2 Günter Jäckel Der 13. Februar 1943 - Erfahrungen und Reflexionen Das sind die Städte, wo wir unser »Heil« - Den Weltzerstörern einst entgegenröhrten. - Und unsre Städte sind auch nur ein Teil - Von all den Städten, welche wir zerstörten. (Bertolt Brecht, Kriegsfibel) Viele von uns werden diesem Kolloquium nicht mit der gelassenen Rückschau des Histo rikers folgen können. Zu nahe sind noch immer die Erlebnisse jener Winternacht: Draht funksender und Sirenen, ein brennender Himmel, die dröhnenden Keller. - Dresden, der 13. Februar: Zeit und Ort und Ereignis sind in den folgenden Jahrzehnten An laß gewesen, über Schrecken und Widersinn eines modernen Krieges nachzudenken, über Schuld und Sühne, Gewissen und Verantwortung. Das Schicksal der Stadt wurde zu einer Parabel, die Ruine der Frauenkirche zum Denk-Mal der Betroffenheit und für die Betroffe nen. Und auch jene - zahlenmäßig nun gewichtigere - Generation, die nicht das Jahr 1945 als prägend ansieht, sondern eher vielleicht das von 1961 oder 1989, ist vertraut mit den Be richten und Zeugnissen über jenen radikalsten Einschnitt, den die deutsche Geschichte und die Stadtgeschichte je erfahren haben. Noch einmal: Es kann auch nach 50 Jahren nicht leicht sein, angemessene Antworten zu fin den auf unsere Fragen; schwer ist es wohl auch, ohne Emotionen das zur Sprache zu bringen, was im Zusammenhang mit jener europäischen Katastrophe steht, die seit 1933 Bild und Geschick der Stadt und unser Leben geprägt hat und die wohl erst mit dem Ende des kalten Krieges, also in diesen Jahren, ein Ende gefunden hat. Eine Archäologie dieser Zeit muß Wunden bloßlegen. Wie es die Traumdeutung Sigmund Freuds zeigt, gibt es keine ungefährdete Begegnung mit der Vergangenheit. Noch heute legen die Bagger gelegentlich alte Fundamente frei; die letzten Luftschutzzeichen sind nahezu ver wischt; ausgelöscht die Kreideschriften an den Ruinenwänden; fast vergessen jene an den jüdi schen Geschäften vom 10. November 1938, die ein Menetekel waren. »Aber das Herz besitzt bekanntlich sein eigenes Gedächtnis.« (Albert Camus) Wie sahen die Mikrostrukturen des Lebens in der zertrümmerten »Festung Dresden« aus? Wie vollzog sich der Alltag in jener heute unfaßbaren Atmosphäre aus dumpfer Resignation und irrationaler Hoffnung, ständiger Angst um die Angehörigen, Furcht bei jeder Meldung über die Luftlage, Denunziation und gläubigem Fanatismus, vielleicht auch Haß und Schuld gefühlen, dem Warten auf das Ende, wohl gar auf die Befreiung? Es sollte später indes noch