4 Gerhard Schmidt Pieschen: Vom „Weindorf der kleinen Leute“ zum Arbeiterwohngebiet Wer heute durch den Dresdner Stadtteil Pieschen geht, kann sich kaum vorstellen, daß es hier vor 150 Jahren, also vor fünf Generationen, ein Dorf mit ausgedehnten Feldern und Weingär ten gab, das 1834 nur 347 Einwohner und selbst 1871 nicht mehr als 1 733 Einwohner zählte. Pieschen war ursprünglich eine sorbische Siedlung. Namensform und Schreibweise wechsel ten : bei der ersten Erwähnung 1292 und 1350 noch Peschen, wird es 1373 Poischin, 1378 Pecz- schen, 1541 Pischenn, 1755 Püschen genannt. Nach Richter und Walther geht der Name auf den sorbischen Begriff pescina, d. h. Sandgegend, zurück. (Anmerkung der Redaktion: Bei vorliegendem Uberblicksartikel wurde auf Wunsch des Autors auf detaillierte Quellenanga ben verzichtet. Die Angaben sind der im Anhang verzeichneten Literatur entnommen.) Die Ortsform war ein Gassendorf. Noch heute erinnert der „Bischofsweg“ an ein mittelalter liches Gut des meißnischen Bischofs, das sich hier auf etwa halbem Wege zu dessen Schloß in Stolpen befand. Wein- und Obstbau, aber auch die Imkerei waren ursprünglich die Haupterwerbszweige der Pieschener. 1675 wurden erstmals Häusler erwähnt. 1764 zählte der Ort 43 Bauern, 26 Gärt ner und 14 Häusler. Pieschen war kein reiches Bauerndorf wie das benachbarte Kaditz, son dern von ärmeren Schichten besiedelt. Frühzeitig setzte aufgrund der Stadtnähe und Erbtei lungen ein sozialer Differenzierungsprozeß ein, der gegenüber anderen Gemeinden der Eibaue seine Spezifik hat. Von 1378 bis ins 19. Jahrhundert hinein gehörte Pieschen zum staatlichen Verwaltungsbezirk der Burg (des Amtes) Dresden. In die Grundherrschaft teilten sich fünf Gewalten: das Amt Dresden, das Domkapitel (später Prokuraturamt) Meißen, die Religionsämter Dresden-Alt stadt und -Neustadt sowie das Dresdner Brückenamt mit der Kreuzkirche. Daher zeigt das Siegelbild von Pieschen aus dem Jahre 1737 fünf Weinstöcke. Links und rechts von ihnen blüht je eine Sonnenrose, und über den Reben hält die Taube den Ölzweig als Sinnbild des Friedens. Aus einem Rechtsstreit des Jahres 1373 läßt sich nachweisen, daß Pieschen dem wettinischen Landesherrn Zins und dem Bischof von Meißen den Zehnten in Naturalabgaben zu zahlen hatte. Seit 1412 erhielt das 1404 gegründete Augustinerkloster in Altendresden 12 Scheffel Korn von der Steuer, die das Amt Dresden im Namen des Landesherrn erhob. Diese später an das Pfarramt der Dreikönigskirche übergegangene Abgabe wurde erst 1852 abgelöst. Zudem hatten die Pieschener Bauern Spann- und Handdienste, Sicheltage zu leisten und Hutungszin sen zu zahlen. Auch von Bränden (1674, 1763 und 1805) und anderen Heimsuchungen blieben die Pieschener nicht verschont. Besonders gravierend wirkte sich die Lage des Dorfes an der Hauptstraße vor