern und heute pochte der Frühling mit aller Gewalt an und begehrte Einlaß. Er räumte mit den Schneeresten und Fetzen der weißen Rnhcdecke gewaltig auf und rief die Schläfer zu neuem Leben. Frühling will kommen, so sprechen die Menschen und atmen auf, daß endlich der lange Winter mit seinen Schrecken vorüber ist, Frühling will kommen, so singen es die Vögel, aus deren übervollem Herzen die Lieder der Sehnsucht und Liebe emporquellen, Frühling will kommen, so künden es die Blumen, die ihre Köpfchen nach dunkler Winternacht der Frühlingssonne entgegen wenden. Schnee glöckchen läutet schon und dann muß es Früh ling werden. Hoffentlich macht nun der Winter keine dummen Streiche mehr. ch Der bisherige Vertreter des 11. städt ischen Wahlkreises (Colditz—Geringswalde— Grimma—Lausigk—Naunhof—Nerchau und Trebsen)- Großmühlenbesitzer Gleisberg-Grimma ist von dem Reichsvercin und dem National liberalen Verein in Grimma wieder als Kandidat aufgestellt worden. ft ZumGroßsteinberger Raubmorde schreibt das Leipz. Tgbl.: An dem Tage, Sonntag, den 21. Juni 1S08, an dem die Modistin Conrad auf der Flur bei Großstein- berg ermordet aufgefunden wurde, Hal mittags in der zwölften Stunde in Ammelshain ein bester gekleideter, blonder Mann im Alter von 25—30 Jahren, dem der linke halbe Daumen gefehlt hat, bei einem dortigen Gutsbesitzer gebettelt. Er scheint von Naunhof herge kommen zu sein und sich in der Richtung nach Altenhain entfernt zu haben. Für die Unter suchungsbehörde ist es nun von der aller größten WichtigW. daß sich alle Personen melden, die am fraMhen Tage, sei es in den genannten Orten, sei eS anderwärts mit diesem Manne irgendwie in Berührung gekommen sind. Bekanntlich sitzt ein gewisser Pelz in Untersuchungshaft, dem der halbe linke Daumen fehlt. Zweckdienliche Mitteilungen über den gesuchten Bettler sind an den Unter suchungsrichter, Landrichter Dr. Leonhardt, Neues Landgericht Leipzig, Elisenstraße 64, zu richten. -s- Vorsicht bei Verjährung. Schuldet jemand Kapital und Zinsen, wird aber nur wegen Nichtzahlung der Zinsen verklagt, so wird dadurch, wie der 4. Senat des Reichs gerichts feststellte, die Verjährung der Kapital- forderung nicht unterbrochen. Das Kapital würde also event. verloren gehen, wenn es nicht auch noch rechtzeitig eingeklagt wird. — Am Freitag abend ist im Alter von nahezu 83 Jahren Herr Hermann Julius Meyer in Leipzig, der einzige Sohn Karl Joseph Meyers, des Gründers des weltbekannten Bibliographischen Instituts, gestorben. — Leipzig. Herr Geh. Kommerzienrat Julius Blüthner, Gründer und Seniorchef der seit 56 Jahren bestehenden weltbekannten Hofpianofortefabrik von Julius Blüthner, feierte seinen 85. Geburtstag. — Fräulein Dr. jur. Anna Schulz aus Hamburg spricht hier am 22. März über Aufgaben und Ziele einer Zentrale für Jugendfürsorge. Eine kon stituierende Versammlung für letztere soll am nächsten Montag vorausgehen. — Die Konzen tration der Konsumvereine in dem großen Plagwitzer macht hier weitere Fortschritte. Am 30. Juni d. I. wird sich der bisherige Eutritzscher Konsumverein, der im letzten Halb jahr 1908 noch einen Umsatz von 653 640 Mk. erzielte, dem Plagwitzer anschließen, welcher bezüglich seiner Mitgliederzahl bisher schon an zweiter Stelle in Deutschland stand. — Die Ortschaften Lindenthal, Wiederitzsch und Seehausen haben sich zur Errichtung einer gemeinsamen Kläranlage verpflichtet. Die Er werbung des dazu erforderlichen Areals soll im Einvernehmen mit der Stadt Leipzig möglichst bald geschehen. Es macht sich zunächst die Erbauung einer interimistischen Schleuse längs der Rietschke nötig, die mit 16000 Mk. ver anschlagtist. Lindenthal muß auf seine eigenen Kosten das Schleusennetz bis zur Kläranlage erweitern. Die Kosten hierfür werden auf 30 000 Mk. geschätzt. Der Gemeinde See hausen soll die Möglichkeit geboten werden, vor läufig direkt nach der Rietschke zu entwässern, um sich erst später an die Schleusenanlage an zuschließen. — Groitzsch. Die städtischen Kollegien beschlosten, die Umsatzsteuer von 2 Proz. auf 14/r Proz. des Umsatzes herabzusetzen. — Zwenkau. Im Gotthard Enke'schen Konkurs ist nunmehr der Vorschlag zu einem Zwangsvergleiche beim hiesigen König!. Amts gericht eingereicht worden: es werden allen nichtbevorrechtigten Gläubigern 25 Proz. ihrer Forderungen geboten, wovon 15 Proz. eine Woche nach Aufhebung des Konkursverfahrens und der Rest bis Ende 1909 zahlbar sind. Die bevorrechtigten Forderungen werden voll ausgezahlt. Sobald der Zwangsvergleich an« genommen ist, worauf von den Beteiligten be stimmt gerechnet wird, soll der Betrieb wieder ausgenommen werden. — Mutzschen. Die Generalversammlung der hiesigen Vereinsbank, die am 12. d. Mts. stattfund, hat die Verteilung einer Dividende vvn 6 o/o beschlossen. — Rodewisch. In der Nacht zum DoumrS - tag vergiftete der Sohn des Gemeindevorstittzdes in Wolfspfütz bei seiner hier wohnendey Ge liebten, der Plätterin Kropf, deren einjährige», von ihm stammendes Kind. Der Täter war in der genannten Nacht bis in die 4. Morgen stunde bei seiner Geliebten gewesen und hattt einen Moment, während diese das Zimmer ver lasten, benutzt, um dem Kinde Lysol zu geben. Der Mörder wollte darauf fliehen, wurde aber verhaftet. — Trichinen in ungeheuerer Menge wur den auf dem Schlachthofe in Glauchau in einem 90 Kg schweren Schwein festgestellt. In einem einzigen haferkorngroßen Präparat waren durchschnittlich über 20 Trichinen ent halten, so daß in einem Gramm Muskelfleisch ungefähr 1000 Trichinen enthalten sein konnten. — Bautzen. Die Prämie von 50000 Mark der Meißener Dombaulotterie ist nach Bautzen gefallen und zwar ist der Gewinner der in der Tageblatt-Druckerei angestellte Buch halter. Aus aüer Welt. ** In Biedenkopf bei Marburg wurde, ein 19jähriger Handwerksbursche, der Joseph Mehling heißen und aus Düsseldorf stammen soll, unter dem Verdacht, am 14. Juni v. I. den Mechaniker Oskar Seidel bei Mainbern heim erschossen zu haben, verhaftet. Rach einem eindringlichen Verhöre gestand er die Tat ein. ** Abenteurer auf den Diamant feldern. Die ReichSregierung hat da» Kanonenboot „Panther", das in Südwest afrika zu VermestungSzwecken sich aufhält, nach Lüderitzbucht gesandt, um im Notfall gegen die überhand nehmenden, in immer größerer! Zahl eintrcffrnden Abenteurer, vorgehen zu können, da die Polizeitruppe nicht genügt. ** Ein neues Zuchttier für Deutsch- Südmestafrika. Persianer Pelzwerk können unsere Damen in der Zukunft voraussichtlich aus unseren eigenen Kolonien beziehen. Persianerfelle stammen nicht aus Persien, sondern aus Buchara. Von dort hat nun die Reichs regierung 274 Karakul-Schafe, inkl. 22 Böcke, nach Swakopmund transportieren lasten, sämt lich aus verschiedenen Herden ausgesuchte, beste Tiere. Da die Bedingungen für ein guter Gedeihen der Karakul-Schafe in Deutsch-Süd- westafrika gegeben sind, dürften die Versuche zur Akklimatisation, die mit aller denkbaren Sorgfalt vorgenommen werden, gewiß erfolg reich sein, so daß wir abermals eine wertvolle Bereicherung unserer Kolonialprodukte zu er warten haben. Die Persianerfelle haben einen Wert von 20 Mk. pro Stück, Felle von unge borenen Läminern, sog. Breitschwanz einen solchen von 30 Mk. Jährlich kommen etwa 1 Million solcher Felle aus Buchara nach Leipzig, den, einzigen Ort, wo sie gefärbt werden können, und gehen dann von hier aus in alle Welt. ** Bei Schönebeck ist der Bau einer neuen Brücke über die Elbe in Angriff ge nommen worden. Die Länge wird annähernd 600 m betragen, davon nur 200 Haupt- brücke, 400 m sind diesseits bis zum Damm. Die Breite ist 16m, davon 6 m Fahrdamm und je 3 m Fußwege. Die Stromöffnung soll 133 m lichte Weite, die Flutöffnung je etw« 50 m lichte Weite erhalten. ** Wenn gar kein Metier mehr sich rentieren will, der Heiratsschwindel rentiert sich noch verschollen. Roman von William Brüneck. 39 Die Nacht war kalt und sternenhell, eine ruhige, schöne Win ternacht, nur selten zeigte ein Wanderer sich in denstillen Stra ßen, die der Maler rasch durchschritt. Er fühlte jetzt, als die Gefahr, daß Klara ihm wieder entrissen werden konnte, plötz lich austauchte, wie sehr er das Mädchen liebte und nur der einzigste Wunsch beseelte ihn, die Geliebte glücklich zu machen und an ihrer Seite, in ihrem Glück des eigenen Herzens Ruhe, das eigene Lebensglück zu finden. Unwillkürlich mußte er der Worte gedenken, welche der Doktor Opitz in der Wirtschaft „Zu den sieben Brüdern" zu ihm geredet hatte. In den Zorn über die verletzte Eigenliebe mischte jetzt der Gedanke sich, der Doktor könn^ am Ende doch recht und jene Worte in uneigennütziger Absicht geredet haben. Sah er auf seine Vergangenheit zurück, so mußte er sich gestehen, daß sein ganzes Wirken in jener Zeit nicht viel mehr denn Null war; keine seiner Hoffnungen, keiner seiner Wünsche hatte sich er; füllt. Auf der Bahn, sie er sich einst in dem Frühlinge seines Lebens oorzeichnete, war er um keinen Schritt weiter gekom men, und jenes Ziel, welches er erreichen wollte, die Anerken nung seines Namensund seines Genies, lag noch, wievorzehn Jahren, in weiterübelgrauer Ferne. Daß er allein hieran Schuld trug, daß die Laufbahn, die er gewählt hatte, eine verfehlte war, wollte er freilich nicht zuaeben, er hielt sich noch immer für einen Meister in seinem Fache, für ein Genie, dessen Größe erst nach vielen, vielen Jahren, wenn mit der Zeit auch das Verständnis der Menschen für Kunst und Wissenschaft vorge schritten war, Anerkennung finden werde. Indes, was konnte ihm dies jetzt nützen? Die in seinem Herzen erwachte Liebe stellte Anforderungen an ihn, die sich mit unbestimmten Aus sichten für die Zukunft und idealen Hoffnungen nicht begnügte, die vielmehr prosaische, reelle Erwerbsmittel verlangte, und diese konnte der Maler, weder jetzt, noch in der nächsten Zukunft, bieten. Den schönen Traumzukunstiger Größe hatten die Worte de» Doktors scharf und ohne Schonung, wie die Sonde des Wundarztes die brandige Wunde, sondiert, und bei tieferem Nachdenken mußte Münz sich gestehen, daß die Luftgebilde, die leitttn geistigen Äugen vorgaukelten. PhantaSmagonen waren. die einen Phantasten wohl beglücken, ihm aber keine Subsistenz mittel geben konnten. Zwölf Jahre hindurch hatte er unausgesetzt gearbeitet und manches Gemälde geschaffen, aber das ganze Resultat dieses zwölfjährigen Wirkens reichte nicht hin, die Bedürfnisse eines einzelnen Tagelöhners für ein Jahr zu decken, wie also hätte er sich anheischig machen können, eine Familie durch seiner Hände Arbeit zu ernähren? Er liebte die Kunst nicht, wie er behaupten wollte, ihretwegen, sondern vielmehr nur seinethal ben, weil er durch sie reich und berühmt zu werden hoffte. Ihr ungetreu zu werden und ein ehrsames Handwerk zu ergreifen, dagegen sträubte sich sein Stolz, selbst die eiserne Notwendigkeit würde diesen Stolz, der seine Armut schmückte, nie gebeugt oder gebrochen haben. Die Hoffnung, welche er auf sein projektiertes Seestück setzte, war schon bedeutend geschwächt. Zwar befürchtete er nicht, daß sein Talent einer solchen Arbeit nicht gewachsen sei, im Gegenteil, er hegte die feste Ueberzeuguna, daß er ein Meisterwerk in diesem Bilde schaffen werde, doch zur Vollen dung desselben bedurfte es einiger Jahre, und so lange konnte er Klara, der er das Versprechen gegeben hatte, sie noch im Laule dieses Jahres als sein Weib heimzuführen, nicht warten lassen. Freilich mußte er zugeben, daß dieses Versprechen ein leichtfertiges und unüberlegtes war, indes, er hatte es einmal gegeben, er wollte es auch halten; wie er dies ermöglichen konnte, war ihm ein Rätsel, doch hoffte er, Mittel und Wege dafür zu finden. In seine Gedanken versunken, hatte er, vor sich hinblickend, nicht auf den Weg geachtet, als er jetzt aufschaute, gewahrte er zu seinem Erstaunen, daß er hart am Rheinuser stand. Einen Augenblick sah er träumerisch hinüber auf die mit Eisschollen bedeckte Fläche, schon wollte er sich umwenden, um den Rück weg anzutreten, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter fühlte und eine ihm bekannte Stimme seinen Namen nannte. Er wandle sich um und sah sich dem Polizei-Kommissar ge genüber, mit welchem er bei der Befreiung oer Stadttatstoch ter bekannt geworden war. „Sieh da," hob dieser an, während ein vertrauliches Lä cheln über sein gerötetes Antlitz glitt, „treffe ich Euch wieder als einen obdachlosen Nachtschwärmer? Ihr habt uns Unhöf lichkeit und Ungeselligkeit vorgeworfen; damit Ihr seht, daß die Polizei nicht nur höflich, sondern auch zuvorkommend ist, lade ich Euch ein, in dieser Nacht mein Gast zu sein. Kommt, Ihr findet eine trauliche geheizte Stube und ein gutes Glas Rum, also alles, was ein Obdachloser sich nur wünschen kann." „Ihr seid grob und zuvorkommend in einem Atemzuge," entgegnete der Maler ohne Bitterkeit. „Oderistes etwa ge bildet, jemand ins Gesicht zu sagen, er habe kein Obdach, ohne vorher sich die Ueberzeugung verschafft zu haben, daß diese Be hauptung wahr ist? Ich besitze eine so trauliche und hübsche Wohnung, wie Ihr sie nur haben mögt und wenn ich mich zu dieser Stunde noch in den Straßen herumtreibe, so kann oieS niemand auffallen, da mich und meine Gewohnheiten jeder kennt. Oder sst es etwa verboten, nach Mitternacht spazieren zu gehen? Meines Wissens existiert kein Gesetz, welches dem Bürger befiehlt, nach Zapfenstreich zu Hause zu sein." „Nun, nun, nicht so hitzig," begütigte der Kommissar, „einem alten Bekannten müßt Ihr nicht gleich jedes Wort übel nehmen, da hört ja mit der Zeit feder Scherz auf. Wenn Ihr mir einen Gefallen tun wollt, so kommt mit, ich habe bis morgen früh die Wache und in der alten einsamen Wachtstube wird mir die Zeit verdammt lang." Münz dachte eine Weile nach. „Nein, nein, es geht nicht," erwiderte er, „ich habe in den vergangenen Nächten fo wenig geschlafen, daß ich der Ruhe nicht entbehren kann, ich würde «in langweiliger Gesellschafter sein." Im Begriffe davon zu gehen, wandte er sich plötzlich wieder um. „Apropos," fuhr er fort, „wißt Ihr, daß oer Wirt von der holländischen Grenze, in dessen Schenke wir derzeit einkehrten, hier ist, um seine Nichte wiederzuholen ?" Der Kommissar zog, sein Erstaunen an den Tag legend, die Augenbrauen in die Höhe. „Der Halunke?" fragte er. „Er bat es gewagt, uns nachzureisen? Na, wartet, wenn er mir in oie Hände fallt, werde rch ein Wörtchen mit ihm sprechen, an welches er sein ganzes Leben denken soll. Wo traft Ihr ihn?" „Im Schnapskasino," entgegnete der Maler. „Der Ker! Überschüttete mich mit Vorwürfen und Schimpfreden, ich ließ ihn auspoltern, erzählte den Gästen seine Schelmenstückchen und das Ende vom Liede war, daß er ohne viel Federlesens auf gut Kölnische Manier an die Lust gesetzt wurde." 152,20
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