99 Matthias Herrmann & »Nicht [...], daß wir die Tradition gerettet hätten - wir fangen nur ganz ärmlich von vorne an<T Musik, Oper und Theater im Jahre 1945 in Dresden Nach der Anordnung des »totalen Krieges« bricht auch in Dresden das Kulturleben zusammen. Am 1. September 1944 werden die Theater geschlossen, ältere Mitarbeiter und Frauen in die Rüstung, die jüngeren männlichen Jahrgänge zum Militär beordert. Während die Staatskapelle als Institution weiterbesteht, wird die Philharmonie aufgelöst. Die Hoffnung vieler, auch einheimischer Musiker und Künstler, die Stadt würde von Luftan griffen verschont bleiben, erweist sich als trügerisch. Am 14. Februar 1945 liegen mit einem Schlag neben den für die Sakralmusik bedeutenden Innenstadtkirchen sowie den Konzertsälen Gewerbehaus und Künstlerhaus auch das Opernhaus, das Schauspielhaus und das Alberttheater in Trümmern; gleichermaßen die meisten sonstigen, fürs Musik- und Theatermachen notwen digen Gebäude und beweglichen Gegenstände wie Dekoration, Noten und dergleichen. Alle Kultureinrichtungen der Stadt haben Tote zu beklagen. Das äußere Chaos ist ein Abbild des inneren. Obwohl das Vakuum zwischen alter und neuer Zeit von der Sorge um das Allernotwendigste geprägt ist, gibt es sehr bald Bemühungen, die Musikinstitutionen neu zu etablieren. So geht aus einem Rundschreiben vom März hervor, daß das Stadtamt für Volksbildung Oberstudien direktor Kästner beauftragt hat, »den Kreuzchor möglichst wieder nach irgendeinem geeigne ten Ort zusammenzurufen«. 2> Die Staatskapelle wird vorübergehend in Bad Brambach und Bad Elster angesiedelt. 31 Dennoch: Von einem Neubeginn kann erst gesprochen werden, als sich die Sowjetische Militär administration nach dem 8. Mai in Dresden einzurichten beginnt. Mit der »Wiederherstellung des kulturellen Lebens« 4 * wird Alexej Kotschetow beauftragt. Einer seiner Offiziere nimmt Kon takt zur KPD-Zentrale auf. Nach Herbert Gute eröffnet dieser das Gespräch mit folgenden Wor ten: »Ich möchte Ihre Gedanken und Vorstellungen darüber wissen, wie die Kunststadt Dresden neu entstehen soll [...] Ich meine Kunst, Wissenschaft, kulturelles Leben.« - Und Herbert Gute: »Wir sahen uns überrascht an und zögerten mit der Antwort. Ich gab mir einen Ruck: [...] >Sie wissen, wie schwer unsere Stadt zerstört ist. Die Menschen leben zusammengepfercht in den wenigen noch benutzbaren Wohnungen. Sie haben Hunger [...]<« Die Erwiderung des Russen