108 Neuerscheinungen zur Dresden-Literatur Verbrannt bis zur Unkenntlichkeit: Die Zerstörung Dresdens 1945 Begleitbuch zur Ausstellung im Stadtmuseum Dresden Februar bis Juni 1995 Dieser 13. Februar 1995 wird der letzte große Gedenktag gewesen sein, an dem die Zeugen von damals teilhatten. Noch einmal Totenbeschwörung, in der sich Wissen und Erfahrung verbinden. »Was sollt’ ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen/Und blutig, bleich und blaß/Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,/Und vor mir weinten, was?« (Matthias Claudius). - Sind dies die Alpträume nur der Überlebenden aus jener Winternacht? Sind es vielleicht auch die der englischen Bomberbesatzungen? Das Begleitbuch zur Gedenkausstellung des Stadtmuseums ist selbst eine große Totenbe schwörung: Die Erschlagenen, Verbrannten auf den bewegenden Fotos; das Schicksal von Anni und Albert Wiltzsch (sie starb an den Folgen des Angriffs, er erschoß sich, als die »Kettenhunde« der Feldpolizei den Deserteur drei Tage vor Kriegsende aufstöberten); die Relikte im Keller der Frauenkirche. - Totenbeschwörung auch in der Bilanz der Opfer. Waren es 60 000, 35 000 oder »nur« 25 000? Noch immer kann diese Frage nicht ohne Emotion gestellt und beantwortet werden, zumal bei den Betroffenen. Weiß der Historiker mehr als der Augenzeuge? Man sollte sich wohl ohne Voreingenommenheit den genauen Berechnungen und Recherchen Friedrich Reichem anvertrauen, der von etwa 25 000 regi strierten Toten spricht; dabei indes nicht vergessen, wie viele außerhalb Dresdens und an den Spätfolgen gestorben sind, die nicht erfaßt wurden. Doch was bedeuten Zahlen gegen über einem Leid, das nur erfahrbar war, nie aber beschreibbar ist? Es »muß wohl ins Be wußtsein gehoben werden, ... daß es Einzelschicksale waren, jedes mit seinem unverwechsel baren Ende, nur durch die Massenhaftigkeit in die Anonymität verbannt«, schreibt Götz Bergander in »Dresden im Luftkrieg« (S. 230), und er kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie Reichert. Im Kapitel »Zur Rezeptionsgeschichte des 13. Februar 1945« wird gezeigt, wie rücksichts- und pietätlos immer wieder die Zahl der Toten aus journalistischen oder politi schen Gründen manipuliert wurde. Als Kernstück des Buches darf jene Fotodukumentation der Stadt aus den Februar- und März tagen 1945 angesehen werden. Heinz Kröbel und Alfred Wernicke, zwei Amateurfotografen, haben festgehalten, wie das Vertraute unvermittelt fremd geworden war: Eine apokalyptische Landschaft, die den Toten gehörte, von der die Lebenden nur zögernd wieder Besitz ergriffen. Dazwischen, sparsam eingeblendet, Bilder aus jener anderen Zeit, jener anderen Stadt, ihrer intakten Häuser, oft geschmückt mit Hakenkreuzfahnen, Straßen mit friedlichen Menschen. Der Alltag der Kriegsjahre ist für Dresden bislang kaum beschrieben worden. Was Heidrun Reim in knappen Ausführungen und dem Bildmaterial vorführt, ist deshalb besonders bedeut sam: eine Pilotstudie gleichsam, die zu einem eigenen Buch führen sollte. Die Schulstuben