77 Jörg Heyne D Karl August Röckel - Musikdirektor und Revolutionär von 1848/49 »Die Ereignisse des Jahres 1848 trafen mich als Königlichen Musikdirektor beim Hoftheater zu Dresden ... Mein vielbewegtes Leben hatte mich schon in früher Jugend zum unmittel baren Zeugen großer politischer Ereignisse gemacht, die nicht ohne dauernde Einwirkung auf mein ganzes Denken und Fühlen bleiben konnten. Aus Aachen ... war ich anfangs 1830 noch früh genug nach Paris gekommen, um die Bedeutung der an mir vorüberbrausenden Julirevo lution begreifen zu können, während ich Lafayette, Lafitte, Marrast und andere Führer der Bewegung kennenlernte.« 1 * Wer war dieser Künstler, dessen Name bis in die jüngere Zeit von der Geschichtsschreibung nur in Verbindung mit Richard Wagner, als dessen politischer Ver führer er galt, genannt wurde? Am 1. Dezember 1814 als Sohn des Beethovenvertrauten und bekannten Theaterunterneh mers Joseph August Röckel in Graz geboren und seit seinem ersten Lebensjahr mit dem Vater auf Reisen, erlebte der junge Karl August 1830 die Julirevolution in Paris und lernte - wie aus biographischen Skizzen, niedergeschrieben auf der Festung Königstein, hervorgeht - 1838 in London Robert Owen kennen, nachdem er zuvor schon mit Proudhon und den Saint-Simo- nisten in Berührung gekommen war. Zunächst war er bei der Operntruppe seines Vaters als Chordirektor und Korrepetitor beschäftigt. 1832 finden wir ihn dann in gleicher Funktion unter Gioacchino Rossini bei der Italienischen Oper zu Paris und danach unter Giacomo Meyerbeer an der Französischen Oper in London. Musikalische Studien betrieb er bei den berühmtesten Zeitgenossen, darunter Luigi Cherubini und sein Onkel, der Mozartschüler Johann Nepomuk Hummel. 1840 kehrte er endgültig nach Deutschland zurück und widmete sich in Weimar bis zu seinem Amtsantritt in Dresden der Komposition seiner großen Oper »Farinelli«. Im gleichen Jahr (1843) wie Richard Wagner als Musikdirektor an der Hofoper zu Dresden angestellt, zählte er bald zu dessen Freundeskreis. Stellte sich Röckel, der nach Wag ners Bekenntnis »einzige Freund«, mit seiner ganzen Persönlichkeit in den Dienst der künst lerischen Ideenverwirklichung des jungen Meisters, so erhielt dieser von dem weitgereisten und hochgebildeten Freund Informationen über »die Proudhonschen und anderer Sozialisten Lehren von der Vernichtung der Macht des Kapitals«, die ihm Wege der Realisierung seiner künstlerischen Pläne zu eröffnen schienen. 2 * Den Nachrichten über die revolutionären Ereignisse in Paris stand Röckels Freund zunächst wenig berührt gegenüber. »Zwar drangen die Nachrichten von wachsend unruhigen Auftrit ten in der französischen Hauptstadt zu uns; doch bestritt ich namentlich gegen Röckel, daß